SCHWIERIGKEITEN MIT EINER SYNTAX
OHNE VERBALSATZ
(Resüme)
Von Helmut Satzinger, Wien
Das Referat zielte auf eine Auseinandersetzung mit der Arbeit von
Friedrich Junge: Syrüax der mittelägyptischen Literatursprache. Grundla¬
gen einer Strulcturtheorie\ wobei es um folgende Kernpunkte ging:
1. Traditionell werden im Äg. drei Satzbautypen angenommen:
a. Satz mit nominalem Prädikat: [[NP]präd. [NP]subj.]satz^
b. Satz mit adverbialem Prädikat: [[NPJsubj. [ÄPJpräd.lsaiz c. Satz mit verbalem Prädikat: [[VPJpräd [NP]sut,j.]satz
Nach Junge kann nun das Verb bzw. die Verbalphrase nicht Prädikat
sein. Die Verbalphrase bildet zusammen mit dem „Subjekt" keinen Satz,
sondern eine Nominalphrase: [VP NP]np.
Diese Konzeption basiert auf der Annahme, daß es im System des Mäg.
keinen verbalen Matrixsatz gibt: Selbständige „Verbalsätze" werden durch
„Partikeln" wie jw eingeleitet; diese aber sind nach Junge unmittelbare
Konstituenten des Matrixsatzes (vgl. Abb. 1.1-2). Ferner ist der folgende
Punkt sehr wesentlich.
2. Nach traditionellem Verständnis kann die Ädverbialphrase im Äg. wie
in anderen Sprachen zwei Funktionen haben:
a. die eines adverbialen Komplements als Bestandteil einer Verbalphrase:
[V APJvp
b. die eines adverbialen Prädikats (siehe oben l.b).
Nach Junge ist die Adverbialphrase hingegen immer prädikativ; ein
vermeintliches [V APJvp existiere demnach nicht. Ein vermeintliches [[V
APjvp NP]s sei vielmehr aufzufassen als [[V NP]np AP]s. Dies ist im Mäg.
die Matrix des Satzes mit „emphatischer Form"; Junges Auffassung trifft
sich hier mit der herkömmlichen (Abb. 1.3). Hat derselbe Satz jedoch die
Einleitung jw, so besteht ein beträchtlicher Unterschied der Auffassungen:
anstelle einer Struktur wie etwa \jw^ [[V APJvp NP]s]s (vgl. Abb. 1.2,
rechts) sieht Junge ein [[jwInp [[[V NP]np ÄPJsJapJs (vgl. Abb. 1.2, links).
Junges System ist in sich widerspruchsfrei. Es fallen darin jedoch einer¬
seits Strukturen zusammen, die „offensichtlich" verschieden sind: der Satz
mit adverbialem Komplement (Abb. 1.2) und der Satz mit „emphatischer
Form" (Abb. 1.3); andererseits werden Strukturen grundsätzlich verschie¬
den aufgefaßt, die „offensichtlich" bis auf akzidentielle Elemente identisch
' Mainz: Verlag Philipp von Zabem [1978].
^ Die Reihung von Prädikat und Subjekt in der Oberflächenform steht hier nicht zur Debatte; vgl. dazu Junge, op. cit., 45 ff.
^ M. E. kann jw allenfalls in historischer Sicht als Nominalphrase o. dgl.
bestimmt werden.
Schwierigkeiten mit einer Syntax ohne Verbalsatz 77
sind: der Verbalsatz ohne adverbiales Komplement (Abb. 1.1) und der Ver¬
balsatz mit adverbialem Komplement (Abb. 1.2).
Ähnliches ergibt eine Änalyse der attributiven Konstruktionen". Diesen
(attributives Adjektiv, Relativsätze einschließlich Partizipien und Relativ¬
formen) eignet ein gemeinsames Merkmal: Wenn ihr Subjekt mit dem
Beziehungswort identisch ist, bleibt es implizit. Auf der Grundlage dieser
Annahme ist jede attributive Konstruktion (auch Adjektive und Partizi¬
pien) als eingebetteter Satz auffaßbar (Abb. 2, rechts). Es ergibt sich eine
schöne strukturelle Ubereinstimmung zwischen Relativsätzen mit ver¬
balem (Abb. 2.3-4) und nicht verbalem Nukleus (Abb. 2.2).
Diese Einheit geht zwangsläufig verloren, wenn man die attributiven
Konstruktionen nach Junges System analysiert (Abb. 2, links). Überdies
fallen daim natürlich wieder Struktiu-en auseinander, die „offensichtlich"
bis auf ein akzidentielles Element identisch sind, nämlich Partizip/Relativ¬
form ohne adverbiales Komplement einerseits (vgl. Abb. 2.3) und Partizip/
Relativform mit adverbialem Komplement andererseits (vgl. Abb. 2.4).
Gegenüber Junges System wurde im Referat eine Position bezogen, die
in den beiden besprochenen Punkten der üblichen Auffassung (auch der all¬
gemeinen Sprachwissenschaft) entsprechen dürfte:
1. Jede Verbform repräsentiert ein Prädikat.
Wenn der verbale Matrixsatz im Mäg. obsolet ist, ist allerdings die Prä¬
dikatsfunktion des Verbs (der Verbalphrase) im wesentlichen auf eingebet¬
tete Sätze beschränkt.
Das Subjekt ist bei folgenden Formen implizit: Imperativ, Infinitiv
(Nomensatz), Partizip (Adjektivsatz). (Das Passiv bleibt hier außer
Betracht.) Die „emphatischen Formen" sind Nuklei von Nomensätzen mit
explizitem Subjekt, die als Subjekt zu einem adverbialem Prädikat fungie¬
ren'.
2. Die Ädverbialphrase karm sowohl Element einer Verbalphrase sein (als
adverbiales Komplement), als auch umnittelbare Satz-Konstituente (als
adverbiales Prädikat).
" H. Satzinger : Attribut und Relativsatz im Älteren Ägyptisch. Fs W. Westendorf (1984), 125-156.
' Im Mäg. ist die Konstruktion mit „emphatischer Form" bereits grammatikali¬
siert; wie die besonderen Besetzungsmöglichkeiten der Prädikats stelle (Umstands¬
satz, auch nichtlokale Adverbialphrasen) zeigen, ist sie nicht einfach ein frei gebil¬
deter Satz mit adverbialem Prädikat, dessen Subjektstelle von einem Verbalsatz besetzt ist. In der weiteren Entwicklung stehen die „emphatische Form" j.jr.fsdm des Näg. und die Zweiten Tempora des Kopt., die nur noch diese Funktion ausfüllen
können und nicht frei als Nomensätze verwendbar sind.
nach Junges Syntax:
1.1
Gegenvorschlag:
V NP
jtv mi.n sw nb.f
„sein Herr hat ihn gesehen"
V NP :
jw mi.n sw '
1.2
JW mt.n sw nb.f mpr.f
„Sein Herr hat ihn in seinem Haus gesehen"
1.3
S
mi.n sw nb.f m pr.f mi.n sw nb.f
„in seinem Haus hat ihn sein Herr gesehen"
Abbildung 1
Schwierigkeiten mit einer Syntax ohne Verbalsatz 79
2.1
nach Junges Syntax:
NP N hmt
NP nfrt -die schöne Frau"
Gegenvorschlag:
timt
2.2
hmt NP
NP
ntt NP
I S
AP I NP
I S NP
h,j.a
AP jm
„die Frau, deren Gatte dort ist"
limt
Abbildung 2
FACHGRUPPE 2:
ALTORIENTALISTIK UND SEMITISTIK
Leitung: Wolfgang Röllig
SOME PROBLEMS IN EARLY ARAMEAN HISTORY*
By Ran Zadok, Tübingen
The ethnogenesis ofthe Arameans belongs to their proto-history and will
be dealt with elsewhere. J.-R. Kupper suggested' that the Arameans, who
are first designated as the 'Aramean Ahlamites' (= the Ahlamites of the
land of Aramu) originated from the Amorites (the general designation for
West Semites in the Fertile Crescent down to the end ofthe OB period).
The abolishment of Mitanni as a buffer state between Hatti and Assyria has
started a period of continuous struggle between the Assyrians and the West
Semitic nomads ('Ahlamites') who seem to have become more powerful
and numerous after the destruction of the central authority in the Jezireh,
viz. Mitanni. For Mitanni practically ruled over most ofthe steppes on the
edge of the Syrian Desert (on both sides of the Euphrates) where these
nomads were apt to concentrate, thereby fulfilling a pre-requisite for
having an effective control on the nomads' movements between the six¬
teenth century and the middle of the fourteenth century B. C. On the other
hand, the Assyrians did not control both sides of the Euphrates during the
second millennium B.C.
The term Ahlamü, which is very common in MB sources of various types,
appears in MA documents only from the time of Adad-nirari I (1307-1275
B. C.) onwards and is restricted to royal inscriptions. The other MA sources
use exclusively the more ancient term Sutü for designating West Semitic
nomads. West Semitic tribes are only rarely specified: these were the
nomads (Sutü) of (the land of) lauru (laureans) and the Hiranu. The latter
group appears about half a millennimn later as an Aramean tribe residing
in Babylonia.^ I should like to point out that none ofthe West Semitic names
* Abbrevations as in AHw. and CAD. Since a detaUed monograph of mine on ear¬
ly Aramean history is in active preparation now, the bibliographical references below are kept at a minimum.
' Les Nomades, xviiif 114. 132 f.
^ See Kh. Nashef: RGTC 5, 145; M. Heltzeb, TheSuteans. Naples 1981, 86'*;
Brinkman: PKB 271"".