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Als die Gegner einander gegenüberstanden, veranstalteten die lonier ein eindrucksvolles Opfer

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SOMAKUH UND DANAERGABE

Von J.C. Heesterman, Leiden

Als Auftakt zu einem anregenden Vortrag über den Sündenbock erzählt

Walter Burkert eine merkwürdige Sage aus dem achten Buch von Polyainos'

Strategika'. Die Sage handelt von der Gründung der Stadt Erythrai in Klein-

Asien - hier vorgestellt als ein Kampf zwischen den loniem und den ursprüng¬

lichen Bewohnern. Als die Gegner einander gegenüberstanden, veranstalteten die lonier ein eindrucksvolles Opfer. Ein auserlesener Stier wird geschmückt mit

Kopfbinden und mit einem purpurnen, goldbesückten Kleid, seine Horner

werden vergoldet und es wird ihm eine Wahnsinn erregende Droge eingegeben.

Als er dann feierlich zum Altar geführt wurde, brach der Stier unter dem Einfluß der Droge los und rannte laut brüllend zur feindlichen Linie hinüber. Dort wurde

er abgefangen, geschlachtet und zu einem freudigen Festschmaus zugerichet.

Die Folgen lassen sich raten. Vergiftet von der Droge, fangen die Verteidiger an

unaufhaltsam zu springen und zu tanzen. Die lonier brauchen dann kaum noch

um den Sieg zu ringen.

In seinen weiteren Ausführungen verbindet Burkert diese Sage mit hethiti¬

schen Ritualen, wobei ein, in vergleichbarer Weise ausgestatteter, Sündenbock

zum Feinde oder zum feindlichen Lande hinübergeschickt wird. Interessan¬

terweise verweist er auch auf eine mögliche indische Parallele im Kausika-

Sütra^. Demzufolge soll eine s'itipadi „eine weißfüßige" (Schaf?) in der Richtung

des feindlichen Heeres entiassen werden; „wenn sie in Verwirrung geraten, so

soll er zum Kampfe auffordern"'. Wichtiger aber ist Burkerts Verweisung auf

das Trojanische Pferd, das er ebenfalls deutet als eine Opfergabe, die zum

Gegner hinübergeschickt wird, um ihn zu verderben''. Obwohl sich vielerlei

Verbindungen mit dem Sündenbock-Motiv aufweisen lassen, fragt es sich doch,

ob wir mit Burkert solche Fälle, wie die Sage von Erythrai oder das Trojanische

Pferd, als Abwandlungen dieses Motivs erklären sollen. Der Sündenbock gibt

dazu wohl einen zu engen Kontext ab. Schauen wir uns nochmal die Erythrai-

1 W. Burkert, Slructure and History in Greelc Mythology and Ritual, Berkeley etc., 1979, ch.

III (Transformaüons of the Scapegoat), Ss. 59 ff 2 Kau^ S. 14. 22-23.

3 W. Caland, Altindisches Zaulxrrituat, Amsterdam, 1900, S. 29, folgt in seiner ÜberseUung den Commentaren, schlägt aber selbst vor: „Wenn sie (nl. die Pferde und Elephanten des eigenen Heeres) ungeduldig sind, fange er den Kampf an" (unter Verweisung auf AV. 3.

19.6). In der s'iiipadi sieht er „einen Pfeil mit weißen Federn", nicht ein Schaf, wie die Commentatoren. Ein Tier ist aber wohl das wahrscheinlichere und die Erregung, die von der

„Weißfüßigen" veranlaßt wird, paßt eher zum feindlichen als zum eigenen Heer.

4 W. Burkert, op. cit., S. 61 f ; Ders., Homo Necans, Berlin, 1972, Ss. 178-81.

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Sage an. Es handelt sich dort nicht um ein Unglück oder einen Frevel, der dem

Gegner überwiesen werden soll, sondem um einen Kampf. Dieser Kampf ist

dann aufs Engste verbunden mit einer feierlichen Opferbegehung. Die Mitt¬

lerstelle wird eingenommen vom Opfertier, das zu den Gegnem hinüber¬

geschickt, von ihnen getötet und zum (Opfer-)Festmahl zugerichtet wird.

Abgesehen vom märchenhaften Motiv der Wahnsinn erregenden Droge, sind die

hervorragenden Elemente - die auch in anderen von Burkert herangezogenen

Fällen auftreten-: Kampf, Gabe, Opfer und schließlich das Opfermahl. Kurz ge¬

sagt, es handelt sich um das Szenario des agonalen Opfers.

Noch abgesehen von dem nicht ganz klaren Fall dsr iilipadi im Atharvaveda- Ritual, läßt sich das Szenario des Opferkampfes als Vorlage des srauta Rituals nachweisen und von dort her näher erklären. An erster Stelle ist hier das Element

der Gabe zu nennen, namentlich die däksiriä, die der Opferveranstalter den

Priestern schuldet. Die Brähmarias erwähnen öfters das der däksinä anhaftende Risiko. Sie vergiftet oder erdrückt den Empfänger. Auch wird sie vorgestellt als Abfälle des Körpers oder gar als das tote Selbst des Opferveranstalters'. Es gibt

hier wohl eine Verbindung zum Sündenbock, aber der letztere ist dann wohl ein

Spezialfall der agonalen Opfergabe. Die Droge in der Sage von Erythrai ist dann

nur mehr eine Rationalisiemng der Drohung, die der Gabe im agonalen Kontext

anhaftet. Die Art dieser Drohung läßt sich weiter verdeutlichen, wenn wir das

Ritual des Gastempfangs heranziehen. Dem Gast soll ein Rind angeboten

werden. Er soll dann entscheiden, ob das Rind zum Festmahl „fertig gemacht"

(kuruta) oder entlassen werden soll (visrjata)^. Das heißt also, daß der Frevel der

Tötung dem Gast zufällt. Er kann diesen Frevel nur loswerden, indem er sich

„revanchiert", - wenn er dazu noch die Chance haben wird. So läßt sich auch

wohl verstehen, wieso der Stier von den loniem zu den bisherigen Erythräem

hinübergeschickt werden soll. Die letzteren sollen das Opfertier töten und

unterliegen dann auch bei dem Opfermahl dem Todesfirevel.

Der agonale Kontext der Gabe, die zum Verderi^en führt, scheint nun auch

dem Ritual der Somakuh zugmnde zu liegen, um die der Soma gekauft werden

soll (somakrayam). Die Kuh wird zur Ostseite der Feuerhütte geführt - wohl dem späteren Däksinä-Pfade entlang'. Dort spricht der adhvaryu die Mantras, die mit Preisungen der Kuh anfangen. Es ist nicht ohne Wichtigkeit, daß die Soma-Kuh

da auch däksinä genannt wird*. Tatsächlich wird sie von den Brähmanas, im

5 Z.B. TS. 7.2.10.4; P.B. 19.4.2; 10; JB. 1. 223 (Auswahl, Nr. 83). Vgl. J.C. Heesterman, Brahmin, Ritual and Renouncer, WZKSO. 8 (1964) Ss. 3,6 (The Inner Conflict of Tradition, Chicago, 1985, Ss. 27 f , 209. N. 20.).

6 AivGS. 1.24. 31-32; GobhGS. 4.10. 19-21; ApGS. 13.15-16; HirGS. 1.13.12-13. Vgl.

Indo-Ir. Journal 9 (1966), S. 148.

7 W. Caland-V. Henry, LAgni^pma, Paris, 1906-07, S. 36.

8 TS. 1.2.4. f; KS. 2.5: 10.20; MS. 1.2.4.: 13.4; VS 4.19.

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Zusammenhang mit dem Gärgya Triräfra, als die tausendste und zu gleicher Zeit der Inbegriff der tausend', direkt mit den tausend Däksinä-Kühen verbunden.

Die Somakuh wird hier also nicht als einfacher Kaufpreis bezeichnet, sondern

vielmehr als eine Gabe. Welcher Art diese Gabe ist, wird weiter in den

Brähmana-Diskussionen über die Beschaffenheit der Somakuh angedeutet. Sie

soll eben nicht zweifarbig - weiss und schwarz - sein, denn dann würde sie einer

kiegerischen värtraghm gleichen und der Opferveranstalter würde dann entwe¬

der überwältigen oder überwältigt werden'". Es soll also keinen Kampf geben.

Bezeichnenderweise aber gestattet das Käthaka die värtraghni für den räjanya, weil es für ihn sowieso „nichts in der Mitte gibt, entweder er überwältigt oder er wird überwältigt"". Offenbar haftet der Somakuh die Gefahr von Kampf und Streiugkeiten an - eine Gefahr, die die Ritualisten eben ausschließen wollen. Sie ist also nicht nur Gabe sondem vorwiegend eine Herausforderung.

In dieser Hinsicht ist es wohl auch bezeichnend, daß die Somakuh nicht nur

däksinä genannt wird, sondem auch „die zweiköpfige Adin" (äditir ubhayä-

taMirsiu), die nach beiden Seiten hin schaut.'^ Sie ist so zu sagen zwischen den

beiden gegnerischen Seiten. Die Somakuh wird dann auch gleichgesetzt mit der

Frau - die Göttin Väc -, die von den Göttem zu den lüsternen Gandharven

geschickt wird, um von ihnen im Tausch den Sorna zu bekommen und die dann

nachher wieder zu den Göttern zurück kommt". So soll auch die Somakuh nach

abgeschlossenem Kauf wieder zum Opferveranstalter zurück geführt werden.

Sie „pendelt" also zwischen den beiden Seiten. Die Rückkehr geht aber nicht von

selbst vor sich. Es gibt einen Wortstreit, wobei Götter und Gandharven sie um

die Wette anmfen {vihavä). Im Ritual soll es eijenfalls einen, zwar weniger

schönen Streit geben, wobei der Soma- Verkäufer ritualiter ausgeprügelt werden soll.

Die Mittlerstelle der Somakuh impliziert also Hader und Zweikampf Ob¬

wohl das Ritual bemüht ist, einen wirklichen Kampf auszuklammem - deshalb

soll die Somakuh eben keine värtraghni sein - tritt die Gefahr der agonalen Gabe noch deutlich hervor in der Vorstellung der verworfenen däksinä. Als die Angi-

rasen sich weigerten, die ihnen von den Adityas zngefühne däksinä in Empfang

zu nehmen, verwandelte sie sich in eine zweiköpfige Löwin {simhy ubaya-

tahmukht), die beide Seiten bedrohte'". Diese däksinä war nun eben die Väc, so

wie auch die somakrayam Väc represendert, und es wäre auch wohl nicht ver¬

fehlt die zwei Löwenmäuler der verweigerten und erzürnten Väc mit der „zwei¬

köpfigen Aditi", als Namen der Soma-Kuh, zu verbinden. Die harmlose Soma-

9 Sehe J.C. Heesterman, Reflecüons on the däksinä, Indo-Ir. Journal 3 (1959), Ss. 245^8.

10 TS. 6.1.6.7; KS. 24.1: 89.13; MS. 3.7.4: 78.8.

11 KS., zur angeführten Stelle, na hi lasyänlarästijinäii vä hijtyate vä.

12 Siehe oben, N. 8.

13 AB. 1.27; cf TS. 6.1.6.5-6, KS. 24.1: 90.7, MS. 3.7.3: 77.16; SB. 3.2.4.4-6.

14 JB. 2.115 {Auswahl Nr. 136); cf AB. 6.35, SB. 3.5.1.21.

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kuh erscheint hier mit einem Male als die leibliche Manifestation der Gefahr, die beide Seiten zu vernichten droht.

Wie wird nun die mit der somakrayam wcihmdene Gefahr im Ritual darge¬

stellt? Die wichugste Episode ist der Ritus der sieben Schritte der Somakuh,

wenn sie von der Ostseite der Feuerhütte weg geführt wird zur Stelle, wo der

Somakauf stattfinden soll". Beim siebenten Schritt, auf dem Abdruck des

rechten Vorderhufes, legt der adhvaryu ein Stück Gold und opfert darüber eine

Schmalzspende mit dem Spruch: „Auf dem Haupte der Erde gieße ich dich aus,

auf dem Opferplatz, auf der mit Schmalz versehenen Fußpur der Ida, svähä"".

Die Somakuh ist somit die Ida und ihre siebente Fußspur der schmalzerfüllte

Opferplatz, den Manu, der archetypische Opferer, fand, als er eine zum Opfer

geeignete Stelle suchte". Oder auch, wie die Flutsage des Satapatha lehrt, kam die Ida, als Tochter und als Weib des Manu, aus Manu's erstem Schmalzopfer

auf der nach der Flut ttocken gewordenen Erde hervor". Diese Ida mit dem

schmalztriefenden Fuß (ghrtäpadi) wird nun auch im Ritual über den gleich¬

namigen Portionen der Opferspeise angerufen (idähvana), die von den Teilneh¬

mern verspeist werden. Sie ist die götthche Personifizierung des Opfermahls, das heißt: sie ist wesentlich keine andere als die Kuh, die geschlachtet und beim Opferschmaus feierlich verspeist werden soll. So können wir auch verstehen, wieso Manu, in einer anderen Episode, seine eigene Frau, nämlich die Idä, opfern sollte". Die Gleichsetzung der Somakuh mit der Ida heißt also, daß sie nicht nur

Gabe und Herausforderung ist, sondern auch die Opferkuh, die immoliert und

verspeist wird. Dies wird von einem der Sprüche bestätigt, die der adhvaryu über sie spricht, bevor sie zu den sieben Schritte weggeführt wird: „Deine Mutter soll

dich beurlauben, dein Vater, dein Bruder, dein Gefährte in der Herde"^ -

derselbe Spruch also der über ein Opfertier gesprochen wird^'. Aber hinter dieser

Verknüpfung von Somakuh, Icß, däksinä und Schlachtopfer steckt ein grau¬

sames Geheimnis. So wie Manu seine Frau opfern sollte, so wird auch eine

Wesensgleichheit der Frau des Opferers mit dtr somakrayam durch das Wech-

15 W. Caland-V. Henry, op.cit., Ss. 37-41. Die sieben Schritte der Somakuh zeigen eine Verbindung zum Hochzeilsritual, worauf hier nicht weiter eingegangen werden soll (siehe auch Caland zu ApSs. 10.23.1). Auch die Rolle der Gandharven im Sorna-Mythos gehört hierzu. Dies steht aber keineswegs im Gegensalz zum agonalen Kontext.

16 TS. 1.2.5.h;KS.2.5: 11.3; MS. 1.2.4: 13.9. Anders VS. 4.22.

17 TS. 2.6.7.1.

18 SB. 1.8.1-11; sehe, J.C. Heesterman, Inner Conflict, Ss. 59-69.

19 SB. 1.1.4.16; weitere einschlägige Texte bei S. Levi, La Doctrine du Sacrifice dans les Brähmanas, 2e 6d., Paris, 1966, Ss. 117-120.

20 TS. 1.2.4.1; KS. 2.5: 10.22; MS. 1.2.4.: 13.5; VS. 4.20.

21 KS. 26.8: 132. 12; MS. 3.9.6: 124.13; VS. 6.9. (von den Taitürlyakas nich beim Tieropfer verwendet)

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sein eines Blickes zwischen der patrii und der Kuh dargestellt^. Als Schlachtopfer vertritt die Somakuh die Frau des Opferers.

Im Rimal gibt es aber keine Opferung der Somakuh. Nach dem siebenten

Schritt wird sie zur Stelle, wo der Somakauf stattfindet, geführt; nach Abschluß des Kaufes wird sie von einer anderen, ungeweihten Kuh ersetzt und schließlich zur Herde des Opferveranstalters zurückgeführt. Es geschieht ihr nichts. In der

Handlung und den Sprüchen des Somakaufes hat sie weiter keine Rolle mehr.

Dennoch scheint die Sache nicht so einfach zu sein. Es gibt nämlich noch den

feierlichen Empfang von „König Soma". Dieser „Empfang" hat zwar die Form einer vegetarischen isti (ätithyesti), aber auffallender Weise hat diese isä doch

einige Merkmale des Tieropfers, nämlich die Siebzehnzahl der Entzündungs¬

verse und das Feuerbohren^^. Denn, wie bekannt - und wie es auch in diesem

Falle betont wird" -, gehört zum Gastempfang ein Kuhopfer und Gastmahl.

Gegenüber der menschlichen Form versuchen die Brähmanas darum die

ätithyesti als die göttliche Form des Gastempfangs zu erklären. Oder es whd

erklärt, daß, wenn das gebohrte Feuer in das ähavaniya Feuer hineingestoßen

wird, diese Handlung dem Tieropfer gleichsteht. Aber diese künstliche Erklä¬

rungen reichen doch nicht aus. Und so wird das erforderliche Tieropfer von

anderen Texten auf das agnisomiya Bockopfer am nächsten Tage verschoben^.

Der ursprüngliche Sachverhalt wird aber wohl sein, daß die Soma-Kuh das

Opfertier beim Gastempfang war. In dieser Hinsicht mag es wohl bezeichnend

sein, daß die ätithyesti, in Abweichung vom normalen Paradigma, mit der idä-

Zeremonie, also mit dem Opfermahl abgeschlossen werden soll. Es ist aber

leicht verständlich, warum die Rituahsten den Gastempfang mit einer unblu¬

tigen isti ersetzt haben, während die Somakuh nach der Rite mit dem siebenten

Schritt unversehrt und fast unbemerkt bleibt. Die geheimnisvollen Assozia¬

tionen der Somakuh waren zu grausam, um rituell gestaltet zu werden.

Die Grausamkeit verrät sich aber doch noch, sei es auch in vereinzelter und darum ziemlich unerklärlicher Weise. Es heißt nämlich, daß die an sich harmlose

iaÖ-Rite, wenn die Teilnehmer am Opfer die übrigens winzige idä genannten

„Schnitten" der Opferspeisen essen, ein „Bruch", ein „Zerschneiden" des Opfers sei". Dies wird damit erklärt, daß die /dä-Rite ein Einbruch des häuslichen päkayajäa in das solenne Opferritual darstelle. Aber diese Erklärung wirkt kaum

überzeugend. Eher wird man den ursprünglichen Grund fürdie Aussage, daß die

idä „zerschneidet" (vichinatti) in den oben geschilderten Assoziationen suchen.

Vielleicht kommt man der Sache näher, wenn man in Betracht zieht, daß sie nicht nur selbst zum Opfermahl zerlegt, zerschnitten wird, sondem auch daß sie als die

22 W. Caland-V. Henry, op.cii., S. 39.

23 ApSs. 10.31.12.

24 AB. 1.15.6; SB. 3.4.1.2.

25 TS. 6.1.11.6; MS. 3.7.8: 87.9.

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herausforderende Gabe die gegnerischen Teilnehmer „entzweit". Das letztere

kommt auch in der Aussage zum Ausdruck, daß Devas und Asuras einen vihavä

abgehalten haben, um die Ida zu gewinnen^*.

Wenden wir uns jetzt dem siebenten Schritt der Soma-Kuh wieder zu. Nach

der Libanon soll der a^//ivary« die Stelle der beschmalzten Fußspur umritzen und

den mit Schmalz vermischten Sand in einem von der patni gehaltenen Gefäß

aufheben. Der Sand wird dann über den gärhapatya und ähavaniya Herden

verteilt und auch die pafnferhält ein Drittel, das sie zu Hause aufbewahren soll.

Soweit ist das Verfahren im Stile von anmutigen Kuh- und Stall-Riten recht

friedlich. Das Überraschende ist aber der Spruch, den die Käüiakas und die

Taittiriyakas für das Umritzen der Stelle vorschreiben: „Umritzt ist das Unhol-

dentum, umritzt sind die Feinde. Hier schneide ich dem Unholdentum den Hals

ab; wer uns anfeindet und den wir anfeinden, dem schneide ich hier den Hals

ab"^'. Mit einem Male tritt hier die Somakuh als der Anlaß eines bludgen

Kampfes hervor, der auf dem von Schmalz triefenden Opferplatz, idäyäs pade

ghrtävati, stattfindet. So versteht es sich auch, daß die Idä, wie wir sahen,

„zerschneidet". Wie imaginär dieser Kampf und die ungenannen Feinde auch

im-mer seien, die plötzliche Suggestion von Gewalttätigkeit ist nicht weniger beachtenswert.

Nun wird dieser Mantra auch in den anderen Schulen, vor allen bei den

Käthakas, öfters verwendet, namentiich bei dem Umritzen von Stellen, wo ein

Loch gegraben werden soll icätväla,yüpa, udumbara Pfosten im Sadas, upara-

vas); nicht aber in Fällen, wo nur eine dünne Schicht abgegraben werden soll, wie es z.B. zur Herstellung der vedi gemacht wird. Der letztere Fall ähnelt sich dem

Aufheben der siebenten Fußspur. Es fragt sich dann, warum gerade dieser

Spruch auch hier verwendet wird.

Der entscheidende Punkt ist wohl die Vorstellung vom „Kopf des Opfers".

Es läßt sich nachweisen, daß dies ursprünglich der Kopf des Opfertieres war^.

Solche „Opferköpfe" finden sich noch an einer bekannten aber vereinzelten

Stelle des Rituals, nämlich in dem Agnicayana, wo unter dem Feueraltar ein

Menschenhaupt und vier Tierköpfe eingegraben werden sollen. Dies verdeut¬

licht aber noch nicht, warum das Graben eines Loches, oder selbst, wie in unse¬

rem Falle, das Abheben von ein wenig Sand, mit einer Köpfung gleichgesetzt

werden soll. Dies kann jedoch vom Agnicayana her erklärt werden. Der Zug, der

zur Lehmgrube auszieht, woher das Material zum Bau des Feueraltars geholt

wird, stellt sich bei näherem Zusehen als eine ritualistisch umgemodelte und ver¬

harmloste Vieh-Razzia heraus. Es war dann ursprünglich nicht das Ausgraben

von Lehm, das den „Opferkopf ' liefem sollte, sondem die Razzia und der dazu

26 TS. 1.7.1.4, 2.6.2.8; SB. 1.7.4.19.

27 TS. 1.7.1.3.

28 TS. 1.2.5. d-e; KS. 2.5: 19.5.

(7)

gehörende Kampf. Weil nun aber solche Kämpfe sich wohl am meisten bei

Wasserhöhlen und dergleichen wasserreichen Stellen abgespielt haben werden

- der Opferplatz soll auch immer in der Nähe von Wasser sein -, konnte das

Lehm-Graben leicht an die Stelle der ursprünglichen Kämpfe treten.

Es ist wohl bezeichnend, daß, wie der Lehm aus der Grube bei dem Agnica¬

yana, auch der Sand der siebenten Fußspur für die Feuerherde verwendet wird.

Diese Fußspur wird dann auch in dem Spruch zur Libation als „Kopf der Erde"

(prthivyäs ... murdhän-) bezeichnet. Vor diesem Hintergrund läßt sich auch ver¬

stehen, wieso der Mantra vom Abschneiden des feindlichen Halses zur Fußspur

der Somakuh paßt. Der eigenüiche „Opferkopf ' ist aber wohl der Kopf der Idä

in der Form der Somakuh. Es ist vielleicht nicht ohne Bedeutung, daß die

ätithyesti, die das ursprüngliche Kuhopfer ersetzt hat, durchgängig mit dem

„Kopf des Opfers" identifiziert wird'".

Dem ursprünglichen und handgreiflichen Sachverhalt können wir jedoch,

wie es scheint, an Hand des merkwürdig rustikalen Gonämika näher rücken, das

von der Idä-Kuh und ihrer Anrufung handelt. Da wird erzählt, wie Götter und

Asuras wie immer im Kampf begriffen waren". „Aditi war bei den Göttem,

Kustä bei den Asuras. Die Götter überlegten: „wenn wir siegen, werden wir der

Kustä das Haupt abschlagen"; die Asuras hingegen überlegten: „wenn wu

siegen, werden wir der Adin das Haupt abschlagen"; als die Götter gesiegt hatten, töteten sie diese (d.h. Kustä); im Hause dessen, der gesiegt hat, wird sie (d.h. die Kuh) getötet". Dies bezieht sich auf die zur ekästakä geschlachteten Kuh. Diese schnörkellose Passage läßt sich so deuten, daß jede der beiden Seiten eine Kuh „einsetzt". Derjenige, der siegt und die Kühe der Anderen gewinnt,

kann dann ein großes Festmahl veranstalten. Hierin hegt möglicherweise auch,

was die ursprünglichen Erythräer hätten tun sollen. Anstatt auf den Stier der

lonier hereinzufallen, hätten sie auch ihrerseits ein wertvolles Opfertier als

Herausfordemng einsetzen sollen. Ob es ihnen dann besser ergangen sein würde, bleibt natürlich unsicher. Aber so, wie sie es gemacht haben, ohne den Konven¬

tionen gerecht zu werden, waren sie von vom herein verloren. Ein wichtiges

Element des angemessenen Verfahrens wird von einer anderen Passage des

Gonämika erläutert. „Als die Schlacht dort angefangen hatte, wo die Dächer der

Siedlung noch gerade sichtbar waren, rief man (lies: atyahvad, anstatt der 1.

Person) die Kühe zu sich hinüber, die Einen mit ihren, die Anderen mit anderen Sprüchen"'^. Man soll also im Wettkampf die Kühe der Anderen zu sich hinüber

mfen, denn „wo die Kühe sind, dahin kommen die Götter; wo die Götter sind,

29 Siehe J.C. Heestennan, The Case of the Severed Head, WZKSO, 11 (1967), Ss. 22-43 (Jhe Inner Conflict, Ss. 45-58).

30 z.B. SB. 6.2.1.4.

31 MS. 4.2.3: 24. 16-25.3.

32 MS. 4.2.6: 27.16-28.2

(8)

dahin kommt Indra; diejenige siegen, zu denen die Kühe kommen; der gewinnt die Schlacht".

Hiermit soll natürlich nicht gesagt sein, daß der beiderseitige Einsatz der

Geschichte von Aditi und Kustä die einzige von der Konvention gestattete

Möghchkeit war. Es gab schließlich doch viele, die nichts einzusetzen hatten, wie etwa der arme diksita, der sich durch saniyäcana erst noch seine Opfergabe

erwerben muß. Das heißt, sie mußten bei dem Opferkampf auf die heraus¬

fordernde Gabe der Anderen eingehen, ohne gleich erwidern zu können, oder sie

mußten sich bei wohlhabenden Opferveranstaltem dazu aufdrängen, wie

anscheinend die Syäparms es beim Opferfest des Visvantara Sausadmana

taten''. Jedenfalls aber konnte man dem Risiko nicht entgehen, durch hoch¬

herzige oder selbstentsagende Weigerung die verhängnissvolle Gabe zu akzep¬

tieren. Das wird aufs Deutlichste von der däksinä der Adityäs iWüStnen, die von

den Angirasen verworfen wurde. Hat man einmal akzeptiert, so ist man an die

Konventionen von Wortstreit und Opferkampf gebunden. Man spielte zwar um

seinen Kopf und sein Vieh, aber man konnte sich den Konventionen des grau¬

samen Spiels nicht entziehen.

Fassen wir nun das Ergebnis zusammen. In zwar bruchhafter Weise hat das

Ritual wichtige Stücke eines alten Szenarios erhalten. In diesem Szenario ist das

Opfer nicht das von erschöpfenden Regeln beherrschte Ritualsystem, sondem

ein von kriegerischen Konventionen umgebener Kampf um die Güter des

Leiwens. Die Somakuh stellt sich dabei als das iDcwegliche, dynamische Element zwischen beiden Seiten heraus. Sie ist die zum Opferkampf herausfordernde Danaergabe, die zu gleicher Zeit potentiell auch Opfertier und Opferspeise ist.

Sie ist zwar darauf ausgerichtet, den Gegner zu besiegen, aber der Ausgang des

Opferkampfes ist unsicher und man weiß vorher nicht, ob man seinen Gaben¬

einsatz als Schlachtopfer verlieren oder den gegnerischen gewinnen wird. Wie

es von dem räjanya gesagt wird, „es gibt für ihn nichts in der Mitte, entweder er siegt oder er wird besiegt". „Winner takes all" - bis zur nächsten Runde.

Das Kampfopfer mit seinen Konventionen war einst die dynamische und

legitimierende Institution der Kriegerwelt eines „heroischen" Zeitalters. Wie

Burkerts Ausführungen zeigen, galt dies nicht nur im firüh-vedischen Indien,

sondem auch für die archaische Periode des klassischen Altertums. Das Wich¬

tige ist aber nicht das Szenario des Kampfopfers an sich, sondem die Weise, in

der die vedischen Ritualisten das Kampfopfer aufgebrochen haben. Es ist ihr

Verdienst, der von Kampf und Opfer fortwährend bedrohten und vemnsicherten Welt, eine neue Orientierung gegeben zu haben. Sie haben zwar Gewalttätigkeit

und Zerstömng nicht aus der Welt schaffen können. Dafür aber haljen sie dem

kriegerischen Treiben die Legitimität entzogen. Aus den Bmchstücken des

sakralen Dramas von Kampf und Opfer haben die Ritualisten das Ideal einer

33 AB. 7.27.

(9)

absoluten und konfldctlosen Ordnung zur Geltung gebracht - eine Ordnung, die

der Mensch, als yajamäna, selbst dadurch schaffen kann, daß er sich der über¬

menschlichen codanä des Ritual-Gesetzes unterwirft.

SIVAISMUS UND VISNUISMUS IN DER

BHAKTI-BEWEGUNG MAH AR ASTR AS:

JNANADEVS SAPTAPADI '

Von Catharina Kiehnle, Heidelberg

Der bhakti-Yiu\x in Mahäräs.tra hat zwei Gesichter. Einerseits weist er alle

Züge der navavidhä bhakti auf, unter ganz besonderer Betonung des kirtanam

und smaranam Visnus, aber auch des Gottes Vitthala von Pandharpür, der mit

Visnu/Krsna identifiziert wird. Außer der Übung des nämajapa veranstalten die

bhaktas seit rund sechs Jahrhunderten musikalische Programme in Tempeln und

Heimen, kirtans und pravacans, und ein- bis zweimal im Jahre die väri, die

Pilgerfahrt nach Pandharpür. Sie hat ihnen den Namen varfazn eingetragen. In

Vitthala macht sich die zweite Seite des Kults bemerkbar, denn man nennt den

Gott auch Pändurai^ga ,Hellfarbiger', was eine Bezeichnung ^ivas ist. Er trägt

ein zylindrisches Gebilde auf dem Kopf, das als sivalihga angesehen wird. Der

Schrein seines ersten Verehrers, für den sich der Gott nach Pandharpür begeben haben soll, enthält ebenfalls ein sivalihga. Die Priester dort gehören der Kaste der s'ivaitischen Mahädev-KolTs, niedrigkastigen Fischern, an. Für das ganze ksetra hat Ch. Vaudeville eine bedeutende Anzahl ^ivaiuscher Details nachgewiesen^.

Auf der Pilgerfahrt zu Vitthala werden u.a. auch noch Sänften mit Symbolen

Gorakhnäths und Matsyendranaths mitgeführt. Die Teilnehmer an der vän sind

überwiegend Maräthäs, die häufig von Haus aus Siva huldigen. Heutzutage gih

natürlich in weiten Kreisen der Neo-Hinduisdsche Grundsatz, daß all religions in reality one sind. Eine ähnliche Tendenz läßt sich jedoch bereits in den Anfän-

1 ^ravanarp kirtanam vi^noh smaranam pädasevanam/arcanam vandanam däsyam sakhyam ätmanivedanami (Srimad ßhägavatam cürnikäsametarp sajippanarp, asya granthasya punarmudraißdhikärah ärnglaräjakiyena ladiya 1867 tamasämvalsarika 25 tamaniya- mänusärena prakäsakädhinah, mudraka lathä prakäs'aka Kkemaräja Srikr^nadäs, Bombay;

7.5.23)

2 Ch. Vaudeville, Pandharpür, The City of Saints, in: Structuralism in Souüi India, ed. Yocum and Buck, Chambersbury, Penn. (Kopie o.d.)

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