A 362 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 8|
25. Februar 2011 Die Zahl der Infektionen mit dem hochkonta-giösen Mumpsvirus ist seit Einführung der Impfung weltweit rückläufig. Für Deutschland liegen keine genauen Zahlen vor, da Melde- pflicht nur in den neuen Bundesländern be- steht, was die Identifikation eines Ausbruchs erschwert. Eine anhaltende Häufung der „Pa- rotitis epidemica“ wird derzeit in Nordbayern beobachtet. Im Zeitraum von Juli 2010 bis Mitte Februar 2011 traten 255 Mumpsfälle auf, die durch Virusnachweis per PCR oder den Nachweis von IgM-Antikörpern labordiagnos- tisch bestätigt wurden.
Tatsächlich dürfte die Anzahl erkrankter Per- sonen aber deutlich größer sein, da ein Impf- durchbruch häufig nicht mit der Bildung von IgM-Antikörpern, sondern mit einem Anstieg des IgG-Antikörpertiters einhergeht. Insofern besteht in dieser Situation die Gefahr, den
Nachweis von IgG-Antikörpern als Vorliegen ei- ner Immunität zu fehlinterpretieren. Gegebe- nenfalls kann hier ein Anstieg des IgG-Titers im Verlauf von sieben bis zehn Tagen einen Impfdurchbruch belegen.
Im Wesentlichen waren junge Erwachsene davon betroffen, wobei auch schwere Verläufe auftraten. Allein in der Klinik für Urologie der Universität Regensburg wurden bis Oktober 21 Patienten wegen einer Mumpsorchitis be- handelt. Bislang wurden drei Fälle ermittelt, bei denen die Laborergebnisse sogar für das Vor- liegen einer Mumpsmeningitis sprechen.
Wie bereits bei Ausbrüchen in anderen Ländern beobachtet, erkrankten auch Patien- ten mit vollständigem Impfschutz. Obwohl die Impfung in der Ausbruchsituation also keinen sicheren Schutz vermittelt, sollte der Impf- schutz bei nicht beziehungsweise nur einmal
geimpften Personen entsprechend den aktuel- len Empfehlungen der Ständigen Impfkommis- sion (STIKO) unbedingt vervollständigt werden.
Diese sieht die zweimalige Impfung im Alter von elf bis 14 sowie 15 bis 23 Monaten mit dem Masern-Mumps-Röteln(MMR)- oder dem Masern-Mumps-Röteln-Variziella(MMRV)- Impfstoff als Standardimpfung vor. Seit 2010 wird die MMR-Impfung auch für alle nach 1970 geborenen Erwachsenen mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer Impfung in der Kindheit empfohlen.
Um die Frage möglicher Impfdurchbrüche bei einmalig oder zweimalig Geimpften zu be- arbeiten, bitten wir um Probeneinsendung von Serum, Rachenabstrich und Urin an das:
Nationale Referenzzentrum MMR beim Robert- Koch-Institut, Nordufer 20, 13 353 Berlin.
Stefan Borgmann
MUMPSAUSBRUCH IN NORDBAYERN: AUCH GEIMPFTE ERKRANKEN
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) hat beim 35. Interdisziplinären Forum der Bundesärztekammer ihr 100-jäh- riges Bestehen gefeiert. 1911 wurde die AkdÄ als Ausschuss des Kon- gresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin gegründet, um die Patienten vor „Ausbeutung und Schä- digung durch Quacksalberei und Re- klame“ zu schützen. „Mit diesen The- men beschäftigt sich die Kommission auch heute noch“, erklärte der ehe- malige Vorsitzende der AkdÄ, Prof.
Dr. med. Bruno Müller-Oerlinghau- sen, in seinem Festvortrag.
Die AkdÄ informiert Ärztinnen und Ärzte unabhängig über rationale Arzneitherapie und Arzneimittelsi- cherheit. So wertet sie beispielswei- se die Meldungen von unerwünsch- ten Arzneimittelnebenwirkungen aus und veröffentlicht gegebenenfalls Risikomeldungen über die Bekannt- gaben im Deutschen Ärzteblatt oder über die sogenannten Drug Safety Mails. Darüber hinaus erscheinen mit der Reihe „Arzneimittelverord- nung in der Praxis“ Empfehlungen für die Verordnung bei bestimmten Krankheitsbildern. mei ARZNEIMITTELKOMMISSION
100-jähriges Bestehen
Die Ausübung der vertragsärztli- chen Tätigkeit in einer Zweig - praxis ist nur dann zulässig, wenn dadurch die Versorgung der Ver - sicherten verbessert und die ord- nungsgemäße Versorgung am Ort
des Vertragsarztsitzes selbst nicht beeinträchtigt wird. Dies hat der 6. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) am 9. Februar entschie- den (Az.: B 6 KA 7/10 R). Den für die Genehmigung der Zweig- praxis zuständigen Behörden – der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) oder dem Zulassungsaus- schuss bei Zweigpraxen außer- halb des KV-Bezirks – stehe dabei
ein gewisser Beurteilungsspiel- raum zu.
Im konkreten Fall ging es um ei- nen Kinderkardiologen mit Praxis- sitz in Fulda, der eine Zweigpraxis im etwa 130 Kilometer entfernten Bad Nauheim betreiben wollte. Dies lehnte die KV ab, weil daraus kei- ne verbesserte Versor- gungslage am Ort der Zweigpraxis resultiere, in Fulda dagegen die Versorgung beeinträch- tigt werde, da es dort keinen weiteren Kinder- kardiologen gebe.
In einem weiteren Ver- fahren (Az.: B 6 KA 12/
10 R) urteilten die BSG- Richter, dass die berufsrechtliche Beschränkung der Ausübung der niedergelassenen ärztlichen Tätig- keit auf höchstens zwei Standorte neben der Hauptpraxis nicht für Medizinische Versorgungszentren (MVZ) gelte. Diese dürften mehr als zwei Zweigpraxen führen; al- lerdings dürfe jeder dort tätige Arzt an höchstens drei Standorten des MVZ arbeiten. TG Zweigpraxen
sind nur zuläs- sig, wenn sie die Versorgung verbessern.
Das entschie- den die Richter in Kassel.
Foto: picture alliance
ZWEIGPRAXEN