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Archiv "Hochschulen/Interview mit Peter Glotz: „Management mit Ellbogenfreiheit“" (31.01.1997)

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DÄ: Was hat Sie eigent- lich in diesen Zeiten der Hochschulmisere dazu ver- anlaßt, den Rektorenposten einer Universität zu über- nehmen, die es noch gar nicht gibt?

Glotz: Die Hochschulmi- sere! Ich glaube, daß man vor Ort mehr ändern kann als in Gesetzgebungskörper- schaften. Die entscheidenden Impulse für die Reform kön- nen heute nur aus den Hoch- schulen selbst kommen.

DÄ: Das thüringische Hochschulgesetz, das Ihre Universität Erfurt betrifft, enthält eine „Experimentier- klausel“. Was für hochschul- rechtliche Experimente wer- den Sie denn in Erfurt ma- chen?

Glotz:Eine ganze Reihe:

Wir wollen einen Global- haushalt, das heißt, wir wol- len unabhängig über die Gelder entscheiden, die uns das Parlament zuweist. Wir wollen dafür sorgen, daß die Universität eine starke Führung hat, daß also der Rektor und auch die De- kane wirklich handlungs- fähig sind – ein Hochschul- management mit Ellbogen- freiheit. Wir wollen ganz neue Formen von Studi- engängen und eine stärkere Strukturierung der Studien- Eingangsphase, so daß ein Studierender nicht erst nach der Zwischenprüfung weiß, was er gelernt hat. Wir wol- len den „Bachelor“ an der

Universität einführen und möglichst auch in der Berufs- welt durchsetzen. Das alles ist in Deutschland unter den heutigen Gesetzen schwer durchsetzbar – bei uns geht es mit Hilfe der Experimen- tierklausel.

DÄ: Sie haben das noch heute gültige erste Hoch- schulrahmengesetz mitver- faßt. Was hat dieses Gesetz zum heutigen Zustand der Hochschullandschaft beige- tragen?

Glotz: Das Gesetz unter- scheidet sich heute erheblich von dem, das ich entworfen habe. Das begann schon da- mit, daß wir es in einer Großen Koalition durchset- zen mußten mit einer Län- dermehrheit der CDU. Und inzwischen ist es mehrfach geändert worden. Ich erken- ne mein Kind gelegentlich nicht mehr wieder. Was es ge- leistet hat, ist eine gewisse Vereinheitlichung im deut- schen Hochschulwesen. Aber in der Tat muß man heute fra- gen, ob nicht eine radikalere Unterscheidung zwischen den Ländern Sinn machen würde.

DÄ: Eine Reform dieses Gesetzes, wie sie die CDU anstrebt, hält der bildungspo- litische Sprecher der SPD, Jürgen Zöllner, für „nicht dringlich“. Sie sind jetzt nicht mehr nur Bildungspolitiker, sondern sollen selbst eine Universität führen. Teilen A-252 (64) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 5, 31. Januar 1997

V A R I A BILDUNG UND ERZIEHUNG

Hochschulen/Interview mit Peter Glotz

„Management mit Ellbogenfreiheit“

Die CDU will das Hochschulrahmengesetz reformieren

und so für mehr Wettbewerb sorgen. Eckpunkte: festge-

legte Regelstudienzeiten, leistungsabhängige Finanzie-

rung, weitgehende Personalautonomie, individuellere

Auswahl der Studierenden. Prof. Peter Glotz (SPD) ist Bil-

dungspolitiker und Gründungsrektor der Universität Er-

furt, die 1999 eröffnen wird.

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Sie dennoch diese Auffas- sung ihres Parteikollegen?

Glotz: Mit Herrn Zöllner gibt es zwei Meinungsunter- schiede: Was er ablehnt, ist ei- ne Individualisierung der Zu- lassung von Studierenden.

Und er lehnt Studienge- bühren ab. Da sind wir in der Tat unterschiedlicher An- sicht. Ansonsten, was das Losbinden der Hochschule vom Staat betrifft, was die in- neren Strukturen der Hoch- schule angeht, hat Herr Zöll- ner absolut die gleiche Mei- nung wie ich.

DÄ:Der sächsische CDU- Wissenschaftsminister Hans Joachim Meyer hat als Kon- sequenz aus der westdeut- schen Hochschulmisere nach der Wende in seinem Bun- desland ein als fortschritt- lich gelobtes Hochschulgesetz durchgebracht. Wäre das nicht eine Blaupause für die anderen Bundesländer, so daß ein neues HRG gar nicht nötig ist?

Glotz: Es wird nicht ein- fach sein, das Gesetz eines einzelnen CDU-Landes zur

Blaupause für alle SPD-Län- der zu machen und umge- kehrt. Ich bin der Meinung, daß neue Strukturen am ehe- sten im Wettbewerb erprobt werden können. Dann kön-

nen andere etwas überneh- men, oder sie können es las- sen – ich persönlich halte ei- nige der Ideen von Herrn Meyer für sehr gut. Aber wie ich den deutschen Föderalis- mus kenne, wird das so nicht passieren.

DÄ: Aber braucht man für diesen Wettbewerb wirk- lich ein neues Hochschulrah- mengesetz?

Glotz: Eine Möglichkeit ist, daß der Bund die nö- tigen Handlungsspielräume schafft. Ich fürchte, daß das nicht funktioniert, weil Bund und Länder einander den Spielraum nicht gönnen wol- len. Kommt es zu einem er- gebnislosen Ringkampf wie beim BAföG zum Beispiel, dann wäre es das Beste, daß sich die Länder vollständig emanzipieren und die Hoch- schulen selbst in die Hand nehmen. Heute schon müs- sen sie etwa beim Hochschul- bau viele Vorhaben allein fi- nanzieren, weil das Geld des Bundes nicht ausreicht.

DÄ: Was halten Sie für kopierfähig am oft beschwo- renen amerikanischen Mo- dell der Hochschulen?

Glotz: Die großen, gut dotierten privaten Hoch- schulen. Das, was auf dem Campus der Stanford Uni- versity stattfindet, die akade- mische Atmosphäre dort und

die Kommunikation. Das ge- samte Hochschulwesen in Amerika würde ich dagegen nicht einkaufen wollen für Europa. Denn was an einem normalen State College statt- findet, ist im Zweifel noch fragwürdiger, als was bei uns abläuft.

DÄ:Läßt sich überhaupt gesetzlich gegen die Demo- tivierung angehen, die von Arbeitsmarkt-Einflüssen und finanzpolitischen Sparmaß- nahmen auf die Hochschulen ausgeht?

Glotz:Durch Gesetze las- sen sich die Hochschulen los- binden. Man muß ihnen die Möglichkeit geben, sich neu zu ordnen und zu orientieren.

Und dann müssen sich die Hochschulen selbst bewegen.

Einige werden das tun, ande- re nicht. Daraus wird ein Wettbewerb entstehen, der nur produktiv sein kann.

Aber damit überhaupt Neues passieren kann, müssen be- stimmte gesetzliche Bestim- mungen weg: etwa die Gän- gelung bei der Zuweisung der Mittel. Zum Beispiel die Tat-

A-253 Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 5, 31. Januar 1997 (65)

V A R I A BILDUNG UND ERZIEHUNG

Prof. Peter Glotz Foto: Holger André

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sache, daß diese Mittel nicht nach Leistung und Kenntnis zugewiesen werden, sondern bürokratisch. Sie müssen auch manche Prozeduren ab- schaffen: Wenn Sie ein halbes Jahr brauchen, um eine wis- senschaftliche Hilfskraft ein- zustellen, dann dürfen Sie sich über demotivierte Leute an den Hochschulen nicht wundern.

DÄ: Sie klingen wie ein Wissenschafts-Manager und nicht wie ein altgedienter So- zialdemokrat.

Glotz: Ich habe immer schon gelegentlich abwei- chende Meinungen geäußert.

Beim Beispiel Studienge- bühren bin ich der festen Auf- fassung: Es muß mehr Geld an die Hochschulen, und weil die Länder das nicht leisten können, müssen sich die Be- troffenen beteiligen. Heute geht es quer zu den alten par- teipolitischen Strukturen. In allen Parteien, auch der SPD, gibt es Strukturkonservative, die mir überhaupt nicht impo- nieren. Wie im übrigen auch bestimmte Minderheiten un- ter den Studenten nicht, die immer noch wiederholen, was ihre Väter aus der Zeit des Sozialistischen Studen- tenbundes gesagt haben.

Interview: Oliver Driesen

A-254 (66) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 5, 31. Januar 1997

V A R I A BILDUNG UND ERZIEHUNG

D

ie gute Nachricht zuerst:

Ein halbes Jahr nach Studienabschluß haben zwei Drittel der Universitäts- und Fachhochschulabsolven- ten einen Job.

Einige der schlechten Nachrichten: Von den frisch- gebackenen Arbeitsplatzbe- sitzern hätte jeder neunte für die Anforderungen seiner Stelle gar kein Studium absol- vieren müssen. Wer auf solch einem Posten landet, be- kommt ein stark unterdurch- schnittliches Gehalt. Und für hochqualifizierte Frauen gar haben sich diese Risiken über die letzten zehn Jahre hinweg

„stark verschlechtert“.

Untersucht haben das in zwei getrennten Studien die Arbeitsmarktforscher Felix Büchel, Gernot Weißhuhn

und Wenzel Matiaske vom Fachbereich Wirtschaft und Management der Techni- schen Universität Berlin. Die Arbeit von Büchel/Matiaske beschäftigt sich dabei speziell mit den Arbeitsmarkt-Aus- sichten der frisch Examinier- ten. Die Untersuchung von Büchel/Weißhuhn – im Auf- trag des Bonner Bildungsmi- nisteriums – analysiert erst- mals für Gesamtdeutschland Anspruch und Wirklichkeit einer „ausbildungsadäquaten Beschäftigung“ für das ganze Spektrum der Bildungsab- schlüsse und Altersgruppen.

Übereinstimmend in bei- den Studien: Frauen sind bei der Job-Vergabe die Verlierer des überkommenen Bildungssystems. Dies sei

„nur zum Teil auf eine klas-

Berufsqualifikation

„MacJobs“ trotz Diplom

Auf den ersten Blick haben Universitätsabsolventen

noch immer die besten Chancen und die höchsten

Einkommen auf dem bröckelnden Arbeitsmarkt. Doch

bei näherem Hinsehen gibt es auch unter Akademikern

viele, die unterbezahlt und überqualifiziert ins Berufs-

leben starten. Zwei Studien untersuchen den Zu-

sammenhang von Berufsausbildung und Erfolg im Job.

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sische Geschlechter-Diskrimi- nierung zurückzuführen“, glauben die Autoren. Viele Studentinnen etwa neigten dazu, Studiengänge „mit un- gewissen Arbeitsmarktper- spektiven“ zu wählen.

Doch sie teilen dieses Schicksal mit ihren nicht stu- dierten Kolleginnen. Landes- weit knapp ein Fünftel aller Beschäftigten, die über ir- gendeine Form der Berufs- qualifikation verfügen, arbei- tet auf Posten, die in Amerika

„MacJobs“ genannt würden:

Arbeitsplätze mit im Ver- gleich zur Ausbildung relativ geringem Status, kaum Aus- sicht auf Karriere, stark zurückfallenden Löhnen und geringer sozialer Sicherheit.

Frauen sind sogar zu rund ei- nem Viertel in einer solch mißlichen Position.

In Ostdeutschland kommt noch hinzu, daß die Marktlage nach der Wende viele hoch- qualifizierte Akademikerin- nen ins berufliche Aus beför- derte. Auch ihr Anteil an un- terwertigen Jobs ist mit über einem Drittel noch einmal höher als in Gesamtdeutsch- land.

Tendenziell gilt: Wer nur einen berufsqualifizierenden Abschluß hat, ist schlechter dran als der Absolvent einer Fachhochschule – und dieser wiederum schlechter als ein Universitätsabgänger. Relativ angemessen im Verhältnis zur Ausbildung ist das Berufs- profil vieler Selbständiger und Mitarbeiter des öffent- lichen Dienstes (dank der

Auswahlkriterien bei der Be- amten-Auswahl, loben die Autoren).

Das Ausbildungssystem ist also marode, der Volks- wirtschaft entstehen massive Verluste durch hochbezahlte und letztlich nicht effiziente Bildungsprogramme, durch Unterbezahlung und nicht ge- nutzte Kreativitäts-Ressour- cen. Mit den Schlußfolgerun- gen aus der festgestellten Mi- sere reihen sich die Autoren jedoch ein in die allgemeine Hilflosigkeit, die seit Jahren beim Thema Arbeitsplätze herrscht: Berufliche Ausbil- dungsordnungen seien fle- xibler an den sich wandelnden Bedarf der Märkte anzupas- sen. Weiterbildung tue auch in höherem Alter not. Dabei steht unausgesprochen die Möglichkeit im Raum, daß es schlichtweg nicht mehr genü- gend qualifizierte Arbeit ge- ben könnte.

Offen bleibe, so die Auto- ren der ersten Studie, wie po- tentielle Anbieter besserer Jobs auf die minderwertige Beschäftigung eines Jungaka- demikers reagieren. Sehen sie darin ein Indiz für mangelnde Leistungsfähigkeit des Bewer- bers oder vielmehr seine Be- reitschaft, zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit zunächst eine schlechte Position in Kauf zu nehmen? Sicher ist, auch ohne wissenschaftliche Untermaue- rung: Auf Personalchefs wirkt zunehmend unattraktiver, wer dem Bild des Idealbewerbers nicht zu 100 Prozent ent- spricht. Peter Tuch

A-255 Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 5, 31. Januar 1997 (67)

V A R I A BILDUNG UND ERZIEHUNG

Wissenschaftsrat sieht Defizite bei der Habilitation

Künftige Hochschullehrer sollen nach Auffassung des Wissenschaftsrates profiliert forschen und kompetent leh- ren, die akademische Selbstverwaltung kennen und inter- nationale Erfahrungen besitzen. Dazu empfiehlt der Rat eine weitere Qualifizierungsphase im Anschluß an die Pro- motion, die maximal sechs Jahre dauern und im Alter von Mitte Dreißig abgeschlossen sein soll. Derzeit weise die Qualifizierung der Hochschullehrer „erhebliche Defizite in der Zielorientierung und Strukturierung auf“, so der Rat in einer Pressemitteilung. Er hält die Habilitation zwar „für einen sinnvollen Ausweis“ über die zur Lehre erforderli- chen Qualifikationen. Alternative Wege zur Universitäts- professur sollten jedoch stärker gefördert werden. AE

Referenzen

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