Sphinkterdehnung heute obsolet
Herr Stelzner hat durch die Er- forschung des Corpus cavernosum recti zweifellos einen der wesent- lichsten Beiträge zum Verständnis der Hämorrhoiden und des Hämor- rhoidalleidens geleistet. Wenngleich seine Ergebnisse auch in neuerer Li- teratur nicht einhellig Zustimmung finden, sind die profunden Kennt- nisse des Autors auf diesem Gebiet unbestreitbar. Trotzdem erfordert der Artikel einige Ergänzungen.
Der Hinweis, daß die schmerz- lose Blutung im Anfangsstadium das einzige Symptom des Hämorrhoidal- leidens ist, kann in dieser Form nicht akzeptiert werden. Häufig ist Jucken und Nässen der Analregion der frü- heste Hinweis auf das Vorliegen ei- nes Hämorrhoidalleidens.
Beim Stadium II wird nur eine von mehreren Entwicklungsmög- lichkeiten erwähnt. Der sich vergrö- ßernde Schwellkörper unterwandert nicht zwangsläufig die Analhaut. Oft bleibt die Linea dentata fixiert. Die vergrößerten, schleimhautüberzoge- nen Hämorrhoiden erscheinen beim Pressen vor dem Analkanal und re- trahieren sich spontan. Symptom dieses Stadiums ist neben Nässen und Schleimfluß häufig eine tropfen- de bis spritzende Blutung. Gerade in diesem Stadium steht mit der Gum- mibandligatur nach Barron eine her- vorragende Behandlungsmethode zur Verfügung, die auch nach erfolg- losen Sklerosierungen erfolgverspre- chend angewandt werden kann.
Bei den Differentialdiagnosen perianaler Erkrankungen wird der — seltene — perianale Bluterguß er- wähnt, nicht aber die häufige peri- anale Thrombose (die Abbildung zeigt allerdings vermutlich kein Hä- matom, sondern eine Thrombose).
Auch bei der perianalen Thrombose kommt es zwar im Laufe von Tagen
bis Wochen zur Selbstheilung.
Durch eine frühzeitige Exzision der Thromben können aber dem Patien- ten schmerzhafte Tage erspart wer- den.
Ob die „maximale Dehnung"
des Analkanals die Symptome des Hämorrhoidalleidens schlagartig si- stieren läßt, sei dahingestellt, wenn auch 1975 entsprechende Ergebnisse veröffentlicht wurden. Welches Ma- ximum erreicht werden soll, bleibt unerwähnt. Die Sphinkterdehnung mag Erfolge bei der Behandlung der Analfissur zeigen, obwohl die mei- sten neueren Veröffentlichungen auf die Gefahr der unkontrollierten Schließmuskelverletzung hinweisen und die Sphinkterotomie favorisie- ren. Bei der Hämorrhoidenbehand- lung sollte die Sphinkterdehnung in Vergessenheit geraten.
Zu dem hundertprozentigen Er- folg der Hämorrhoidektomie ist je-
Schlußwort
Jede schematische Darstellung wird der Vielfalt von Symptomen ei- ner Erkrankung nicht gerecht, aber um Grundsätzliches zu verstehen, sind wir auf die Vereinfachung ange- wiesen.
Jeder perianale Bluterguß (das perianale Hämatom) kommt throm- bosiert zur Beobachtung; der Schwellkörper ist in diesem Fall ge- sund. Der Bluterguß kann eindeutig von einer perianalen Thrombose des hyperplastischen „hämorrhoidalen"
Schwellkörpers unterschieden wer- den. Ich empfehle in der Regel, bei- de Störungen konservativ zu behan- deln, weil jede Wunde am After, falls man also operiert hätte, nicht weniger schmerzhaft ist als die unbe- rührte Erkrankung.
Auch mir widerstrebt die Maxi- maldehnung des Kontinenzorgans
dem Operateur nur zu gratulieren.
Wer jedoch regelmäßig Patienten behandelt, die einige Jahre nach Operationen von proktologisch er- fahrenen Kollegen erneut über Hämorrhoidalbeschwerden klagen, wird dieses Ergebnis bezweifeln. Da bei allen modernen Operations- verfahren auf die totale Entfernung des Schwellkörpers aus bekannten Gründen verzichtet wird, ist eine spätere Hypertrophie des verblie- benden Restes durchaus möglich.
Durch die Kürze des Artikels wurde zweifelsohne eine Kompri- mierung des Inhalts erforderlich, die Mißverständnisse provozieren muß- te. Um so dankbarer bin ich für eine in dieser klaren Form seltene Aussa- ge: Eine zu früh vorgenommene Hä- morrhoidektomie macht nicht „rei- nen Tisch" , sondern verschlechtert gegebenenfalls lebenslang die Schließmuskelfunktion. Ich hoffe, daß diese — bereits auf der Titelseite anklingende — Aussage viel Beach- tung findet.
Dr. med. Wolfgang Söhnlein Chirurg
Praxis für Enddarmleiden Theatergasse 23/Ecke Königstr.
8500 Nürnberg 1
zur Behandlung von Hämorrhoiden.
Ich mußte mich aber von meinen Mitarbeitern überzeugen lassen, die die sehr guten langandauernden Er- gebnisse englischer Autoren bestäti- gen konnten (Hansen, H.: „Neue Aspekte zur Phatogenese und The- rapie des Hämorrhoidalleidens", DMW 102 (1977) 1244 — Hansen, H., Stelzner, F.: Proktologie, 2.
Auflage, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York [1987]).
Sehr verbunden möchten wir Herrn Söhnlein für die Bestätigung sein, daß eine zeitlich zu früh vorge- nommene Hämorrhoidektomie eine irreversible Inkontinenz durch die Schwächung des Sphinkter ani inter- nus zur Folge haben kann.
Professor Dr. med. Dr. rer.
nat. h. c. Friedrich Stelzner Chirurgische Universitätsklinik Sigmund-Freud-Straße 25 5300 Bonn 1
Hämorrhoiden
Zu dem Beitrag von Professor Friedrich Stelzner in Heft 37/1987
A-446 (66) Dt. Ärztebl. 85, Heft 8, 25. Februar 1988