Landgrafschaft Hessen aus- gerufen.
„Marburg hat nicht nur ei- ne, Marburg ist eine Univer- sität.“ Tatsächlich wirkt die Stadt deutlich vom studenti- schen Milieu geprägt: Ju- gendliches akademisches Pu- blikum unterwegs – in den Gassen der Oberstadt, auf der Lahnuferpromenade, in Dutzenden von Kneipen, Bi- stros, Cafés und Gartenloka- len. Die kopfsteingepflaster- ten Treppengassen hinauf zum Schloß gewähren Ein- blick in eine Altstadt, die sich nicht im Musealen erschöpft, sondern als Wohnbezirk funktioniert. Hier wird ge- lebt, hier hegt man sein 10-Quadratmeter-Gärtlein, trinkt unter der Linde sein
„Marburger“. Urbanität oh- ne Staffage.
Die Baugeschichte des Schlosses reicht zurück bis ins 11. Jahrhundert. Nach
mehreren Erweiterungen der ursprünglichen Burg hat die Anlage im ausgehenden Mit- telalter etwa so ausgesehen, wie wir sie heute vor uns ha- ben. Der zweischiffige Für- stensaal im Nordflügel (frühes 14. Jh.) gilt als größ- ter gotischer Profanraum in Deutschland. Auf Einladung des Landgrafen Philipp des Großmütigen saßen sich hier 1529 die Reformatoren Lu- ther und Zwingli im „Mar- burger Religionsgespräch“
gegenüber. Nach drei Tagen war in 14 von 15 Punkten Ei- nigkeit erzielt. „Wir seynd noch alle frisch und gesund und leben wie die Fürsten“, schrieb Luther den Seinen von Marburg nach Witten- berg. Im Wilhelmsbau des Schlosses ist das Univer- sitätsmuseum für Kulturge- schichte beheimatet; es zeigt reiche (und gut erklärte) Sammlungen vor- und früh-
A-2563 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 40, 4. Oktober 1996 (65)
V A R I A REISE
Marburgs Oberstadt ist ein Fußgänger-Dorado Fotos (3): Günther Dressler
geschichtlichen Geräts, Waf- fen, Trachten, Möbel, Porzel- lan und kirchliche Kunst.
(Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 11 bis 13 und 14 bis 17 Uhr.)
Gleich unterhalb des Schlosses, an der alten Wehr- mauer, liegt das Café-Restau- rant Bückingsgarten. Dort
sitzt man gewissermaßen auf der landgräflichen Galerie – mit Postkarten-Ausblick über die Stadt hinüber zu den Lahnbergen. „Studier’ mal Marburg“ betitelt das Ver- kehrsamt seine Prospekte.
Kein schlechter Reisetip für Entdeckernaturen.
Günther Dressler Information, Stadtführungen: Verkehrsamt, Neue Kasseler Straße 1, 35039 Marburg, Tel 0 64 21/20 12 62 und 20 12 49, Fax 68 15 26.
Hotels mit Restaurant (Auswahl): Elegant: Europäischer Hof, Elisabethstraße 12, 35037 Marburg, Tel 0 64 21/6 96-0, Fax 6 64 04. Fachwerk-Romantik: Zur Sonne, Markt 14, 35037 Mar- burg, Tel 0 64 21/1 71 90, Fax 16 13 48. Ländlich: Dammühle, 35041 Marburg-Wehrshausen, Tel 0 64 21/93 56-0, Fax 3 61 18.
Restaurants (Auswahl): Gutbürgerlich: Alter Ritter, Steinweg 44, Tel 0 64 21/6 28 38. Küche des Landes und Balkan-Spezialitä- ten: Zur Krone, Markt 11, Tel 0 64 21/2 53 90. Internationale Küche: Aubergine, Ockershäuser Straße 17, Tel 0 64 21/3 58 72.
Café-Restaurant mit Panorama-Blick: Bücklingsgarten, Landgraf-Philipp-Straße 6, Tel 0 64 21/1 36 10.
Altstadt-Cafés, die auch kleine Gerichte servieren (Aus- wahl): Café Vetter, Reitgasse 4; Café am Markt, Markt 9; Café Klingelhöfer, Wettergasse 38.
Kultur: Marburger Schauspiel, Theater neben dem Turm, Stu- diobühne, Kabarett und Kleinkunst, 7 Museen und Sammlungen, Botanischer Garten auf den Lahnbergen.
Wer zur Herbst- oder Winterszeit in der sächsi- schen Oberlausitz unterwegs ist, sollte sich einen Besuch im kleinen Landstädtchen Weißenberg unweit von Bautzen vormerken. Dort gibt es Einmaliges zu besichti- gen – nämlich die Alte Pfef- ferkuchenbäckerei, beheima- tet in einem Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert.
Hier kann der Besucher in anschaulicher Weise nach- empfinden, wie seit Jahrhun- derten aus Honig, Mehl und verschiedenen Gewürzen süße Näschereien entstan- den. Da sind im Erdgeschoß um den urtümlichen Back- ofen herum Backraum, Back- stube, Feinbackstube, Laden und Ladenstube mit Arbeits- geräten und Hausgeschirr zu besichtigen. Und im Oberge- schoß gibt es neben den Wohnräumen des Meisters ei- ne Gewürz- und Spezerei-
enecke mit altertümlichen Behältnissen zu sehen. Wer seine Besuchspläne gar in die winterlichen Schulferien ver- legt, kann bei Voranmeldung am „Neujährchenbacken“
teilnehmen.
Und noch ein Ausflugstip:
Nicht weit entfernt das Völ- kerkundemuseum Herrnhut bei Zittau. Es wurde 1878 ge- gründet, und hier sind Hun- derte Exponate zu betrach- ten, die meist von Missiona- ren der Evangelischen Brü- der-Unität im 19. Jahrhundert auf ihren Reisen gesammelt wurden. Schwerpunkte der ständigen Ausstellungen bil- den unter anderem die histo- rischen Kulturen der Indianer Nord- und Südamerikas so- wie der Eskimos Grönlands, Labradors und Alaskas. Die Herrnhuter Brüdergemeinde wurde durch ihre christliche Missionstätigkeit in aller Welt bekannt (Fremdenverkehrs- verband Oberlausitz/Nieder- schlesien, Taucherstraße 39, 02625 Bautzen, Tel 0 35 91/
4 87 70). U. Uhlmann