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Hierbei sollen zugleich der bisher erreichte Stand in der Erforschung dieser Bereiche verdeutlicht und die weiteren Aufgaben kurz umrissen werden

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ZUR KATEGORIE DES VERBALASPEKTS IM INDOARISCHEN

Von Helmut Nespital, Kiel

1. Im Ralunen dieses Beitrages ist es selbstredend nicht möglich, die äußerst

komplizierte und weitreichende Problematik des Verbalaspekts im Indoarischen

auch nur annähemd umfassend darzustellen. Wir wollen uns deshalb unter Berück¬

sichtigung des aktuellen Standes der Untersuchung dieses Gegenstandes in der In¬

dologie, damnter vor allem auch unter Auswertung eigener Forschungsergebnisse, auf die Behandlung emiger wesentlicher Teübereiche beschränken. Diese betreffen:

1. die sprachliche Wiedergabe und die grammatischen Bedeutungen des Verbal¬

aspekts im Neuindoarischen (NIA), 2. einige wesentliche Seiten der Relation von

Aspekt und lexücalischer Verbbedeutung und 3. einige Fragen der Genesis dieser

Kategorie in früheren Sprachperioden des Indoarischen (IA). Hierbei sollen zugleich

der bisher erreichte Stand in der Erforschung dieser Bereiche verdeutlicht und die

weiteren Aufgaben kurz umrissen werden. — Aus theoretischen und methodischen

Gründen sowie zur Verdeutlichung der Verhältnisse im IA haben wir einleitend

auch die charakteristischen Merkmale des Aspektsystems der slawischen Sprachen

in knapper Form dargestellt.

2.1. Wenn wir vom Verbalaspekt im IA sprechen, so müssen wir zunächst dar¬

legen, was wir unter dieser Kategorie als solcher verstehen. Dies ist umso erforder¬

licher, da sowohl in der theoretischen Linguistik und in den verschiedenen Dis¬

ziplinen der vergleichenden Sprachwissenschaft als auch m den Einzelphilologjen, damnter auch in der Indologie, der Begriff , Aspekt' nicht selten für solche sprachh¬

chen Erscheinungen des Verbs verwendet wird, die sich hmsiehtlich üirer gramma¬

tischen Bedeutungen oftmals wesentlich voneinander unterscheiden.

2.2. Sachlich und methodisch angemessen ist es dämm, für die Bestünmung und

Abgrenzung der Aspektkategorie von den slawischen Sprachen auszugehen, insofem

als für sie u. a. folgende gravierende Tatsachen zutreffen: 1. Sie verfügen über die

Kategorie des Verbalaspekts, was eindeutig nachgewiesen ist und auch von kemem

Linguisten bestritten wird, und 2. die Untersuchung der sprachlichen Erscheinun¬

gen, die unter dem Begriff ,Aspekt' subsumiert werden, begann zuerst in diesen

Sprachen.

3. An dieser SteUe können wir, ausgehend vom heutigen Stand der Aspekt¬

forschung bzw. Aspektologie in der SlawistUc, nur einige der gmndlegenden Cha¬

rakteristika der slawischen Aspekte nennen. Zu diesen gehören:

1. Die meisten Verben der slawischen Sprachen kommen in zwei verschiedenen

Formen vor, die sich in üirer lexücalischen Bedeutung nicht bzw. nur mmünal

voneinander unterscheiden, und zwar (a) m einer imperfektiven und (b) m einer

perfektiven Form, so z. B. ün Russischen: delat' (ipf.) - sdelat' (pf ) „machen, tun".

(2)

2. Jedes imperfektive Ausgangsverb, d. h. Somplex, wird durch Präfigierung zu

einem perfektiven, d. h. es wird , perfektiviert', so z. B. hn Falle der eben ange¬

führten Verben: delat' -* Präfix s- + delat' = sdelat' (pf ).

3. Neben der Perfektivierung kann die Präfigierung aber auch in lexikalischer

Hinsicht noch folgende Konsequenzen haben:

3.1. Sie bewirkt, daß das präfigierte, perfektive Verb gegenüber seinem imper¬

fektiven Ausgangsverb ein bestünmtes lexikalisches Sem bzw. semantisches Merk¬

mal bei ansonsten identischer Semstmktur beider stets wiedergibt. Das betrifft z. B.

auch das bereits angeführte Paar delat' - sdelat'. Womm es hierbei hn einzelnen

geht, behandeln wir anhand des NIA m den Abschnitten 20.3. und 20.4.

3.2. Im Vergleich zum imperf Ausgangsverb, das das betreffende Geschehen in

aU seinen Phasen bzw. in seinem vollen Umfang wiedergibt, bringt das präfigierte,

perf Verb nur eine ganz bestünmte Phase desselben zum Ausdmck, so z. B. die

Endphase wie z. B. ün Tschech. dopsät (pf ) „zu Ende schreiben" gegenüber psdt

(ipf) „schreiben". Neben der Perfektiviemng bewirkt die Präfigiemng hier also

noch die Büdung einer bestünmten Aktionsart zum Sünplex, und zwar von ,Pha-

senaktionsarten' wie der egressiven bzw. finitiven Aktionsart ün angefiihrten Bei¬

spiel.

3.3. Gegenüber einem imperf. Simplex, das ein Zustandsverb ist, so z. B. Tschech.

znat „kennen", bezeichnet poznät „erkennen, (geistig) erfassen" die Tätigkeit, die in jenen Zustand, nämhch ,, kennen, wissen", übergeht.

3.4. Das Präfix kann in anderen Fällen die Bedeutung des Simplex auch durch

eine zusätzliche Richtungsangabe spezifizieren, so im Russ. Orrezaf ' „abschneiden"

gegenüber rezat', das lediglich „schneiden" bedeutet.

3.5. Schheßlich kann durch die Präfigierung auch ein ün Vergleich zum imperf.

Simplex in lexUcahscher Hinsicht völlig neues Verb erzeugt werden, so z. B.

Tschech. vydSlat (pf ) „(Geld) verdienen" gegenüber dSlat „machen, tun".

4. Im wesentlichen sind diese unterschiedlichen lexUcalisch-semantischen Aus¬

wirkungen der Präfigiemng von imperfektiven verba sünplicia, die mh der Perfek¬

tiviemng einhergehen, (a) durch die Polysemie der betreffenden Präfixe und (b)

durch den Grad der Beibehaltung bzw. des Verlustes üirer Eigensemantüc bedmgt.

In jedem FaU haben die relevanten Präfixe hier zwei sünultan wirkende Funk¬

tionen: 1. eine grammatische, d. h. sie bilden mit dem ünperfektiven Sünplex als

Ausgangsverb perfektive Aspektformen, und 2. eine der unter 3.1.—3.5. genaim¬

ten lexikalischen Funktionen' .

5. Ledighch im FaU 3.1. kann man von eüier ,echten' Aspektopposition zweier

Formen ein und desselben Verblexems sprechen. In ahen anderen FäUen ist das zu

dem betreffenden Sünplex gebildete präfigierte und perfektive Verb in lexikalischer

Hinsicht schon so weit modifiziert, daß es nicht mehr den Aspektpartner zu erste¬

rem darstellt. Es benötigt also einen ünperfektiven Partner mit gleicher lexikalischer

Bedeutung. Dieser wird in der Mehrzahl der Fälle durch Suffigiemng zu üim gebü¬

det, so z. B. im Tschech. poznävat (ipf) zu poznät (pf ) „erkennen"; vydelävat

1 Vgl. hierzu u. a. für das Russische A. V. IsaSenko, Die russische Sprache der Gegenwart. Teil I: Formenlehre, Halle (Saale) 1962, bes. 355-365.

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Zur Kategorie des Verbalaspekts im Indoarisehen 255

(ipf.) zu vydSlat (pf.) „(Geld) verdienen"; dop^orar (ipf.) zu dopsät (pf.) „zu Ende schreiben" oder vyhazovat (ipf.) zu vyhodit (pf.) „hinaus- bzw. herauswerfen". Da

hier die Imperfektivierung sekundär zu emem perfektiven Verb erfolgt, spricht man

auch von ,sekundärer Imperfektiviemng^'.

6. Die Grundbedeutung des perfektiven Aspekts ist, worauf wir noch an anderer

Stelle näher eingehen werden, die Darstellung des verbalen Geschehens im Rahmen

semer konkreten lexßcahschen Bedeutung als eines geschlossenen, ungeteUten Kom¬

plexes bzw. in seiner Ganzheitlichkeit. Eheraus erklärt es sich, daß zu bestimmten

Gmppen von Verben keine perfektiven Partnerformen gebildet werden können.

Diese Verben können also nur hn ünperfektiven Aspekt vorkommen. Zu diesen, für

die auf Grund eben dieser hirer Charakteristik der Terminus ,Imperfectiva tantum' verwendet wird, gehören u. a. statische Zustandsverben wie Russ. leiaf „liegen", sidef „sitzen" oder stojaf „stehen"; Relationsverben wie imef „beshzen, haben", , intellektuelle Zustandsverben' wie zmf „kennen, wissen" oder Existenzverben wie byt^ „sein" oder iif „leben". Bei ah ihrer individueUen Spezifik zeichnen sie sich

ahe durch folgende Merkmale aus: sie geben Verbalinhalte wieder, die (1) weder

Vorgänge noch Handlungen darstehen; die (2) rein hnear und urdimitiert sind, d. h.

kehl Sem enthalten, das auf ihre Begrenzung hinsichtlich ihres Beginns, ihres Endes

oder ihrer Orientiemng auf das Erreichen eines Zieles hinweist, und die (3) auch

von unbestünmter zeithcher Dhnension sind.

7. Neben den Imperfectiva tantum gibt es auch einige Verben, die Perfectiva

tantum sind, die also nur im perfektiven Aspekt vorkommen. Zu diesen gehören,

z. B. hn Russischen, Verben mit bestunmten Aktionsartenbedeutungen, und zwar

solchen, die eine Darstellung des von Uinen bezeichneten Geschehens als aktueUes,

hn Verlauf seiner Realisiemng befmdhches nicht zulassen. Als Beispiel seien die

Verben der sogen. ,dehmitativen Aktionsart' genannt, die eine zeithche Begrenzung

des verbalen Geschehens ausdrücken, wie z. B. postofat' „eine Zeitlang/Weile

stehen" oder posidet' „eine Zeitlang/WeUe sitzen". Als aktueUes Präsens müßten sie

bedeuten z. B. „er sitzt gerade eine Zeitlang", was faktisch und damit auch als

sprachliche Bedeutung unmöghch ist. - Außer den (a) in beiden Aspekten, und

zwar mit dualen bzw. binären Formen, vorkommenden Verben, den (b) Imperfec¬

tiva tantum und den (c) Perfectiva tantum gibt es (d) auch emige wenige Verben,

die ,zweiaspektig' sind, die also in bestimmten Fällen ihrer Verwendung imper¬

fektiv, in anderen hingegen perfektiv sein körmen. Ein solches zweiaspektiges Verb ist z. B. Russ. issledovaf „untersuchen".

8. Aus dem vorigen ergibt sich, daß in den slawischen Sprachen jedes Verb von

der Aspektkategorie erfaßt whd bzw. aspektuell bestimmt ist, auch wenn nicht

jedes Verb oder auch jede Einzelbedeutung eines Verbs in beiden korrelativen

Aspektformen vorkommt. Dieselbe FeststeUung güt auch für das NIA, wie wir noch

sehen werden.

9. Von wesentlicher Bedeutung ist ferner die Tatsache, daß die Aspektkategorie

hn Slawischen nicht nur durch ganz bestimmte grammatische Formen eines Verbs,

2 Siehe u. a. Isaäenko, loe. cit., 365 ff. - Für das Tschechische vgl. F. Kopeöny, Slovesny vid v cestine, Rozpravy äeskoslovenske akademie vid, 2 (1962), Praha 1962, 90 ff.

(4)

SO etwa nur durch einige Tempora, wiedergegeben wird, sondem von allen finiten

und infiniten Formen des Verbs. — Allein schon in diesem Punkt sowie in dem unter

8. genannten Sachverhalt, also abgesehen eiiunal von allen grammatischen Bedeu¬

tungsunterschieden, unterscheidet sich das Slawische — und das NIA — z. B. vom

Altindischen, Altgriechischen oder Französischen, hinsichtlich derer einige Lin¬

guisten von einer aspektuellen Opposition mit Bezug auf nur ganz bestimmte

Tempora sprechen, in der Regel betreffs des Aorists^ bzw. des Pass6 döfmi oder des

Passe compose" , die den perfektiven Aspekt wiedergeben, zum anderen betreffs des Imperfekts bzw. Imparfait, das als aspektuell imperfektiv angesehen wird.

10. In semantischer Hinsicht ist der perfektive Aspekt im Slawischen und im

NIA' durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

1. Er stellt das betreffende verbale Geschehen als ein in sich geschlossenes Gan¬

zes, als einen ungeteilten Gesamtkomplex dar und nicht in seiner Prozessualität, in seinem konkreten Ablauf oder in seiner unlimitierten Entwicklung.

2. Er drückt aus, daß das Geschehen in jedem FaU die Endgrenze semes Vollzuges

erreicht.

3. In Verbindung mit den beiden vorigen Merkmalen wird durch den perfektiven

Aspekt wiedergegeben, daß das betreffende verbale Geschehen, sofem es seine

lexikalische Semantik zuläßt, sem Resultat, auf das es gerichtet ist, auch in

jedem FaUe erreicht. Dieses gilt für mehrere lexücahsche Verbklassen mit einer

insgesamt großen Zahl von Einzelverben. Zu diesen Verbklassen gehören u. a. :

1. aUe (a) effizierenden und (b) affizierenden transitiven Handlungsverben, 2.

alle intransitiven Verben, die den Übergang von einem Vorzustand m emen

Nachzustand ausdrücken, und 3. die transitiven Tätigkeitsverben, die den Über¬

gang in einen Zustand bezeichnen. Als Beispiele aus dem Russischen seien hierzu angeführt: zu 1. (a): postroit' „bauen, errichten"; zu 1. (b): ubit' „töten"; zu 2.:

umeret' „sterben" und zu 3. poznat' „(geistig) erfassen, erkeimen".

4. Der perfektive Aspekt ist sowohl mit (a) Geschehen von punktueUer Ausdeh¬

nung als auch (b) mit durativen kompatibel, so z. B. un Hindi (a) ht/^s uthnä

„auflachen", (b) säri rät jäg lenä „die ganze Nacht durchwadien". Im FaUe (b) stellt er das durative bzw. sich über eine längere Zeitspanne erstreckende Gesche¬

hen als ganzheitliches sozus. als ,zusairunengerafftes' dar.

3 Hinsichtlich des Altindischen siehe den Absatz 25.1. im folgenden. - Zum Altgriechischen siehe u. a. E. Bornemann und E. Risch, Griechische Grammatik, Frankfurt am Main/Berlin/

München (2. Auflage) 1978.

4. So z. B. Horst G. Klein, Tempus, Aspekt und Aktionsart. - Romanische Arbeitshefte (10), Tübingen 1964.

5 Vgl. hierzu 1. Porizka' = V. PoJizka, On the Perfective Verbal Aspect in Hindi (Some features of parallehsm between New Indo-Aryan and Slavonic languages); m Archiv Orien¬

tälni. Praha: I/Nr. 35,1 (1967), 64-88; II/Nr. 35,2 (1967), 208-231; III/Nr. 36,2 (1968), 233-251; IV/Nr. 37,1 (1969), 19-47 und V/Nr. 37,2 (1969), 345-364; und 2. Nespital'

= H. Nespital, Das Futursystem im Hindi und Urdu. - Ein Beitrag zur semantischen Ana¬

lyse der Kategorien Tempus, Aspekt und Modus und ihrer Grammeme. - Schriftenreihe des Südasien-Instituts der Universität Heidelberg, Band 29, Wiesbaden 1981. - In diesen Publi- katnnen ist diese Problematik im Detail und anhand zahlreicher Textbelege dargestellt.

(5)

Zur Kategorie des Verbalaspekts im Indoarisehen 257

5. Mit den bisher genannten Merkmalen hängt ferner zusanmien, daß der perfektive

Aspekt die Vollständigkeit, Gesamtheit bzw. Totalität der Realisierung des

betreffenden Geschehens hervorhebt wie auch

6. die Realisierung des Geschehens als solche, d. h. als Handlungs-, Vollzugs- bzw.

Eintrittsfakt.

11. Die perfektiven Verben des Slawischen (und die sogen, modifizierten Ver¬

balausdrücke des NIA vom Typ Hindi/Urdu ä jänä „kommen, ankommen", cal

denä ,, losgehen, aufbrechen"; Bengali mere phelä „töten" oder Gujarati marTjavu"

„sterben") sind nun dadurch gekennzeichnet, daß sie diese grammatischen Bedeu¬

tungen des perfektiven Aspekts merkmalhaft wiedergeben.

12. Im Vergleich dazu sind die imperfektiven Verben des Slawischen oder die

sogen, unmodifizierten Verben des NIA (also Hindi/Urdu änä „kommen", calnä

(u. a.) „losgehen, aufbrechen. .", Beng. märä (u. a.) „töten" oder Guj. marvu"

(u. a.) „sterben") in aspektueller Hinsicht nicht markiert. Sie können zwar in bes¬

timmten Fällen, so z. B. in solchen Tempora, die das aktionale (nicht aspektuelle!)

Merkmal „Darstellung des Geschehens als abgeschlossenes" ausdrücken, wie das

Präteritum, ein Geschehen bezeichnen, das seinen Abschluß und damit seine End¬

grenze oder auch sein Resultat erreicht, dennoch drücken sie diese Merkmale auch

in jenen Fällen nicht markiert oder betont aus. Ebenso drücken sie nicht markiert

die Ganzheitlichkeit solcher abgeschlossenen Geschehen aus und heben auch nicht

den Vollzug eines solchen Geschehens als Fakt hervor. - Stattdessen betonen sie in

solchen Tempora mit Abschlußbedeutung wie dem Präteritum oftmals den Inhalt

des Verbs selbst oder stellen das Subjekt oder das Objekt sowie das Wann?,

Wamm?, Wie?, Wo? und ähnliche inhalthche, quahtative oder adverbielle Faktoren

bzw. Bestimmungen des Geschehensvollzuges in den — informatorischen und kom¬

munikativen — Vordergmnd*. — Des weiteren können die imperfektiven Verben

des Slawischen auch nicht-abgeschlossene sowie aktuelle und prozedente (= im Ver¬

lauf üirer Realisiemng befindliche) Geschehen wiedergeben, z. B. hn Präsens; ja sie

sind hierzu ahein in der Lage, auch weim sie in diesen Funktionen nicht markiert

smd. - Im Unterschied zu den slawischen Sprachen besitzen einige neuindoarische

Sprachen besondere Tempusformen, die fast merkmalhaft aktuelle und prozedente

Geschehen wiedergeben können. Hierzu gehört z. B. das aktueUe Präsens des Hindi

und des Bengali, so z. B. Formen wie Hindi vah likh rahä hai, Beng. se likhche „er

schreibt gerade", wobei hn Hindi jedoch die Komponente rahä hai unbedingt

grammatikalisiert sein muß'. In diesen Sprachen können die unmodifizierten Ver¬

ben z. B. im Präsens, also Hindi vah likhtä hai, Beng. se likhe, zwar mitunter auch

in aktueUer Bedeutung vorkommen, sie smd aber hierin auf keinen FaU markiert.

6 Siehe hierzu betreffs des Hindi und Urdu unter Nespital' .

7 Zum grammatischen Status von verbalen Syntagmen, die mit den aktuellen Tempusformen homomorph sein können, siehe 1. Pofizka , loc. cit., II, 212 f.; 2. Pofizka' = V. Poffeka, On Some Verbal Expressions in Hindi Acta Universitatis Carolinae, Philologica 5-1970, Orientalia Pragensia VII, Praha 1970, 69-86 und 3. Nespital = H. Nespital, Zur sprachli¬

chen Wiedergabe, Semantik und Differenzierung von Zuständen als Inhahsvariante des prädikativen Merkmals - primär dargelegt anhand des Neuindoarischen und des Deut¬

schen. - Dieser Aufsatz erscheint demnächst in der Zeitschrift , .Studien zur Indologie und Iranistik".

(6)

13. Wie die vorigen Ausführungen schon z. T. gezeigt haben und wir noch im

folgenden näher erläutern werden, verfügen die neuindoarischen Sprachen ebenfaUs

über die Kategorie des Verbalaspekts, wobei sie sowohl (und vor allem) in funk¬

tional-semantischer als auch in struktureh-typologischer Hinsicht mit den slaw.

Sprachen grundsätzlich übereinsthnmen. Die Unterschiede zwischen beiden Sprach¬

gruppen bestehen - aber auch hier nicht in jeder Hinsicht bzw. vöhig — in der Art

der formalen Wiedergabe dieser Kategorie.

14. Im NIA, z. B. im Hmdi, wird der perfektive Aspekt merkmalhaft durch —

zunächst eirunal allgemein formuliert — eine Sequenz zweier Verben vom Typ gir

jänä „faUen, sinken" oder mär dälnä ,, töten" wiedergegeben. Von diesen erscheint

das erste Verb im sogen, einfachen bzw. Kurzabsolutivum (im Standard- bzw. Hoch-

Hindi ist dieses mh dem Verbstamm identisch, d. h. homomorph), z. B. gir zum

Infinitiv girnä; das zweite Verb, z. B. jänä oder dälnä, hmgegen kann finit und in¬

finit verwendet werden.

15. Nun ist nicht jede stmkturell-formal den oben genannten Sequenzen analoge

Sequenz zweier Verben schon eo ipso deshalb eine, die merkmalhaft oder überhaupt die Bedeutung des perfektiven Aspekts hat. Viehnehr hängt dieses von der Erfüllung

mehrerer Bedingungen ab:

1. Muß das an zweiter SteUe der Sequenz erscheinende Verb hier seine Autono¬

mie als selbständiges Lexem verloren haben und grammatUcalisiert sein.

2. Muß dieses Verb mit dem Verb hn einfachen Absolutivum einen gemeinsamen

Ausdmck bilden, der (a) stmkturell, (b) lexikalisch und (c) grammatisch eme

Einheit darsteUt.

Die lexikalische Bedeutung eines solchen Ausdmcks deckt sich (in der Regel)

mit der korrespondierenden Bedeutung des ersten Verbs, wenn es als Sünplex ge¬

braucht wird. Dennoch erfolgt in einem solchen Ausdmck gegenüber dem Sünplex

eine gewisse ModifUcation bzw. - genauer — Determmation mh Bezug auf eine

bestünmte Komponente der lexUcalischen Betung, was wir im Absatz 20. näher

erläutern werden.

Zugleich und vor allem ist ein solcher Ausdmck aber in grammatischer, nämlich

in aspektueller, Hinsicht gegenüber dem Simplex bzw. der betreffenden lexikah¬

schen Einzelbedeutung des Simplex modifiziert und determiniert: ergibt merkmal¬

haft den perfektiven Aspekt wieder.

Aus diesem Gmnde nennt V. Poi^zka diese Ausdrücke auch merkmaUiaft perfek¬

tive ,, modifizierte Verbalausdrücke". Die verba shnphcia als Ausgangs- bzw. Be¬

zugsverben hingegen bezeichnet er, weil sie als aspektueU unmarkierte Verben nicht

modifiziert sind, als „unmodifizierte Verben" und die in solchen Ausdrücken an

zweiter Stehe erscheinenden Verben, insofem als Uinen modifizierende Funktionen

zukommen, als „modifizierende Verben*". — Wir verwenden ün folgenden ebenfaUs

diese Bezeichnungen, abgekürzt in der genannten ReUienfolge: mVA, u. m. V und

modifiz. Verb.

8 Siehe Pofizka' .

(7)

Zur Kategorie des Verbalaspelcts im Indoarischen 259

16. Bei den modifiz. Verben handelt es sich in jeder Einzelsprache des NIA um

eine relativ begrenzte Zahl. Die Zahl der am häufigsten an der BUdung von mVA

beteiligten modifiz. Verben beträgt in diesen Sprachen etwa zehn. Zu diesen, deren

Präsenz in einer Sequenz der oben genannten Art also schon ein Indiz für das

mögliche Vorhegen eines perfektiven mVA darstellt, gehören hn Hindi/Urdu, Pan¬

jabi, Bengali, Gujarati und Marathi u. a. folgende:

1 H/U: jänä, Panj.: /änä, Beng.:>'(707ä, Guj.:/av«". Mar. : /öne'', die aUe

„gehen. ." bedeuten;

2 H/U: änä, Panj.: mnä, Beng. äsä, Mar.: yen^ „kommen";

3 H/U: lenä, Panj. : lainä, Beng. : neoyä, Guj. : /ev«". Mar. : ghene^ „nehmen";

4 H/U: denä, Panj.: dem, Beng.: deoyä, Guj.: devu*^. Mar.: denef^ „geben";

5 H/U: uthnä, Panj.: utthnä, Beng.: othä, Guj.: uthvu'^ „aufstehen";

6 H/U: parnä, Panj.: painä, Beng.: parä, Guy: parvu", Mar.: parne" „fallen. .";

7 H/U: ifä/nä, Beng.: p/je/a, Guj.: näkhvu". Mar.: täkne" „werfen";

8 H/U: baithnä, Panj.: baithnä, Beng.: öasa, Guj.: besvu". Mar.: basne"

„sich setzen; sitzen";

9 H/U: rakhnä, Guj. : räkhvu". Mar. : thevne" „stellen, legen. .";

10 H/U: cuknä, Guj. cükvu", Mar.: cukne^ „enden; beendet werden;

beglichen werden; beigelegt werden. .".

Diese Aufzählung zeigt, daß die neuind. Sprachen überwiegend die gleichen

Verben als modifiz. Verben verwenden. Aber es bestehen auch Unterschiede in den

lexikahschen Bedeutungen dieser Verben, was in der obigen Übersicht kaum zum

Ausdmck kommt, da wir schon aUein aus Platzgründen nur die jeweüs gemeinsame

Bedeutung angeführt haben. Dieser Umstand spiegelt sich - neben anderen Ursa¬

chen — auch darin wider, daß in den Einzelsprachen semantisch korrespondierende

mVA nicht unbedingt mit den gleichen modifiz. Verben gebildet werden. So ent¬

spricht Hindi so jänä in der Bedeutung „einschlafen" im Bengah nicht *ghumiye

yäoyä, sondem ghumiye parä.

17. Sprachhistorisch und genetisch gesehen gehen die mVA auf Absolutivkon-

stmktionen zurück. In diesen, die auch noch im NIA in hohem Maße verwendet

werden, wurde bzw. wird das Geschehen hn Absolutivum zumeist als vorzeitig zu

dem des finiten Verbs dargesteUt. Nicht selten jedoch stehen beide Geschehen ün

Verhältnis der Gleichzeitigkeit zueinander oder an SteUe der zeitlichen Relationen überwiegen andere Beziehungen, so u. a. modale oder finale' . In modaler Bedeutung'

ist das Absolutivum z.B. in einer Aussage wie Hindi usne muskuräkar kahä „er sagte

lächelnd bzw. indem er lächelte" (und nicht ,nachdem er gelächelt hatte') ge¬

braucht. Diese unterschiedlichen Relationen weisen z. T. schon die Absolutivkon-

stmktionen im Alt- und Mittehndoarischen auf'". Sie sind mitunter auch noch in

9 Siehe hierzu zum Hindi aueh Rolf Schumacher, Untersuchungen zum Absolutiv im mo¬

dernen Hindi. Ein Beitrag zur semantischen Syntax, Frankfurt am Main 1977, speziell 97-112.

10 Für das Altindische vgl. u. a. B. Delbrück,.4/ri>id/sc/ie Syntax, Halle a. Saale 1888,401-409;

für das Mittel ind ische u. a. Hans Hendriksen, Syntax of the Infinite Verb-Forms of Mi, Copenhagen 1944, besonders 198 ff.

(8)

der lexikalischen Semantik der mVA des NIA recht deutUch feststellbar. So kann Hindi/Urdu so jänä vor allem 1. „schlafen gehen" und 2. „einschlafen" bedeuten. In beiden Bedeutungen liegt der Relation beider Verben, also sonä (primär) „schlafen"

und jänä „gehen", nicht die der Vorzeitigkeit von sonä zu jänä: *„nachdem er

geschlafen hat(te), geht/ging er" zugmnde, sondern eine finale: „gehen, um ru

schlafen". In der Bedeutung (1) „schlafen gehen" von so jänä ist dies unschwer zu erkeimen. Aber auch in der Bedeutung (2) „einschlafen" ist diese Beziehung enthal¬

ten, denn „einschlafen" heißt ja soviel wie ,in den Zustand des Schlafens gehen bzw. eintreten'.

18. Ein weiteres wichtiges Kriterium fur das Entstehen bzw. fur die Bildung eines

mVA besteht darin, daß ihn nur solche Verben miteinander konstituieren können,

die lexikalisch semantisch kompatibel sind. — Bevor wir hierauf etwas näher einge¬

hen, sei auf die in diesem Zusammenhang interessante und zugleich bedeutsame

Tatsache hingewiesen, daß die als modifiz. Verben fungierenden Verben solche

sind, die als selbständige Lexeme in ihrem Inventar an lexikalisch-semantischen

Merkmalen u. a. auch solche allgemeinen verbsemantischen Merkmale enthalten und

ausdrücken wie: (1) Vorgang, Bewegung, Zustandsverändemng, Tätigkeit, Hand¬

lung, (2) intransitiv, transitiv, (3) aktiv, passivisch, medial, (4) zielgerichtet/nicht¬

zielgerichtet und (5) Bewegungsrichtung: (a) „weg, fort", (b) ,4im, zu", (c) „her", (d) „auf, hinauf, nach oben" oder (e) „hmunter, hemnter, nach unten". Gemeint

ist hier, daß die im Absatz 16. angeführten modifiz. Verben in ihrer Gesamtheit

diese Merkmale, abdecken'. Jedes einzelne modifiz. Verb kann natürlich jedesmal nur

eine bestimmte Kombination dieser Merkmale ausdrücken, so z. B.jänä „gehen. ."

die folgenden:

1 Bewegung,

2 aktiv (wenn der Actor ein Lebewesen ist),

3 zielgerichtet (das Ziel ist eine Person, em Ort),

4 Bewegung (a) vom Ausgangsort „weg" und (b) zum Ziel „hm".

19. Aus den in den vorherigen Absätzen 15. -18. genannten Sachverhalten ergibt

sich u. a. folgendes:

1. die Erklämng dafür, daß gerade die angeführten Verben besonders geeignet

waren bzw. sind, auch als modifiz. Verben in mVA zu fungieren;

2. der Umstand, daß ein modifiz. Verb in der Mehrzahl der FäUe mit emem solchen

Verb in Absolutivum einen mVA bildet, mit dem es - wenigstens partieU —

hinsichtlich der unter 18. genannten aUgemeinen verbsemantischen Merkmale

übereinstimmt;

3. hierbei ist allerdings zu beachten, daß genetisch gesehen das modifiz. Verb

außer diesen allgemeinen Merkmalen natürlich auch hinsichtUch semer spezi¬

fischen Merkmale mit der relevanten Einzelbedeutung des Verbs im Absolutivum

semantisch kompatibel sein muß(te); und

4. muß berücksichtigt werden, daß die unter 17. angeführten Relationen beider

Verben wie (a) vorzeitig, (b) gleichzeitig, (c) modal, (d) final oder auch (e) das

Geschehen im Absolutivum ist Objekt des zweiten Verbs, die m den mVA des

(9)

Zur Kategorie des Verbalaspelcts im Indoarisehen 261

NIA sozus. .eingefroren' enthalten sind und ihrer Genesis zugrundelagen, ihrer¬

seits ebenfaUs die lexikalisch-semantische Kompatibilität beider Verben zur

Voraussetzung hatten.

20. Sehen wir uns nun einmal anhand einiger Beispiele die lexikalisch-seman¬

tischen Beziehungen, besonders die modifikatorischen, an, die zwischen einem

u.m.V in einer bestunmten Emzelbedeutung und semem korrelativen mVA

bestehen.

20.1. Das polyseme Verb märriä des Hindi/Urdu kann u.a. „töten" bedeuten. Als

perfektiver mVA korreliert mit ihm in dieser Bedeutung mär dälnä. Dieser , selek¬

tiert' also aus den Einzelbedeutungen von märnä eine ganz bestimmte aus. Zugleich

ist er in dieser Bedeutung determiniert; märriä hingegen muß hierzu durch die ak¬

tuelle bzw. konkrete KontextsemantUc erst monosemiert werden. - Zu märnä in

seinen anderen Bedeutungen gibt es ebenfalls jeweUs spezifische mVA: so zur Be¬

deutung „schlagen. ." mär denä, zur Bedeutung „besiegen, erobern; sich aneignen"

mär lenä oder zur Bedeutung „jmdn. verprügeln. ." mär baithnä. Daß gerade die

betreffenden modifiz. Verben, also dälnä, derü, lenä, baithnä, zu ganz bestimmten

Einzelbedeutungen von märnä korreherende mVA bUden, hängt genetisch eben

mit dem jeweiligen höchsten Grad an semantischer Nähe beider zusammen, so

u.a. im Falle von dälnä mit seiner Bedeutung, „(em Objekt) werfen, hinwer¬

fen. .", die es als selbständiges Lexem haben kann.

20.2. Im Absatz 6. hatten wir festgesteht, daß in den slawischen Sprachen be¬

stunmte Verben stets bzw. in nur bestunmten Emzelbedeutungen als Imperfectiva

tantum vorkommen. Dieses güt nun auch mutatis mutandis für die entsprechenden

Verben bzw. Verbbedeutungen im NIA: sie kommen nur in der Form eines u. m. V

vor, d. h. zu ihnen kann kein perfektiver mVA gebildet werden. Dieses betrifft z. B.

im Hindi/Urdu das Verb jmä „leben", horiä in der Bedeutung „sein" oder jännä in der Bedeutung „wissen, kennen", insofern als ihre Inhalte die Merkmale ,linear',

,zeitlich unbegrenzt' und ,aktional unbegrenzt' enthalten. Anderersehs gibt es

jedoch mVA zu den Bedeutungen dieser Verben, die Prozesse bzw. Handlungen

bezeichnen: ji jänä zu jinä m der Bedeutung „(wieder) aufleben, zu neuer Lebens¬

kraft kommen";/;" uthnä zu jinä „wieder lebendig werden, auferstehen. .";/2o jänä zu horm in der Bedeutung „werden; geschehen. .";jän jänä zu jännä in der Bedeu¬

tung „erkennen; in Erfahmng bringen, herausfinden. ." und jän lenä zu jännä, wenn es ,, kennenlernen, erfahren; zur Kermtnis nehmen. ." bedeutet.

20.3. Nun genügt es nicht ahein, daß ein u. m. V nur Prozesse oder Tätigkeiten

schlechthin wiedergibt, damit zu hun in diesen Bedeutungen ein perfektiver mVA

gebildet werden kann. Es kann sich viehnehr nur um solche handeln, die als Kom¬

ponenten Uirer lexikalischen Semantik die Bezeichnung eines (a) Anfangs- und (b)

Endpunktes des relevanten verbalen Geschehens enthalten. Sehen wir uns zu¬

nächst den Endpunkt bzw. den finalen Grenzpunkt an. Dieser kann 1. der Punkt

sem, an dem (a) eine Handlung, (b) ein Prozeß oder (c) eine Tätigkeit aufhören, da

sie ihr Ziel bzw. Uir Resultat, auf dessen Erreichen sie gerichtet smd, auch tat¬

sächlich erreicht haben. Zu diesen Verben bzw. Verbbedeutungen gehören die unter

10.3. angeführten, also z.B. „töten" zu (a), „sterben" zu (b) oder ,, erkennen (= geis¬

tig erfassen)" zu (c). -- Der Endpunkt kann 2. das Ziel einer Bewegung sein, im

(10)

einzelnen eine Person, ein Ort oder eine neue Körperhaltung bzw. -läge u. ä., die erreicht werden. Das gilt also fiir Verben wie „gehen (zu)", „ankommen", „sich setzen", „auferstehen" etc. - 3. Auch Verben, die das Eintreten in eme Bewegung oder in einen Prozeß bezeichnen, wie z. B. „losfahren", „losgehen", „aufbrechen"

oder „aufblühen" enthalten in ihrer Semantik einen Endpunkt: es ist der Punkt, da dieses Eintreten (aus einem vorherigen Zustand) seine volle Realisiemng erreicht, d. h. das ,, Gehen", „Fahren" bzw. „Blühen" sozusagen m vollem Maße eingesetzt hat.

— 4. In gewisser Beziehung zu diesen Verben stehen solche Verben, die die Bewe¬

gung in einer bestunmten Richtung bezeichnen: „hochfliegen", „hemntergehen"

u. ä., insofem als auch sie erst eine gewisse Entwicklung der jeweiligen Bewegung

voraussetzen, sodaß ihre Richtung zum Ausdmck kommt, also z. B. ein ,, Hoch¬

fliegen" von bloßem „fliegen" oder von „herab-, hin und her- oder überfliegen"

differenziert werden kann. Auch hier ist der hnplizite, fiühestmöghche Endpunkt

der Punkt, an dem diese Bewegung soweit erfolgt ist, daß ihre Richtung euideutig

ist. — Der dem finalen Grenzpunkt entgegengesetzte Punkt, also der Initialpunkt, ist bei ahen diesen Geschehensarten eben falls implizit — sachlich und logisch ohnehin

- mitgesetzt. Besonders fiihl- bzw. faßbar ist er u. a. bei den unter 3. beschriebenen Verben.

20.4. Der Anfangs- und der Endpunkt der im vorigen behandelten Arten von

Geschehen sind also bereits in den lexikalischen Bedeutungen, und zwar als Teile¬

lemente derselben, der sie wiedergebenden Verben enthalten. Sie werden also nicht

erst durch den korrelativen mVA erzeugt! Aber, und das ist entscheidend, sie wer¬

den durch diesen in jedem FaUe auch ausgedrückt, da er das Geschehen innerhalb

dieser seiner beiden Grenzpunkte merkmalhaft, d. h. also in jedem Einzelfalle seiner

Verwendung, als ein geschlossenes Ganzes darsteUt. Der perfektive mVA mär dälnä

mit der Bedeutung „töten" entspricht also im Slawischen den perfektiven Verb¬

formen mit derselben Wortbedeutung: Russ. ubit\ Tschech. zabit oder Poln. zabii.

Hieraus wird auch verständhch, daß mär dälnä die Handlung des Tötens nicht als

eimnalige (bzw. ,zeitlich lokalisierte' ) und aktuelle oder m üirem Verlauf befind¬

liche, also in der Bedeutung „er tötet gerade" bzw. ,er ist gerade dabei zu töten'.

Engl. ,he is /just/ killmg', darstehen kann. Dieses können im NIA nur die u.m.V

oder, sofern sie die betreffende Einzelsprache besitzt, die markiert aktueUen und

prozedenten Tempusformen, so z. B. im Hindi/Urdu vah mär rahä hai bzw. vah

märtä hai, wobei durch die KontextsemantUc noch gesichert sem muß, daß märnä

hier die Bedeutung ,, töten" hat (und nicht etwa ,, schlagen"; ..besiegen" oder noch

eine andere). - Im Falle der u.m.V kann der Endpunkt in bestimmten grammati¬

schen, d. h. temporalen und aktionalen, Bedeutungen also gar nicht ausgedrückt

werden. Und selbst wenn er durch das Geschehen in der Form eines u. m. V in an¬

deren Fällen ausgedrückt wird, so z. B. in solchen Tempora wie hn Präteritum oder

Perfekt, die das aktionale (und nicht aspektuelle!) Sem "Darstehung des Gesche¬

hens als abgeschlossenes" wiedergeben, so ist dieses dennoch kein merkmalhaft

geschlossenes Ganzes ün Sinne des perfektiven Aspekts, denn es besagt lediglich,

daß eine Handlung stattfand und üiren Abschluß erreichte, wobei ihre Dauer, bevor

sie zum Abschluß gelangte, von unterschiedhcher Länge sein kann.

21. Es gibt also auch ün NIA, wie oben unter 20.2. dargelegt, wie ün Slawischen

,Imperfectiva tantum' bzw. - mit Hinblick auf das NIA noch genauer formuliert -:

(11)

Zur Kategorie des Verbalaspekts iin Indoarischen 263

es gibt auch einzelne u.m.V oder bestunmte Einzelbedeutungen von u.m.V, zu

denen kein perfektiver mVA gebildet werden kann. — Gibt es nun auch ,Perfectiva

tantum' im NIA, d. h. also mVA mit perfektiver Aspektbedeutung und solchen

lexikalischen Bedeutungen, die sich von der des betreffenden u.m.V, das als Abso¬

lutivum auch TeU dieses mVA ist, völlig unterscheiden? Die Antwort lautet nem,

denn das u.m.V ist ja auch TeU des mVA, wobei es, wie gezeigt, primär die lexika¬

hsche Bedeutung desselben bedingt, auch wenn diese durch das Zusammenwirken

mit dem modifiz. Verb noch determiniert und z. T. modifiziert wird.

22. Hierin liegt primär auch der Grund dafür, daß es die für die slawischen Spra¬

chen so charakteristische Erschemung der sekundären Imperfektiviemng un NIA

nicht gibt. GenereU kann man femer sagen, daß es sie bzw. üir funktional ent¬

sprechende andere morphologische Verfahren im NIA deshalb nicht gibt, weü sie

nicht erforderlich sind. Bevor wir die Gründe hierfür hn emzelnen nennen, sei noch einmal kurz rekapituliert, daß in den slaw. Sprachen die sekundäre Imperfektivie¬

mng dann auftritt, wenn die Präfigiemng eines imperfektiven verbum sünplex als

Ausgangsverb neben der Perfektiviemng noch bewirkt: 1. die Bildung bestimmter

Aktionsarten oder 2. die Überfühmng von Zustandsverben in semantisch entspre¬

chende Vorgangs- oder Tätigkeitsverben oder 3. die Determiniemng des Geschehens

mit Bezug auf eine bestünmte Richtung oder 4. die Bildung eines lexücahsch gese¬

hen völhg neuen Verbs. Hierzu ist in Hinbhck auf das NIA zu sagen: Zu 1.: Die

relevanten Aktionsarten werden, wenn überhaupt, dann mit anderen Mitteln wieder¬

gegeben als durch mVA. Zu 2.: Inhaltlich miteinander in Beziehung stehende a)

Zustände und b) Tätigkeiten bzw. Vorgänge, die Übergänge aus diesen Zuständen

bzw. in diese Zustände bezeichnen, werden in den neuindoar. Sprachen nicht durch

unterschiedhche Verben, sondern durch unterschiedliche Einzelbedeutungen des¬

selben Verbs wiedergegeben. Anknüpfend an das ün Absatz 20.2. dazu Ausgeführte

seien noch einmal als Beispiele hierzu angeführt: ßnä und seine Bedeutungen 1.

„leben"; 2. „(wieder) aufleben, zu neuer Lebenskraft kommen"; 3. „wieder leben¬

dig werden, auferstehen. .". Zu jinä 1. „leben" gibt es keinen perfektiven mVA,

und die mit seinen Bedeutungen 2. und 3. korrelierenden mVA, also jijänä bzw.

jiuthnähabtn dieselben lexücalischen Bedeutungen wie dasu.m.V. Zu 3.: Die Rich¬

tungsangabe ist in den relevanten FäUen ebenfaUs schon als ein Sem üi der lexika¬

lischen Bedeutung des Verbs enthalten. Der korrelierende mVA erzeugt sie also

nicht, sondem verdeutlicht sie höchstens. Dieses Hiänomen ist oftmals spraehhis¬

torisch bedingt und erklärbar: das betreffende Verb des NIA geht auf ein präfi¬

giertes Verb des Altindischen zurück, in dem das Präfix die Richtung der Bewe¬

gung anzeigte. Das gilt z.B. für Hindi/ Urdu uthnä, Panj. utthnä oder Guj. uthvu", die alle „aw/stehen, sich erheben" bedeuten, im Vergleich zu z.B. Sanskrit ut-tis- thati „er steht auf aus ud- „auf + sr/2ä „stehen". - Zu 5.: ,Neue' Verben werden durch die mVA nicht erzeugt, da sie ja stets das korrelative u.m.V voraussetzen und

als ,echte' perfektive Aspektpartner dieselbe(n) lexUcahsche(n) Bedeutung(en) wie

dieses u.m.V haben. In den Fällen, in denen im Slawischen durch Präfigiemng neue

Verben entstehen, entsprechen üinen ün NIA gesonderte Verben: so wird die

,Folge': dSlat (ipf) „machen, tun" ^ vyd^t (pf ) ^ vydSlävat (ipf) „(Geld) ver¬

dienen" des Tschechischen im Hindi/Urdu wiedergegeben durch karnä (aspektueU

merkmaUos) „machen, tun" sowie durch kamä lenä (perf mVA): kamänä (aspekt.

merkmaüos) „(Geld) verdienen".

(12)

23. Im Absatz 15. hatten wir die Bedingungen dafür genannt, wann em perfekti¬

ver mVA vorliegt. Ist eine dieser Bedingungen nicht erfüllt und liegt formal gesehen

dieselbe Sequenz wie bei einem perfektiven mVA, also 1. Verb im einfachen Abso¬

lutivum + 2. Verb vor, so kann es sich um keinen merkmalhaft perfektiven mVA

handeln, selbst wenn dieses 2. Verb zu denen gehört, die auch als modifiz. Verben

vorkommen (können). Stattdessen handelt es sich in solchen FäUen (a) um eine

Absolutivkonstmktion, in der beide Verben üire lexücalische Bedeutung beibehalten

oder (b) um eine Verbindung zweier Verben, von denen das zweite Verb z. B. als

Modalverb fungiert oder (c) um eine besondere verb lexikahsche Einheit. Für den

Fah (a) gilt prinzipiell für aUe neuind. Sprachen, daß erst anhand der Merkmale von

perfektiven mVA sowie auch oftmals noch unter Berücksichtigung der Kontextse¬

mantik geprüft werden muß, ob z. B. eine Sequenz wie Hindi/Urdu vah khä gayä ein

perfektiver mVA zu khänä „essen" ist oder aber eme Absolutivkonstmktion mit der

Bedeutung: „nachdem er gegessen hatte, ging er". Zur Disambiguiemng beider

Möglichkeiten auch in formaler Hinsicht fugen einige Sprachen an das einfache

Absolutivum ein zusätzliches Element, -kar im Hindi, -ke im Urdu oder -ne im

Gujarati, wodurch zum Ausdmck kommt, daß es sich eindeutig um eine Absolu¬

tivkonstmktion handelt. Andere neumd. Sprachen wie z. B. das Bengah verfugen

über ein solches Formans nicht, wodurch diese Disambiguiemng oftmals nicht

leicht ist. - Den FaU (b) steUt z. B. un Hindi/Urdu em Syntagma wie kar saknä

„machen köimen" dar. Außer um modale Beziehungen kann es sich in diesen Fällen

auch um bestunmte andere grammatische oder aktionsartenmäßige Beziehungen

beider Verben handeln, so z. B. im Bengali base thäkä „sitzenbleiben; eine Zeitlang sitzen. .", und weitere. Auf jeden Fall sind alle diese Syntagmen in aspektueUer

Hinsicht entweder aspektuell merkmallos oder nicht-perfektiv. — Den oben ange¬

deuteten Fall (c) repräsentiert z. B. die Verbindung le jänä im Hindi/Urdu bzw. niye yäoyä im Bengali, die die Bedeutung „mitnehmen" hat, genetisch und ,wörthch':

„genommen habend gehen". Beide Verben bilden hier also auf der Gmndlage üirer

Eigenbedeutungen sozusagen zu gleichen AnteUen ein gememsames, neues Lexem.

In aspektueller Hinsicht kann dieses zweiaspektig sein.

24.1. Die bisherigen Ausfühmngen haben gezeigt, daß 1. auch das NIA über die

grammatische Kategorie des Verbalaspekts verfügt, der durch die Opposition von

(a) merkmaUiaft perfektiven mVA: (b) aspektuell insgesamt merkmaUosen u.m.V

repräsentiert wird, und 2. daß er in allen gmndlegenden Charakteristika mit dem

Verbalaspekt in den slawischen Sprachen übereinstimmt. An diesen Tatsachen kann

nicht (mehr) vorbeigegangen werden, d. h. sie müssen auch bei der Abfassung von

Grammatiken, Lehrbüchern und — nicht zuletzt — auch Wörterbüchem zu den

neuindoarischen Sprachen berücksichtigt werden. Uberholte und verfehlte Konzep¬

tionen müssen aufgegeben werden. Zu diesen gehören solche wie, die — in unserer

Terminologie perfektiven mVA - seien , Intensive Verben' oder, wie Paul Hacker

meinte, sie seien ,Bestmimtheitsformen' und fungieren prhnär als Stümittel" . Auch

die Auffassung, die Partizipien seien die Träger emer Aspektopposition, in der das

Part. II, z.B. Hindi äyä „gekommen", den perfektiven und das Part. I, z.B. ätä

,kommend", den ünperfektiven Aspekt wiedergibt, ist heute nicht mehr aufrecht¬

zuerhalten.

24.2. Am weitesten ist die Aspektforschung sowie damit zusammenhängend der

(13)

Zur Kategorie des Verbalaspekts im Indoarisehen 265

Verbsysteme überhaupt und der verbalen Lexik innerhalb des NIA mit Bezug auf

das Hindi, Urdu und Bengali vorangeschritten. Dieses wird vor allem durch die

grundlegenden Arbeiten von V. Pofizkasowie durch die Arbeiten des Verfassers

dieses Beitrages'^ und von Peter E. Hook'" dokumentiert. Auch P. Hackers

Studie" muß in diesem Zusammenhang als ein bedeutsamer, die spätere Forschung

sehr stimulierender Beitrag genannt werden, auch weim ihr Autor nicht bis zum

Kem der hier relevanten Problematik, nämlich der Existenz der Aspektkategorie, vordrang. — Dennoch muß auch für diese Sprachen noch sehr viel Forschungsarbeit

zu bestunmten TeUbereichen geleistet werden. Das betrifft u. a. die umfassende

Beantwortung solcher zentralen Fragen wie: 1. Wieviele und in concreto welche

perfektiven mVA gibt es zu jedem u.m.V überhaupt? und 2. Mit welcher konkreten

Einzelbedeutung eines u.m.V korreliert welcher mVA? — Die Bedeutung der Bewäl¬

tigung dieser Aufgaben z. B. für die Abfassung wissenschafthch fundierter Wörter¬

bücher liegt klar auf der Hand. Mit diesen letztgenannten Fragestellungen beschäfti¬

gen wir uns seit einigen Jahren auch im Rahmen eines Forschungsprojektes. Einige

der hierbei bisher gewonnenen Erkenntnisse haben wir auch im vorliegenden Auf¬

satz berücksichtigt.

25.1. Eine weitere wesenthche Aufgabe bildet die Untersuchung der Entstehung

und Entwicklung der Aspektkategorie in den frühen Entwicklungsstadien des In¬

doarischen. Für das Altindische, besonders für das Vedische, sehen einige Indologen

wie z. B. T. Y. Jelizarenkova'* und J. Gonda" oder auch Indogermanisten wie J.

Kurytowicz'* die grammatischen Bedeutungsunterschiede zwischen Aorist und

Imperfekt ebenfalls als aspektuelle an" . Gonda führt für das Imperfekt u. a. solche

11 P. Hacker, Zur Funktion einiger Hilfsverben im modern Hindi. Abhandlungen der Aka¬

demie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, Geistes- unä sozialwissenschaftliche Klass, Jahrgang 1958, Nr. 4. Wiesbaden 1958.

12 Siehe Porizka und Pofizka'.

13 Siehe Nespital' und Nespital', ferner u.a. auch Nespital'' = H. Nespital, Zur syntaktischen Verwendung der Verbalaspekte im Hindi und Urdu (untersucht am Beispiel temporaler Satzgefüge mit einmaligem Zeitbezug); in Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung, Band 28, Heft 3/4, Berlin 1975, 398-431.

14 Peter E. Hook, The Compound Verb in Hindi, The Michigan Series in South and Southeast Asian Languages anä Linguistics, No. 1 (1974).

15 Siehe Anm. 11

16 T.J. Jelizarenkova, Aorist v „Rigvede", Moskava 1960; vgl bes. 42 {.

17 J. Gonda, The Aspectual Function of the Rgvedic Present anä Aorist, Mouton & Co., 'S- Gravenhage 1962.

18 J. Kurylowicz, Aspect et temps dans I'histoire du persan, in Esquisses linguistiques, Wro- ctaw-Kraköw 1960, 109-118.

19 Siehe hierzu auch Karl Hoffmann, Der Injunktiv im Veda. Eine synchronische Funktions¬

untersuchung. Heidelberg 1967. - K. Hoffmann sieht eine aspektuelle Opposition vor allem hinsichtlich des vedischen Injunktivs in Prohibitivsätzen, und zwar betreffs (a) des Ge¬

brauchs des Inj. Präs. (Inj. Perfekt) in 1. Inhibitivsätzen und (b) des Inj. Aorist in 2. Präven¬

tivsätzen: erstere haben imperfektive, letzterer perfektive Aspektbedeutung, vgl u.a. 103- 106 und 269 ff. - Hoffmanns Argumentation, daß es sieh hier um Aspektunterschiede handele, vermag uns nicht ganz zu überzeugen. Nach seiner Meinung, wobei er sich auf Eduard Hermann beruft, stelle der ipf Aspekt eine Handlung in ihrem Verlauf, der pf.

Aspekt dagegen in ihrer „Gesamtschau" dar. Diese Bestimmungen sind zu vage und decken sich nur z.T. mit dem, was man in der heutigen Slawistik im allgemeinen als primäre Merk¬

male der Aspekte ansieht und was aueh für das NIA gilt, wie wir gesehen haben. Auch die

(14)

Bedeutungsmerkmale an wie, es bezeichne (1) ,a process, which is viewed as conti¬

nuing'"', (2) ,simultaneity" und (3) ,incompleteness of the action"'. Als Merk¬

male des Aorist neimt er u. a.: (1) er stelle das verbale Geschehen dar ,as com-

pleted'^', (2) ,momentary''' ', (3) mitunter aber auch als ,of considerable dura¬

tion"', und zwar als ,komplexiver Aorist'*'. Gonda weist femer auf die starken

Parallelen von Imperfekt und Aorist im Vedischen zu den analogen Tempora im

Altgriechischen hin. - Allgemein läßt sich hierzu sagen, daß Gondas Feststellungen

durchaus zutreffend sind. Gonda geht auch nicht so weit, daß er den vedischen

Aorist funktional-semantisch mit dem perfektiven Aspekt im Slawischen (zumal im

modemen Slawischen) gleichsetzt, sondern er spricht vom Aorist als einem Aspekt

sui generis, vom sogen. , aoristischen Aspekt'. Aber auch ein besonderer Aspekt ist

dieser Aorist nicht, sondern eine besondere Tempusform mit spezifischen aktiona¬

len und temporalen Merkmalen. — Kurytowicz und, ihm hierin folgend, Jelizaren¬

kova gehen hingegen so weit, den vedischen Aorist mit dem perfektiven und das

Imperfekt mit dem unperfektiven Aspekt zu identifizieren. Im Kem bemht diese

falsche Identifikation darauf, daß die 1. aspektuelle Perfektivität, also die „Dar¬

stellung eines Geschehens als geschlossenes Ganzes", das stets „seine Endgrenze erreicht" und die weiteren von uns weiter oben genannten Merkmale des perfekti¬

ven Aspekts, und 2. das aktionale Merkmal, nämlich die „DarsteUung eines Ges¬

chehens als abgeschlossenes", wobei die Dauer semer Ausfühmng, bevor es zum

Abschluß gelangte, sowohl eine sehr kurze, ja sogar punktueUe, als auch eme grö¬

ßere sein kann, einander gleichgesetzt bzw. miteinander verwechselt werden. — Auf

eine noch ausführhchere Diskussion dieser Fragen müssen wir hier jedoch verzich¬

ten. Wir werden uns ihr in einer gesonderten Publikation zuwenden. — Soviel sei

jedoch an dieser Stehe festgestellt : die Existenz einer Aspektkategorie von der Art,

wie sie die (modernen) slawischen Sprachen und das NIA besitzen, läßt sich für das

Altindische nicht, zumindest nicht anhand der Opposition von Aorist und Imper¬

fekt, nachweisen.

25.2. Wie die sprachlichen Verhältnisse des NIA viehnehr nahelegen und eine

selbst nur kursorische Untersuchung der früheren Entwicklungsstufen des IA auch

bestätigt, ist die Entstehung der Aspektkategorie un IA ohne Zweifel mit der

Herausbildung der merkmaUiaft perfektiven mVA aus Absolutivkonstmktionen

verbunden. Einige Voraussetzungen und Gründe für diesen Prozeß haben wir be¬

reits im vorigen genannt. Seine Anfänge lassen sich u. a. schon un Pali nachweisen, wie die folgenden Beispiele aus den Jätakas belegen:

Einzelbedeutungen der Aspektformen des Slaw. und des NIA im negierten Imperativ bzw.

Prohibitiv sind wesentlich andere als die des vedischen Inj. Präs. (Perf.) bzw. des Inj. Aorist.

- Vgl. hierzu u. a. für das Tschech. KopeinJ-, a. a. O., 58-61.

20 Gonda, loc. cit., 55 21 ebd., 55

22 ebd., 55 23 ebd., 55 24 ebd., 55 25 ebd., 106 26 ebd., 67 ff

(15)

Zur Kategorie des Verbalaspekts im Indoarischen 267

1. nagaraiTi pattharitvä gaccheya^^ „es würde sich über die (ganze) Stadt verbrei¬

ten" oder

2. iLtthi patitvägatam^^ „der Knochen fiel herunter".

In beiden Fällen kann es sich aus semantischen Gründen nicht um Absolutiv-

konstruktionen handeln, in denen beide Verben selbständige Lexeme darstellen,

also (1) *„nachdem es sich ausgebreitet hat, würde es gehen" bzw. (2) *,, nach¬

dem der Knochen gefallen war, ging er", da sie dann offenkundig sinnlos wären.

Weitere Belege für diese mVA finden sich auch in einigen Texten des Apa-

bhrain^a bzw. sprachlich gemischten Texten mit ApabhrainSa-ParUen" , im Alt-

Marathi** oder im frühen Hindi/Urdu bzw. HindavI, so z. B. bei Baba Fand äakar-

ganj^' . Die Zahl an mVA und die Häufigkeit ihrer Verwendung nunmt in den

folgenden Jahrhunderten ständig zu. Davon zeugt u. a. Malik Muhammad Jäyasi's

in Alt-Avadhi verfaßtes Epos „Padumävati" aus der Mitte des 16. Jahrhunderts''.

Literarische Werke aus dem 18., so u. a. die solcher Urdu-Dichter wie Mr Taqi

Mir'''', und aus dem frühen 19. Jahrhundert wie z. B. die um 1808 in sogenanntem ,theth Hindi", d. h. in „reinem" bzw. „echtem" Hmdi, verfaßte „Rani Ketald K

kahänl^ " belegen bereits die systemhafte Ausbildung und Verwendung der mVA

als merkmalhaft perfektive Gheder der Aspektkategorie, wie sie besonders für die

neuindoarischen Sprachen der Gegenwart so charakteristisch ist und deren Kennt¬

nis und weitere Erforschung hn Detail für das richtige Verständnis und die adäquate

Beschreibung ihrer Verbsysteme in granunatischer und lexikalischer Hinsicht eine

conditio sine qua non sind.

27 Jätaka I, 62; siehe The Jätakas Together with its Commentary. Being the Tales of the An¬

terior Births of Gotama Buddha. For the first time ed. in the Original Pali by V. Fausb^Il, I VI. VII (Index) by Dines Anderson. London 1962-1964 Repr.

28 Jätaka III, 26, loc. cit. (Anm. 27).

29 Vgl. z. B. Mätäprasäd Gupt, Räul Vel aur uskT bhäsä, Ilähäbäd 1962.

30 Siehe z. B. S.G. Tulpule, Old Marathi Reader, Poona 1960.

31 Siehe hierzu MaulvT'Abd-ul-Haq, Urdü kT ibtidäV nah'-o-numa me" Süfiyä-e-karäm kä käm, Aligarh 1968.

32 Vgl. Lakshmi Dhar, Padumävati A Linguistic Study of the 16^^ Century Hindi (Avadhi), London 1949.

33 Siehe die Auswahl Intakhäb-e-kaläm-e-Mir \on Mauhfl "-Abd-ul-Haq, Aligarh 1966.

34 InSä Alläh Khän \niä, Rani Ketaki kTkahänT, herausgegeben von Abdussattär DalvT Mahat¬

ma Gandhi Memorial Research Center, Bombay 1974.

(16)

By D.C. Sircar, Calcutta

The fohowing passage, which is regarded as one sentence or two sentences by

different scholars, occurs in PE V of the Maurya king Atoka (c. 272-236 B.C.): -

athamT-pakhäye cavudasäye parhmdasäye tisäye punävasune tTsu cätum-

mäsTsu sudivasäye gone no nflakhitaviye ajake edake sükale e vä pi arnne m-

lakhiyati no nflakhitaviye^ . [Sanskrit: astami-pakse caturdasyäm pancadai- yäm tisyäyäm punairasau tisrsu cäturmäsTsu sudivase gauh no nirlaksayitavyah

- ajakah edakah iükarah ye va api anye nirlaksyante no nirlaksayitavyah. ]

It has been translated into English as fohows: — "On the eighth [tithi] of [every]

fortnight, on the fourteenth, on the fifteenth, on Tisyä, on Punarvasu, on the three Caturmäsfs, [and] on the festivals, buhs must not be castrated, [and] he-goats, rams, boars, and whatever other animals are castrated [otherwise], must not be castrated [then]"' .

On the first expression in the passage quoted above, G. Biihler made the follow¬

ing observation: "M. Senart's explanation of athamT-pakhäye by paksasyästamyäm,

'on the eighth of [each] fortnight', is no doubt correct. In the Jain Acäränga, ii.

15.17, p. 125 (Jacobi), we have an exactly analogous compound dasami-pakkhena,

'on the tenth of the fortnight'. The position of the parts of the compound is in¬

verted in accordance with a license or slovenliness, frequently observable in ah

Prakrits; compare, e.g., the DesT valaya-bähu, 'armlet' (Hemacandra, Desikosa,

VII. 52) for bähu-valaya. Some formations of this kind like vära-bäria, 'a protection against arrows', i.e. 'a coat-of-mail', have even crept into Sanskrit in addition to those words where the grammar or classical usage sanctions the irregular position of the parts of the compound"' .

The argument is so very convincing that the interpretation of astami-paksa as

'the 8th of each fortnight (dark or bright)' has been generally accepted and has

not been challenged so far as 1 know. However, when 1 began to study the edicts

of Asoka long ago, I was not quite happy with this interpretation because the for¬

mation of the expression cäturmäsT-paksa occurring in the immediately following

sentence of the same PE V is analogous though it is interpreted in a remarkably

different way. This sentence reads as foUows:

1 Delhi-Topra text in E. Hultzsch, Corp. Ins. Ind., I, 1925, 126.

llbid., 128.

3 Cf Ep. Ind., II, 266; also Franke in Kuhn 's Zeitschrift ßr vergleichende Sprachforschung, 34. 434 referred to by Hultzsch.

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