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„…macht eine äusserste Zurückhaltung bei der Ausgabe des Brotes zur Pflicht.“

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Quellen für den Unterricht 52 Jens Breitschwerdt

In diesem Jahre ist mit einer ausserge- wöhnlich guten Bucheckernernte zu rech- nen. Die schwierige Ernährungslage er- fordert, diese zusätzliche Fettquelle restlos auszunutzen. Es hat jedermann die Mög- lichkeit, durch Sammeln von Bucheckern seine Fettration wesentlich zu erhöhen.

Das Rundschreiben Nr. C VIII 4421 vom 7. September 1946 des Wirtschafts- ministeriums Württemberg-Baden, speziell der Landesverwaltung für Land- wirtschaft und Ernährung an alle Kreis- ernährungs- und Landwirtschaftsämter, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Ernährungslage in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg (Abb. 1).

„…macht eine äusserste Zurückhaltung bei der Ausgabe des Brotes zur Pflicht.“

Die Akten des Ernährungsamtes Ludwigsburg geben Auskunft über die Situation in der Nachkriegszeit

1 | Rundschreiben Nr. C VIII 4421 des Wirtschafts- ministeriums Württemberg-Baden vom 7. Septem- ber 1946.

Vorlage: Landesarchiv StAL FL 612/12 Bü 7 1

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Das Schlimmste aber war der Hunger (Benz, S. 277). Verhinderten noch beste- hende Vorräte aus der Kriegszeit, dass sich die Mangelsituation sofort auf das Leben jedes Einzelnen auswirkte, so wurde, was sich im Herbst 1946 schon abzuzeichnen begann, durch den lange dauernden und extrem kalten Winter 1946/47 noch verstärkt: Drei Frostwellen ließen die Infrastruktur, die Energiever- sorgung und die Ernährung weitestge- hend zusammenbrechen. Großbritan- nien und die USA leisteten zwar Hilfe, z.B. durch die Lebensmittel-Pakete der Cooperative for American Remittances to Europe, kurz CARE, aber diese linder- ten nur die allerärgste Not und oft nicht einmal diese. Die Hoover-Speisungen, für die es im Aktenbestand genaue Kochan- leitungen gibt, waren für viele Kinder in der Nachkriegszeit oft die einzige Gele- genheit, einigermaßen satt zu werden.

Nach der gegenwärtigen Definition der Vereinten Nationen hungert ein Mensch, wenn er weniger zu essen hat, als er täg- lich braucht, um sein Körpergewicht zu erhalten und seine Arbeit zu verrichten, seinen Stoffwechsel und wichtige Organ- funktionen aufrecht zu erhalten. Andau- ernder Hunger und Unterernährung führen zu einer Reihe von gravierenden Mangelkrankheiten, die die Entwicklung und die Leistungsfähigkeit der Betroffe- nen dramatisch verschlechtern. Die Be- troffenen werden müde und apathisch und sind nicht mehr in der Lage, sich für sich selbst und für die Verbesserung ihrer Situation einzusetzen. Die Abwehrkräfte gegen Krankheiten nehmen stark ab.

Normalerweise harmlos verlaufende Krankheiten wie Husten oder Durchfall können dann tödlich sein.

In den Jahren 1946 und 1947 erreichte die Versorgung mit Kalorien den Tiefst- stand. Die Militärregierungen legten jeweils für ihren Verwaltungsbereich die Kalorienzahl amtlich fest. 1946 galten für die US-Zone 1330 Kalorien, für die britische Zone 1050 Kalorien, für die französische Zone 900 Kalorien und für die sowjetische Zone 1083 Kalorien.

Diese Festsetzungen bezogen sich auf die Normalverbraucher. Es gab Zulagen für Schwer- und Schwerstarbeiter wie z.B.

Grubenarbeiter. Die Akten des Ernäh- rungsamtes enthalten viele Anträge auf Schwerarbeiterzulage. Speisepläne von Krankenhäusern oder Krüppelanstalten sind ebenso erhalten wie Regelungen über Zuteilungen an ehemalige KZ-Häft- 60 Prozent der Norm geschrumpft,

Maschinen und Geräte waren überaltert oder zerstört und die Neubeschaffung naturgemäß schwierig. Es mangelte an Treibstoff und Werkzeug, aber auch an Schädlingsbekämpfungsmitteln, Kraft- futter und Medizin für Viehbestände, so sie noch vorhanden waren, sowie an Düngemitteln. Vor allem Letzteres sollte sich als schwerwiegender Umstand her- ausstellen, da die Böden vielfach ausge- zehrt waren. Wirtschaftsgebäude waren ebenfalls zerstört, Baustoffe gab es kaum.

Allerdings kann bezüglich der Ernäh- rungslage vom Kriegsende 1945 keines- falls als von einer Stunde Nullgesprochen werden. Hinsichtlich der Bewirtschaf- tung in der Nachkriegszeit gab es eine bruchlose Fortsetzung derjenigen der NS- Zeit. Die Militärregierungen aller Zonen behielten die bereits 1935 eingeführten Rationierungen knapper Rohstoffe bei, die gegen Kriegsende auch auf Konsum- güter erweitert worden waren. Jeder Ver- braucher bekam weiterhin seine Lebens- mittelkarte für vier Wochen, mit der die ihm zustehenden Waren zu den festge- setzten und gleichbleibenden Preisen ge- kauft werden konnten. Freilich war durch den bloßen Besitz einer Lebens- mittelkarte nicht gewährleistet, dass die Waren auch tatsächlich zu haben waren.

Nicht nur Privatpersonen, sondern sämtliche Einrichtungen wie Gasthäuser, Kantinen, Krankenhäuser, Gefängnisse, Betriebe und Verwaltungen waren von Lebensmittelkarten, Bezugsscheinen und Zuteilungen abhängig.

Der Bestand der Akten des Ernäh- rungsamtes Ludwigsburg im Staatsarchiv Ludwigsburg, Signatur FL 612/12, gibt in seiner Fülle und Vielgestaltigkeit Aus- kunft, welch gewaltigen Apparat bis in die kleinste Gemeinde hinein das System der Rationierung erforderte. Selbst für die Aufbewahrung der Bezugsscheine und Lebensmittelkarten gibt es genaue- ste Vorschriften bzw. Sanktionierungen bei Nichteinhaltung.

Wohnungsnot, Zusammenbruch der Infrastruktur, Kälte, die Sorge um ver- schollene Angehörige, Trauer um Ver- storbene, Entsetzen über das Ausmaß der Verbrechen, die in den letzten 12 Jahren verübt worden waren, aber auch Wut auf die Alliierten, Trotz ihnen gegenüber und Angst davor, wie sie die Deutschen behandeln würden, prägten das Leben in der Zusammenbruchs- gesellschaft.

Historischer Hintergrund

Die Versorgungslage in Deutschland war bis in die letzten Tage des Zweiten Welt- krieges trotz Mangel und Bewirtschaftung einzelner Nahrungsmittel mit Lebens- mittelkarten einigermaßen gesichert. Die bedenkenlose Ausnutzung der Arbeits- kraft von Zwangsarbeitern und KZ-Häft- lingen sowie die rücksichtslose Ausplün- derung der besetzten Gebiete ermöglichte eine relativ konstante Grundversorgung.

Zudem unterdrückten die Nationalsozia- listen mit drakonischen Maßnahmen etwaige Unzufriedenheitsbekundungen.

Propagandaaktionen für das Zusammen- stehen in der Volksgemeinschaftund gegen den Feind, der im Luftkrieg die deutschen Städte zerbombte, bewogen nicht wenige Deutsche dazu, über die Er- nährungslage hinwegzusehen, wenn dies nicht bereits der eigene Wille zum Sieg und der Glaube an den Nationalsozialis- mus bewirkt hatten.

Mit dem Kriegsende 1945 änderte sich die Situation. Eroberte Gebiete zur Aus- plünderung entfielen, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge standen nicht mehr zur Verfügung, viele Deutsche waren ge- fallen und kehrten nicht heim, um z.B.

die eigenen Güter und Betriebe wieder zu bewirtschaften oder die Arbeitsplätze zu besetzen, wenn es sie überhaupt noch gab. Durch Gebietsabtretungen im Osten verlor Deutschland rund ein Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche und der Zustrom von Vertriebenen und Flücht- lingen aus den östlichen Teilen des Deut- schen Reiches und anderen ost- und südosteuropäischen Ländern führte dazu, dass im verkleinerten deutschen Gebiet fast die gleiche Zahl von Men- schen versorgt werden musste, wie im gesamten Deutschen Reich vor dem Krieg. Die Aufteilung in Besatzungszo- nen und die beginnende wirtschaftliche Ungleichbehandlung der Zonen durch die Alliierten verbesserten die Situation nicht gerade. Städte und ländlicher Raum waren in unterschiedlichem Aus- maß betroffen, in den Städten herrschte eine viel angespanntere Ernährungslage.

Die Hamsterfahrten, auf die Stadtbe- wohner teilweise tagelang gingen, um auf dem Land für Gegenstände Nah- rungsmittel einzutauschen, waren eine Folge.

Verschiedene Faktoren trugen zur wei- teren Verschärfung bei. Durch Kriegsein- wirkungen waren die Ernten auf 50 bis

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linge. Auch hier zeigt sich im Kleinen die Kontinuität im Anschluss an die Dik- tatur: Die Bezeichnung Volljudenwurde selbstverständlich und ohne Abstrahie- rung weiterverwendet.

Für die damalige Zeit gab die UNO die Zahl von 2550 Kalorien pro Tag an, um die Gesundheit erhalten zu können, die reale lag oft unter 1000. Hinter diesen abstrakten Zahlen verschwindet natürlich das jeweilige Einzelschicksal angesichts von Lebensumständen, in denen es oft an allem mangelte, an Kleidung, medizi- nischer Versorgung, Heizung, Medika- menten oder schierem Tageslicht, wenn man die Vielen bedenkt, die zunächst in Kellerruinen oder Bunkern lebten.

Die äußerst angespannte Ernährungs- lage kommt auch in den Berichten der Landesverwaltung für Landwirtschaft und Ernährung an die Militärregierung zum Ausdruck. So verwundern die Do- kumente im Aktenbestand kaum, die über Fälschungen und Diebstahl von Le- bensmittelkarten, Schwarzschlachtun- gen, Lebensmitteldiebstähle und -hehle- rei auf dem Schwarzmarkt, Wucher und sonstige kriminelle Auswüchse Auskunft geben. Ein offensichtlich wohlhabender Bürger schreibt z.B. an den Landrat über den Einbruch in sein Haus, bei dem seine Frau verletzt wurde. Beigefügt ist eine Liste mit Diebesgut: eine goldene Herrenuhr, Pelze, Lederhandschuhe, 600 Reichsmark und diverse weitere Wertge- genstände. An den Landrat wendet er sich ausschließlich mit der Bitte, ob ihm für die ebenfalls gestohlenen 10 Eier und 750g Zucker in irgendeiner Form Ersatz gestellt werden könne.

Kulturgeschichtlich belegt der Bestand den Einzug neuer Nahrungsmittel, z.B.

Cornedbeef, Erdnussbutter oder Catsup (Ketchup).

Auch in seiner physischen Beschaffen- heit bietet der Aktenbestand Erkennt- nisse über die Mangelwirtschaft der unmittelbaren Nachkriegszeit. Es finden sich etliche handschriftlich verfasste Rundschreiben, sehr oft wird zweimal dasselbe Schreiben der Größe Din A5 mit Maschine auf ein DIN A4 Blatt ge- schrieben. Das Papier selbst ist, verglichen mit heute, von sehr minderer Qualität, oft dünn und holzig. Einige Schreiben haben eine Adolf-Hitler-Straßeim Brief- kopf nur unzulänglich durchgestrichen, bei anderen kann man hinter dem kreis- förmigen Ausschnitt einen Hakenkreuz- Stempel vermuten. Eigentlich ist fast

jedes einzelne Dokument ein schier un- glaubliches Zeugnis für etwas, das uns Heutigen – zum Glück – gar nicht be- kannt ist: Hunger.

Didaktische Überlegungen

Als Stundeneinstieg bietet sich das o.g.

Rundschreiben mit dem Aufruf zur Bucheckernernte an (Abb. 1). Die Schü- lerinnen und Schüler lesen das Schrei- ben, wobei evtl. geklärt werden muss, was Bucheckern überhaupt sind. Als Vor- bereitung auf die Stunde kann man Schülerinnen und Schüler bitten, Buch- eckern mitzubringen.

Der handschriftliche Vermerk Presse sowie die weiteren Ausführungen über die Anrechnung auf die Fettration bzw.

die Hinweise zur Weiterverarbeitung las- sen erkennen, dass den Samen der Buche in der unmittelbaren Nachkriegszeit eine hohe Bedeutung zugeschrieben wurde, woraus sich der Fragenhorizont für den Unterricht aufspannen lässt: Wieso sam- melten die Menschen überhaupt Buch- eckern, zumal dies ein mühevolles Un- terfangen darstellte? Warum wurde diese Tätigkeit als so wichtig erachtet, dass sie in den Zeitungen veröffentlicht werden sollte? Warum kümmern sich überhaupt Ämterund Ministerienum das, was der Einzelne isst? Wie sah die Ernährungs- lage in der unmittelbaren Nachkriegszeit aus? Welche Gründe gab es hierfür? Wie beurteilen wir auf der Ebene des Sachur- teils die Ernährungslage und wie bewer- ten wir sie auf der Ebene des Werturteils?

Im Zentrum der Erarbeitung steht ein sechsseitiges Schreiben des Wirtschafts- ministeriums Württemberg-Baden an die Landräte und weitere nachgeordnete Stellen samt dazugehöriger Anlage zur Rationierung im Winter 1946/47 (Abb. 2).

2–8 | Schreiben des Wirtschaftsministeriums Würt- temberg-Baden an die Landräte und Oberbürger- meister der Stadtkreise von Württemberg und Baden vom 2. Dezember 1946.

Vorlage: Landesarchiv StAL FL 612/12 Bü 7

Aus der Quelle kann entnommen werden, dass dem Einzelnen in einer festgesetzten Zuteilungsperiode ein bestimmtes Maß an Nahrung zugestanden wurde. Diese vermeintlich banale Erkenntnis mag an- gesichts des uns heute umgebenden Überflusses an Nahrung nachdenklich machen. Auch dieses Schreiben war für die Veröffentlichung in der Presse be- stimmt.

Insbesondere beim täglichen Brot(R- Brot, S.1, steht für Roggenbrot, W-Brot, S.2, steht für Weizenbrot), aber auch bei Fleisch und Fett musste gespart werden.

Um mit der vorhandenen Menge[Brot]

auszukommen, haben die Mütter in be- sonders kritischen Wochen die tägliche Ration auf dem Rücken des Brotleibes ein- gekerbt und die Scheiben abgewogen.

Die jeweils angegebenen Mengen an Brot, Nährmitteln und Teigwaren können ganz plastisch anhand von mitgebrach- ten Lebensmitteln abgewogen und ver- deutlicht werden, z.B. 300g Teigwaren in der Woche (S. 2). Anhand der Positionen 4 (Quark), 5 (Entrahmte Frischmilch) und 6 (Zucker), S. 3, kann die Qualität der Lebensmittel thematisiert werden.

Schlachtfett wird heute zur Herstellung von Fleischwaren verwendet, als zugeteil- tes Lebensmittel fand es damals begehrte Abnahme, um Sparfettherzustellen, denn der Mangel an Fetten wie Butter, Öl oder Margarine war besonders groß.

Die monatlichen Rationen haben den Bedarf nicht gedeckt. Im Aktenbestand finden sich genaue Regelungen, wieviel Schwund z.B. an in den Transportgefä- ßen verbleibendem Öl einem Händler zugute geschrieben wurde. Ein Schreiben belegt, dass überreifer Käse, der nicht mehr abgegeben werden konnte, zurück in das Schmelzkäsewerk nach Donzdorf zur Weiterverarbeitung geschickt wurde.

Entrahmte Frischmilch wird heute nicht als etwas Minderwertiges empfunden, da unsere Versorgung mit Fetten jeglicher Art keinen Mangel erkennen lässt. Selbst Milchpulver wurde genauestens ratio- niert. Gelbzucker ist ein minderwertiger Zucker, dem Reste des Zuckersirups an- haften, aus dem er auskristallisiert wurde.

Kartoffeln (S. 4) bildeten den Hauptbe- standteil der Nachkriegsernährung, ohne sie hätten viele Menschen schlicht nicht überlebt. Die weiteren Positionen Käse, Frischfisch, Fleisch, Suppenerzeugnisse (S. 4) und Trockengemüse (S. 5) zeigen auch den Anteil der jeweiligen Lebens-

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mittel am Speiseplan. Gegenüber Kartof- feln und Brot hatten alle übrigen Nah- rungsmittel weitaus geringeren Anteil.

Fleisch und Wurst waren Ausnahmen.

Als Brotbelag dienten eingedickte Obst- säfte oder selbstgemachter Wurstersatz, z.B. Schmalzaus Zwiebeln und Äpfeln.

Thematisiert werden kann anhand dieses Schreibens auch, wovon nicht die Rede ist: Süßigkeiten, Schokolade, Genussmit- tel wie Kaffee, Tee, Alkohol, Säfte, Süßge- tränke etc. oder Südfrüchte. Im Aktenbe- stand geben mehrere Schreiben darüber Auskunft, welche Lücke in die Versor- gung mit Vitaminen z.B. ein mit Zitro- nen beladenes gesunkenes Schiff gerissen hat.

Die in der Anlage zusammengestellte Übersicht zeigt, unter welch angespann- ten Verhältnissen die Verteilung der Le- bensmittel erfolgen musste

Dem Herausarbeiten der Ernährungs- lage schließt sich das Erarbeiten der Gründe für die angespannte Situation an. Vorwissen der Schüler, vor- oder nachbereitende Befragungen der Schüler im Familien- und Bekanntenkreis, selbstständige Recherche, Schulbücher sowie Ergänzungen von Lehrern sind denkbar.

Exkurse hinsichtlich Kochrezepten aus der Nachkriegszeit, die mit Ersatzpro- dukten arbeiten (siehe Literaturhin- weise), können sich anschließen, ebenso kleinere handlungsorientierte Einheiten, z.B. die Zusammenstellung eines Früh- stücks anhand der im Schreiben erwähn- ten Lebensmittel.

Als letzter Schritt sollte eine Einord- nung und Problematisierung der Be- funde erfolgen. Die auf der Ebene des Sachurteils analysierte dramatisch schlechte Ernährungslage der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg mag Schü- ler dazu verführen, auf der Ebene des Werturteils beispielsweise den Alliierten Grausamkeit und inhumanes Vorgehen vorzuwerfen. Hier ist darauf zu achten, dass kein einseitiges oder gar revisioni- stisches Geschichtsbild aufkommt. Die Alliierten waren nicht schuldan der schlechten Ernährungslage. Auch ver- kürzte Argumentationsketten (hätten die Alliierten nicht deutsche Städte bombar- diert oder den Deutschen die Ostgebiete weggenommen) müssen vielmehr als An- lass zur Diskussion genommen werden, um zu verdeutlichen, dass eine Aufrech- nung von Unrecht keinerlei Erkenntnis- gewinn bringt oder Rechtfertigung dar- stellt.

Epilog

Heute kann man in diversen Kursen (wieder) erlernen, was die Menschen in der unmittelbaren Nachkriegszeit prakti- zierten und wussten: die Nutzung von Wildpflanzen für die Ernährung, wozu beispielsweise auch die Verarbeitung von Bucheckern und Eicheln zählt. Was heute aber als teilweise lifestyligesStreben zu- rück zur Naturvermarktet wird, war da- mals bitterste Notwendigkeit. Erika Lü- ders schreibt im Vorwort ihres Kochbu- ches von 1946: Es ist richtig. Wer viel ar- beitet, muß mehr essen als einer, der weniger arbeitet. Aber es muß auch richtig sein, dass diejenigen, welche weniger ar- beiten, mehr freie Zeit haben und daß sie einen Teil dieser Zeit vernünftigerweise dazu verwenden könnten, etwas heranzu- schaffen, um ihr Essen zu verbessern.

Nicht etwa auf Hamsterfahrten! Die sind jetzt verboten. Und kosten so viel an Zeit, Kraft und Geld – und an Tauschobjekten […]. Wir mußten uns irgendwie anders helfen. Aber wie? Eines Tages, im Herbst 1945, warf mir der Wind eine Handvoll Eicheln vor die Füße und da kam mir der rettende Gedanke…[…]Jetzt will ich die guten Erfahrungen […] weitergeben an die Empfänger der Lebensmittelkarte V.

Literatur

Wolfgang Benz:Geschichte des Dritten Reiches. München 2000.

Alfred Grosser:Geschichte Deutsch- lands seit 1945. Eine Bilanz. München

131987.

Christoph Kleßmann:Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945 –1955 (Schriftenreihe der Bundes- zentrale für politische Bildung 298).

Bonn 51991.

Erika Lüders:10 Pfund Eicheln sind 7 Pfund Eichelmehl. Ein Eichelkochbuch (Wiederaufbau der deutschen Ernäh- rung 4). Berlin 1946.

Neubeginn und Wiederaufbau 1945 – 1949. Hg. von der Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn 21989.

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Der Autor

StD Jens Breitschwerdt ist Lehrer für Geschichte und Deutsch an einem Stutt- garter Gymnasium, Fachberater für Geschichte am Regierungspräsidium Stuttgart und Fachberater für Selbst- versorgung mit essbaren Wildpflanzen (FH).

Referenzen

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