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Est 74-UV9

ßeffe der Geiellfchaft für kommunale Sozialpolitik in Riga.

= =0 Ns. 9. D——: ——

Als Manuskript gedruckt für die Mitglieder der Gesellschaft für kommunale Sozialpolitik in Higa.

Zur Kommunalen Wohnung«

und tiaupolitik.

Vortrag,

gehalten am u. Dezember 190$ in der ©efellfcbaft für kommunale Sozialpolitik in Riga

S. von Roth,

Sekretär der Riaaschen Sanitäts- und Arankenhauskoniniisfion^

M g < 5 .

D r u c k D o n W . F . H a c k e r . 1909.

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Die moderne Wohnungsfrage ist im wesentlichen durch die rapide Entwicklung der Industrie und der Großstädte hervorgerufen worden.

Die meisten Seiten derselben waren den Städten im Mittelalter fremd.

Bei der Begrenzung der Produktion5möglichkeit durch den handwerks­

mäßigen Betrieb, bei dem Fehlen $ufcej£ Kommunikationsmittel, konnten die Städte im Mittelalter nur Handels- und Produktionszentren für ein begrenztes Hinterland fein. Die Bevölkerung war nach Berufs- ständen eng gebunden. Jeder Berufsstand forgte dafür, daß nur so viele Berussgenossen in der Stadt tätig waren, wie es die Bedürfnisse des lokalen Marktes zuließen, jedem Einwohner der Stadt wurde auch die Möglichkeit des Lebensunterhaltes gewährt. Die Bevölkerung der Städte blieb im großen und ganzen eine konstante. Fast jeder selbständige Hausstand bewohnte mit seinen Familiengliedern und (Schilfen sein eigenes Haus. Ließen die ökonomischen Verhältnisse einen Zuzug neuer Einwohner zu oder verlangten sie einen solchen, dann erleichterte die Kommune es den neuen Bürgern nach Möglich­

keit, zu einem Heimwesen zu gelangen, indem sie den Ring der Mauern erweiterte und den Hinzuziehenden Bauplätze und billiges Baumaterial zur Verfügung stellte. Das Zusammengedrängtsein der Bevölkerung hinter hohen Schutzmauern, in schmalen Straßen und hohen, wenn auch kleinen Häusern rief allerdings, zumal bei dem Fehlen guter Wasserversorgung und Kanalisation, so schwere sanitäre Mißstände hervor, wie sie unsere Zeit nicht mehr kennt. Hierin bestand im wesentlichen die mittelalterliche Wohnungsfrage.

Die weitere Entwicklung der Städte ging in Deutschland nur langsam vor sich. Zu Ende des Mittelalters begann sich in beschei- denen Grenzen das System der Mietwohnung zu entwickeln.

Größere Miethäuser entstanden aber erst sehr allmählich, insbesondere zur Zeit des Absolutismus, wo die Fürsten den Bau vou Miethäusern direkt zu fördern begannen, teils auch selbst in die Hand nahmen, um dem ständigen Militär und der Beamtenschaft, den vom Boden losgelösten Klasseu ihrer Untertanen, Unterkunft zu schaffen.

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Fand mit dem Fallen der ständischen Gebundenheit zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein größerer Zuzug zu deu Städten statt, so verlor andrerseits der größte Teil derselben das Schutzbedürfnis der hohen Mauern und, da der Grund und Boden ringsumher billig zu haben war, und das Haus deu Hauptwert eines Grundstücks reprä- sentierte, da ferner Kapital und Kredit nur in geringem Maße vor- Hemden waren, so fand hier auf dem Außenboden tut allgemeinen eine weiträumige Bebauung statt, die wir bei uns ja noch in großen Teilen unserer Vorstädte beobachten können, aber auch immer mehr und mehr schwinden sehen.

Erst seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts trat eine voll- ständige Veränderung aller dieser Verhältnisse ein. Mit den neuen Kommunikationsmitteln fielen die Schranken der Entfernung, die moderne Mafchinenindnstrie ermöglichte eine bis ins ungemessene stei- gende Produktion, der lokale Markt wurde zum Weltmarkt. Ein neuer Stand, der Arbeiterstand, trat hervor, und zu Tausenden und Hunderttausenden strömte er in die Zentren der modernen Produktion, die Großstädte. Das Wachsen der ländlichen Bevölkerung kam zum Stillstaude. Der gauze ungeheure Bevölkerungszuwachs der letzten 40 Jahre in Deutschland kam nur beu Städten zugute und fast aus­

schließlich den Großstädtelt. Der vierte Stand und damit das Gros der Bevölkerung der Städte hat die Bodenständigkeit verloren, steht in voller Abhängigkeit vom Aussteigen und Abfallen der Industrie und muß ihrem Zuge Folge leisten. Platz für dtefeit Zustrom der Bevölkerung zu schaffen, war eine riesenhafte Aufgabe. Der kapi- talistische Zug der Neuzeit bemächtigte sich alsbald des Wohnmtgs- wesens, das kleine Haus begann zu schwinden, an seine Stelle trat das Riesenmiethans mit hochgetürmten Stockwerken und engumbauten Höfen. Die städtische Grundrente erhob sich zu gewaltiger Höhe, der Hausbesitz und Hausbau wurden zum lohnenden Gewerbe. Das Haus und das Grundstück verlieren mehr und mehr ihren Affektionswert, sie werden zu Gegenständen der Spekulation, die sich auch unbebauter Terrains bemächtigt.

Unter solchen Umständen entstand die moderne Wohnnngs- • frage. Sie kann zunächst in einem direkten Wohnungsmangel bestehen. In Zeiten der Hochkonjunktur kann der gewaltige Zustrom neuer Arbeitskräste dazu führen, daß Leute, die ihren reichlichen

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Lebensunterhalt am gegebenen Orte finden würden, trotz Zahluugs- fähigkeit und Zahlungswilligkeit überhaupt fein Unterkommen finden können, oder doch nicht iu der für sie speziell geeigneten Stadtgegend.

Bei den großen und schnellen Schwankungen der Konjunktur ist aller- dings ein temporärer Wohnungsmangel ein Übelstand, der nicht zu überwinden ist, vielleicht nur gemildert werden kann.

Weiter hat die Wohnungsfrage ihre wirtschaftliche Seite. Das Heranwachsen der Städte, das Steigen der städtischen Grundrente hat die Wohnungspreise höher emporschnellen lassen, als das Ein- kommen der Mieter gewachsen ist. Macht sich das schon in den Mittelklassen schwer geltend, so bedeutet es natürlich für die Arbeiter- klaffen, deren Einkommen dem Existenzminimum viel näher steht, direkt eine Herabsetzung des standart of life, kann zur Unterernährung oder zur Übervölkerung der Wohnung führen und somit schwere sanitäre Schädigungen zeitigen. Die dichte und hohe Bebauung der Städte hat auch weiter ungünstig auf die sanitären Verhältnisse eingewirkt, sie hat Licht, Luft und Besonnung, die ersten Erfordernisse für gesunde Zustände, genommen. Das Zusammendrängen der Arbeiterbevölkerung in Mietkasernen mit gemeinsamen Gängen, Korridoren, Aborten und anderen Nebenräumen hat die Ansteckungsgefahr vergrößert.

Endlich hat die Wohnungsfrage eine nicht hoch genug zu schätzende Bedeutung in sittlicher Hinsicht. Auf der Gesundheit des Familien- lebens beruht die sittliche Kraft der Bevölkerung. Der Sitz der Familie aber ist die Wohnung. Mein Hehn soll meine Burg sein, in der die Familie, von fremden Einflüssen unberührt, sich frei entfalten kann.

Die Zustände der Großstädte haben nun vielfach eine Bresche in diese Familienburg gerissen. Ökonomische Verhältnisse haben zur Aufnahme von Aftermietern und Schlafleuten geführt, welche die Geschlossenheit des Familienlebens stören und häufig einen wenig wünschenswerten Einfluß auf die heranwachsende Generation ausüben; die Geschlechter werden vielfach in den Schlafräumen nicht von einander getrennt, endlich führt das Leben in den großen Mietkasernen mit Klein- Wohnungen bei den vielen gemeinsam benutzten Räumen, den gemein- samen Höfen zu schweren Schädigungen des Sonderlebens der Familie, zu beständigen Reibungen, Zank und Streit und häufig schlimmer Beeinflussung vou außeu.

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Diese ungeheure Bedeutung der Wohnungsfrage für alle Gebiete des Lebens hat dazu geführt, daß Wissenschaft und Praxis sich in letzter Zeit in ganz hervorragender Weise dieser Frage zugewandt haben. Die Wohnungsfrage ist theoretisch, ihrem Wesen nach, in allen Richtungen durchforscht worden, die Literatur über dieses Gebiet ist gewaltig herangewachsen. Die Wohnungsfrage hat sich zu einem besonderen Zweige der sozialen Wissenschaften emporgeschwungen.

Gestatten Sie mir aber heute, vou der wissenschaftlichen Seite der Wohnungsfrage abzufehen und ausschließlich die praktische Tätig- feit der städtischen Kommunalverwaltungen ans diesem Gebiete ins Auge zu fassen. Ich werde int weiteren die Tätigkeit der Stadt- Verwaltungen Deutschlands zum Stützpunkt nehmen. Ist doch Rigas Entwicklung im wesentlichen ans einer ähnlichen historischen Basis vor sich gegangen.

Ganz allgemein sind die Stadtverwaltungen Deutschlands zur Einsicht gelaugt, daß das Wohnungswesen ausschließlich dem freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte ohue schwere Schädigungen des Allgemeinwohls nicht überlassen werden kann, daß die Gemeinde fördernd und eindämmend, regelnd und leitend in die bestehenden und entstehenden Wohnungverhältnisse eingreifen muß. Auf zwei Gebieteu macht sich also die Tätigkeit der Kommunalverwaltungen geltend: auf dem Gebiete der Wohnungspflege, also der Für- sorge für die richtige Nutzung und Unterhaltung der bestehenden W o h n u n g e n , u n d a u f d e i n G e b i e t e d e r F ü r s o r g e f ü r d e n W o h n u n g s - bau, worunter alle diejenigen Maßnahmen zu verstehen sind, durch welche auf die Gestaltuug der entstehenden Wohnungsverhältnisse eingewirkt werdet: kamt.

Die Vorbedingung für eiue Tätigfeit der Gemeinde auf dem Gebiete der Wohnttngspflege ist die Kenntnis der bestehenden Zustände, die durch die Wohnungsstatistik vermittelt wird. Eine gute Wohnungsstatistik gehört zu den schwierigsten Aufgaben. Müssen doch alle die vielen Seiten der modernen Wohnungsfrage in den Ergeb­

nissen der Erhebungen nach Möglichkeit einen ziffermäßigen Ausdruck finden. Zunächst gilt es, die Zahl der zur Verfügung stehenden Wohnungen zu finden und festzustellen, ob sie den zur Zeit gegebenen Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht. Hierzu dient der Vergleich

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des Verhältnisses der leerstehenden Wohnungen zu den besetzten. Im allgemeinen nimmt man an, daß, wenn etwa 3% der Wohnungen einer bestimmten Kategorie leer stehen, die für den Bedarf genügende Zahl von Wohnungen vorhanden ist. Eine weitere Aufgabe der Statistik ist die Festsetzung der Lage der Wohnungen: des Stadtteils, des Geschosses, ob am Hof oder an der Straße belegen, wie viele Wohnungen auf das einzelne Gebäude und das Grundstück entfallen.

Ferner die Art und Beschaffenheit der einzelnen Wohnung: die Zahl und der Zweck der einzelnen Räume, ihre Größen-, Luft- und Belich- tnngsverhältniffe, kurz, die Konstatierung, inwieweit die Wohnungen an sich den sanitären Anforderungen entsprechen. Weiter ist klarzu- legen, wie die gegebene Wohnung genutzt wird: die Zahl der Be- wohner, und zwar der Familienglieder, der Dienstboten, der Gewerbe- gehilsen, Aftermieter und Schlafleute, und ihre Verteilung auf die einzelnen Räume, kurz, ob die Nutzung der Wohnung und der ein­

zelnen Räume den hygienischen und sittlichen Anforderungen entspricht.

Endlich gilt es, die Preise der Wohnung, der Astermieterräume und Schlafstellen festzustellen und sie mit der Größe des zur Verfügung gestellten Raumes und, wenn irgend möglich, mit dem Einkommen der Bewohner in Verhältnis zu setzen.

Ein großer Teil der deutschen Städte nimmt in gewissen Perioden Erhebungen über sämtliche Wohnungen der Stadt vor. Andere be- schränken sich aus kleinere Wohnungen mit Astermietern, auf die Ver- hältniffe in bestimmten Stadtteilen oder bestimmten Bevölkeruugs- schichten. Stuttgart geht allen übrigen Städten insofern weit voran, als es das ganze Wohnungswesen der Stadt unter sortlaufender Be- obachtnug hält. Jede verfügbar werdende Wohnung, die Zahl ihrer Räume, der Preis und der voraussichtliche Bezugstermin find dem Wohnungsamte zu melden. Ebenso ist jede vermietete Wohnung ab- zumelden, unter Angabe der Zahl der neuen Bewohner und der ein- zelnen Kategorien derselben. Diese Daten ermöglichen nicht nur eine fort- laufend genaue Beobachtung des Wohnungsmarktes, fondern geben auch d i e U n t e r l a g e f ü r e i n e n s t ä d t i s c h e n u n e n t g e l t l i c h e n W o h n u u g s - nachweis, eine wahrhaft sozialpolitische, segensreiche Einrichtung, die Mietern wie Vermietern unendlich viel Zeit und Kosten erspart.

Die Ergebnisse der Wohnungsstatistik geben die Basis ab, auf bereit Grundlage eine Kommune zur Wohnungspflege, zum Er­

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laß einer Wohnungsordnung und zur Einrichtung einer Wohnungs­

inspektion gelangen kann. Die Wohnungsstatistik zeigt einerseits, worin die größten Mängel der gegenwärtigen Verhältnisse bestehen, worauf bei der Gesetzgebung und praktischen Arbeit am meisten das Augenmerk zu richten ist. Andrerseits wird die Kenntnis der Ver- Hältnisse auch vor der Aufstellung übertriebener Anforderungen schützen.

Ganz klar muß man sich dessen sein, daß weit über die bestehenden Verhältnisse hinausgehende Forderungen nur Schaden stiften können, die Mieten in die Höhe treiben, Menschen ihrer Wohnungen berauben würden, ohne daß Ersatz geschafft werden kann. Weiter gehen kann die Gemeinde nur dort, wo ihr die nötigen Mittel zur Verfügung stehen, nm an Stelle geschlossener Wohnungen in großem Maßstabe neue für die Bewohner derselben Klasse zu schaffen, was bisher nur einigen englischen Städten möglich war.

Es gilt also, einen Kompromiß zu schließen zwischen realen Ver­

hältnissen und idealen Forderungen, es gilt, mit weiser Beschränkung in erster Linie nur die Auswüchse bestehender Zustände auszumerzen.

Diese können nun entweder in der baulichen Anlage oder Unterhai- tung der Wohnungen bestehen, oder sie können durch die Art der Benutzung, durch Unredlichkeit, durch Überfüllung der Wohnungen hervorgerufen werden. Andrerseits können bauliche Mängel durch geeignete Nutzung erheblich gemildert werden. Die vorhandenen Auswüchse können die Gesundheit der Bewohner, ihr Gedeihen in sittlicher Beziehung, ihr Familienleben schädigen. Hier ist es Recht und Pflicht der Gesetzgebung, einzugreifen und Mindestanforderungen an die Wohnung und ihre Nutzung zu stellen. Durch wirksame Handhabung der Gesetze muß die Erfüllung dieser Anforderungen sichergestellt werden.

Die Wohnungsgesetzgebung in Deutschland geht von den Einzel­

staaten, höheren staatlichen Verwaltungsbehörden oder den Gemeinden ans. Die staatliche Gesetzgebung regelt dabei das Wohnungswesen d e r a r t , d a ß d e n e i n z e l n e n S t a d t g e m e i n d e n e i n g r o ß e r S p i e l r a u m f ü r die weitere Ausgestaltung der Bestimmungen bleibt. Ein allgemeines Reichswohnungsgesetz wird angestrebt.

Die Wohnungsordnungen enthalten zunächst Bestimmungen allge- meiner Natur über die erforderliche bauliche Beschaffenheit der Wohnr­

äume: sie müssen genügenden Schutz gegen Wind und Wetter

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gewähren, vor Eindringen der Bodenfeuchtigkeit geschützt sein, direktes Licht in genügendem Maße erhalten. Jede Wohnung nutß einen gesonderten Zugang haben, hat aus bestimmten Räumen zu bestehen, aus jede Wohnung oder eine bestimmte Anzahl von Wohnungen hat ein Abort zu entfallen. Ferner werden die Anforderungen inbezug auf die Benutzung der Wohnung festgestellt: aus jeden Einwohner hat ein bestimmter Luftraum zu entfallen, z. B. in der Wohnung 20 Kubikmeter auf jeden Erwachsenen und 10 auf jedes Kind, in den Schlafräumen 10 Kubikmeter auf den Erwachsenen und 5 auf das Kind. Eine Teilvermietung ist nur gestattet, wenn für die Familie des Vermieters gesonderte, geschlossene Räume übrig bleiben; Dienst­

boten und Arbeiter, Aftermieter und Schlafgänger verschiedenen Ge- fchlechts, mit Ausnahme von Eltern und deren Kindern, dürfen nur in von einander getrennten verschließbaren Räumen unterge­

bracht werden. Die Wohnungen sind von den Mietern sauber und trocken zu halten und ihrer Bestimmung gemäß zu nutzen. Dem Hausbesitzer wird es auferlegt, für die gute Instandhaltung der Woh­

nungen in baulicher Beziehung zu sorgen, alle für die gemeinsame Nutzung der Hausbewohner dienenden Innen- und Außenräume, Treppen, Flure und Höfe in Ordnung zu erhalten, ebenso die Eut- wässernngs- und Wasserversorgungsanlagen.

Eine Durchführung dieser Bestimmungen ist natülich nur dann möglich, wenn die Stadtgemeinde die bestehenden Wohnungen dauernd unter ihrer Beaufsichtigung hält. Hierzu werden in Deutschland meistens besondere Organe: Wohnungsämter und Wohnungskom- Missionen berufen, die zwar mit der Baupolizei und den Gefnndheits- ämtern Hand in Hand arbeiten, jedoch einen selbständigen Zweig der Kommunalverwaltung darstellen. Der beständigen Aufficht der Wohnungsämter unterliegen vielfach nicht alle Wohnungen, fondern vorzugsweise solche, deren Einwohner einer Klaffe angehören, die der besonderen Fürsorge bedarf: Mietwohnungen von weniger als 4 Räumen, Wohnungen, in denen Schlafgänger aufgenommen werden, Schlafräume von Dienstboten, Arbeitern und Lehrlingen, die bei ihrer Dienstherrschaft wohnen. Den Wohnungsämtern stehen als Exekutiv- organe ehrenamtliche Wohuuugspfleger und bautechnisch gebildete Wohnungsinspektoren zur Seite, denen die unmittelbare Aufsicht über die Wohnungen übertragen ist, während dem Wohnnngsvmt die

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Geschäftsführung, Leitung, Oberaufsicht und Entscheidung aller wich- tigeu Fragen zufällt. Die Institutionen, die die Wohnungsinspektion ausüben, sollen im wesentlichen nicht Polizeiorgane, sondern Organe kommunaler Wohlfahrtspflege darstellen. Sie sollen in erster Linie versuchen, Mißstände durch Belehrung und Ermahnung abzustellen.

Die Berichte deutscher Städte über die Erfahrungen der Wohnuugs- iufpektiou lassen erkennen, daß dieses im großen und ganzen auch mit Erfolg gelungen ist. Bei fortschreitender Besserung der Verhältnisse sinkt die Zahl der Beanstandungen, das Zwangsverfahren braucht immer seltener augewandt zu werden. Aber Zwang und Strafe müssen unerbittlich im Hintergrunde stehen, müssen sicher und schnell den Schuldigen und Säumigen treffen. Nur dauu wird das Gesetz wirklich seine Aufgabe erfüllen können. Das Zwangsverfahren ist in Deutschland durch die staatliche Gesetzgebung sehr verschieden geordnet, vielfach ungenügend, andrerseits, wie im Großherzogtum Hessen, so weit fortgeschritten, daß es der Gemeinde das äußerte Mittel, die Zwangsenteignung gesundheitsschädlicher Häuser, zur Verfügung stellt.

Daß auch wir einer ausgiebigen Kenntnis unserer Wohnnngs- Verhältnisse bedürfen, braucht wohl nicht besonders betont zu werden.

Zur Zeit fehlt uns ja jeder weitergehende, allgemeine Einblick in dieselben. Doch müssen wir uns die erheblichen Schwierigkeiten für die Durchführung einer Wohnungsstatistik klar vor Augen stellen.

Wie sich aus dem vorher Gesagten ergibt, muß eine Wohnungsstatistik ungeheuer vielseitige Verhältnisse erfassen können, verlangt große Mittel zu ihrer Durchführung und stellt große Anforderungen an die Kräfte der Beteiligten. Sowohl an Mitteln, wie an geeigneten Per- söulichkeiten, die sich in den Dienst dieser Sache stellen können, sind wir nicht reich. Ich würde daher zunächst vorschlagen, von einer a l l g e m e i n e n W o h n u n g s a u f n a h m e a b z u s e h e n u n d z u e i n e r s t i c h p r o b e n - weifen Enquete zu greifen, die zu ihrem Objekt Stadtgebiete wählen muß, die durch ihre Verhältnisse besonders charakteristisch sind, dabei vielleicht größere Wohnungen überhaupt aus dem Spiel zu lassen.

Was die Frage der Wohnungsinspektion betrifft, so möchte ich zunächst darauf hinweisen, daß bei uns einige Anfänge derselben be- reits vorhanden sind. So dürfen in Riga alle zum dauerudeu Aufent- halt von Menschen dienenden Räume in Neubauten nur mit Er-

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laubuis der Sanitätskommission bezogen werden, die nur dann erfolgt, wenn der besichtigende Stadtarzt dieselben trocken befunden hat. So werden auch vielfach schon genutzte Wohnräume von den Organen der Sanitätskommission, meistens infolge einlaufender Klagen, besich­

tigt, doch ist allerdings eine systematische Beaufsichtigung bei der überbürdung der Stadtärzte mit anderen Aufgaben und bei ihrer geringen Zahl vollständig ausgeschlossen. Schwere sanitäre Mißstände sind bei diesen Besichtigungen vielfach ans Licht gekommen: bauliche Vernachlässigungen böser Art, schlechte Nutzung von feiten der Mieter, Überfüllung der Wohnungen, vor allem aber sehr schlimme sanitäre Zustände in Kellerwohnungen alter Häuser. Bei den Bemühungen, diese Mißstände abzustellen oder zu mildern, haben sich große Schwierig- feiten ergeben. Machte sich hierbei der Mangel genügender gesetz- licher Bestimmungen auch in störender Weise geltend, so lag doch der Schwerpunkt der Schwierigkeit auf anderem Gebiete. Unsere Be- völkernng steht auf einem kulturell noch niedrigen Standpunkt, ist an ein weitgehendes Einschreiten kommunaler Aufsichtsorgaue wenig ge­

wöhnt und fetzt vielfach den Bestrebungen zur Besserung großen Widerstand entgegen. Wirksame Zwangsmaßregeln fehlen aber völlig.

Ein direkter Eingriff der Polizeiorgane mit Zwang und Strafe, wie er in Deutschland gesetzmäßig geübt wird, ist bei uns ausgeschlossen.

Jede Strafe und die meisten Zwangsmaßregeln erfordern einen richter­

lichen Entscheid. Die zulässigen Strafen sind ohnehin nicht hoch und werden gewohnheitsgemäß vom Richter so milde gehandhabt, daß sie ihre abschreckende Kraft fast völlig einbüßen. Läßt der richterliche Entscheid in der ersten Instanz schon gewöhnlich lange auf sich warten und sich leicht verzögern, so liegt noch die Möglichkeit einer weiteren Verschleppung auf Jahre durch die folgenden Instanzen vor. So hat sich z. B. bei ohne Erlaubnis bezogenen, noch feuchten Neubauten kaum einmal die Aussiedelung der Bewohner durchsetzen lassen, so war bei der achten gegen einen Hausbesitzer eingereichten Klage wegen sanitärer Vernachlässigung seines Grundstückes die erste noch nicht entschieden, so sind eben noch nach dein Baugesetz zur Besiedelung unzulässige Räume in Keller- und Dachgeschossen mehrerer Häuser bewohnt, obgleich vor mehr als zwei Jahren dagegen Klage erhoben wurde, so daß die voraussichtliche Strafe vom inzwischen eingeflossenen Mietertrag nms vielfache überholt werden wird. Zur Durchführung

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der Wohnungsinspektion bedürften wir der beständigen Mitwirkung der Polizeiorgane. Nun sind aber letztere nicht nur überlastet, sondern stehen auch auf einem niedrigen Kulturniveau und sind verschiedenen an sie herantretenden Versuchungen nur allzu zugänglich.

Dem Erlaß eines Ortsstatuts, das die Wohuuugsverhältuisse regelt, steht freilich vou feiten der Reichsgesetzgebung kaum etwas entgegen. Wird sich aber bei uns unter den geschilderten Verhält- nissen eine Wohnungsinspektion in großem Stil mit einem Erfolge durchführen lassen, der den aufgewandten Mühen und Mitteln ent­

spricht ? Wir müssen in Riga, nach Schätzungen des Statistischen Amts, mit 70—76000 Wohnungen rechnen. Nehmen wir nun an, daß nur etwa 40—50000 davon als Kleinwohnungen unter ständiger Aufsicht zu halten wären, so kann naturgemäß nur ein großer, be- sonderer Verwaltungskörper diese Arbeit bewältigen. Das ehrenamt- liche Element wird bei uns ausschließlich in den Bestand der Woh- nungskommission verlegt werden müssen, mit ehrenamtlichen Woh- nnngspflegern dagegen können wir nicht rechnen, da wir die Hunderte von geeigneten Personen mit dem nötigen Verständnis und genügen- der freier Zeit nicht siitdm würden, die hierzu erforderlich wären.

So müßte eine große Zahl tüchtiger Beamter herangezogen werden.

Das alles würde große Mittel erfordern bei durchaus zweifelhaftem Erfolge. Aber doch sollte man beim gegenwärtigen Stand der Dinge nicht stehen bleiben. Ich möchte als Mittelweg den weiteren Ausbau gegenwärtiger Verhältnisse vorschlagen. Einige Bestimmungen über die Benutzung von Räumen zu dauerndem Aufenthalt von Menschen sind in unserem neuen Baugesetz schon vorhanden. So wird sür solche Räume eine Höhe von 9 Fuß und direkte Belichtung durch Fenster verlangt, welche einen bestimmten Abstand von den gegenüber- liegenden Mauern haben müssen. Ebenso enthalten die Bauregeln Bestimmungen, welche die Benutzung von Kellerräumen zum dauern- den Aufenthalt vom genügenden Schutz gegen Bodenfeuchtigkeit, von bestimmten Belichtungsverhältnissen und ihrer Lage über mtd unter dem Erdreich abhängig machen. Gelten diese Bestimmungen nur für die seit 1904 erbauten Häuser, so enthalten doch auch schon die alten Bauregeln von 1880 einige, wenn auch geringere Anforderungen an zu Wohnzwecken dienende Kellerräume. Ferner haben wir ein Orts- statut über die Anlage und Unterhaltung von Volksherbergen in Riga,

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Hier sind also schon Anhaltspunkte vorhanden, die der Wohnnngs- Lnspektion eine Handhabe bieten. Einige der schwersten Auswüchse bestehender Zustände, die die Wohnungsstatistik klarlegen würde, könnten weiter durch einschlägige Vorschriften bekämpft werden. Der Sanitätskommission wären zur Erweiterung ihrer Tätigkeit ein oder zwei bautechnisch gebildete Beamte beizuordnen, die vor allem als Wohnungsinspektoren, teils allein, teils gemeinsam mit den Stadt- ärzten, tätig zu sein hätten. Einige Erfolge werden sich auf diesem Wege doch erzielen lassen, wenn auch schwere Mißerfolge bei der oben geschilderten Sachlage sicher sind. Lassen aber veränderte Ver­

hältnisse einen weiteren Ausbau der Wohnungspflege zu, fo werden auf der Grundlage der praktischen Erfahrungen die weiteren Schritte um so sicherer und richtiger getan werden.

Vorläufig aber müssen wir das Schwergewicht unserer Wohnnngs- P o l i t i k a u f d a s G e b i e t d e r F ü r s o r g e f ü r d e n W o h n u n g s b a u verlegen.

Für die künftige Gestaltung des Wohnungswesens ist zunächst die Bauordnung von bestimmender Bedeutung. Eine der größten Aufgaben jeder Stadtverwaltung ist es, durch die richtige Regelung der baulichen Nutzung für ein sozial und hygienisch gesundes Wohnen gegenwärtiger und vieler Rethen künftiger Generationen zu sorgen.

Jede Bauordnung stellt ihrem Wesen nach eine Beschränkung des Eigentumsrechtes dar, deren Berechtigung in dem Schutz allgemeiner Interessen liegt. Wurde zunächst bei diesen Beschränkungen der Schutz gegen Feuersgesahr und die Bausestigkeit in erster Linie ins Auge gefaßt, so treten seit dem letzten Viertel des verflossenen Jahr- Hunderts sanitäre und soziale Forderungen immer mehr in den Vorder- grnnd. Mit rem idealen Anforderungen kann natürlich auch hier nicht gerechnet werden. Vor allen Dingen darf niemand in dem gegenwärtigen Wert seines Besitztums geschmälert werden. Trotz aller baulichen Beschränkungen muß der gegenwärtige Stand des Grundwerts bei Neubauten voll zur Rente gebracht werden können.

Darin aber liegt auch die Mahnung an alle Stadtgemeinden, mit der richtigen Gestaltung der Bauordnung nicht zu zögern, denn bei jeder heranwachsenden Stadt zeigt die Grundrente eine immer weiter steigende Tendenz. Der Wert des Grnnd und Bodens ist nun in verschiedenen Stadtgegenden ein sehr verschiedener. Er hat die

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natürliche Neigung, in den zentralen Teilen auf dem Höhepunkt zu stehen und nach außen hin so lange zu fallen, bis er den von der landwirtschaftlichen Nutzung gegebenen Stand erreicht.

Muß auch durchaus anerkannt werden, daß die hohe und enge Bebauung für große Teile der Stadt eine wirtschaftliche Notwendigkeit darstellt, so braucht sie doch keineswegs in gleichem Maße auf alle weiteren Stadtgebiete ausgedehnt zu werden. Nach dem gegenwärtigen Stande der Grundrente können ititd müssen in den Bauordnungen Abstufungen geschaffen werden, bei denen, je nach dem Bodenwert, den sanitären und sozialen Forderungen, ein immer weiterer Spiel- räum zu gewähren ist. Zugleich wird durch solche Maßnahmen dem spekulativen Hinauftreiben der Bodenpreise eine Grenze gesetzt, über die es nicht hinausgehen kann. Neben den Preisen für den Boden sind natürlich auch andere Faktoren maßgebend für die Abmessung der vou einer Bauorduuug zu stellenden Anforderungen. So verlangt der Verkehr, so verlangen die parallel mit der Ausdehnung der Stadt wachsenden Kosten fiir Straßenbau und -beleuchtung, für Kanalisation und Wasserleitung eine räumliche Begrenzung und ein höheres Maß der Bebauung. Nach diesen Gesichtspunkten sind in Deutschland in den letzten Jahrzehnten in der Mehrzahl der Großstädte abgestufte Bauordnungen geschaffen worden.

Licht uud Luft sind die ersten hygienischen Anforderungeil, die eilte Bauordnung an entstehende Wohnungen zu.stellen hat. Zunächst wird eine Minimalhöhe — meistens von 3 Metern — für die Innen- räume neuer Wohuuugeu verlangt, weiter häufig cht Mindestverhältnis der Fensterfläche zu der Fußbodenfläche oder dem Rauminhalt eines Zimmers festgesetzt. Zur Sicherung des Lichteinfalls von außen dient einerseits eine festgesetzte Maximalhöhe der Gebäude und dienen andrerseits Regeln, die den Mindestabstand der Gebäude von einander bestimmen. Daß die Gebäudehöhe der Straßenbreite entsprechen muß, somit ein Mindestlichteinfall von 450 für die Fenster der Straßen- fronten festgestellt wird, ist eine der gebräuchlichsten Forderungen, die sich leider im dichter besiedelten Kern der Städte auf die Abstände im Hof nicht hat übertragen lassen. Für die genügende Zufithr der Außenluft werden, als Korrektur der Abstandsregelit, Vorschriften über das Mindestverhältnis des unbebaut zu lassenden Raumes eines Grundstücks zum bebaubaren Teil desselben festgesetzt. Ebenso wird

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die Zahl der zulässigen Stockwerke bestimmt. Den Bauzonen ent- sprechend, werden diese Forderungen verschärft, das zulässige Mindest- maß weiter herabgesetzt. Für gewisse Zonen tritt das Verbot von Hinterwohnungen hinzu durch eine bestimmte rückwärtige Baulinie, so daß das Innere der Baublöcke für Gärten und Höfe frei erhalten bleibt. Endlich werden Bauzonen vorgesehen, die nur die offene oder halboffene Bauweise zulassen. Luftzufuhr und Luftwechsel und die so wichtige Durchsonnung der Wohnungen werden so in immer weiterem Maße sichergestellt. Keineswegs aber soll diese Abstufung rein schematisch angewandt werden, sie soll abhängig gemacht werden sowohl vom Charakter der bisherigen Bebauung, wie auch vou der für die Zukunft anzustrebenden. Für Verkehrs- und Geschäftsstraßen dürfen eine höhere Gebäudehöhe und dichtere Bebauung zugelassen werden, als in Straßen, deren anliegende Grundstücke ausschließlich dem Wohnzweck dienen sollen.

Die Abstufung der Bauordnung hat auch in sozialer Hinsicht große Vorzüge. Durch Einschränkung der Etagenzahl und der Hinter- gebäude wird die Verbreitung der Mietkaserne eingedämmt, das kleine Wohnhaus, das Einfamilienhaus, wieder möglich gemacht. Ich möchte hierbei nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß die Mietkaserne keineswegs die allein mögliche Form für Arbeiterwohnungen in Groß- ftädteu ist. Ju mehreren rheinischen Industriestädten, in Elberfeld und Barmen, ist das Kleinwohnhaus mit 2—4 Quartieren für Ar­

beiterwohnungen durchaus vorherrschend, wobei die Mietpreise im Vergleich zu Industriestädten des Ostens eher niedriger sind. Das im Eigenbesitz befindliche Einfamilienhaus befitzt wiederum eine große Anziehungskraft für den gebildeten Mittelstand, dessen feste Ansied- lnng in der Stadt der städtischen Selbstverwaltung ein besonders wünschenswertes Element zuführen wird. Der Bau von kleinen Wohn- Häusern wird von mehreren deutschen Bauordnungen wesentlich dadurch gefördert und erleichtert, daß eine ganze Reihe von Vorschriften über Treppenkonstruktionen, Durchfahrten zum Hofe, Brandmauern und Mauerstärke für kleine Bauten herabgemindert werden oder völlig wegfallen, während früher die Kleinbauten geradezu unterdrückt wurden, indem auf sie in schematicher Weise die Forderungen übertragen wurden, die für große, hohe Miethäuser in bezug auf Feuerschutz und Konstruktionssicherheit notwendig sind. Hier muß also eine richtige

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Abstufung der Bauvorschriften nach Gebäudegattungen fördernd ein­

greifen.

Bauordnungen sollen weiter dafür sorgen, daß bei Neubauten eine gute Wasserversorgung und eine geeignete Beseitigung der Ab­

wässer sichergestellt seien. Hier sind nun viele deutsche Städte soweit fortgeschritten, daß Neubauten überhaupt uur dort zugelassen werden, wo Wasserleitung und Kanalisation durchgeführt sind. Läßt sich dieses n o c h n i c h t e r r e i c h e n , s o s o l l t e d i e B a u o r d n u n g n o c h e i n e w e i t e r e A b ­ stufung vorsehen, indem sie die Baudichtigkeit auch in Bezirken der- selben Klasse davon abhängig macht, ob Wasserleitung und eine gere- gelte unterirdische Ableitung der Abwässer vorhanden sind, wie solches auch die Bauordnung für die Berliner Vororte vom Jahre 1892 vor­

sieht. Denn fehlen unterirdische Entwässerungsanlagen noch völlig, so erwachsen mit der steigenden Baudichtigkeit auch die Gefahren der Verschmutzung und Durchseuchung der Brunnen und des Bodens.

Von großer Bedeutung für die Gesundheit von Wohnbezirken sind ferner die Bestimmungen deutscher Bauordnungen, durch die in solchen Bezirken die Neuanlage gesundheitsschädlicher luftverderbender und lärmender Industrie- und Gewerbebetriebe völlig ausgeschlossen wird und diesen besondere Rayons zugewiesen werden.

Das gesunde Wohnen der Bevölkerung wird endlich durch emc ganze Reihe weiterer Vorschriften geregelt. Ich beschränke mich darauf, auf die Bestimmungen über die Fernhaltung von Bodenfeuchtigkeit, über die Anlage und richtige Ventilation der Aborte, über die Vor- kehrungen zur Beseitigung von festen Abfallstoffen hinzuweisen.

Unsere neue Rigasche Bauordnung vom Jahre 1904 stellt gewiß gegenüber den alten ministeriellen Banregelu einen bedeutenden Fort­

schritt dar. Aber sehr vieles läßt doch ihre baldige bessere Ausgestal- tuug dringlichst geboten erscheinen. Zunächst fehlt unserer Bauordnung noch völlig die richtige Abstufung in Bezirke nach der sanitären und sozialen Seite hin. Denn wenn für den Vorortbezirk auch die offene Bauweise vorgeschrieben ist, so gilt dies doch nur für Gruudstücke von mehr als 600 Quadratfaden Größe; werden im Holzbaurayon für Holzbauten weitere Abstände verlangt und ist die zulässige Bau- höhe derselben beschränkt, so sind hier andrerseits Steinbauten zu- gelassen, für die die Höhen- und Abstandsregeln des Steinbanrayons gelten. Gewiß ist ein größeres Wachsen der Baudichtigkeit bei den

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ungeheuren Territorien und der bisher zum Teil so weiträumigen Bebauung der Stadt eine Notwendigkeit, da sonst die Durchführung der allgemeinen Assanierung der Verhältnisse durch Kanalisation und Wasserleitung, der Straßenban und andere Bedürfnisse pekuniäre Opfer verlangen würden, denen die Stadtgemeinde nicht gewachsen wäre, zumal da bei uns die einzelnen Hausbesitzer zu diesen Kosten nur in beschränktem Maße herangezogen werden können, weil uns das Recht der deutschen Städte zur Repartierung der Anliegerkosten fehlt. Gewiß sind gegenwärtig unsere Lust- und Lichtverhältnisse noch um vieles besser als in den meisten Großstädten Deutschlands. Wird aber der euge Sechsetagenbau für das ganze Stadtgebiet noch weiter zugelassen, so stehen wir vor schweren sanitären und sozialen Gefahren.

Schon entstehen in Außenbezirken hie und da steinerne Mietskasernen mit engumbauten Höfen, die stets weitere nach sich ziehen und die Bodenpreise in die Höhe schrauben. In entfernten Stadtgegenden, wie in Schreyenbnfch und Alexandershöhe, beginnt eine Bebauung der Grundstücke, die das äußerste für Holzbauten gegebene Maß der Bebauungsdichtigkeit voll ausnutzt und beim Fehlen von Wasserleitung und unterirdischen Entwässerungsanlagen schwere Gefahren für Ver- fenchnng der Brunnen und des Grund und Bodens hervorruft, zumal da die Bestimmung unseres Baugesetzes über die Sammlung der Ab- wässer in undurchlässigen Schachten sich nirgends wirklich durchführen läßt. Das kleine Wohnhaus, das Einfamilienhaus, schwindet immer mehr, besonders im Steinbaurayon, denn die Anforderungen, die an dasselbe gestellt werden, sind völlig dieselben, wie für das große Miethaus. Für schmale Grundstücke ohne Hofbebauung sind die vor- geschriebenen großen Hofdurchfahrten entbehrlich, die Anforderungen an die Breite uud Feuersicherheit der Treppen sind für kleine Häuser durchaus herabsetzbar, das Verbot gemeinsamer Brandmauern unnütz.

Es wird Zeit, daß wir unsere Bauordnung in bezug auf horizontale wie vertikale Baudichtigkeit fachgemäß abstufen, dabei die Waffer- verforgungs- und Abwasserverhältnisse mit in Betracht ziehen und durch Herabsetzung der baulichen Anforderungen an Kleinbauten das Entstehen derselben nach Möglichkeit fördern. Bei der Vielseitigkeit der Interessen, die hierbei eine Rolle spielen, ist das allerdings eine unendlich schwierige Aufgabe. Vielleicht dürfte es auch für unsere Kommunalverwaltung das Richtige sein, wenn hierbei die Hilfe eines

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auf dem praktischen, wie theoretischen Gebiete der Wohnnngs- und -baufrage versierten Spezialisten in Anspruch genommen würde, wie es deutsche Stadtverwaltungen neuerdings mehrfach getan haben.

Ein dringendes Erfordernis für unsere Bauordnung ist ferner die Verlegung aller neuentstehenden störenden und schädigenden In- dnstrie- und Gewerbebetriebe in bestimmte Bezirke. Gegenwärtig sind dieselben nur im I. und II. Steinbaubezirk durch das Baugesetz aus- geschlossen. Die Verhältnisse liegen bei uns in dieser Beziehung sehr schwierig, indem unsere Industrie sich fast in allen Gebieten der Stadt festgesetzt hat und weiter ansiedelt, andererseits die für sie meistens so notwendigen Voraussetzungen der Wasserversorgung und der unter- irdischen Entwässerungsanlagen, wie auch der Verkehrsmittel allen entlegeneren Außengebieten völlig fehlen. Bestimmte geeignete Bau- rayons für solche Betriebe zu schaffen, neu entstehende ausschließlich dorthin zu verlegen, das ist eine der dringendsten Anforderungen unserer Verhältnisse, und zwar auch im Interesse unserer Industrie, da gewisse Zweige derselben zur Zeit bei uns überhaupt keine Unter- kirnst finden können.

Gestatten Sie mir nun einige spezielle Bemerkungen über unser bestehendes Baugesetz, das ja auch bei einer auszugestaltenden Ab- stusung desselben für ein großes Gebiet im wesentlichen wird bestehen bleiben müssen. Einige Veränderungen sind aber dringend nötig.

Unsre Bauordnung hat nur eine Bestimmung über die absolute Minimalgröße der Höfe, stellt hingegen gar kein Mindestmaß für den Prozentsatz des unbebaut zu lassenden Teils eines Grundstücks sest.

Damit aber die genügende Luftzufuhr garantiert fei, ist die Bestim­

mung eines solchen Verhältnismaßes dringend erforderlich, da die Abstandsregeln allein hierzu nicht ausreichen. Ferner ist die Fest- setzmtg des Minimalabstands der Gebäude von der Nachbargrenze auf 14 Fuß bei zweietagigen und 21 Fuß bei mehretagigen Häusern ungenügend, da der Nachbar au der Grenze eine bis über 70 Fuß hohe Brandmauer ziehen kann, womit völlig ungenügende Luft- und Lichtverhältnisse geschaffen würden. Einige deutsche Städte, die einen größeren Abstand von der Grenze festsetzen, haben diese Vorschrift dadurch fehr zweckentsprechend gemildert, daß sie den Nachbarn den zwischen den beiderseitigen Gebäuden liegenden Abstand in Rechnung bringen, wenn dieser von ihnen grundbuchmäßig für alle Zeiten fest­

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gelegt wird. Vielleicht wäre dieser sinnreiche Ausweg auch bei uns möglich. Auch die Regel, daß die Höhe eines Gebäudes zur Straße der Breite derselben ensprechen muß, hat eine Veränderung zu er- fahren. Denn die Bestimmung, daß hierbei Ausbauten, Karnise, und Zierraten, die zur Verschönerung der Gebäude in architektonischer Hinsicht dienen, nicht in Betracht gezogen werden sollen, hat dazu geführt, daß deu unteren Etagen der gegenüberliegenden Häuser wie den Straßen selbst in unzulässiger Weise Licht und Luft entzogen worden ist, ohne daß dabei beträchtliche schönheitliche Erfolge erzielt worden find. Sollen wir endlich den tust-, licht- und sonnenlosen Keller- Wohnungen nicht energischer entgegentreten! In Deutschland werden sie vielfach überhaupt nicht mehr zugelassen, oder doch uur bei einer Lage von 1 Meter unter dem umgebenden Erdreich und einem dauernd gesicherten Lichteinsallswinkel von 45 °. Die Anlage ganzer Kelleretagen zu Wohnzwecken ist dort überall verboten. Ähnliches müßte sich doch auch bei uns erreichen lassen.

Die Durchführung der Bestimmungen der Bauordnung bei Neu- bauten stößt zum großen Teil auf keine unüberwindlichen Schwierig- leiten. Lasten sich doch alle Stadien des Baues, beginnend mit dem Plane, genau von der Bauaufsichtsbehörde verfolgen, so daß sich Gesetzwidrigkeiten stets herausstellen müssen. Auch wird sich der Bauende vor Überschreitung der zulässigen Etagenzahl, der Abstände, des Maßes der zulässigen Bebauung seines Grundstücks wohl hüten, da solche Übertretungen schließlich doch die Verurteilung zum Abbruch nach sich ziehen würden.

Anders liegt es allerdings mit denjenigen Bestimmungen der Bauordnung, die sich auf die spätere Nutzung der Gebäude beziehen, worauf ich schon früher hingewiesen habe.

Neben der Bauordnung ist der Plan der künftigen Aus- gestaltung der städtischen Bebauung für die Entwicklung des Wohnungswesens von wesentlicher Bedeutung. In Deutschland sind f a s t a l l e g r ö ß e r e n S t ä d t e i m B e s i t z e e i n e s B e b a u u n g s p l a n s , d e r f ü r etwa 20—30 Jahre die systematische Weiterentwicklung der Stadt ins Auge faßt. Für das Wohnungswesen ist hierbei das wichtigste, daß öffentliche Plätze und Anlagen, die der Lusterneuerung dienen, in genügender Zahl vorgesehen werden, daß neben breiten Verkehrs­

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straßen auch schmälere Wohnstraßeu geplant werden, vor allen Dingen, daß durch die Straßenanlagen Baublöcke vou einer Tiese bedingt werden, die Hinterwohnungen ausschließt, dabei aber doch einen genügenden Luftraum im Hinterlande frei läßt. Bauviertel für Fabriken, für Arbeiter- und Mittelstandswohnungen, für Einfamilien- Häuser und Geschäftshäuser verlangen eine verschiedene Behandlung bei der Straßen- und Grundstücksanlage. Alles das muß vom Be- bannngsplan vorgesehen werden. Weiter soll er natürlich auch die Verhältnisse schon bebauter Gegenden berücksichtigen und hierbei nicht nur die Verbesserung der Verkehrs-, sondern auch der Wohuungs- Verhältnisse ins Auge fassen. Das Fehlen eines allgemeinen Bebau- uugsplaues in einer wachsenden Stadt wird sich stets schwer geltend machen. Augeublicksbedürfuiffen kann auf Kosten der allgemeinen Entwicklung zu sehr Rechnung getragen werden, nötige Erweiterungen werden verzögert, dem Eigenwillen der privaten Grundbesitzer kann Vorschub geleistet werden. In Riga ist von der Stadtverordneten- Versammlung ein Plan zur Verbesserung der Verhältnisse in der Altstadt in den Grundzügen festgesetzt worden, die Arbeiten an einem solchen Plan für die weiteren schon besiedelten Gebiete werden in nächster Zeit fertig vorliegen. Ein allgemeiner Bebauungsplan, der auch den anzustrebenden Ausbau unbebauter Außengebiete ins Auge faßt, fehlt jedoch noch völlig und ist im Interesse der systematischen Entwicklung unsrer Wohnungsverhältnisse anzustreben.

Fehlt uns auch das fast in allen Staaten Deutschlands den Ge­

meinden zustehende Enteignungsrecht für Straßen und Plätze und verlangt bei uns jeder einzelne Fall einer Enteignung einen beson- deren Befehl des Kaisers, so gibt es doch manche Handhaben, welche die Durchführung eines Bebauungsplans erleichtern. Zunächst sieht schon die russische Reichsgesetzgebung vor, daß die Städte nach einem von den entsprechenden Regierungsorganen, für Riga dem Ministerium des Innern, bestätigten Plan zu bauen sind. Weiter bedürfen auch nach unseren geltenden Bauregeln neue Straßenanlagen der Bestäti- gung durch die Stadtverwaltung, und die Bebauung von Grund- stücken ist nur dann gestattet, wenn sie an bestätigte Straßen grenzen.

Endlich werden wohl vielfach die Interessen der betreffenden Grund­

besitzer mit denen der Stadtgemeinde zusammenfallen, fodaß sich dann eine gütliche Einigung unschwer wird erzielen lassen.

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Für die gesamte Ausgestaltung des Wohnungswesens einer Stadt ist der städtische Grundbesitz von der größten Bedeutung. Hier kann der Bebauungsplan ohne jede Schwierigkeit durchgeführt werden und dabei nicht nur die künftigen Straßenanlagen, sondern auch die Grenzen des einzelnen Grundstücks vorsehen, hier kann der Charakter der künftigen Bebauung direkt vorgeschrieben werden, wenn nötig, durch genaue Bestimmung der Belegenheit, Größe und Höhe der Häufer. Durch reichliche Erschließung von billigem kommunalen Bau- land ist zudem die Gemeinde in der Lage, wirksam gegen die Ent­

stehung eines Wohnungsmangels anzukämpfen und der schädlichen Bo- denspeknlation entgegenzuarbeiten, die Terrains nicht zur Ausschließung und Bebauung zu erwerben sucht, sondern um die Preise derselben durch Zurückhaltung vom Markt in die Höhe zu treiben. Die Er- Weiterung des städtischen Grund und Bodens ist darum die Grund- läge einer zielbewußten kommunalen Wohnnngs- und Bodenpolitik.

Riga ist in bezng ans den im unmittelbaren Eigentum der Stadt befindlichen Bodenbesitz in einer den meisten Großstädten Deutschlands gegenüber sehr günstigen Lage. Im Jahre 1906 (31. Dezember) waren im Areal des engeren, von der Riga-Mühlgrabener, Riga-Oreler und Riga-Bolderaaer Eisenbahn begrenzten Stadtgebiets, bei Aus- schluß der Straßen, Verkehrsplätze, des Eisenbahnterrains und der Wasserflächen, fast 28# in städtischen Besitz, eine Quote, die sich im weiteren Außengebiet als viel günstiger erweisen dürste. Ist früher mancher wichtige Bodenerwerb versäumt worden, so sind in letzter Zeit doch mehrfach größere Areale von der Stadt erworben worden. Der hierin befchrittene Weg muß auch weiter zielgemäß verfolgt werden.

Die Weiterveräußernng des städtischen Grund und Bodens darf nur planmäßig vor sich gehen, und die allgemeinen Interessen müssen dabei stets die ausschlaggebende Rolle spielen. Augenblickspolitik und das Vorwiegen fiskalischer Interessen würden die schwersten Schädi- guugen auch für das Wohnungswesen zur Folge haben.

Um den Grund und Boden der Gemeinde zu erhalten, ihn dabei doch Wohnungszwecken zur Verfügung zu stellen, macht sich in meh- rereit deutschen Städten das Bestreben geltend, ihn nicht zu veräußern, sondern auf 60 —100 Jahre in Erb bau zu vergeben (Frankfurt, Halle, Leipzig). Dem Erbbauberechtigten wird der Bau dadurch er- leichtert, daß er nur einen jährlichen Erbbauzins zu zahlen hat und

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kein Kapital für den Bodenerwerb nötig hat; die Stadt dagegen ge- winnt den ungeheuren Vorteil, daß sie nach Ablauf der Frist den Wertzuwachs des Grund und Bodens gewinnt und letzteren mit den Bauten wieder zur freien Verfügung erhält. Eine Entschädigung des Erbbauberechtigten nach einer billigen Taxation des Gebäudewertes mit einem Prozentsatz desselben beim Ablans des Termins wird vor Vernachlässigung der Gebäude schützen, - auch die Beleihung der Ge- bände erleichtern, die natürlich nur in tilgbaren Hypotheken bestehen kann. Da der Erbbau auch bei uns rechtlich durchführbar fein dürfte, fo wäre ein Versuch, ihn bei der Vergebung städtischer Grundstücke anzuwenden, gewiß lohnend.

Ich möchte nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß Riga beim Verkauf vou städtischem Grund und Boden sich stets das Obereigen- tum an ihm vorbehält, welches sich nicht nur in einem jährlichen Grundzins äußert, sondern auch darin, daß der Stadt das Vorkaufs- recht bei jeder Weiterveräußerung des Grundstücks vorbehalten bleibt und Grundstücke nur mit ihrer Genehmigung geteilt werden dürfen.

Da in Deutschland unterminierte dingliche Rechte stets der Ablösung unterliegen, so ist dieses Rechtsinstitut dort nicht bekannt. Der große Vorteil, deu es bei der Regulierung und Ausgestaltung der Verkehrs- und Wohnungsverhältnisse darbietet, liegt klar zutage.

Auf die Gestaltung des Wohnungswesens kann die Gemeinde unmittelbar einwirken, indem sie selbst Wohnungen baut. Eiu Heim für Obdachlose ist zunächst ein notwendiges Erfordernis. Denn soll die Wohnungsinspektion wirksam eingreifen, so muß für die Eiu- wohner zu assanierender Wohnungen eine zeitweilige Unterkunft ge­

schafft werden, bis eine passende neue Wohnung für sie gefunden ist oder die erforderlichen Umbauten stattgefunden haben. Zuzeiten, wo Wohnungsmangel herrscht, könnte ein solches Heim wenigstens einigen Hilfe schaffen. Das Fehlen desselben macht sich bei uns auch dann schmerzlich geltend, wenn es sich um zeitweilige Unterbringung von Familien handelt, deren Wohnungen einer Desinfektion unter- worfeu werden.

Ein weiterer Weg ist von vielen deutschen Stadtgemeinden be- schritten worden, indem sie für die iu ihrem Dienst stehenden Arbeiter zweckentsprechende Wohnungen herstellen. Es hat sich dabei ergeben, daß es den Gemeinden möglich war, gute, zweckmäßige Wohnungeu

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eine Verrentung der Aulagekosteu ergab, somit den Städten keine große finanzielle Belastung auserlegt wurde. Gerade bei uns in Riga könnte die Stadt durch den Bau von Häusern für ihre Arbeiter nicht nur diesen, sondern auch der Allgemeinheit großen Nutzen bringen:

durch mustergiltige Anlagen eine Anregung in weite Kreise hinein- tragen. Der durchschnittliche Typus der Kleinwohnungen ist bei uns ein in vielen Beziehungen wenig schöner, die Tätigkeit gemeinnütziger Unternehmungen wie der Arbeitgeber auf dem Gebiete der Herstellung zweckentsprechender Kleinwohnungen noch wenig entwickelt, wenn auch manche schöne Anfänge vorhanden sind.

Weitere Kreise, als die eigenen Arbeiter, haben in Deutschland nur wenige Städte beim Bau von Wohnungen berücksichtigen können.

Dagegen sind von ihnen gemeinnützige Baugesellschaften durch Ge- Währung billigen Kredits, durch billige Überlastung städtischen Grundes, durch den Ankauf von Anteilscheinen in reichem Maße unterstützt worden. Englische Städte, wie Birmingham, Glasgow, Liverpool, London, denen gewaltige finanzielle Hilfskräfte zu Gebote stehen, haben, neben der Niederlegung und Assanierung ganzer Bezirke, große Gebiete mit guten billigen Kleinwohnungen bebaut.

Einen Einfluß auf den Wohnungsbau kann die Gemeinde weiter durch ihre Steuerpolitik gewinnen. Sie kann durch Herabsetzung der Jmmobiliensteuern, der Gebühren für Kanalisation und Wasser- Versorgung, der Anliegerbeiträge den Bau guter Kleinwohnungen fördern und erleichtern. Ist doch beim größeren privaten Unternehmer die Neigung zur Erbauung solcher Häuser eine geringe, da die Ver- waltung derselben große Schwierigkeiten mit sich bringt, die Mieten schlechter eingehen, die Benutzung der Wohnungen eiue wenig schonende ist, die häufigen Umzüge das Risiko erhöhen.

In mehreren Städten Deutschlands hat man an Stelle der Grundsteuer nach dem Ertragswert die Grundsteuer nach dem ge- meinen Wert, d. h. dem Verkaufs- oder Schätzungswert des Jmmo- bils, eingeführt. Dadurch soll einerseits die Zurückhaltung von Bau- plätzen zur spekulativen Steigerung ihres Wertes verhindert, andrer- seits auch der Bau von Häusern mit Kleinwohnungen erleichtert werden. Deun die bisher in Deutschland übliche Besteuerung nach dem Bruttoertrage führte zu einer ungebührlichen Belastung diefer

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Häuser, da deren relativ großen Bruttoerträge» eiu verhältnismäßig viel geringerer Reinertrag gegenübersteht, als bei Häusern mit Herr- schaftlichen Wohnungen. Für uus dürfte diese Besteuerung wohl kaum in Frage kommen. Die Jmmobiliensteuer wird ja bei uns nach dem geschätzten Nettoertrage festgesetzt und der durch die Grundsteuer nach gemeinem Werte den Besitzern von Gärten auferlegte Bauzwang, der das Schwinden derselben zur Folge hätte, ist im allgemeinen sa- nitären Interesse durchaus zu vermeiden, worauf iu unserem Kreise von berufener Seite auch schon hingewiesen worden ist. Die Frage der Besteuerung nach dem gemeinen Wert ist von der städtischen Statistischen Kommission in Bearbeitung genommen worden, wobei sich hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit sür Riga dieselben Resultate ergaben.

Anders mag dies in Städten liegen, deren Kern Privatgärten nur noch in verschwindender Zahl ausweift.

Die Zuwachssteuer ist in der Gesellschaft für kommunale Sozial- Politik bereits eingehend erörtert worden. Für die Wohnungsfrage ist sie insofern von Bedeutung, als man, wenn diese Steuer mit dem Besitzwechsel verknüpft ist, dem Heraustreiben der Grundstückpreise durch häufige Verkäufe vorzubeugen hofft. Zu demselben Zweck werden hohe Umsatzsteuern vorgeschlagen. Da aber die gegenwärtige Städteordnung die Erhebung aller dieser Steuern nicht zuläßt, so können sie zunächst für die Riga]che kommunale Wohnungspolitik nicht in Frage kommen.

Für das Wohnungswesen ist endlich eine gute Ausgestaltung billiger Verkehrsmittel von Bedeutung. Sie ermöglicht, wie das Beispiel von Belgien und England zeigt, eine viel weiträumigere Bebauung der Städte, beugt der Verteuerung der Baustellen und Wohnuugeu vor, indem sie weite Gebiete der Besiedeluug erschließt, in der Stadt beschäftigten Leuten das Wohnen in ländlichen Verhält- nissen ermöglicht. Stehen wir hierin dem Auslande auch weit nach, fo sind doch in den letzten Jahren große Fortschritte durch die An- läge und weitere Ausdehnung unseres Straßenbahnnetzes gemacht worden.

Nur ein kurzes Referat über das gewaltige Gebiet der kommn- nalen Wohnnngs- und Baupolitik sollten meine heutigen Darlegungen bringen, wie ich hoffe, als Einleitung zu einer Reihe von Vorträgen der Herren Fachleute, der Nationalökonomen, Architekten und Hy-

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gieniker über die einzelnen schwierigen Fragen, die von mir nur flüchtig gestreift sind. Eine genauere Bekanntschaft weitester Kreise mit diesem großen Gebiet tut uns dringend not, hängt doch die körper­

liche und sittliche Gesundheit kommender Geschlechter in weitem Maße von der günstigen Gestaltung unseres Wohnungswesens ab. Und auf die richtige Erkenntnis muß schnelles Handeln folgen. Mit Recht weist Miqnel, der ehemalige Oberbürgermeister von Frankfurt und spätere Minister, darauf hin, daß auf keinem Gebiete es gefährlicher ist, den richtigen Zeitpunkt znrn Handeln zu verpassen, als auf dem Gebiete der Wohnungsfrage.

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C b e f e n .

I. Das Schwergewicht der kommunalen Wohnungspolitik ist zur- zeit in Riga auf die Fürsorge für die entstehenden Wohnnngsverhält- niffc zn verlegen.

II. In erster Linie ist eine Reform unserer Bauordnung anzn- streben, und zwar:

a) durch eine Abstufung der horizontalen und vertikalen Be- bannngsdichtigkeit nach Bauzonen, wobei für die Rand- gebiete eine weitere Abstufung für die einzelnen Grund- stücke nach dem Stande der Wasserleitnngs- und Entwäs- seruugsanlagen vorzusehen ist;

b) durch Erleichterung der Kleinbauten mittels Herabsetzung der an sie zu stellenden baulichen Anforderungen;

c) durch Schaffung besonderer Baurayons für schädigende und lästige Gewerbe- und Industriebetriebe.

III. Eiu allgemeiner Bebauungsplan sollte die Wohnnngsverhält- utile günstig zu gestalten suchen.

IV. Die Erweiterung des städtischen Grundbesitzes muß auch ferner mit allen Mitteln angestrebt werden.

Mit der Vergebung städtischer Grundstücke in zeitlich begrenzten Erb bau könnte cht Versuch gemacht werden.

V. Die Erbauung von Wohnungen für städtische Arbeiter ist eine unter unseren Verhältnissen anstrebenswerte Aufgabe.

VI. Durch eine Wohnungsstatistik muß eine genügende Kenntnis der bestehenden Wohnungsverhältnisse angestrebt werden.

VII. Unter den bestehenden Verhältnissen erscheint die Durch­

führung einer umfassenden Wohnungsinspektion noch nicht möglich.

Immerhin wären die bestehenden Anfänge der Wohnungspflege weiter auszubauen.

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