Korrektheit und Vollst¨andigkeit von F
0Frage:Lassen sich alle Tautologien als Theoreme in System F0 herleiten?
Satz 2.14 (Korrektheit und Vollst¨andigkeit von F0) Sei A∈F0 eine Formel der Aussagenlogik.
a) Korrektheit: Gilt⊢F0 A, dann auch|=A
d.h. jedes Theorem in T(F0) ist eine Tautologie.
b) Vollst¨andigkeit: Gilt|=A, dann auch⊢F0 A
d.h. alle Tautologien lassen sich inF0 herleiten.
Korrektheit und Vollst¨andigkeit von F
0(Fort.)
Als Hilfsmittel dient:
Lemma 2.15
Seien A∈F0 und p1, . . . ,pn, n >0,die in A vorkommenden Aussagevariablen. Sei ψ eine Belegung. Mit
Pi :=
pi, falls Bψ(pi) = 1
¬pi, falls Bψ(pi) = 0 A′ :=
A, falls Bψ(A) = 1
¬A, falls Bψ(A) = 0 gilt P1, . . . ,Pn⊢A′.
Folgerung
Folgerung 2.16 Sei Σ⊆F0,A∈F0.
Σ⊢F0A gilt genau dann, wenn Σ|=A gilt.
Σist genau dann konsistent, wenn Σerf¨ullbar ist.
IstΣ endlich und A∈F0, dann istΣ⊢F0A entscheidbar.
Beweis der Folgerung
Beweis:
1. Aussage:
Σ⊢F0 A
⇐⇒2.8 Es gibtA1, . . . ,An∈Σ mit A1, . . . ,An⊢F0 A D.T.⇐⇒ Es gibtA1, . . . ,An∈Σ mit
⊢F0 (A1→(A2 →. . .(An→A). . .))
⇐⇒2.14 Es gibtA1, . . . ,An∈Σ mit
|= (A1→(A2→. . .(An→A). . .)) D.T.⇐⇒ Es gibtA1, . . . ,An∈Σ mit A1, . . . ,An|=A
⇐⇒K.S.Σ|=A
Beweis der Folgerung (Fort.)
Beweis:
2. Aussage:
Σ ist konsistent
⇐⇒ Es gibt kein Amit Σ⊢Aund Σ⊢ ¬A
⇐⇒ Es gibt kein Amit Σ|=Aund Σ|=¬A
⇐⇒ Σ ist erf¨ullbar (Lemma 1.11(c)).
3. Aussage:
Sei also Σ endlich:
Σ⊢F0 Aist entscheidbar
⇐⇒ Σ|=A ist entscheidbar
⇐⇒ Die endlich vielen Belegungen, die Σ erf¨ullen, lassen sich berechnen
Sequenzenkalk¨ul
Es gibt weitere korrekte und vollst¨andige deduktive Systeme f¨ur die Aussagenlogik. Das folgende System geht aufGerhard Gentzen
(1909–1945) zur¨uck. Es erleichtert das automatische Finden von Beweisen.
Definition 2.17 (Gentzen-Sequenzenkalk¨ul) Seien Γ,∆⊆F endliche Mengen von Formeln.
Eine Sequenz ist eine Zeichenreihe der Form Γ⊢G ∆ . Die Menge der Sequenzenbezeichnen wir mitFG.
Wir betrachten die Sequenzen als spezielle Form von Formeln.
Semantische Interpretation von Sequenzen:
Eine Sequenz Γ⊢G ∆ mit Γ ={A1, . . . ,An} und ∆ ={B1, . . . ,Bm} ist allgemeing¨ultig, wenn f¨ur jede Belegungψ gilt:
es gibt einAi ∈Γ mit Bψ(Ai) = 0 oder ein Bj ∈∆ mitBψ(Bj) = 1.
Semantisch entspricht Γ⊢G ∆ also der Formel
(A1∧ · · · ∧An)→(B1∨ · · · ∨Bm).
Sequenzenkalk¨ul (Fort.)
Definition 2.17 (Gentzen-Sequenzenkalk¨ul (Fort.))
Die folgenden Schemata definieren die Axiome des Sequenzenkalk¨uls:
(Ax1) Γ,A⊢G A,∆ (Ax2) Γ,A,¬A⊢G ∆ (Ax3) Γ⊢G A,¬A,∆ Die folgenden Schemata definieren die Regeln des Sequenzenkalk¨uls:
R∧,∨: Γ,A,B ⊢G ∆ Γ,A∧B⊢G ∆
Γ⊢G A,B,∆ Γ⊢G A∨B,∆ R→: Γ,A⊢G ∆,B
Γ⊢G A→B,∆ Γ⊢G A,∆ ; Γ,B ⊢G ∆ Γ,A→B⊢G ∆ R¬: Γ,A⊢G ∆
Γ⊢G ¬A,∆ Γ⊢G A,∆
Γ,¬A⊢G ∆ R∧′: Γ⊢G A,∆ ; Γ⊢G B,∆
Γ⊢G A∧B,∆ R : Γ,A⊢G ∆ ; Γ,B ⊢G ∆
Sequenzenkalk¨ul (Fort.)
Eine Sequenz Γ⊢G ∆ heißtherleitbar oderableitbar, falls es eine endliche Folge von Sequenzen Γ1 ⊢G ∆1, . . . ,Γr ⊢G ∆r gibt mit Γr ≡Γ, ∆r ≡∆, so dass gilt:
Jedes Γj ⊢G ∆j mit 1≤j ≤r ist ein Axiom oder geht aus vorangehenden Folgegliedern aufgrund einer Regel hervor.
Satz 2.18
Der Sequenzenkalk¨ul ist
korrekt: WennΓ⊢G ∆herleitbar ist, gilt Γ|= ∆. vollst¨andig: WennΓ|= ∆ gilt, istΓ⊢G ∆herleitbar.
Dabei ist Γ|= ∆ definiert alsΓ|=W
B∈∆B.
Beispiel
Beispiel 2.19
Es gilt p∨q,¬p∨r ⊢G q∨r.
Beweis:
q,¬p∨r ⊢q,r Ax1
p,r ⊢q,r Ax1
p,¬p⊢q,r Ax2 p,¬p∨r ⊢q,r R∨′
p∨q,¬p∨r ⊢q,r R∨′
p∨q,¬p∨r ⊢q∨r R∨
Beweise im Sequenzenkalk¨ul werden typischerweise aber nicht als eine Folge von Sequenzen angegeben, sondern bottom-up konstruiert und baumartig notiert (siehe Vorlesung).