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Kannten die Araber wirklich siciliscben Bemstein ?
Von Dr. Georg Jacob.
Im zweiten Hefte Bd. 45 dieser Zeitschrift hat Herr Prof.
Oskar Schneider einige Bemerknngen zu meinen im 43. Bd. er¬
schienenen „Neuen Studien, den Bemstein im Orient betreflFend*
veröffentlicht, denen ich nach eingehender Prüfung in keinem Punkte zustimmen kann.
Herr Prof. Schneider glaubt, dass seine Hypothese, die Araber
hätten Kenntniss von dem Vorkommen des Bemsteins auf Sicilien
gehabt, durch zwei arabische Autoren „bekräftigt' werde. Zunächst
dnrch DimeSqt ; dieser aber spricht an der angezogenen Stelle weder
von Bernstein noch von Sicilien. Sicilien ist ihm sowie auch den
älteren Geographen sehr wohl bekannt, stand es doch bis ins
11. Jahrhundert hinein unter arabischer Herrschaft und er würde
es schwerlich anonjrm als „Inseln des Mittelmeers", noch dazu im
Plural citiren. Femer steht aber auch an der betreffenden Stelle
nicht kährubä, Bemstein, sondem senderüs, welches Wort niemals
„Bemstein* bedeutete, zum Ueberfluss aber noch in ebenderselben
Dime§qlstelle von Bernstein ausdrücklich unterschieden wird. Selt¬
samer Weise sieht Schneider einen Beleg dafür, dass senderüs auch
Bernstein bedeuten könnte in einem von mir citirten Passus aus
Fraas, Drei Monate im Libanon. Daselbst steht aber bei genauerer
Betrachtung das Gegentheil. Fraas theilt nämlich mit, dass die
Araber den an der phönikischen Küste vorkommenden Bemstein
senderüs nennen und fUhrt dann fort: „Die Stücke, die man im
Freien aufliest, sind alle durch die Extreme der Witterung zer¬
sprungen und zerfallen, weshalb der Araber, der den Bemstein
sonst nur an Schmucksachen und Tschibuks als soliden , festen
Körper kennt, sie gamicht als Bemstein erkannt hat.' Daraus
folgt doch wohl , dass die Araber jene Stücke senderüs nennen,
weil sie dieselben nicht als Bemstein anerkennen, senderüs also
kein Name für den Bernstein ist. Dasselbe beweisen die von
Herm Prof. Schneider S. 241 nochmals abgedrackten Stellen (statt
Kazmini lies: Kazwini), durch die ich wohl zur Genüge erhärtet
692 Jacob, Kannten die Araber wirlclicJi sicilischen Bernstein?
habe, dass kährubä und senderüs für den Araber zwei getrennte
Begriffe waren und sorgfältig unterschieden, nicht aber, wie Herr
Prof. Schneider will, zusammengeworfen wurden. Man beachte
femer, dass der sicilische Bernstein niemals bröcklig, sondern, wie
mir Herr Stadtrath Helm noch nach seinen reicheren an Ort und
Stelle gesammelten Erfahrungen mittheilte, stets ganz fest ist, dass ferner das sicilische Pundgebiet so wenig ausgiebig ist, dass selbst
die Händler auf Sicilien massenhaft baltischen Bernstein in den
Handel bringen, schliesshch, dass der gleich dem phönikischen
bröcklige spanische Bernstein von den älteren Arabem noch als
kährubä bezeichnet wurde.
Bei dem zweiten Beleg, den Herr Prof. Schneider beibringt,
ist ihm zunächst das Versehen passirt, dass er den Text, welchen
ich aus der Berliner Handschrift des Ihn al-Keblr mitgetheilt habe,
dem bekannten türkischen Bibliographen Hägi Khalfa beilegt und
den Abscbluss von dessen Werk ins Jahr 1311 hinaufdatirt. Wenn
ich also im Polgenden Ibn al-Keblr citire, so hat man darunter
denselben Autor zu verstehen, welchen Schneider Haji Khalfa
nennt. Leider ist mir bei der Uebersetzung aus Ibn al-Keblr ein
Lapsus in der Beziehung des Adjectivs passirt, worauf mich Herr
Prof. de Goeje aufmerksam gemacht hat, doch ist der arabische
Text S. 376 fehlerlos. Es muss nämlich heissen: ,Mir hat ein
Pachmann in Importangelegenheiten mitgetheilt, dass er ihn (den
Bemstein) von den Ostländern bringt, von den Ländern der Rüs
und Bulgaren, sowohl der nordwestlichen als der östlichen. Es
ist ein Harz von Bäumen auf Bergen, auf denen der Schnee nicht
schmilzt etc." Schneider vermuthet unter diesen Bergen den Aetna,
den aber die arabischen Geographen sehr genau kennen (vgl. z. B.
die Beschreibung bei Abü Hamid, Gothaer Handschr. 1501 131.
46/47) und schwerlich ins nördliche Russland verlegen würden.
Auch die Verwechslung der Dumpalme und der Palmyrapalme,
welche mir Herr Prof. Schneider vorwirft, fällt mir nicht zur Last.
Er hätte beachten sollen , dass ich Dümpalme schrieb und sich
meine Bemerkungen an einen arabischen Text ansehliessen, in dem
von der Palme düm die Rede ist. Mit diesem Worte bezeichnen
aber die Araber , wie es scheint , alle Pächerpalmen, vomehmlich
jedoch Borassus flabelliformis (vgl. Lane s. v. ^.^o, der sich auf
Porskäl stützt; Meyer, Gesch. d. Botanik III, S. 292), für die
ychneider gerade diese Bezeichnung nicht will gelten lassen.
Auf Kleinigkeiten mag ich nicht weiter eingehen. So wird
der von Prof. Schneider bei mir entdeckte und durch ein Aus¬
rufungszeichen S. 240 Anm. hervorgehobene Widersprach sehr ein¬
fach dadurch gelöst, dass wir Dimesqi nicht mehr zu den älteren
arabischen Schriftstellern zu rechnen pflegen , indem man diesen
Begriff kaum bis ins Zeitalter der Kreuzzüge hinein ausdehnt. Die
Fragezeichen, welche ich der interessanten Mittheilung des von mir
Jacob, Kannten, die Araber wirkUch sicilischen Bernstein'? 693
gleichfalls hochverehrten Herm Ober-Studienrath Fraas einfügen
musste, haben durchaus ihre Berechtigung und v>rerden den grossen
Verdiensten des Mannes keinen Abbruch thun. Derselbe erfreute
mich noch heute durch Uebersendung von phönikischen Bernstein¬
proben, die allerdings der Laie eher für jedes andere Harz als für
Bernstein ansehen dürfte. Dass senderüs in der Vulgärsprache auf
verschiedene nicht fossile Harze übertragen wird, habe ich stets
vermuthet und bin Herrn Prof. Schneider für seine Mittheilung, dass
dies Wort gelegentlich für weisses Kolophonium gebraucht wird,
äusserst dankbar; nur steht diese Thatsache nirgends in Wider¬
spruch mit meinen Ausführungen.
Hinsichtlich des kurzen Ueberblicks, den ich über die weite
Verbreitung des Bernsteins in der Natur gegeben habe, wirft mir
Herr Prof. Schneider Unvollständigkeit vor , doch sind die meisten
seiner vermeintlichen Nachträge nur aus wenig aufmerksamer
Lektüre meiner Arbeit zu erklären. Dass ich auf amerikanischen
Bernstein nicht näher einging, lag in der Natur des Themas, doch
habe ich auf sein Vorkommen S. 361 hingewiesen. Perner habe
ich S. 362 nach Fraas die unteren Donauländer erwähnt, zu denen
meines Wissens auch Rumänien gehört. Dass aber die Nachträge
des Herm Prof. Schneider noch nicht vollständig sind, dafür mag
z. B. R. Bonn, Der Bernstein. Berlin 1887, S. 5 Zeugniss ablegen,
woselbst es heisst: „Als weitere, wenn auch weniger ergiebige
Fundorte sind zu erwähnen : Spanien , Portugal , Frankreich , die
Ostküste von Sicilien, Nordküste Afrikas, Dalmatien, kurz so ziem¬
lich ganz Europa. Selbst in Australien soll Bemstein gefunden
werden."
Schliesslich danke ich Herrn Prof. Schneider für die sachliche
und klare Form seiner Erwiderung, die eine Verständigung, wie
ich hoffe, bedeutend erleichtert hat.
Li*
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Anzeigen.
Das „ Buch der Naturgegenstände ' hrg. und erläutert von
K. Ahr ens, Gymnasiallehrer. Kiel 1892. Haeseler.
84, III, 71 S. 80.
Das von Ahrens aus einer nestorianischen Sammelhandschrift des Brit. Mus. herausgegebene syrische, dem Aristoteles zugeschriebene
Buch ist eine Art Naturgeschichte. Es führt uns zunächst die Land¬
tbiere vor, und zwar kommen zuerst die Vierfüsser, den Löwen
voran, dann die Vögel, dann die Eeptilien und andere kleine Thiere.
Den Wasserthieren werden einige Capitel über merkwürdige Meere
und Flüsse voraufgeschickt ; dieser „geographische' Abschnitt ist
jedenfalls vom Compilator selbst mit Absicht hierher gestellt. Zu¬
letzt erhalten wir noch einiges wenige über Bäume und Steine, mit
Einsehluss der Perle. — Das Buch ist nicht ohne Angaben, die
aus guter Beobachtung geschöpft sind; vgl. z. B. was es über die
Fledermaus sagt (S. 35; nr. CO der Uebersetzung). Aber durchaus
überwiegen doch wunderbare und wunderliche Dinge, welche zum
Theil ganz auf Einbildung, zum Theil auf Missdeutung oder Ueber¬
treibung der Wirklichkeit beruhen. An solche Behandlung von
Naturgegenständen sind wir ja freilich schon von Ctesias an ge¬
wöhnt. Es genügt, auf Aelian und Damiri hinzuweisen. Ueber
das Verhältniss unsers Buches zu anderen Werken und ganzen
Litteraturzweigen belehren uns die eingehenden Erörterungen des
Hg's., zu denen dann noch höchst werthvolle Bemerkungen von G. Hoff¬
mann kommen. Ein grosser Theil des Buches ist dem Physio¬
logus entnommen , aber so , dass die Bibelstellen und die christ¬
lichen Anwendungen (die „Theorien') am Schlüsse weggelassen sind.
Seine frühere Ansicht, dass hier eben eine Quelle des Physiologus
vorliege, nimmt Ahrens jetzt mit Recht zurück ; die Spuren davon,
dass von den einzelnen Thieren gerade d i e Züge berichtet werden,
welche für die Anwendung passen, sind auch in unserem Buche
noch hie und da deutlich, und in nr. 123 (Text S. 66 unten) ist
sogar noch ein Stück „Theorie' übrig. Neben dem Physiologus
sind, wie Ahrens ausführt, besonders die Homilien des Basilius
über das Hexaemeron ausgeschrieben, dazu mindestens noch ein
Buch über Thiere. Der Verfasser hat die beiden ersten Werke in
syrischen Uebersetzungen benutzt. Das dritte mag schon syrisch
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