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Auch in der Schweiz treffen Menschen verschiedenster Glaubensrichtungen aufeinander

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I 111/2004 ERZ 15. September 2004 48C

Interpellation

2850 Kunz, Diemtigen (GFL)

Weitere Unterschriften: 8 Eingereicht am: 27.04.2004

Religiös-fundamentalistische Praxis und deren Existenz an bernischen Schulen?

Europa wird zunehmend internationalisiert. So kommen Menschen verschiedenster Glaubensrichtungen zueinander. Auch in der Schweiz treffen Menschen verschiedenster Glaubensrichtungen aufeinander.

Die Debatten in Frankreich und Deutschland über das Thema des Kopftuches wie auch das Beispiel aus dem Kanton Genf betr. Steinigung von Ehebrecherinnen haben die Dringlichkeit der Diskussion über die fundamentalistisch - religiösen Fragen an Schulen gezeigt.

In der Schweiz hat eine eidgenössische Kommission herausgefunden, dass in unserem Lande zunehmend Aktivitäten verschiedenster Glaubensrichtungen registriert werden, dass fundamentalistische Kräfte vermehrt Einfluss auf ihre GlaubensgenossInnen zu nehmen versuchen und dass oft Druck ausgeübt wird.

Ich bitte den Regierungsrat, folgende Fragen zu beantworten:

1. Wie wird das Thema des Kopftuches an Schulen (Lehrerinnen und Schülerinnen) wie auch das Tragen einer Nonnen - bzw. Mönchsbekleidung oder anderer spezifisch religiöser Bekleidung an bernischen Schulen gehandhabt?

2. Wie entscheidet die Regierung, wenn an Schulen religiös-fundamentalistische Ansichten von Lehrbeauftragten oder StudentInnen verbreitet werden?

3. Wie verhält sich der Regierungsrat, wenn es Schülerinnen gibt, die wegen ihrem Glauben nicht turnen, nicht baden und nicht in Lager gehen dürfen?

4. Ist es denkbar, dass im Kanton Bern separate Schule mit andern Glaubensrichtungen geführt wird?

5. Wenn ja, erstellt die Regierung für solche Institutionen Richtlinien und wer kontrolliert diese Schulen?

Es ist wichtig, falls Leute anderer Glaubensrichtungen in bernische Schulen eintreten, dass die Schulleitung und LehrerInnen sowie Eltern mit Richtlinien und Weisungen der Regierung unterstützt werden.

Es ist deshalb von zentraler Bedeutung, wenn der Regierungsrat klare Ansichten entwickelt und dementsprechende Richtlinien erstellt, bevor die Probleme in den Bildungsstätten auftreten.

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Antwort des Regierungsrates

Auch die Schweiz hat sich von einem viersprachigen, christlichen zu einem vielsprachigen und multireligiösen Land gewandelt. In der Schweiz leben viele Angehörige nichtchristlicher Religionen nicht nur als Gastarbeiter oder Flüchtlinge, sondern als Migrantinnen und Migranten in zweiter Generation oder mit Schweizerpass und festem Wohnsitz.

Gegenseitiger Respekt und Toleranz in religiösen Fragen bilden eine wichtige Grundlage für eine nachhaltige Integration.

Besonders bedeutsam gewachsen ist in den vergangenen zwanzig Jahren der Anteil der islamischen Bevölkerung, namentlich in Frankreich und Deutschland. Die zunehmende Integration in den letzten Jahren hat den Anspruch auf gleichberechtigte öffentliche Präsenz in der westlichen Gesellschaft gefördert. Das führte zu einer grundlegenden Auseinandersetzung in der Frage des Mit- und Nebeneinanderlebens von Menschen, die verschiedenen Religionen angehören.

Die Situation, wie sie sich in Frankreich oder Deutschland präsentiert, zum Beispiel bei der Kopftuchdebatte, lässt sich nicht auf den Kanton Bern übertragen.

Eine eigens für die Beantwortung dieser Interpellation durchgeführte Umfrage in allen Inspektoratskreisen der Volksschule hat ergeben, dass sich ein pragmatischer Umgang mit den verschiedenen Glaubensgemeinschaften eingespielt hat, der von gegenseitigem Verständnis und Toleranz geprägt ist. Die Religion ist zurzeit an der bernischen Schule keine politische Frage.

Der Regierungsrat weist darauf hin, dass bereits innerhalb des christlichen Glaubens eine grosse Vielfalt an verschiedenen Glaubensrichtungen besteht.

Die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Religionsfreiheit) ist verfassungs- und völkerrechtlich geschützt (vgl. Art. 15 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV; SR 101], Art. 14 der Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 [KV; BSG 101.1] und Art. 9 EMRK).

Zu Frage 1

Eine Umfrage der Erziehungsdirektion hat ergeben, dass sowohl auf der Volksschulstufe, wie auch an der Sekundarstufe II keine nennenswerten Probleme mit dem Tragen von Kopftüchern oder mit anderen religiös bedingten Kleidungsvorschriften existieren.

a) Schülerinnen

Es gibt vereinzelte Schülerinnen, die den Unterricht mit dem Kopftuch besuchen, so wie es vereinzelte Schülerinnen gibt, die auf Grund ihrer Kleidung oder ihrer Frisur als Angehörige einer evangelischen Glaubensgemeinschaft oder einer Sekte erkannt werden können.

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung werden religiös bedingte Bekleidungsvorschriften vom Schutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit erfasst; das Tragen religiöser Kleidung stellt somit eine Form religiöser Betätigung dar (BGE 119 Ia 178 ff, 119 IV 263 ff. E. 3b). An diese bundesgerichtliche Rechtsprechung sind auch die Schulbehörden des Kantons Bern gebunden. Die Religionsfreiheit ist nur dann ausser Acht zu lassen, wenn konkret das Kindswohl gefährdet ist, oder wenn dem Kind Lerninhalte nicht vermittelt werden dürfen, welche für das Leben in unserem Kulturkreis notwendig sind.

b) Lehrerinnen

Die bereits erwähnte Umfrage der Erziehungsdirektion hat ergeben, dass im Kanton Bern kein Fall einer mit Kopftuch, Mönchs- oder Nonnenbekleidung unterrichtenden Lehrkraft bekannt ist.

Wegen der konfessionellen Neutralität an den öffentlichen Schulen ist einer Lehrerin im Kanton Genf das Tragen eines Kopftuchs untersagt worden. Das Bundesgericht hat dieses Verbot als zulässig anerkannt (BGE 123 I 300 f. E. 2b). Das Recht auf die eigene

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Religionsausübung hat in solchen Fällen hinter die religiös-weltanschauliche Neutralität der staatlichen Schule zurückzutreten.

In der Auslegung der angewandten Grundsätze wäre es demnach auch nicht zulässig, an der öffentlichen Schule in einer Nonnen- oder Mönchsbekleidung zu unterrichten.

Zu Frage 2

Wie bereits in der Antwort auf Frage 1 dargestellt, stellt zurzeit die Thematik um die religiös bedingte Bekleidungsart von Lehrpersonen an den bernischen Schulen kein Problem dar.

Ebenso ist der Regierung kein Fall bekannt, wonach Lehrpersonen, Studentinnen oder Studenten religiös-fundamentalistisches Gedankengut vermitteln bzw. verbreiten würden.

Sollte ein Konfliktfall mit einer Kopftuch tragenden Lehrerin auftreten, sind die verantwortlichen Aufsichtsorgane aufgefordert, angemessene Lösungen im Einzelfall zu suchen.

Die Aufsicht über die Lehrpersonen ist grundsätzlich nicht durch den Regierungsrat, sondern durch die Anstellungsbehörde, auf der Volksschulstufe durch die Schulkommission in Zusammenarbeit mit dem Schulinspektorat wahrzunehmen. Diese müssten gegebenenfalls unter Kenntnis der Situation intervenieren, um den Schutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit zu gewährleisten.

Gemäss Artikel 21 der Volksschulverordnung obliegt der Schulkommission unter anderem - der Vollzug der eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Vorschriften,

- die Behandlung, bzw. Weiterleitung von Beschwerden, - die Erteilung von Verweisen an fehlbare Lehrkräfte.

Auf der Sekundarstufe II erstreckt sich die Aufsichtspflicht in privaten Gymnasien lediglich auf das Erreichen der Unterrichtsziele gemäss Lehrplan - und auch dies nur, wenn eine kantonale, schweizerisch anerkannte Maturität abgelegt wird. Der Staat kümmert sich nicht um Kleidungsvorschriften, solange nicht übergeordnete Rechtsnormen verletzt werden. Bei den subventionierten Schulen bestünde die Möglichkeit, entsprechende Regelungen in die Leistungsvereinbarung einzubauen. Dies war bisher nicht notwendig.

Zu Frage 3

Der Regierungsrat erachtet es als unverhältnismässig, auf Mädchen, die aus religiösen Gründen nicht an bestimmten schulischen Aktivitäten oder an besonderen Schulveranstaltungen teilnehmen sollen, Druck auszuüben. Er ist überzeugt davon, dass die bisher bewährte Praxis weitergeführt werden soll, wonach im Einzelfall pragmatische, praktikable Lösungen, z. B. unter Anwendung der Möglichkeit von Teildispensationen, gefunden werden.

Eine gesetzliche Regelung betreffend die Dispensation vom Schwimm- und Sportunterricht besteht allerdings nicht. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGE 119 Ia 178 ff) fällt das Verbot des gemischtgeschlechtlichen Schwimmens von Kindern, das von streng gläubigen Angehörigen des Islams befolgt wird, in den Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit. An diese bundesgerichtliche Rechtsprechung sind auch die Lehrpersonen, Schulleitungen und Schulbehörden des Kantons Bern gebunden.

Allenfalls können auch gewisse Turnübungen eine Teildispensation vom Turnunterricht erfordern.

Zur Teilnahme an Lagern kann niemand verpflichtet werden. Findet ein Lager während der Schulzeit statt, bleibt das Kind während dieser Zeit schulpflichtig und hat einen Ersatzunterricht zu besuchen.

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Zu Frage 4

Die öffentliche, staatliche Schule hat die konfessionelle Neutralität zu beachten.

Der in Artikel 27, Absatz 3 der aBV 1874 festgelegte Grundsatz, wonach die öffentlichen Schulen von den Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden können, gilt auch nach geltender BV. Diese verzichtet zwar auf die explizite Erwähnung dieses Grundsatzes; da aber keine Absicht bestand, ihn aufzuheben, muss er in Artikel 15 BV (Glaubens- und Gewissensfreiheit) als mitenthalten gelten.

Das Recht gilt für alle kommunalen, kantonalen und eidgenössischen Lehranstalten, die öffentlichen Schulen mit privatrechtlichem Träger eingeschlossen.

Die konfessionelle Neutralität bedeutet, dass die Zulassung zu einer öffentlichen Schule nicht von einer bestimmten Konfessionsangehörigkeit abhangen darf (siehe dazu BGE 125 Ia 347 i.S).

Nebst der Verfassungswidrigkeit von separaten öffentlichen Schulen für Kinder aus bestimmten Glaubensrichtungen ist der Regierungsrat der Ansicht, dass dies für die Integration von Kindern und Jugendlichen anderer Glaubensrichtungen hinderlich wäre und den Bemühungen der Lehrerschaft um die Förderung von Schülerinnen und Schülern aus allen sozialen Schichten und Kulturen entgegenwirken würde.

Sowohl aus verfassungsrechtlicher, wie auch aus integrationspolitischer Sicht wird diese Frage durch den Regierungsrat deshalb entschieden verneint.

Es ist einer privaten Schule hingegen freigestellt, sich nach einem bestimmten Bekenntnis auszurichten. Das Führen einer Privatschule, in welcher Kinder ihre Schulpflicht erfüllen, erfordert eine Bewilligung durch die Erziehungsdirektion (Art. 65 VSG).

Zu Frage 5

Die Aufsicht über die Privatschulen erfolgt wie bei den öffentlichen Schulen durch die Schulinspektorate.

Schlussbemerkungen

Der Interpellant fordert den Regierungsrat auf, Richtlinien und Weisungen für Lehrpersonen als Präventionshilfe im Umgang mit anderen Glaubensüberzeugungen zu entwickeln.

Für spezifische Fragen, die den Migrationsbereich betreffen, besteht auf der Erziehungsdirektion die Kommission für interkulturelle Bildung und Beratung (KIBB), an die sich Lehrpersonen, Schulleitungen und Schulbehörden wenden können.

Die KIBB arbeitet weiter auch an einer Internetplattform auf der Website der Erziehungsdirektion, auf der Informationen für den Bereich der interkulturellen Bildung und Beratung, wie zum Beispiel zum Umgang mit der Kopftuchfrage, oder mit der Teildispensation im Sportunterricht zur Verfügung gestellt werden.

Neu hat der Regierungsrat die Schaffung einer kantonalen Fachstelle für Integrationsfragen und die Einrichtung eines direktionenübergreifenden Netzwerks Integration bewilligt. Beides befindet sich noch in der Aufbauphase und hat zum Ziel, die in den Direktionen bereits getätigten Arbeiten, Anstrengungen und Projekte zu koordinieren, sowie die interkantonale Zusammenarbeit im Bereich Migration und Integration sicherzustellen.

Der Regierungsrat wird die Entwicklungen in Bezug auf die Politisierung der Glaubensfragen und der damit zusammenhängenden Symbole im Aus- und Inland weiterhin beobachten und falls angezeigt entsprechende Massnahmen vorschlagen.

An den Grossen Rat

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