Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft
Acht Vorschläge zur Stärkung regulärer Beschäftigung in Berlin
Inhalt
Acht Punkte für reguläre Beschäftigung in Berlin 4 Umfang der Schwarz- und Schattenwirtschaft in Deutschland 5 Die Vorschläge der Berliner Wirtschaft im Einzelnen
a) Administrative Ansätze 7
b) Wirtschaftspolitische Ansätze 10
Impressum 14
Acht Punkte für reguläre Beschäftigung in Berlin
Die Bekämpfung der Schwarzarbeit ist seit Jahren ein konstantes Anliegen der IHK und der Hand- werkskammer Berlin. Sie bringt nicht nur einzelne Branchen in Verruf, sie führt auch zu negativen Folgen für die gesamte Wirtschaft. Während Arbeitgeber unter unlauterem Wettbewerb mit Kon- kurrenten leiden, die Schwarzarbeiter einsetzen, haben Arbeitnehmer mit der Verdrängung regulä- rer Arbeitsplätze durch illegale Beschäftigung zu kämpfen. Mit diesem Papier erneuern die beiden Wirtschaftskammern Forderungen, die bereits 2006 in einem Positionspapier formuliert wurden, und ergänzen diese um neue Vorschläge. Diese Aktualisierung kann als klares Signal verstanden werden, dass die Berliner Wirtschaft auch weiterhin konsequent gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäfti- gung und für ehrbares Unternehmertum eintritt.
Aus Sicht der Berliner Wirtschaft sind die folgenden acht Punkte vordringlich:
Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) ertüchtigen
Die FKS muss die nötigen Personalressourcen erhalten, um eine engere Kontrolldichte vor Ort zu erzielen. Zur Steigerung der Erfolgsquoten sollten zudem mit verstärkten Qualifizierungen branchen- spezifische Besonderheiten vermittelt werden.
Fälschungssicheren Sozialversicherungsausweis einführen
Mit einer fälschungssicheren Chipkarte als Ersatz für den bisherigen Sozialversicherungsausweis sind Kontrollen des sozialversicherungsrechtlichen Status‘ jedes Arbeitnehmers effektiver und schneller durchzuführen.
Zentrale Bußgeldstelle aufbauen
Eine zentrale Bußgeldstelle muss Bußgelder für alle Berliner Bezirke erheben und im Anschluss auf diese verteilen, um zeitnahe und einheitliche Ahndungen von Schwarzarbeit sicherzustellen.
Brancheninterne Lösungen forcieren
Branchenspezifische Lösungen, die gemeinsam mit den Wirtschaftsvertretungen erarbeitet und durchgeführt werden, erhöhen die Akzeptanz und Effektivität der angewandten Maßnahmen deut- lich. Mit Baustellenläufern und Fiskaltaxametern gibt es in Berlin bereits vielversprechende Pilotpro- jekte, die modellhaft für andere Branchen stehen können.
Reguläre Arbeit attraktiver machen − Lohnzusatzkosten senken
Mit dem Umstieg auf ein kapitalgedecktes Prämiensystem und der Bereinigung um versicherungs- fremde Leistungen kann die Sozialversicherung demografiefest gemacht und gleichzeitig eine Sen- kung der Lohnzusatzkosten erreicht werden. Damit wird die Aufnahme regulärer Arbeit attraktiver.
Übergang von Arbeitslosigkeit in Beschäftigung attraktiver gestalten
Hinzuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslose, mit denen die Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung gefördert wird, mindern das Interesse an Minijobs und illegalen Nebentätigkeiten.
Bewusstseinswandel beim Umgang mit Steuern herbeiführen
Mit einer Rückbesinnung auf den verantwortlichen Umgang mit Steuergeldern in Politik und Verwal- tung kann eine neue Steuermoral in der Bevölkerung etabliert werden.
Öffentlichkeit gegen Schwarzarbeit sensibilisieren
Durch gezielte Informationen müssen Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Arbeitssuchende und Verbraucher auf die Risiken und Konsequenzen illegaler Beschäftigung hingewiesen und über den Wert regulärer Beschäftigung aufgeklärt werden.
Quelle:
Prof. Friedrich Schneider
Umfang der Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft in Deutschland
Die Schätzungen zu Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft schwanken − je nach Autor − zum Teil beträchtlich, da diese weitgehend im Verborgenen stattfinden und keine objektiv messbaren Daten erzeugen. Um Vergleichbarkeit zu gewährleisten, konzentriert sich dieses Papier auf Schätzungen von Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz, ohne dabei den Anspruch auf vollständige Abbildung der wissenschaftlichen Debatte zu erheben.
Nachdem die Schattenwirtschaft bis 2003 deutschlandweit auf dem Vormarsch war, hat seitdem ein spürbarer Rückgang stattgefunden. Wurden ehemals Leistungen im Gegenwert von über 17 Prozent des BIP schwarz erwirtschaftet, wird dieser Wert 2011 auf deutlich unter 14 Prozent sinken (siehe Grafik). Dennoch darf dies nicht als Entwarnung missverstanden werden. Immer noch werden auf ille- galem Weg pro Jahr ca. 345 Milliarden Euro erwirtschaftet. Nur aufgrund des starken Wachstums der realen Wirtschaft, sinkt die Größe der Schattenwirtschaft im Verhältnis zur gesamten Wirtschafts- leistung.
220 240 260 280 300 320 340 360 380 400
2011*
2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996
1995 9
10 11 12 13 14 15 16 17 18
in Mrd. Euro (linke Ordinate) in Prozent des BIP (rechte Ordinate) * Schätzung
Größe der Schattenwirtschaft in Deutschland
Auch die Zahl der schwarz gearbeiteten Stunden nimmt − nach einem stärkeren Rückgang in den Jahren 2003 bis 2006 − seit geraumer Zeit kaum mehr ab. Umgerechnet auf einen fiktiven „Vollzeit- Inlands-Schwarzarbeiter“ gehen noch immer über 7,7 Millionen Deutsche illegaler Beschäftigung nach, nur vier Prozent weniger als vor fünf Jahren. Die Zahl der ausländischen, illegal Beschäftigten liegt mit gut 900.000 Personen auf vergleichsweise moderatem Niveau. Schwarzarbeit in Deutsch- land ist also in erster Linie kein ausländerrechtliches sondern vor allem ein innen- und wirtschafts- politisches Problem.
Quelle:
Prof. Friedrich Schneider
Quelle:
Prof. Friedrich Schneider
0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 9.000 10.000
2011*
2010*
2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995
* Schätzung
8.524
7.320 7.696 7.899 8.240 9.023
8.621 8.909 9.182 9.420 8.549 8.124 8.206 8.154 8.272 7.875 7.761
Entwicklung der „Vollzeit-Inlands-Schwarzarbeiter“ in 1000 Personen
Nach Wirtschaftssektoren betrachtet wird − den Berechnungen von Prof. Schneider zufolge − im Baugewerbe und bei Handwerksbetrieben mit Abstand am meisten schwarz erwirtschaftet. Mehr als ein Drittel der gesamten Schattenwirtschaft findet hier statt. Aber auch einzelne Industriezweige und das Gastgewerbe sind anfällig für illegale Beschäftigung. Schwarzarbeitsbekämpfung muss insbeson- dere in diesen stark betroffenen Branchen mit maßgeschneiderten Ansätzen vorangetrieben werden.
Dienstleistungsbetriebe (Hotels, Gaststätten, etc.)
Andere Gewerbe- und Industriebetriebe (Kfz, Maschinen, etc.)
Baugewerbe und Handwerksbetriebe (inkl. Reparaturen)
Unterhaltungs- und Vergnügungsbranche Sonstige Gewerbebetriebe und
haushaltsnahe Dienstleistungen (Nachhilfe, Friseur, Babysitten) 51,8
131,3
58,8 58,8
44,9
Schattenwirtschaft in Deutschland 2011 nach Wirtschaftssektoren
in Milliarden Euro
Quelle: Finanzkontrolle Schwarzarbeit, Hauptzoll- amt Berlin
Die Vorschläge der Berliner Wirtschaft im Einzelnen
a) ADmInIStrAtIVE AnSätZE
Die von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) ermittelte Schadenssumme infolge eingeleiteter Er- mittlungsverfahren ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. So ermittelte die FKS 2010 allein für Berlin einen Schaden von über 24 Millionen Euro (siehe Grafik). Die eingeleiteten Ermittlungsver- fahren vervierfachten sich sogar gegenüber dem Vorjahr. Die Schadenssummen verdeutlichen einen immensen Kontrollbedarf, der mit Hilfe administrativer Ansätze erleichtert werden muss.
Finanzkontrolle Schwarzarbeit ertüchtigen
Auch wenn die Schadenssummen aus Ermittlungsverfahren seit Jahren steigen, zeigt sich doch eine enorme Diskrepanz zum geschätzten Gesamtumfang der Schwarzarbeit. Nur ein Bruchteil der ille- galen Beschäftigung wird tatsächlich aufgedeckt. Augenscheinlich ist die Zahl der durch die FKS durchgeführten Kontrollen bei weitem nicht ausreichend, um eine flächendeckende und regelmäßi- ge Überprüfung der für Schwarzarbeit anfälligen Branchen zu gewährleisten. Für den Aufbau einer größeren Kontrolldichte muss die FKS mit den nötigen Personalressourcen ausgestattet werden. Die Aufstockung sollte mit umfangreichen Qualifizierungen einhergehen, in denen branchenspezifische Besonderheiten vermittelt werden. Die Berliner Wirtschaft wird die Qualifikationen mit Branchen- kennern aus den betroffenen Wirtschaftszweigen unterstützen. Ein Beschäftigungsaufbau allein ist jedoch nicht ausreichend. Bereits vor Jahren bemängelte der Bundesrechnungshof eine zu geringe Präsenz der FKS-Beamten im Außendienst von unter 50 Prozent der Arbeitszeit und empfahl, die Vorgaben zu Personenbefragungen zu erhöhen. Auch die Berliner Wirtschaft sieht in einer stärkeren Gewichtung der Kontrollen vor Ort einen Schlüssel zur Effizienzsteigerung der FKS, der um regelmä- ßige und für die Öffentlichkeit transparente Evaluationen ergänzt werden sollte.
0 5 10 15 20 25 30
2010 2009
2008 2007
2006 10,2
13,8 14,7 16,5
24,3
Schadenssumme aus eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Schwarzarbeit in Berlin
in Millionen Euro
Fälschungssicheren Sozialversicherungsausweis einführen
Mit der 2009 eingeführten Pflicht zur Sofortmeldung von Arbeitnehmern bei Aufnahme der Tätig- keit und der ebenfalls umgesetzten Mitführungspflicht von Ausweispapieren wurden wichtige For- derungen der Berliner Wirtschaft erfüllt. Für eine weitere Erleichterung der Kontrollen vor Ort ist die Einführung einer fälschungssicheren, elektronisch lesbaren Chipkarte als Ersatz für den bisherigen Sozialversicherungsausweis erforderlich. Kontrollen des sozialversicherungsrechtlichen Status‘ jedes Arbeitnehmers sind damit effektiver und schneller durchzuführen. Die Nichtmitführung der Chipkarte ist mit wirksamen Bußgeldern zu belegen. Die von der alten Bundesregierung nicht weiter verfolgten Planungen eines Pilotprojektes in der Region Berlin-Brandenburg sind wieder aufzunehmen. Dabei sollte auch geprüft werden, ob eine Einbindung der Funktionen des Sozialversicherungsausweises in den neuen Personalausweis möglich ist. Mit den dabei entstehenden Synergieeffekten könnten Kos- ten für den Aufbau einer getrennten IT-Infrastruktur gespart und Bürokratielasten gesenkt werden.
Zentrale Bußgeldstelle aufbauen
Ein entscheidender Faktor für die Wirksamkeit von Kontrollen und Sanktionen ist das rasche Ein- fordern von Bußgeldern, um den direkten Bezug zum Vergehen aufrecht zu erhalten. Die derzeit stattfindende Ahndung der Schwarzarbeit durch die einzelnen Bezirke mit zum Teil deutlich unter- schiedlicher Prozessdauer und Bußgeldhöhe verfehlt oftmals ihre abschreckende Wirkung. Zudem beschränken Unternehmen und Schwarzarbeiter ihre illegalen Tätigkeiten nicht auf einzelne Bezirke, so dass es dringend einer besseren Vernetzung der Kontrolleinrichtungen bedarf. Idealerweise kann dies in einer bundesweiten Zentrale geschehen, die nicht nur einheitlich und mit Rücksicht auf alle Vergehen desselben Beschuldigten handelt, sondern für Arbeitgeber und Arbeitnehmer systematisch eine Kartei über bisherige Bußgelder − etwa analog zur Verkehrssünderkartei − führt. Wiederho- lungstäter könnten damit klar erkannt und entsprechend bestraft werden. Sofern der Aufbau ei- ner deutschlandweiten Einrichtung noch nicht möglich ist, muss als Zwischenschritt zumindest eine zentrale Bußgeldstelle für Berlin geschaffen werden, welche die eingenommenen Bußgelder auf die Bezirke verteilt.
Brancheninterne Lösungen forcieren − Modell Baustellenläufer fortsetzen
Alle bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass zur Bekämpfung der Schwarzarbeit Lösungen, die gemeinsam mit den Wirtschaftsvertretungen erarbeitet und durchgeführt werden, die Akzeptanz und Effektivität der angewandten Maßnahmen deutlich erhöhen. Dabei sind besonders Branchen wie das Baugewerbe von Interesse, in denen der Umfang von Schattenwirtschaft besonders groß ist (siehe Grafik nächste Seite).
Quelle:
Prof. Friedrich Schneider Zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung setzt die Fachgemeinschaft Bau in Berlin und Brandenburg
bereits seit 2004 die sogenannten Baustellenläufer ein. Diese observieren, fotografieren und doku- mentieren in Abstimmung mit dem Zoll das Geschehen auf potentiellen Schwarzbaustellen. Die dabei gewonnenen Informationen werden direkt an die Kontrollbehörde weitergeleitet. Durch die enge Kooperation und den maßgeschneiderten Ansatz wurden beachtliche Erfolge bei der Verfolgung von Schwarzarbeit erzielt, von denen eine Signalwirkung für andere betroffene Branchen ausgehen sollte.
Handwerksbetriebe im Baubereich Baunebengewerbe
Bauhauptgewerbe
Sonstige Reparaturen (Fernseher, elektr. Geräte, Haushaltsgeräte) 46,0
34,1 23,6
27,6
Schattenwirtschaft im Baugewerbe und in Handwerksbetrieben in Deutschland 2011
in Milliarden Euro
Brancheninterne Lösungen forcieren − Pilotprojekt Fiskaltaxameter unterstützen
Auch das Taxigewerbe steht beim Thema Schwarzarbeit im Fokus. In Berlin startete auf Initiative des Taxiverbands Berlin Brandenburg ein Modellversuch, der Betrug durch Datenmanipulation unmög- lich machen soll. Unterstützt wird das Projekt von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der IHK Berlin und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Nach einer Pilotphase mit fünf Taxen sollen künftig bis zu 500 Fahrzeuge mit Fiskaltaxametern ausgestattet werden. Dieser freiwillige Test soll den Fiskaltaxameter als wirksames Mittel zur Bekämpfung von Umsatzunterdrückung und Schwarzarbeit zeigen. Für eine weitere Verbreitung der manipulationssicheren Taxameter ist jedoch die Unterstützung durch das Land Berlin notwendig. Da sich die Anfangsinvestitionen bereits nach einem Jahr durch mehr Steuerehrlichkeit rechnen dürften, wäre dies auch haushaltspolitisch sinnvoll.
Quelle: Eigene Berechnung
b) WIrtScHAFtSPoLItIScHE AnSätZE
Obwohl in den vergangenen Jahren einige Erleichterungen zur Verfolgung von Schwarzarbeit einge- führt wurden, hat sich das Ausmaß der Schattenwirtschaft nicht wesentlich verändert. Es zeigt sich einmal mehr, dass auch die wirksamsten Kontrollen und harte Strafen Schwarzarbeit nur bedingt eindämmen können. Vielmehr bedarf es wirksamer Anreize zur Ausübung einer regulären Beschäf- tigung. Insbesondere müssen wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen gezielt verbessert werden, damit sich Schwarzarbeit weniger lohnt.
Reguläre Arbeit attraktiver machen − Lohnzusatzkosten senken
Der sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer größte Anreiz für illegale Beschäftigung besteht in beiderseitigen Kostenvorteilen. Schwarzarbeit umgeht sowohl Steuern auf den Faktor Arbeit als auch Sozialversicherungsabgaben. Damit sinken die Arbeitskosten des Arbeitgebers, während gleichzeitig das Nettoeinkommen des Arbeitnehmers maximiert wird. Allein die für diese Kalkulation relevanten Lohnzusatzkosten zur Sozialversicherung beliefen sich in den letzten Jahren bei leichten Schwankun- gen stets über 40 Prozent des Bruttoeinkommens (siehe Grafik). Ohne entschiedenes Gegensteuern wird sich dieser ohnehin schon beträchtliche Abgabenkeil im Zuge des demografischen Wandels noch weiter vergrößern. Vor allem die nicht nachhaltigen Finanzierungsmodelle der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung schweben wie ein Damoklesschwert über den künftigen Kosten regulärer Arbeit.
Eine Senkung der Lohnzusatzkosten ist trotz der demografischen Entwicklung möglich, setzt aber die konsequente Einführung von Elementen der Kapitaldeckung in allen Zweigen der Sozialversicherung voraus. Der in der gesetzlichen Rentenversicherung begonnene Einstieg in ein lohnunabhängiges Prämiensystem, das den Faktor Arbeit entlastet, muss fortgesetzt werden, um die Attraktivität regu- lärer Beschäftigung zu steigern. Unabhängig davon ist eine Bereinigung der Sozialversicherung um versicherungsfremde Lasten nötig, was allein zu einer Senkung der Lohnnebenkosten um mehrere Prozentpunkte führen würde.
0 5%
10%
15%
20%
25%
30%
35%
40%
45%
50%
2011 2010
2009 2008
2007 2006
2005 2004
2003 2002
19,1 19,5 19,5 19,5 19,5 19,9 19,9 19,9 19,9 19,9
14,01,7 14,31,7 14,21,7 14,21,95 14,31,95 14,81,95 14,81,95 15,52,2 15,52,2 15,52,2
1,33 1,35 1,33 1,31 1,33
1,33 1,33 1,33 1,33 1,31
6,5 6,5 6,5 6,5 6,5
4,2 3,3 2,8 2,8 3,0
Entwicklung der Lohnzusatzkosten
Stand je zum Januar eines Jahres
Quelle: Bundesrechnungs- hof, eigene Berechnung
Übergang von Arbeitslosigkeit in Beschäftigung attraktiver gestalten
Auch für Arbeitslose sind Anreize zur Aufnahme einer regulären Beschäftigung entscheidend. Statis- tiken zeigen, dass Schwarzarbeit besonders häufig mit Leistungsmissbrauch − also der Erschleichung von (Sozial-)leistungen bei gleichzeitiger illegaler Beschäftigung − einhergeht. Über 70 Prozent der abgeschlossenen Ermittlungsverfahren zu Schwarzarbeit fallen hauptsächlich in diese Kategorie (sie- he Grafik).
Neben einer konsequenten Verfolgung dieser Straftaten können hier Anreize ansetzen, mit denen die Übergänge vom Bezug staatlicher Lohnersatzleistungen zur regulären Beschäftigung ohne öf- fentliche Zuschüsse fließender gestaltet werden. Gerade für Arbeitslose mit überdurchschnittlichen Sozialleistungsansprüchen, beispielsweise Alleinerziehende, lohnt sich die Aufnahme einer Vollzeit- beschäftigung oft nicht, da das dabei erzielte Einkommen wegen hoher Abzüge beim Arbeitslosengeld und neu zu zahlenden Sozialversicherungsabgaben kaum die Höhe der zuvor bezogenen Leistungen übersteigt. Im Ergebnis beschränken sich viele Betroffene auf abgabenfreie Minijobs und beziehen ergänzende Sozialleistungen. Damit wird nicht nur das arbeitsmarktpolitische Ziel einer vollständigen Integration in den Arbeitsmarkt verfehlt. Oftmals werden zudem ergänzend zu Minijob und aufsto- ckendem Arbeitslosengeld weitere Einkommen aus Schwarzarbeit erzielt.
Mit verbesserten Hinzuverdienstmöglichkeiten, die bei Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung mode- ratere Abzüge bei den Sozialleistungen bewirken als bisher, werden nicht nur die in der entstandenen Größenordnung ungewünschten Minijobs unattraktiv. Für Vollzeitbeschäftigte bleibt darüber hinaus kaum noch Zeit für illegale Nebentätigkeiten.
Sonstiges - 3.036
Steuerhinterziehung - 885
Verstöße gegen das AsylVfG, AuslG, AufenthG - 3.810
Verstöße gegen das AEntG - 6.170 Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt - 7.177
aktive/ passive Ausländerbeschäftigung - 23.315
Leistungsmissbrauch - 120.442
Erledigte Ermittlungsverfahren wegen Schwarzarbeit nach Art der normverstöße in
Deutschland 2006
Quelle:
rechnungshof von Berlin
Bewusstseinswandel beim Umgang mit Steuern herbeiführen
Steuerliche Anreize gegen Schwarzarbeit beginnen mit der Frage der Steuervereinfachung und -trans- parenz. Das undurchsichtige Steuerrecht hat kaum zu mehr Gerechtigkeit unter den Zahlern geführt, wohl aber den Wettbewerb um die kreativste Steuervermeidungsstrategie verstärkt. Gerade das Aus- maß der Schwarzarbeit zeigt, dass dabei mitunter bewusst Rechtsbrüche in Kauf genommen werden.
Eine gelebte Steuermoral, mit der Schwarzarbeit delegitimiert werden kann, setzt ein verständliches Steuerrecht voraus. Mit Steuervereinfachungen darf daher − neben bürokratischen Erleichterungen − ein merklicher Rückgang illegaler Beschäftigung erwartet werden.
Darüber hinaus kann eine Veränderung der öffentlichen Haltung zur Schwarzarbeit nur dann erreicht werden, wenn die Bürger wieder eine vernünftige Verwendung ihrer Steuergelder durch Politik und Verwaltung erkennen. Allein die Steuerverschwendung Berlins belief sich 2010 auf 95 Millionen Euro (siehe Grafik). Der leichtfertige Umgang mit öffentlichen Mitteln hat bei vielen Bürgern den Eindruck entstehen lassen, die Vermeidung von Steuer- und Abgabenzahlungen mittels Schwarzarbeit sei legi- tim. Umfragen zufolge halten über 20 Prozent der Deutschen Schwarzarbeit für eher vertretbar, nur 33 Prozent lehnen sie als völlig unvertretbar ab.1 Hier ist eine konsequente Rückbesinnung auf die Verantwortung erforderlich, die mit der Verwendung der von den Steuerzahlern anvertrauten Gelder einhergeht. Dazu gehört nicht nur eine strikte Ausgabendisziplin, sondern auch eine transparente Mittelverwendung und eine objektive Prüfung aller Ausgabenpläne auf ihre Wirtschaftlichkeit. Der Einsatz von Ressourcen (Personal, Sachmittel, Investitionen) muss an messbaren Zielen orientiert werden. Nur auf diese Weise wird ein effizienter Umgang mit Steuermitteln gewährleistet.
0 20 40 60 80 100 120 140 160
2010 2009
2008 2007
2006 2005
2004 47
32
114
150
57
37
95
Steuerverschwendung Berlins
in Millionen Euro
Öffentlichkeit gegen Schwarzarbeit sensibilisieren
Alle wirtschaftspolitischen Ansätze können jedoch keinen dauerhaften Erfolg haben, wenn Schwarz- arbeit weiterhin keine öffentliche Ächtung widerfährt. Wer sich als illegal Beschäftigter moralisch im Recht glaubt, ändert sein Verhalten erst dann, wenn sich die Moralvorstellungen anpassen. Zu häufig wird Schwarzarbeit als ein Kavaliersdelikt angesehen. Eine stillschweigende Akzeptanz illegaler Be- schäftigung zu Lasten aller redlichen Arbeitnehmer und Arbeitgeber darf jedoch nicht hingenommen werden. Hier sind von allen Beteiligten verstärkte Anstrengungen zur Aufklärung über die negativen Folgen und zur Prävention von Schwarzarbeit erforderlich. Arbeitssuchende müssen auf die Risiken und Konsequenzen illegaler Beschäftigung hingewiesen und über den Wert regulärer Beschäftigung aufgeklärt werden. Insbesondere muss bereits vor Vermittlung in stärker von Schwarzarbeit betrof- fene Branchen eine Sensibilisierung der Arbeitssuchenden erfolgen. Mittelfristig ist eine öffentliche Debatte über Schwarzarbeit und ihre Folgen unumgänglich. Auch wenn schnelle Erfolge dabei wenig wahrscheinlich sind, kann einzig die Änderung der öffentlichen Meinung nachhaltige Verhaltensän- derungen bewirken, welche die Schwarzarbeit wirksam zurückdrängen.
Herausgeber IHK Berlin Fasanenstraße 85 10623 Berlin
Telefon: +49 30 31510-0 Telefax: +49 30 31510-166 E-mail: service@berlin.ihk.de www.ihk-berlin.de
Handwerkskammer Berlin Blücherstraße 68
10961 Berlin
Telefon: +49 30 25903-01 Telefax: +49 30 25903-235 E-mail: info@hwk-berlin.de www.hwk-berlin.de
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