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Vorläufige Zulassung zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien

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VG Würzburg, Beschluss v. 20.02.2017 – W 2 E 17.96 Titel:

Vorläufige Zulassung zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien Normenketten:

VwGO § 123 Abs. 1

LPO I § 14 Abs. 1, § 16 Abs. 2 S. 1 APO § 35 Abs. 1 S. 1

GG Art. 3, Art. 12, Art. 19 Abs. 4 S. 1 Leitsätze:

1. Im Bereich berufsbezogener Prüfungen, bei denen ein Eingriff in die Berufswahlfreiheit nach Art. 12 GG vorliegen kann, kann ein Antrag nach § 123 VwGO auch bei offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache aufgrund einer reinen Folgenabwägung Erfolg haben. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

2. Die Folgenabwägung muss dabei sowohl die grundrechtlich geschützte Position des Prüflings als auch den Umstand einbeziehen, dass die Teilnahme an der Prüfung aufgrund einer einstweiligen Anordnung auf eigenes Risiko erfolgt, da die vorläufig vermittelte Rechtsposition im Falle eines späteren Unterliegens in der Hauptsache wieder rückwirkend entfiele. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Zulassung (vorläufig) zur Ersten, Staatsprüfung für Lehramt, Gymnasien, Unterschleif, Handy, unzulässiges Hilfsmittel, Freiversuch, Wiederholungsmöglichkeiten, Chancengleichheit, Berufsfreiheit, Vorwegnahme der Hauptsache

Rechtsmittelinstanz:

VGH München, Beschluss vom 31.03.2017 – 7 CE 17.540  

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der von der Antragstellerin noch einzulegenden Hauptsache zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien in Bayern im Herbst 2017 in den Fächern Französisch und Spanisch zuzulassen.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Zulassung zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien in Bayern im Herbst 2017.

2

Die Antragstellerin ist Studentin des Lehramts für Gymnasien und trat im Herbst 2015 im Anschluss an die Vorlesungszeit des 9. Semesters erstmals zur Ersten Staatsprüfung in den Fächern Spanisch und

Französisch an. Im Fach Spanisch bestand die Antragstellerin die Prüfung, während sie im Fach Französisch die Prüfung nicht bestand.

3

Am 16. Februar 2016 wiederholte die Antragstellerin sodann die Prüfung im Fach Französisch. Bei dem Versuch der Antragstellerin, während der Prüfung ihr eingeschaltetes Handy von ihrer Tasche in die Hand zu nehmen, wurde dieses durch die Prüfungsaufsicht sichergestellt. Der Antragstellerin wurde gestattet, die Prüfung fortzuführen, die sie an sich auch bestand.

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4

Mit Schreiben vom 28. April 2016 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass die Prüfung im Fach Französisch am 16. Februar 2016 wegen Unterschleifs mit „ungenügend“ zu bewerten sei, und verwies dabei auf das der Prüfungszulassung beigefügte Merkblatt für die Teilnehmer an der Ersten Staatsprüfung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen, in dem Handys ausdrücklich als nicht zulässige technische Hilfsmittel aufgeführt seien.

5

Mit Bescheinigung vom 29. Juli 2016 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin sodann mit, dass sie die Erste Lehramtsprüfung für das Lehramt an Gymnasien gem. § 6 Ordnung der Ersten Prüfung für das Lehramt an öffentlichen Schulen (Lehramtsprüfungsordnung I - LPO I) vom 13. März 2008 (GVBl S. 180) nicht bestanden habe und die Prüfung gem. § 14 Abs. 1 LPO I nicht mehr wiederholt werden könne.

6

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 23. August 2016 trat die Antragstellerin der Rechtsauffassung des Antraggegners entgegen, dass sie in der Prüfung vom 16. Februar 2016 einen Unterschleif begangen habe. § 13 LPO I i.V.m. § 35 Allgemeine Prüfungsordnung (APO) i.d.F.d. Bek. vom 14. Februar 1984 (GVBl S. 76), zuletzt geändert durch § 1 der Verordnung vom 17. April 2013 (GVBl S.

222), enthielten keine Definition, wann von einem nicht zugelassenen Hilfsmittel auszugehen sei, das mit der Prüfungszulassung vorgelegte Merkblatt weise keinerlei rechtsverbindlichen Charakter auf und sei demnach auch nicht geeignet, das Grundrecht der Antragstellerin auf Ausübung ihrer allgemeinen Berufsfreiheit einzuschränken. Darüber hinaus habe der Besitz des Handys weder auf Vorsatz noch auf Fahrlässigkeit beruht. Der Antragstellerin sei während der Prüfungsbearbeitung eingefallen, dass sie am Vormittag aller Voraussicht nach einen Anruf von Herrn … H* … von der Polizeiinspektion … erhalten werde - was nachweislich tatsächlich auch geschehen sei -, da die Antragstellerin sich ehrenamtlich als Dolmetscherin für Flüchtlinge engagiere. Die Antragstellerin habe nicht gewusst, ob sich ihr Handy in ihrer Tasche befand und ob es ausgeschaltet oder lautlos gestellt war. Beim Versuch, dies zu überprüfen, habe sie das Handy in die Hand genommen, woraufhin dieses sogleich durch die Prüfungsaufsicht sichergestellt worden sei.

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Des Weiteren ließ die Antragstellerin durch ihren Prozessbevollmächtigten beantragen, die Prüfung im Herbst 2015 als Freiversuch zu bewerten.

8

Mit Schriftsätzen vom 4. Oktober 2016 und 24. November 2016 blieb der Antragsgegner bei der Bewertung des Geschehens als Unterschleif und teilte mit, dass auch der Antrag, das Prüfungsergebnis der

Antragstellerin im Herbst 2015 als Freiversuch zu werten, abgelehnt werden müsse, da die Antragstellerin bereits mit der Meldung zur Wiederholung der Ersten Staatsprüfung im Fach Französisch nach § 14 Abs. 2 Satz 1 LPO I im Prüfungstermin Frühjahr 2016 deutlich gemacht habe, dass sie am Ergebnis der Ersten Staatsprüfung im Fach Spanisch festhalten und damit die Regelung in § 16 Abs. 1 1. Spiegelstrich LPO I nicht in Anspruch nehmen wolle. Die Inanspruchnahme des Freiversuchs mit einem Antrag nach § 16 Abs.

1 1. Spiegelstrich LPO I bedeute immer eine erneute Ablegung aller Fächer der Fächerverbindung nach Maßgabe des § 15 Abs. 2 Satz 1 LPO I, da die Gesamtprüfung als nicht abgelegt gewertet werde. Mit der Meldung des einzelnen Fachs Französisch nach § 14 Abs. 2 Satz 1 LPO I zum Prüfungstermin Frühjahr 2016 sei die nachträgliche Geltendmachung eines Freiversuches für die Erste Staatsprüfung im

Prüfungstermin Herbst 2015 nach § 16 LPO I nicht mehr möglich.

9

Nachdem weiterer Schriftverkehr zwischen den Parteien ergebnislos verlief, ließ die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 23. Januar 2017 durch ihren Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Antragsgegner beantragen, sie zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien im Herbst 2017 zuzulassen.

10

Zur Begründung ließ sie ausführen, ihr stehe ein Anspruch auf Zulassung zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien in Bayern im Herbst 2017 in den Fächern Spanisch und Französisch zu.

11

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Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sei zunächst davon auszugehen, dass die Antragstellerin in der Prüfung am 16. Februar 2016 keinen Unterschleif begangen habe mit der Folge, dass die Prüfung im Fach Französisch als bestanden zu bewerten sei.

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Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass es sich bei der Ersten Staatsprüfung im Frühjahr 2016 um das erstmalige Nichtbestehen im Fach Französisch bei der Antragstellerin (nach erfolgtem Freiversuch im Fach Französisch im Herbst 2015) handle, so dass sie auch berechtigt sei, die Erste Staatsprüfung nochmals zu wiederholen. Es treffe nicht zu, dass die Inanspruchnahme des Freiversuchs stets die erneue Ablegung aller Fächer der Fächerverbindung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 LPO I erfordere. Anderenfalls mache die Verweisung in § 16 Abs. 2 Satz 1 LPO I auf § 14 LPO I keinerlei Sinn.

13

Auf jeden Fall liege ein missverständliches Verhalten des Antragsgegners vor, da er die Antragstellerin in der Bescheinigung vom 31. Dezember 2015 über das Nichtbestehen im Fach Französisch ausdrücklich auf die Regelung in § 14 LPO I zur Wiederholung der Prüfung verwiesen habe, er andererseits jedoch nunmehr von der Antragstellerin erwarte, sie hätte die Erste Staatsprüfung im Ganzen nach § 15 Abs. 2 LPO I zu wiederholen gehabt. Ferner sei der Antragstellerin vom Antragsgegner in der Bestätigung der Anmeldung zur Prüfung vom 16. Juli 2015 mit dem darin enthaltenen Hinweis, dass die Bestimmungen über den Freiversuch nach § 16 LPO I Anwendung fänden, ausdrücklich zugesichert worden, dass die Prüfung im Herbst 2015 als Freiversuch gewertet werde.

14

Die Antragstellerin ließ beantragen,

den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, die Antragstellerin zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien in Bayern im Herbst 2017 in Französisch und Spanisch zuzulassen.

15

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.

16

Zur Begründung wurde ausgeführt, es sei weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegeben.

17

Die Antragstellerin habe in der Prüfung am 16. Februar 2016 einen Unterschleif begangen, indem sie ihr Handy nach Beginn der Prüfung zunächst in aktiviertem Zustand auf ihrer Tasche liegen gehabt und es sodann in die Hand genommen und es unterhalb der Tischoberfläche gehalten habe. Aufgrund der vielfältigen technischen Möglichkeiten sei ein Handy generell dazu geeignet, während einer Prüfung als verbales oder non-verbales Kommunikationsmittel (sog. elektronischer Spickzettel) zu dienen. In dem auf Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 1 LPO I herausgegebenen Merkblatt für die Teilnehmer an der Ersten Staatsprüfung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen seien Handys explizit als unzulässige Hilfsmittel aufgeführt. Ferner sei vor Beginn der Prüfung durch die Prüfungsaufsicht eine Belehrung erfolgt, dass Handys ausgeschaltet in den Taschen zu verstauen seien. Die Antragstellerin habe auch zumindest fahrlässig gehandelt. Denn sie habe bei Anwendung der von ihr verlangten Sorgfalt durch entsprechende Kontrollen der von ihr in der Prüfung mitgebrachten Gegenstände, insbesondere nach der Belehrung durch die Prüfungsaufsicht, erkennen können und müssen, dass sie ein nicht zugelassenes Hilfsmittel bei sich geführt habe.

18

Der Antragstellerin stehe auch kein Anspruch auf Wiederholung der Prüfung zu. Das Ergebnis der Ersten Staatsprüfung im Herbst 2015 könne nicht als Freiversuch gewertet werden. Eine nachträgliche Meldung des Freiversuchs nach § 16 Abs. 1 LPO I scheide aus, da die Antragstellerin bereits mit der Meldung zur Wiederholung der Ersten Staatsprüfung im Fach Französisch nach § 14 Abs. 2 Satz 1 LPO I zum Prüfungstermin Frühjahr 2016 deutlich gemacht habe, dass sie am Ergebnis der Ersten Staatsprüfung im Fach Spanisch festhalten und damit die Regelung in § 16 Abs. 1 1. Spiegelstrich LPO I nicht in Anspruch

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nehmen wolle. Eine erneute Erstablegung der Ersten Staatsprüfung nach antragsgemäßer

Inanspruchnahme der Freiversuchsregelung nach § 16 Abs. 1 1. Spiegelstrich LPO I erfordere stets die Ablegung der Prüfung in beiden Fächern der Fächerverbindung. Der Verweis in § 16 Abs. 2 LPO I auf die

§§ 14, 15 LPO I beziehe sich einzig auf die Möglichkeit der Wiederholung der Prüfung. Eine Wiederholung der Prüfung setze jedoch voraus, dass die Prüfung bereits zuvor abgelegt worden sei, was bei Stellung eines Antrags nach § 16 Abs. 1 1. Spiegelstrich LPO I jedoch nicht der Fall sei, da die Prüfung dann als nicht abgelegt angesehen werde.

19

Ebenso liege kein Anordnungsgrund vor. Zwar sei eine Anmeldung der Prüfung bis 1. Februar 2017 erforderlich. Diese Frist sei jedoch durch das Schreiben des Prozessbevollmächtigens der Antragstellerin vom 23. Januar 2017 gewahrt. Die Entscheidung über die Prüfungszulassung erfolge für alle Prüflinge erst im Sommers 2017, so dass keine Eilbedürftigkeit gesehen werde.

20

Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass die von der Antragstellerin begehrte Anordnung im Wege des einstweiligen Rechtschutzes, sie zur Ersten Staatsprüfung im Termin Herbst 2017 zuzulassen, die Hauptsache vorweg nehme, was im Lichte von Art. 19 Abs. 4 GG nur möglich sei, wenn eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache bestehe. Eine solche hohe Wahrscheinlichkeit liege jedoch nicht vor.

21

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.

II.

22

Der Antrag ist zulässig und begründet.

23

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine

Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für eine einstweilige Anordnung ist demnach das Vorliegen eines Rechts, dessen Sicherung die Anordnung dient (Anordnungsanspruch) sowie die drohende Vereitelung oder Erschwerung dieses Anspruchs (Anordnungsgrund). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

24

Wegen der Eilbedürftigkeit des Anordnungsverfahrens sind die Anforderungen an das Beweismaß und somit auch an den Umfang der Ermittlung von Sach- und Rechtslage geringer als im Hauptsacheverfahren.

Es genügt eine nur summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage (Kopp/Schenke, 21. Auflage, Rn.

23 ff. zu § 123).

25

Eine einstweilige Anordnung hat sich nach dem Wortlaut des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO und entsprechend dem Sicherungszweck des Anordnungsverfahrens grundsätzlich auf die Regelung eines vorläufigen

Zustandes zu beschränken, die der Entscheidung über das Rechtsschutzbegehren im Hauptsacheverfahren nicht vorgreifen darf. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO nur ausnahmsweise zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs.

4 GG) zulässig. Dies setzt voraus, dass andernfalls schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile drohen, die durch die Hauptsacheentscheidung nicht mehr beseitigt werden können (vgl. BVerfG, B.v. 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 - juris; BVerwG, B.v. 21.3.1997 - 11 VR 3.97 - juris), und dass der

Antragsteller mit seinem Begehren im Hauptsacheverfahren erkennbar Erfolg haben muss, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. BVerwG, B.v. 13.8.1999 - 2 VR 1.99 - juris). Die Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs sind im Falle der Vorwegnahme der Hauptsache daher im Regelfall nur dann

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glaubhaft gemacht, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit eines Obsiegens in der Hauptsache besteht (Kopp/Schenke, 21. Auflage, Rn. 14 zu § 123).

26

Von einer Vorwegnahme der Hauptsache ist im vorliegenden Fall jedoch nicht auszugehen. Ziel der von der Antragstellerin begehrten Zulassung zur Examensprüfung ist es, sie bis zur Entscheidung in der

Hauptsache so zu stellen, als ob sie (regulär) zur Prüfung zugelassen worden wäre. Ihr ist dabei im

Rahmen der Ablegung der Prüfung auch die gleiche Rechtsstellung wie jedem anderen Prüfungskandidaten einzuräumen. Eine derartige, durch einstweilige Anordnung zugesprochene vorläufige Position entfällt aber im Falle des Unterliegens in der Hauptsache wieder rückwirkend; die Prüfung gilt dann als nicht abgelegt (vgl. BVerfG, B. v. 25.07.1996 - 1 BvR 638/96 - juris). Demzufolge spricht vieles dafür, dass durch eine vorläufige Zulassung zur Prüfung keine irreversiblen Fakten geschaffen werden, die die

Hauptsacheentscheidung gegenstandslos machen. Die Antragstellerin erlangt mit der vorläufigen

Prüfungszulassung nur eine ungesicherte Rechtsposition, die gerade nicht die Notwendigkeit entfallen lässt, in einem Hauptsacheverfahren zu klären, ob ihr tatsächlich ein Anspruch auf Zulassung zur Prüfung

zusteht. Damit wird die Hauptsache aber lediglich für die Zeit der Geltungsdauer der einstweiligen Anordnung „vorweggenommen“ (vgl. VG Meiningen, B.v. 09.05.2005 - 1 E 971/04.Me - juris).

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Bei der Anwendung von § 123 VwGO durch die Gerichte ist der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und dem Erfordernis des effektiven Rechtschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG

Rechnung zu tragen. Der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verankerte Anspruch des Bürgers auf eine tatsächlich und rechtlich wirksame Kontrolle verpflichtet die Gerichte, bei ihrer Entscheidungsfindung diejenigen Folgen zu erwägen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes für den Bürger verbunden sind. Je schwerer die sich daraus ergebenden Belastungen wiegen, je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 25.07.1996 - 1 BvR 638/96 - juris).

28

Im Bereich berufsbezogener Prüfungen, bei denen ein Eingriff in die Berufswahlfreiheit nach Art. 12 GG vorliegen kann, kann ein Antrag nach § 123 VwGO daher auch bei offenen Erfolgsaussichten in der

Hauptsache aufgrund einer reinen Folgenabwägung Erfolg haben. Die Folgenabwägung muss dabei sowohl die grundrechtlich geschützte Position des Prüflings als auch den Umstand einbeziehen, dass die

Teilnahme an der Prüfung aufgrund einer einstweiligen Anordnung auf eigenes Risiko erfolgt, da die vorläufig vermittelte Rechtsposition im Falle eines späteren Unterliegens in der Hauptsache wieder rückwirkend entfiele (vgl. VG Meiningen, a.a.O.; OVG Lüneburg, B.v. 17.03.2003 - 2 ME 16/03 - juris;

BVerfG, B.v. 25.07.1996, a.a.O.; OVG Bremen, B.v. 04.07.1991 - 1 B 35/91 - juris; OVG Schleswig, U.v.

03.09.1992 - 3 L 380/91 - juris).

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1. Gemessen an diesen Anforderungen konnte die Antragstellerin das Vorliegen eines Anordnungsanspruches glaubhaft machen.

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Bei der im einstweiligen Rechtschutzverfahren gebotenen summarischer Prüfung ist es vorliegend als offen anzusehen, ob die Antragstellerin in dem - von ihr noch einzulegenden - Hauptsacheverfahren einen Anspruch auf Prüfungszulassung im Herbst 2017 in den Fächern Spanisch und Französisch gem. §§ 14 und 15 LPO I geltend machen kann.

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1.1. Mangels Rechtsbehelfsbelehrung:sind die in den Bescheiden des Antragsgegners vom 28. April 2016 und 29. Juli 2016 enthaltenen Feststellungen zum Vorliegen eines Unterschleifs bei der Prüfung am 16.

Februar 2016 sowie des Nichtbestehens und der fehlenden Wiederholungsmöglichkeit der Prüfung noch nicht bestandskräftig und stehen einem etwaigen Anspruch auf erneute Wiederholung der Prüfung daher (noch) nicht entgegen.

32

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1.2. Dass der Antragsgegner die Prüfung im Fach Französisch am 16. Februar 2016 wegen Unterschleifs gem. §§ 6, 13 Abs. 1 LPO I i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 APO als nicht bestanden bewertete, begegnet bei summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken. Die Einordnung eines Handys als unzulässiges technisches Hilfsmittel ist aller Voraussicht nach nicht zu beanstanden. Ein Handy ist aufgrund seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten als Speichermedium und Kommunikationsmittel generell dazu geeignet, als sog. elektronischer Spickzettel zu dienen (vgl. Karlsruhe, U.v. 29.06.2011 - 7 K 3433/19 - juris). Darüber hinaus wurden hier in dem auf Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 1 LPO I vom Prüfungsausschuss mit

Zulassung zur Prüfung herausgegebenen Merkblatt für die Teilnehmer an der Ersten Staatsprüfung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen Handys unter A.5. explizit als unzulässige Hilfsmittel aufgeführt und die Prüflinge vor Prüfungsbeginn durch die Prüfungsaufsicht ausdrücklich darüber belehrt, dass Handys ausgeschaltet in den Taschen zu verstauen seien. Unter diesen Umständen durfte der Antragsgegner in dem Moment, als die Antragstellerin ihr eingeschaltetes Handy während der Prüfung unter ihrem Tisch in der Hand hielt, vom Tatbestand des Mitsichführens eines unzulässigen technischen Hilfsmittels ausgehen.

Die Antragstellerin kann sich bei summarischer Prüfung auch nicht gem. § 35 Abs. 3 APO von diesem Vorwurf exkulpieren. Von jedem Prüfling wird grundsätzlich erwartet, dass er vor der Prüfung sorgfältige Kontrollen im Hinblick auf etwaig vorhandene unzulässige Hilfsmittel durchführt. Unterlässt er diese eingehenden Überprüfung oder führt er sie nicht gewissenhaft durch, fällt dies in seinen

Verantwortungsbereich (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 29.06.2011 - 7 K 3433/19 - juris).

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2.2. Fraglich ist jedoch, ob der Antragsgegner zu Recht angenommen hat, dass keine Wiederholungsmöglichkeit der Prüfung nach § 14 Abs. 1 LPO I mehr besteht.

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Entscheidungserhebliche Bedeutung kommt dabei der Frage zu, ob die Prüfung im Herbst 2015 (nachträglich) als Freiversuch nach § 16 Abs. 1 LPO I gewertet werden kann.

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Einen solchen Antrag hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 23. August 2016 gestellt.

36

Der Antragsgegner hat diesen Antrag mit dem Argument abgelegt, aufgrund der Wiederholung des einzelnen Fachs Französisch nach § 14 Abs. 2 Satz 1 LPO I im Prüfungstermin Frühjahr 2016 sei die nachträgliche Geltendmachung eines Freiversuches für die Erste Staatsprüfung im Prüfungstermin Herbst 2015 nicht mehr möglich, weil die Inanspruchnahme des Freiversuchs mit einem Antrag nach § 16 Abs. 1 1.

Spiegelstrich LPO I immer eine erneute Ablegung aller Fächer der Fächerverbindung bedeute, da die Gesamtprüfung als nicht abgelegt gewertet werde.

37

Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, lässt sich im Rahmen der im einstweiligen Rechtschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht abschließend klären. Die gesetzliche Regelung in § 16 LPO I ist diesbezüglich nicht eindeutig.

38

Gem. § 16 Abs. 1 1. Spiegelstrich LPO I wird eine nicht bestandene Prüfung auf Antrag als nicht abgelegt gewertet. Aus dem Wortlaut „nicht abgelegt“ ergibt sich, dass die dem fehlgeschlagenen Freiversuch nachfolgende Prüfung als (erneute) Erstprüfung gilt. Gem. § 25 Abs. 1 Satz 3 LPO I kann die Erste Staatsprüfung - mit Ausnahme von Erziehungswissenschaften - nur im Ganzen, mithin in beiden Fächern der Fächerverbindung, abgelegt werden, was die Rechtsauffassung des Antragsgegners stützt, dass im Falle des § 16 Abs. 1 1. Spiegelstrich LPO I eine erneute Ablegung der gesamten Prüfung erforderlich ist.

39

Für die Rechtsauffassung des Antragsgegners spricht auch, dass das Antragserfordernis in § 16 Abs. 1 1.

Spiegelstrich LPO I im Falle einer vom Gesetzgeber gewollten Wiederholungsmöglichkeit einzelner

Examensprüfungen bei summarischer Prüfung wenig Sinn hätte, da bei Nichtbestehen einzelner Prüfungen dann stets eine Wertung der einzelnen Prüfung als nicht abgelegt sinnvoll wäre.

40

(7)

Andererseits gelten nach § 16 Abs. 2 Satz 1 LPO I für die Wiederholung der Prüfung §§ 14 und 15 LPO I entsprechend. Während gem. § 15 Abs. 2 LPO I im Falle der Wiederholung zur Notenverbesserung die Erste Staatsprüfung nur im Ganzen wiederholt werden kann, beschränkt § 14 Abs. 2 LPO I die

Wiederholung der Ersten Staatsprüfung bei Nichtbestehen auf die Fächer, die nicht bestanden wurden.

41

Eine Auslegung dieser Verweisung in § 16 Abs. 2 Satz 1 LPO - wie vom Antragsgegner vorgenommen - dahingehend, dass diese nur den Fall einer „echten“ Wiederholung der Prüfung betreffe, d.h. zur

Notenverbesserung gem. § 16 Abs. 1 2. Spiegelstrich LPO I oder bei nicht bestandener Prüfung, für die kein Antrag nach § 16 Abs. 1 1. Spiegelstrich LPO I gestellt wird, spricht zwar, dass es sich bei der erneuten Ablegung einer nicht bestandenen Prüfung, die infolge eines Antrags nach § 16 Abs. 1 1. Spiegelstrich LPO I „als nicht abgelegt“ gewertet wird, um keine „Wiederholung“ der Prüfung im eigentlichen Sinne handelt, sondern, wie bereits ausgeführt, um eine (erneute) Erstprüfung.

42

Andererseits wäre die Verweisung auf eine entsprechende Geltung des § 14 LPO I in § 16 Abs. 2 LPO I dann überflüssig, da § 14 LPO I im Falle einer nicht bestandenen Prüfung, für die kein Antrag nach § 16 Abs. 1 2. Spiegelstich LPO I gestellt wird, bereits unmittelbar gilt.

43

Bei der im einstweiligen Rechtschutzverfahren gebotenen summarischer Prüfung ist damit nicht ohne weiteres ersichtlich, welcher Regelungsgehalt der Verweisung auf § 14 LPO I in § 16 Abs. 2 LPO I zukommt. Die abschließende Klärung dieser Rechtsfrage muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

44

Ebenso wird im Hauptsacheverfahren die - von den Parteien bislang noch nicht thematisierte - Frage zu klären sein, ob eine Prüfungswiederholung im Prüfungstermin Herbst 2017 noch fristgerecht i.S.v. § 14 Abs.

1 Satz 2, § 15 Abs. 1 Satz 3 LPO I wäre.

45

Bei summarischer Prüfung erscheint es nach alledem nicht ausgeschlossen, dass Antragstellerin in dem von ihr noch einzulegenden Hauptsacheverfahren einen Anspruch auf Wiederholung der Prüfung gem. § 14 LPO I (in Bezug auf Französisch) und § 15 LPO I (in Bezug auf Spanisch) geltend machen kann.

46

Die somit nach obigen Ausführungen vorzunehmende Folgenabwägung fällt unter Berücksichtigung der besonderen rechtlichen Anforderungen im Bereich berufsbezogener Prüfungen (Art. 12 GG) und des Gebots der Chancengleichheit (Art. 3 GG) zugunsten der Antragstellerin aus. Ihr würden schon durch eine erhebliche Verzögerung der Ausbildung bzw. ihres Abschlusses schwerwiegende und letztlich irreparable Nachteile drohen, wenn sie den gegebenenfalls erst nach geraumer Zeit erfolgenden Eintritt der Rechtskraft eines Klageverfahrens in der Hauptsache abwarten müsste. Demgegenüber fällt nicht

entscheidungserheblich ins Gewicht, dass die Antragstellerin aufgrund der einstweiligen Anordnung die Prüfung ablegen und später in der Hauptsache (dennoch) unterliegen kann, da in diesem Falle nämlich - wie bereits dargelegt - die vorläufig vermittelte Rechtsposition wieder rückwirkend entfiele.

47

2. Die Antragstellerin konnte auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Der Antragstellerin ist es vorliegend nicht zumutbar, eine rechtskräftige Entscheidung in der (noch einzulegenden) Hauptsache abzuwarten. Denn es würde die Antragstellerin sowohl in ihren Prüfungsvorbereitungen als auch ihren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten schlechthin unzumutbar beeinträchtigen, ihr Prüfungswissen für eine nicht absehbare Zeit auf dem sich stetig ändernden neuesten Stand halten zu müssen und im Übrigen ihre Ausbildung erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt fortsetzen zu können (vgl. OVG Lüneburg, B.v.

17.03.2003 - 2 ME 16/03 - juris). Da es hier um das endgültige Nichtbestehen der Prüfung geht, kann die Antragstellerin auch nicht auf eine baldige Wiederholungsmöglichkeit verwiesen werden.

48

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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(8)

4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da es sich vorliegend um keine (echte) Vorwegnahme der Hauptsache handelt und sich das Begehren in der Hauptsache nur auf die Zulassung zur Examensprüfung bezieht, hält die Kammer den halben Auffangstreitwert für angemessen.

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