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StellungnahmedesDeutschen Gewerkschaftsbundeszum Entwurf eines Gesetzes zur Reform derArbeitsförderung(Arbeitsförderungs-Reformgesetz - AFRG -)

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Abteilung

Arbeitsmarktpolitik und Intern.Sozialpolitik

DGB-Bundesvorstand 09.09.06

Stellungnahme des

Deutschen Gewerkschaftsbundes

zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung

(Arbeitsförderungs-Reformgesetz - AFRG -)

- Drucksache 13/4941 - Inhaltsverzeichnis

I. Gesamtbewertung 1

II. Arbeitsmarktpolitische Einschnitte in den neuen Bundesländern 5

III. Zu einzelnen Regelungen 5

1. Hoher Beschäftigungsstand soll kein arbeitsmarktpolitisches Ziel

mehr sein 5

2. Ausdehnung der Versicherungspflicht 6

3. Verschärfung der Zumutbarkeit 7

4. Verschärfte Anrechnung von Abfindungen 8 5. Verkürzung des Bezuges von Arbeitslosengeld für Ältere 8 6. Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen 9 7. Flexibilisierung des Kurzarbeitergeldes 10 8. Zuschüsse zu Sozialplanmitteln für die Eingliederung 11

9. Eingliederungszuschüsse 12

10. Eingliederungsvertrag für Arbeitslose 12

11. Trainingsmaßnahmen 13

12. Weiterbildungsförderung 14

13. Berufliche Eingliederung Behinderter 15

14. Verschärfung der ABM-Regelungen 15

15. Produktive Lohnkostenzuschüsse 16

16. Arbeitnehmerhilfe 17

17. Teilarbeitslosengeld 17

18. Existenzgründungsförderung 17

19. Originäre Arbeitslosenhilfe 18

20. Zulassung gewinnorientierter Ausbildungsvermittlung 18 21. Sonstige sozialrechtliche Regelungen 19

22. Ausdehnung der Leiharbeit 20

IV. Zu den Auswirkungen auf besondere Personengruppen 22

1. Frauenförderung 22

2. Jugendliche 23

3. Langzeitarbeitslose 24

4. Ältere Arbeitnehmer 25

5. Ausländische Arbeitnehmer 25

6. Sozialhilfeempfänger 25

V. Organisation der Bundesanstalt für Arbeit 26

1. Dezentralisierung 26

2. Einschränkung der Rechte der Selbstverwaltung 27 3.Zurückdrängung der unabhängigen längerfristigen

Arbeitsmarktforschung 28

VI. Neuregelung der Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik vertagt29

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I. Gesamtbewertung

Angesichts des traurigen Niveaus an Arbeitslosigkeit ist der Gesetzentwurf insgesamt sehr enttäuschend; er wird den

arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen keinesfalls gerecht und ignoriert die entscheidenden Ursachen der Arbeitsmarktprobleme.

Der Gesetzentwurf leistet per Saldo keinesfalls einen wirksamen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit, sondern trägt eher zu noch mehr Arbeitslosigkeit bei.

Zwar werden einige positive Ansätze aus der gewerkschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Reformdebatte aufgegriffen - wie die

Errichtung eines Innovationstopfes, die Übertragung von

Haushaltsresten oder Eingliederungspläne - oder modifiziert und in eine andere arbeitsmarktpolitische Gesamtstrategie eingebunden - wie Dezentralisierung oder Trainingsmaßnahmen. Mit den zentralen Elementen des Gesetzentwurfs werden die arbeitsmarktpolitischen Leistungen eher zurückgeführt, der Druck auf Arbeitslose erhöht und die Handlungsspielräume der Arbeitsämter eingeschränkt. Nicht zuletzt wird die Arbeitsmarktpolitik noch weit mehr zu

instrumentalisieren versucht, um einen Niedriglohnsektor zu etablieren. Insgesamt wird eher eine arbeitsmarktpolitische Weichenstellung rückwärts eingeschlagen.

Bereits im kommenden Jahr sollen die Ausgaben um 1,7 Mrd DM

gesenkt werden, wobei das Kürzungsvolumen im BA-Haushalt im Jahre 2000 auf 17 Mrd.DM ansteigen soll. Im Zeitraum 1997 bis 2000 summieren sich die Einschnitte insgesamt auf 35,2 Mrd.DM. Die Mehrausgaben beim Arbeitslosengeld werden nicht ausgewiesen, sondern lediglich die Mehrausgaben des Bundes bei der

Arbeitslosenhilfe, die stetig ansteigen und nach der Übergangszeit 3,7 Mrd.DM jährlich erreichen sollen. Von 1997 bis 2000 werden Mehrbelastungen von 6,8 Mrd.DM bei der Arbeitslosenhilfe

ausgewiesen. Die Belastungen der Länder und Kommunen, insbesondere infolge steigender Sozialhilfebedürftigkeit, sind nicht einmal berücksichtigt.

Dieser Gesetzentwurf zeigt einmal mehr, daß Kürzungspolitik

keinesfalls identisch mit Sparen ist. So führen die Minderausgaben der Arbeitsämter infolge der geplanten Verkürzung der Bezugsdauer für Ältere beispielsweise dazu, daß fast zwei Drittel des

angestrebten Einsparvolumens zu Mehrausgaben bei der Arbeitslosenhilfe und damit beim Bund führen.

Das im Gesetzentwurf ausgewiesene Kürzungsvolumen reicht für eine Bewertung der arbeitsmarktpolitischen Konsequenzen aber

keinesfalls aus. Berücksichtigt werden müssen ebenso die bereits beschlossenen Gesetze, die insbesondere auf Einschnitte bei der Arbeitslosenhilfe abzielen, sowie die Kürzungen im Rahmen des sogenannten Programms für Wachstum und Beschäftigung. Wird der Bundeszuschuß - wie von der Bundesregierung geplant - tatsächlich 1997 und in den Folgejahren auf Null reduziert, werden die

Einschnitte noch weit tiefer gehen. Derart einschneidende Kürzungen würden die heute schon problematische prozyklische Arbeitsmarktpolitik verschärfen. Es ist zu befürchten, daß selbst die an sich begrüßenswerten neuen Ansätze in den Strudel einer arbeitsmarktpolitischen Abbruchpolitik geraten könnten.

Mit dem Gesetzentwurf werden die Chancen keinesfalls genutzt, um die Gerechtigkeitslücke bei der Finanzierung einigungsbedingter Sonderleistungen zu beseitigen. Zwar werden die hohen und

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steigenden Lohnnebenkosten von Regierungsseite immer wieder beklagt, doch eine längst überfällige Änderung der Finanzierung ist immer noch nicht in Sicht. Die einseitige Finanzierung der deutschen Einheit weitgehend über die Sozialversicherung wird nicht korrigiert und die Finanzierung von Fremdleistungen über lohnbezogene Beiträge nicht beseitigt; vielmehr besteht die

Gefahr, daß Ost und West gegeneinander ausgespielt werden. Obwohl im Osten nicht genügend reguläre Arbeitsplätze entstehen, soll rund die Hälfte des angestrebten Kürzungsvolumens auf die Reduzierung der ostdeutschen Arbeitsmarktpolitik (8,3 Mrd.DM im Jahre 2000) entfallen. Bereits im kommenden Jahr drohen im Osten Kürzungen bei ABM und Weiterbildung um 25%, wenn über den

Gesetzentwurf hinaus der Bundeszuschuß auf Null reduziert wird.

Dies wäre verantwortungslos, da die ostdeutsche Wirtschaft noch lange nicht auf eigenen Beinen stehen kann. Bei "Angleichung" an den Westen könnten in den neuen Ländern insgesamt über ABM nur noch so viele Menschen gefördert werden, wie zur Zeit allein im Land Thüringen mit rund 35.000.

Obwohl die westdeutschen Arbeitsämter nach wie vor mehr

Beitragsmittel einnehmen, als sie Ausgaben tätigen müssen, werden die Leistungen auf Kosten der Arbeitslosen beschnitten und in noch stärkerem Maße Not und Sozialhilfebedürftigkeit verursacht.

Bereits im vergangenen Jahr sind die Lohnersatzleistungen real gesunken. Im Schnitt lag das monatliche Arbeitslosengeld im Herbst letzten Jahres im Westen bei 1.424 DM und im Osten bei 1.124 DM pro Monat und die Arbeitslosenhilfe bei 1.007 DM im Westen bzw.

789 DM im Osten.

Zugleich erhöht sich die Gefahr, daß eine tarifgerechte Entlohnung noch mehr unterlaufen und der Arbeitnehmerschutz ausgehöhlt wird.

Arbeitsmarktpolitik droht zur untertariflichen Bezahlung mißbraucht zu werden. So sollen die Förderkonditionen bei ABM weiter herabgesetzt werden auf 30% bis 75% und ein

Einkommensabstand von 20% zum regulären Arbeitsmarkt

festgeschrieben werden. Bei den für den Osten sehr wichtigen Maßnahmen nach § 249 h AFG soll eine tarifgerechte Aufstockung systematisch unterlaufen werden. Soweit der Träger einen Lohn oberhalb von 80% des Tariflohns sicherstellen will, sollen automatisch in entsprechendem Umfang die AFG-Leistungen gekürzt werden. Zugleich werden arbeitsmarktpolitische Aufgaben in noch stärkerem Maße auf Länder und Kommunen verlagert. ABM droht seine arbeitsmarktpolitische Bedeutung ganz zu verlieren und inhaltlich leer zu laufen, da ausreichende Kofinanzierungsmöglichkeiten fehlen und der förderfähige Personenkreis erheblich eingeschränkt wird.

Das neu geplante Instrument des Eingliederungsvertrages führt gleichfalls zur Einschränkung des arbeitsrechtlichen Schutzes, ohne nennenswerte Arbeitsmarkteffekte in Aussicht stellen zu

können. Überdies könnte die sogenannte Arbeitnehmerhilfe von 25 DM täglich den Niedriglohnsektor über staatliche Förderung

begünstigen. Die ohnehin sehr weitreichende Zumutbarkeitsregelung wird auf die Arbeitnehmerhilfe und andere Instrumente, wie die Trainingsmaßnahmen ausgedehnt und inhaltlich nochmals verschärft.

Je nach vorheriger Einkommenssituation sollen nach einer Ar-

beitslosigkeit von 6 Monaten finanzielle Einbußen von meist 40-50%

des vorherigen Nettoeinkommens zugemutet werden, bis zur Höhe des Arbeitslosengeldes bzw. der Arbeitslosenhilfe.

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Besonders negativ ist gleichfalls, daß entgegen dem Anspruch des Gesetzentwurfs eine gezielte Integrationspolitik für besonders benachteiligte Personen sehr schnell unterlaufen werden könnte.

Obwohl die soziale Stabilisierung insbesondere für Lang- zeitarbeitslose von zentraler Bedeutung ist, schreibt der Gesetzentwurf ausdrücklich vor, daß Leistungen nur bei

"Erfolgsaussichten eingesetzt werden dürfen (...) und ein Einsatz allein zur vorübergehenden Vermeidung von Arbeitslosigkeit ohne weiteres arbeitsmarktpolitisches Ziel unzulässig ist". Da der (kurzfristige) Eingliederungserfolg zum zentralen Erfolgsmaßstab und ein vordergründiger Kostenwettbewerb zum Bewertungsmaßstab gemacht werden sollen, besteht die Gefahr, daß die Arbeitsämter ihre Mittel auf jene konzentrieren, bei denen eine Eingliederung am unproblematischsten erscheint. Sehr schnell könnte der Schnelle den Langsamen und der Langsame den Schwächeren verdrängen.

Die Wirksamkeit der Instrumente öffentlich geförderter

Beschäftigung werden in erheblichem Maße geschwächt und - der Grundphilosophie der Gesetzesänderung folgend - die Förderung auf einen individuellen Ansatz zu reduzieren versucht. Die zur

Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit vielfach notwendige Projektförderung wird weitgehend ausgeschlossen. So soll die bisher im AFG vorgesehene gezielte Projektförderung für

Langzeitarbeitslose nach § 62 d ganz entfallen. Dies stellt einen eindeutigen Rückschritt dar.

Zugleich drohen die mit der sogenannten Arbeitslosenhilfereform angestrebten Entlastungen des Bundes konterkariert zu werden. Mit der Reform der Arbeitslosenhilfe soll ABM bekanntlich

grundsätzlich auf Langzeitarbeitslose begrenzt werden. Wenn jetzt das Niveau öffentlicher Beschäftigung radikal zurückgefahren werden sollte, werden diese Einspareffekte keinesfalls erzielt werden können. Die geplanten Kürzungen sind nicht nur

arbeitsmarktpolitisch untauglich, sie sind nicht einmal konsistent und sachlogisch und hinsichtlich der finanziellen Wirkungen nicht durchdacht.

Der Gesetzentwurf bleibt die Frage schuldig, wie ein wirksamerer Beitrag der Arbeitsmarktpolitik zur Beseitigung des globalen

Arbeitsplatzdefizits geleistet werden soll. Dies gilt insbesondere dort, wo Beschäftigungspolitik den regionalen und struk-

turpolitischen Erfordernissen stärker gerecht werden müßte. Der Gesetzentwurf reduziert vielmehr die arbeitsmarktpolitischen Ziele der Arbeitsförderung und geht von der Grundannahme aus, daß zur Bewältigung der Beschäftigungskrise vorrangig Arbeitnehmer und in zweiter Linie die Arbeitgeber in die Verantwortung zu nehmen seien. Der Staat soll sich hingegen - soweit er die Notwendigkeit dazu überhaupt sieht - auf die Einflußnahme auf die

Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes reduzieren. Im Widerspruch dazu sollen die Rechte der drittelparitätischen Selbstverwaltung beschnitten werden. Die im Konsens von Vorstand und Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit verabschiedeten Anforderungen an eine Reform der Arbeitsförderung werden gleichfalls nicht aufgegriffen.

Aber auch der besonderen Verantwortung der Arbeitgeber sollen keine rechtlichen Konsequenzen folgen. Selbst die im AFG eröffnete Möglichkeit einer Rechtsverordnung zur Meldung offener Stellen soll entfallen. Die "besondere Verantwortung" der Opfer des

Arbeitsmarktes soll sich hingegen in tiefen Leistungseinschnitten und in dem Ausbau disziplinarischer Mittel niederschlagen. Die grundlegend neue Weichenstellung zeigt sich nicht zuletzt daran,

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daß vor den strukturellen und gesellschaftlichen Ursachen

kapituliert und die Problemlösung weitgehend auf die individuelle Ebene - und zwar die der "einzelnen Arbeitskraft" verschoben wird.

Zwar werden verstärkt Eigenbemühungen der Arbeitslosen gefordert, doch die wenigen individuellen Rechtsansprüche auf Hilfe vollends außer Kraft gesetzt und die notwendigen ergänzenden

Infrastrukturangebote werden vernachlässigt. Die Eingliederung der Arbeitslosen soll offensichtlich noch mehr über negative und nicht über positive Anreize erfolgen.

Selbst das in der Begründung genannte Hauptziel der "Verbesserung der Anwendbarkeit des AFG-Rechts" ist völlig ungewiß. Die

Tatsache, daß es seit Anfang der 80er Jahre zu einem stetigen Anstieg von Rechtsstreitigkeiten im AFG-Recht gekommen ist, ist keinesfalls auf die unterstellte Unübersichtlichkeit des AFG zurückzuführen, sondern hat andere Ursachen. Gerade in diesem Bereich hat es mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit die meisten - zum Teil sogar verfassungswidrigen - gesetzgeberischen Eingriffe in das Leistungsrecht gegeben, wogegen sich die Betroffenen auf dem Rechtswege zur Wehr gesetzt bzw. dies zumindest versucht haben. Damit hat der häufig beklagte Verwaltungsaufwand bei der Leistungsbemessung einerseits sowie die Schwierigkeiten der Mißbrauchsermittlung und Bekämpfung andererseits nichts zu tun.

Nunmehr werden neue Tatbestände geschaffen, die noch viel

schwieriger feststellbar sind, als die klassischen Tatbestände, wie z.B. Schwarzarbeit. Die mangelhafte Justitiabilität dieser neuen Tatbestände wird die Sozialgerichtsbarkeit in erheblichem Umfang belasten.

Die geplanten Änderungen zielen im Zusammenwirken von gesetzlichen Änderungen und finanziellen Kürzungen im Rahmen der Reduzierung des Bundeszuschusses darauf ab, daß nicht etwa die

Arbeitslosigkeit, sondern vielmehr die Arbeitslosen bekämpft werden. Der Gesetzentwurf ist ohne erhebliche Korrekturen

keinesfalls akzeptabel. Der Entwurf insgesamt ist abzulehnen, aus arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Gründen ebenso wie aus

finanzpolitischen Gründen. Gegen einzelne Regelungen, wie die geplante generelle Anrechnung von Abfindungen auf das

Arbeitslosengeld, bestehen zudem erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Selbst dort, wo keine unmittelbaren Leistungseinschnitte vorgesehen sind, wird dieses Gesetz weit anfälliger für So-

zialabbau und marktradikale Instrumentalisierung.

Welchen Stellenwert die finanziellen Einschnitte in die

Arbeitsmarktpolitik und die Lohnersatzleistungen haben, zeigt sich nicht zuletzt daran, daß die finanzwirksamen Änderungen weitgehend vorgezogen und im Unterschied zum gesamten Gesetzentwurf nicht erst Anfang 1998, sondern bereits zum 01.01.1997 in Kraft treten.

Hierzu zählen insbesondere

die verschärfte Anrechnung von Leistungen und Abfindungen des Arbeitgebers auf Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe;

die Anhebung der Altersgrenze um jeweils drei Jahre bei der Verlängerung des Arbeitslosengeldbezuges für ältere Arbeitslose über ein Jahr hinaus;

die Verschärfung der Zumutbarkeit;

die Einführung des Eingliederungsvertrages und die Verschärfung von Trainings-maßnahmen;

die Weiterführung des strukturellen Kurzarbeitergeldes;

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die Verlängerung von Sonderregelungen zu ABM bis Ende 1997.

II. Arbeitsmarktpolitische Einschnitte in den neuen Bundesländern

Lediglich bei einigen wenigen Instrumenten, wie strukturelles Kurzarbeitergeld, wird an die positiven Erfahrungen und Entwicklungen der Arbeitsförderung in den neuen Bundesländern angeknüpft. Teils werden allerdings auch bestehende Instrumente qualitativ eingeschränkt und bei den produktiven Lohnkostenzuschüssen auch in den neuen Bundesländern zwangsweise eine untertarifliche Entlohnung angestrebt.

Die Arbeitsmarktpolitik in den neuen Bundesländern wird massiv zurückgefahren. Rund die Hälfte des Kürzungsvolumens im Rahmen der AFG-Reform konzentriert sich auf die neuen Bundesländer. Auf 100 Arbeitslose kommen im Westen 14 und im Osten noch 43 Maßnahmen, einschließlich produktiver Arbeitsförderung. Bei einer Reduzierung auf das niedrigere West-Niveau sollen bis zum Jahre 2000 nur noch 4,5 Mrd.DM im Osten zur Verfügung stehen. Im kommenden Jahr drohen bereits 65.000 ABM- und Weiterbildungsstellen wegzubrechen, die sich bis zum Jahre 2000 auf 300.000 pro Jahr erhöhen könnten.

Solange auf dem regulären Arbeitsmarkt noch nicht die notwendige Zahl an regulären Arbeitsplätzen aufgebaut werden kann, würde eine solche arbeitsmarktpolitische Abbruchpolitik wissentlich Menschen in Arbeitslosigkeit und finanzielle Not treiben. Aber auch bei den sonstigen Einschnitten der Arbeitsförderung und den Lohnersatzleistungen sind die neuen Bundesländer infolge überdurchschnittlich hoher Arbeitslosigkeit besonders betroffen.

III. Zu einzelnen

Regelungen

1. Hoher Beschäftigungsstand soll kein arbeitsmarktpolitisches Ziel mehr sein

Während das AFG noch zu einem hohen Beschäftigungsstand beitragen, unterwertige Beschäftigung verhindern und

nachteiligen Folgen des Strukturwandels entgegenwirken soll, will der Gesetzentwurf ausdrücklich von diesen Zielen Abstand nehmen und reduziert sie weitgehend auf "die Unterstützung des Arbeitsmarktausgleichs". Ausdrücklich wird in der Begründung betont, daß "Erwartungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen nicht aufkommen" sollen.

Von einer auch vorbeugenden Arbeitsmarktpolitik und einer besseren Abstimmung mit anderen Politikbereichen - wie der regionalen Strukturpolitik - ist keine Rede mehr. Aber auch eine vorrangig auf die Hilfe für den einzelnen ausgerichtete Arbeitsmarktpolitik darf keinesfalls aus dem Auge verlieren, daß die arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumente in ihrem

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Zusammenwirken Beschäftigungsniveau und Struktur des Arbeitsmarktes in starkem Maße mit beeinflussen.

Arbeitsmarktpolitik sollte daher, der Zielsetzung des geltenden AFG folgend, zu einem hohen Beschäftigungsstand und einer

zukunftsorientierten Beschäftigungsstruktur beitragen, ohne allerdings andere Politikbereiche aus ihrer Verantwortung zu entlassen.

Aus Sicht des DGB sollte unbedingt an den Zielen des AFG festgehalten werden. Bei einer Aufgabe des Ziels "hoher

Beschäftigungsstand" besteht die Gefahr, daß sich der Bund noch mehr aus seiner Verantwortung für die Arbeitsmarktpolitik zu- rückzieht. Der AFRG-Entwurf betont denn auch relativ freimütig, daß der bisherige "Zielkatalog auch weitergehende und nicht erfüllbare Forderungen nach einem Leistungsausbau begründet".

Die eingeleitete Kurskorrektur dokumentiert sich darin, daß die arbeitsmarktpolitischen Ziele nicht länger die Leistungen der Arbeitsförderung bestimmen sollen, sondern die Ziele nur das umreißen sollen, was tatsächlich an Instrumenten und Mitteln zur Verfügung steht. Die arbeitsmarktpolitischen Ziele dürfen sich im Rahmen einer grundlegenden zukunftsorientierte Reform des AFG aber keinesfalls nur von den aktuellen Finanzproblemen des Bundes leiten lassen, sondern müssen offen sein für

zukunftsorientierte beschäftigungspolitische Weichenstellungen.

2. Ausdehnung der Versicherungspflicht

Die Einbeziehung von bisher nicht vom Schutz der

Arbeitslosenversicherung erfaßten Personen ist grundsätzlich positiv. Die Einbeziehung von Beschäftigten zwischen der Geringfügigkeitsgrenze und der Kurzzeitigkeitsgrenze darf jedoch nicht zur Umkehrung des Schutzgedankens führen. Im Unterschied zu den anderen Versicherungssystemen ist gegen Arbeitslosigkeit zur Zeit nur versichert, wer mehr als kurzzeitig und damit mindestens 18 Stunden in der Woche beschäftigt ist. Mit der jetzt vorgesehenen Ausweitung des Versicherungsschutzes würden jene Personen mit einem

Arbeitsentgelt von mehr als 590 DM (West) bzw. 500 DM (Ost) und einer wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 18 Stunden einbezogen. Im Unterschied zu den anderen Versicherungszweigen hat die Grenze der Versicherungspflicht auch unmittelbare Konsequenzen für die Leistungsgewährung im Falle der Arbeitslosigkeit. Mit der Einbeziehung in den Versiche-

rungsschutz entfällt der Status der Arbeitslosigkeit und damit der Anspruch auf Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Wer beispielsweise neben einer versicherungspflichtigen

Hauptbeschäftigung eine Tätigkeit für 600 DM im Monat ausübt und seine Hauptbeschäftigung verliert, würde künftig nach 6 Monaten keine Arbeitslosenunterstützung mehr erhalten und nicht mehr als Arbeitsloser zählen. Der Anspruch auf

Teilarbeitslosengeld kann dann bereits erlöschen, wenn der Arbeitnehmer nach Entstehung des Anspruchs eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit für mehr als zwei Wochen oder mit einer Arbeitszeit von mehr als fünf Stunden wöchentlich

aufnimmt. Dies bedeutet, daß dann nicht nur die Teilarbeits- losigkeit beendet ist, sondern der erworbene Anspruch insgesamt erlischt.

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Völlig unakzeptabel und ungerecht werden die Ergebnisse bei Überschreiten der Entgeltgrenze von einem Sechstel des

Gesamteinkommens. Diese variable Geringfügigkeitsgrenze hat in anderen Versicherungszweigen durchaus eine berechtigte

Funktion, da verhindert werden soll, daß Personen mit einem hohen Gesamteinkommen relativ günstig in den

Versicherungsschutz einbezogen werden. In der

Arbeitslosenversicherung würde dies jedoch ins Gegenteil verkehrt. So hätte derjenige einen besseren

Versicherungsschutz, der über ein relativ hohes Einkommen aus anderen Quellen verfügt (z.B. Mieteinnahmen), während der fi- nanziell Schwächere - bei einer gleichen gering entlohnten Beschäftigung - seinen Anspruch auf Arbeitslosenversicherung bereits verlieren würde. Da der Schutzgedanke hier völlig auf den Kopf gestellt würde, ist es erforderlich, daß die Arbeits- losigkeit - im Unterschied zur Beitragspflicht - nicht über eine Einkommensgrenze definiert wird, sondern nach wie vor allein über den zeitlichen Arbeitsumfang, wobei die bisherige Stundengrenze durchaus auf 15 Wochenstunden abgesenkt werden könnte. Andernfalls besteht zugleich die Gefahr, daß auch Vollzeitkräfte nach der verschärften Zumutbarkeitsregelung zur Annahme von Teilzeitarbeitsverhältnissen oberhalb der

Geringfügigkeitsgrenze gezwungen sein könnten. Über die Zumutbarkeit sollte kein Arbeitsloser gezwungen werden, eine Teilzeitstelle unterhalb von 50% der üblichen Wochenarbeitszeit anzunehmen, es sei denn, er hat zuletzt eine zeitlich geringere Teilzeittätigkeit ausgeübt.

3. Verschärfung der Zumutbarkeit

Die Zumutbarkeit einer Beschäftigung soll künftig im AFG selbst geregelt und gegenüber der geltenden Anordnung nochmals

verschärft werden. Nach 6 Monaten Arbeitslosigkeit sollen bereits Einkommenseinbußen von 40-50% des bisherigen Nettoeinkommens zugemutet werden. Durch den Wegfall der bisherigen fünf Qualifikationsstufen wird zugleich die

Entwertung der Qualifikation verstärkt. Die Verschärfung der Zumutbarkeitsregelung übersieht, daß die Ursache für die indi- viduelle Arbeitslosigkeit primär ein globales

Arbeitsplatzdefizit ist, das aber weder durch verstärkte Eigenbemühung der Arbeitslosen, noch durch eine verschärfte Zumutbarkeit verringert wird. Schon mehrfach wurde in den vergangenen Jahren erfolglos versucht, die

Arbeitsmarktsituation durch Verschärfung der Zumutbar-

keitsregelung zu verbessern. Auch wenn die Arbeitsämter in den letzten Jahren weit schärfer prüfen, hat die

Sperrzeithäufigkeit erheblich abgenommen. Auf 1.000

erfolgreiche Arbeitsvermittlungen kommen gegenwärtig im Osten nur 3,6 Sperrzeiten wegen Arbeitsablehnung und im Westen 5. Bei Verschärfung der Zumutbarkeit würden die Arbeitsämter in weit stärkerem Maße pauschal vorgehen, ohne auf die individuellen Lebensumstände eingehen zu müssen. Arbeitslosigkeit würde noch weit mehr zu Dequalifikation, zu beruflichem Abstieg und

unterwertige Beschäftigung sowie enormen Einkommenseinbußen führen. Regierungsamtliche Untersuchungen für den Westen zeigen bereits, daß 40% derjenigen, die wieder Arbeit gefunden haben, ihre neue Stelle als Notlösung bezeichnen. Es besteht die Gefahr, daß sich der Verdrängungswettbewerb zu Lasten der

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Geringqualifizierten verschärft. Da die Besetzung offener Stellen keinesfalls an einer fehlenden Arbeitsbereitschaft der Arbeitslosen scheitert, ist die weitere Verschärfung der

Zumutbarkeit der falsche Weg. Auch mittelbare Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl unterliegen den Schranken des Art.12 Abs.1 GG. Abgelehnt wird gleichfalls die geplante Anhebung der zumutbaren Pendelzeit von 2,5 Stunden auf 3 Stunden täglich.

4. Verschärfte Anrechnung von Abfindungen

Während die Arbeitgeber von der Erstattungspflicht des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitslose künftig völlig befreit werden, sollen in Zukunft Abfindungen auf die Hälfte des Arbeitslosengeldes angerechnet werden, soweit sie einen Freibetrag übersteigen. Die arbeitsmarktpolitischen Folgen dieser Maßnahme werden völlig außer Acht gelassen. Künftig wird kein sozialverträglicher Personalabbau mehr möglich sein. Statt dessen drohen erhebliche Konflikte in den Belegschaften, weil die Personalreduzierungen auf jüngere Arbeitnehmer verlagert werden.

Gegen die geplante generelle Anrechnung von Abfindungen auf Arbeitslosengeld bestehen auch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Auch Abfindungsansprüche unterliegen, wie jeder

Vermögensbestandteil, dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs.1 GG.

Mit der Anrechnungsregelung unterstellt der Gesetzgeber der Abfindung eine Funktion, die sie nicht hat. Sie ist eine Entschädigung, deswegen weder Lohn noch Lohnersatz. Wird die Abfindung nun grundsätzlich angerechnet, währenddessen andere Einkünfte (z.B. aus Vermietung und Verpachtung oder aus

Kapitalgewinn) oder Vermögen anrechnungsfrei bleiben, ist diese unterschiedliche Behandlung sachlich nicht zu rechtfertigen.

Der Erbschaftsmillionär erhält weiterhin ungekürztes Arbeitslosengeld, währenddessen anderen Arbeitslosen der Verzehr ihrer Abfindung zugemutet wird.

Überhaupt nicht einsehbar ist die beabsichtigte Anrechnung von

"Leistungen, die unter Anrechnung der Arbeitslosenhilfe

gewährt" werden, auf die Arbeitslosenhilfe. Wenn ein Sozialplan Leistungen an Arbeitslosenhilfebezieher vorsieht und diese künftig angerechnet werden, dann wird es diese nicht mehr geben. Die beabsichtigten Einsparungen treten infolgedessen überhaupt nicht ein. Statt dessen wird in verstärktem Umfang die Sozialhilfe die zu niedrigen Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aufstocken müssen.

5. Verkürzung des Bezuges von Arbeitslosengeld für Ältere

Noch im Dezember 1995 hat Bundesarbeitsminister Blüm in Reaktion auf Befürchtungen des DGB behauptet, die

Bundesregierung plane keine Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitnehmer. Tatsächlich jedoch sollen bereits am Anfang nächsten Jahres die Altersstufen für den verlängerten Bezug von Arbeitslosengeld jeweils um drei Jahre angehoben werden. Die Verlängerung des Arbeitslosengeldes über ein Jahr erfolgt damit nicht mehr mit einem Alter von 42, sondern erst mit 45 Jahre; die Höchstbezugsdauer wird von 54 auf 57 Jahre erhöht (Kürzungsvolumen 1,7 Mrd.DM pro Jahr). Dies würde noch weit mehr Menschen zum Arbeitslosenhilfe- und

Sozialhilfeempfänger machen und Bund und Kommunen zusätzlich belasten. Bereits heute sind im Westen 13,2% der älteren

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Langzeitarbeitslosen auf Sozialhilfe angewiesen. In der

Altersgruppe der 45- bis 49-jährigen Männer sind es sogar 22,5%;

bei den gleichaltrigen Frauen 17,7% und selbst bei den arbeitslosen Frauen über 60 Jahre noch 17,9%. Die geplante erhebliche Leistungsverschlechterung ist bei der stark ansteigenden Zahl der älteren Arbeitskräften keinesfalls vertretbar. Im Zusammenwirken mit anderen Verschärfungen, wie der Herabsetzung der Altersgrenzen oder der Anrechnung von Abfindungen werden sozialverträgliche

Personalanpassungsmaßnahmen nochmals erheblich erschwert.

6. Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen

Das AFRG sieht auch in anderen Bereichen einschneidende Veränderungen vor.

! Anders als bisher, wo Arbeitslose mit Leistungsanspruch

mindestens nach Ablauf von drei Monaten zu einer Meldung beim Arbeitsamt aufgefordert werden mußten, ist jetzt vorgesehen, daß nach Ablauf einer Dreimonatsfrist die Verfügbarkeit durch den Arbeitslosen eigeninitiativ nachgewiesen werden muß.

Arbeitslose müssen selbstverständlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Eine Verschärfung der

Verfügbarkeitsregelung ist jedoch kontraproduktiv, wenn sie zu weiteren Arbeitsbelastungen und zu einer neuen Bürokratie in den Arbeitsämtern führt, eine effektive Vermittlungsarbeit erschwert oder dazu mißbraucht werden kann, das Problem der Arbeitslosigkeit statistisch niedriger erscheinen zu lassen.

Die möglicherweise sehr kurzfristige Arbeitsreduzierung in den Arbeitsämtern dürfte auf mittlere Sicht überkompensiert werden durch einen Mehraufwand, der mit dem Streichen der Arbeitslosenunterstützung verbunden ist (Widersprüche, erneute Arbeitslosmeldung).

! Bei Leistungsempfängern wird das Arbeitsamt künftig nach vorheriger Aufforderung einen Nachweis über deren

Eigenbemühungen zur Eingliederung in eine Beschäftigung verlangen. Diese Regelung ist fragwürdig. Daß Arbeitnehmer aus eigenem Interesse aktiv um Arbeit bemüht sind, belegt die Tatsache, daß weit mehr Arbeitslose auf eigene Faust einen neuen Job haben finden können, als die Arbeitsämter

Vermittlungen tätigen konnten. Die Rechtsänderung unterstellt hingegen mangelndes Engagement der Arbeitslosen bei der Suche nach einem Arbeitsplatz. Auch hier besteht die Gefahr, daß neue Arbeitsbelastungen - nicht zuletzt auch in den

Unternehmen - entstehen, weil sich die Arbeitslosen ihre Eigenbemühungen bestätigen lassen möchten.

! Auch der geplante Ausschluß neuer Anwartschaften auf

Arbeitslosengeld bei Teilnahme an beruflicher Weiterbildung führt zu einer deutlichen Verschlechterung der bisherigen Rechtslage (Ein Kürzungsvolumen von 1,3 Mrd.DM pro Jahr). Die Weiterbildungsteilnahme aus Gründen des Erwerbs von Anwart- schaftszeiten entspricht nicht der Praxis. Die Dauer des geplanten Anschlußunterhaltsgeldes reicht zur sozialen Sicherung eines erheblichen Anteils der

Weiterbildungsabsolventen nicht aus, da die Suchphase oft länger dauert.

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! Problematisch ist gleichfalls, daß die

Arbeitslosenunterstützung nicht mehr 14-tägig, sondern nur noch monatlich nachträglich ausgezahlt werden soll. Dies ist ausschließlich finanzpolitisch motiviert und wird zu

Mehrarbeit führen, da Arbeitslose häufig Vorschuß werden beantragen müssen.

7. Flexibilisierung des Kurzarbeitergeldes

Unverständlich ist, warum man entgegen der Regelung im

Referentenentwurf erneut eine Befristung für das strukturelle Kurzarbeitergeld einführen will. Allerdings kommt es nunmehr nicht darauf an, daß der Wirtschaftszweig von der "Struktur- krise" betroffen ist. Der Gesetzentwurf betont zu Recht, daß das strukturelle Kurzarbeitergeld "eher zu wenig als zu viel in Anspruch genommen wird und eine Verzögerung von notwendigen Strukturanpassungen dadurch nicht zu befürchten ist". Die Inanspruchnahme der "strukturellen Kurzarbeit" würde aber auch dadurch wesentlich erschwert, daß die Rückkehrmöglichkeit in den "Stammbetrieb" nahezu unmöglich gemacht und Bezugszeiten von konjunktureller und struktureller Kurzarbeit

zusammengerechnet werden. Der DGB schlägt vor, von diesen ein- schränkenden Bedingungen Abstand zu nehmen. Werden beide

Bezugszeiten beispielsweise zusammengerechnet, kann dies einzelne Betriebe durchaus benachteiligen. Die

Rückkehrmöglichkeit in den "Stammbetrieb" sollte nicht unmöglich gemacht werden. So sollte z.B. auch bei internem Strukturwandel Kurzarbeit mit der Möglichkeit der

Qualifizierung gefördert werden können, da dies zum Erhalt bedrohter Arbeitsplätze beitragen kann. Nicht zuletzt sollten auch Maßnahmekosten gefördert werden können, wenn die

Qualifizierung bei Kurzarbeit mit besonderen organisatorischen Maßnahmen verbunden ist. Dies gilt insbesondere, wenn kleinere und mittlere Betriebe besondere Anstrengungen unternehmen, um zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit Arbeitszeitverkürzung mit Qualifizierung zu verbinden suchen.

Das Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorisch

eigenständigen Einheit ist auf längstens 12 Monate begrenzt.

Angesichts der gravierenden Umstrukturierungsprozesse in den ostdeutschen Bundesländern ist es sinnvoll, über einen be- fristeten Zeitraum in Ostdeutschland eine Sonderregelung mit verlängerter Anspruchsdauer zuzulassen. Der Anpassungsprozeß hat sich als langwieriger und schwieriger herausgestellt als ursprünglich erwartet. Diese Sonderregelung kann den

Umstrukturierungsprozeß besser unterstützen.

Abzulehnen ist allerdings, daß vor Inanspruchnahme der konjunkturellen Kurzarbeit mindestens zehn Prozent der

Jahresarbeitszeit aufgelöst werden müssen, wenn Vereinbarungen zu Arbeitszeitguthaben bestehen.

Damit werden arbeitsmarktpolitische Risiken auf die einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verlagert. Mit dem AFRG sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gezwungen werden, vor dem Bezug von Kurzarbeitergeld ihren Urlaub zu nehmen und ggf.

angesparte Arbeitszeitguthaben zur Entlastung der BA einzuset- zen. Dies widerspricht dem Erhohlungszweck des Urlaubs und auch dem Zweck von Arbeitszeitkonten.

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Hinsichtlich der Formulierung "vorrangige Urlaubsansprüche"

bleibt unklar, unter welchen Voraussetzungen im einzelnen der Urlaub verbraucht sein muß, um einen Anspruch auf

Kurzarbeitergeld zu erlangen. Offensichtlich handelt es sich um einen Einstieg in die Verlagerung des Arbeitgeberrisikos zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Ferner steht zu befürchten, daß durch die gesetzliche Neufassung auch die Anwendung von

Beschäftigungssicherungstarifverträgen vor der Durchführung von Kurzarbeit verlangt werden kann. Die

Beschäftigungssicherungstarife sind aber gerade für den Fall abgeschlossen worden, daß die sonstigen Voraussetzungen für Kurzarbeit nicht vorliegen. (Vorrang von Kurzarbeit vor Beschäftigungssicherungstarifverträgen).

Des weiteren sollen ungerechtfertigt lange Ausgleichszeiträume bis hin zu Lebensarbeitszeitkonten gegenüber kurzen bevorzugt werden. Damit wird die Illusion gefördert, man könne die Heraufsetzung der Rentenaltersgrenzen durch "Mehr-arbeit"

kompensieren. Ein solches Herangehen ist aus sozial- und gesundheitspolitischer Sicht abzulehnen. Im übrigen

konterkariert es die weiterhin notwendigen gewerkschatlichen Initiativen zur Reduzierung der Wochenarbeitszeit.

8. Zuschüsse zu Sozialplanmitteln für die Eingliederung

Künftig sollen Zuschüsse zu Sozialplanmaßnahmen maximal in Höhe des Betrages gewährt werden können, der sich an den jährlichen Aufwendungen für Arbeitslosengeld orientiert. Gegenwärtig verhindert das Förderungsrecht eine stärkere Einbeziehung von AFG-Mitteln in betriebliche Sozialpläne. So sind Weiterbil- dungsmaßnahmen weitgehend nur möglich, wenn Arbeitslosigkeit bereits eingetreten ist bzw. eine Kündigung ausgesprochen wurde und wenn eine Vermittlung in Arbeit in absehbarer Zeit nicht realistisch erscheint. Die geplanten Zuschüsse zu

Sozialplanmaßnahmen werden grundsätzlich begrüßt. Hier finden sich allerdings unnötige Einschränkungen, die die Wirksamkeit einer besseren Verzahnung behindern, ohne dadurch Spareffekte für die Arbeitsverwaltung zu ermöglichen. So ist nicht

nachvollziehbar, wieso das Bestehen eines Wahlrechts zwischen Abfindung und Maßnahme im Sozialplan die gesamte Maßnahme nicht mehr förderungsfähig macht.

Die AFG-Förderung darf keinesfalls davon abhängig gemacht werden, daß auch jene Arbeitskräfte auf die ihnen zustehenden betrieblichen Sozialplanmittel verzichten, die bereits eine Förderungsmöglichkeit über das AFG haben.

Es wäre daher ausreichend, wenn die Höhe der Förderung von der Anzahl der tatsächlich teilnehmenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abhängig gemacht würde. Ferner stellt sich die Frage, warum die Höhe des Zuschusses nicht nur von der Höhe des Eigenbetrages des Unternehmens abhängig gemacht wird, sondern auch davon, daß Abfindungen eingespart werden. Wir sehen die Gefahr, daß so Einsparungen bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zum vorrangigen Maßstab gemacht werden könnten.

Eine Einschränkung des Instrumentes besteht darin, daß keine AFG-Mittel vorgesehen sind, wenn die Mehrzahl der Arbeitnehmer anderweitig unterzubringen ist. Für die verbleibenden

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Arbeitskräfte kann es aber nach wie vor arbeitsmarktpolitisch produktiv sein, wenn Sozialplanmittel mit AFG-Mitteln besser kombiniert werden können.

Den Arbeitsämtern sollte auch eine institutionelle (Mit-

)Finanzierung von Auffanggesellschaften eröffnet werden, damit beispielsweise Betriebsteile von in Konkurs geratenen

Unternehmen eher gerettet und Neugründungen gefördert werden können.

Die beschäftigungsfördernde Wirkung von auch

sozialplanfinanzierten Maßnahmen hat die Bundestagsmehrheit schon im Juni 1990 durch ihren Beschluß, § 113 BetrVG zu

ändern, entwertet. Fortan braucht der Unternehmer sich nur noch zwei Monate lang um einen Interessenausgleich zu bemühen.

Dieser Zeitraum reicht angesichts der Kompliziertheit und Vielfältigkeit der Gegenstände, über die eine Vereinbarung getroffen werden soll, nicht aus. Der Interessenausgleich ist aber das maßgebliche arbeitsrechtliche Instrument, mit dessen Hilfe ein unteres Muß an beschäftigungspolitischer

Verantwortung der Arbeitgeber eingefordert werden kann. Nur hier kann vereinbart werden, daß der Unternehmer nicht nur Geld zahlt, sondern auch mehr Arbeitsplätze erhält als nach seinem Kalkül unbedingt geboten. Eine langfristige Verantwortung des Arbeitgebers zur Beschäftigung kann dagegen in Sozialplänen nicht verankert werden, da deren Wirkung beendet ist, wenn die dafür vorgesehenen Mittel erschöpft sind.

9. Eingliederungszuschüsse

Die bisherigen verschiedenen Lohnkostenzuschüsse werden zu einem Eingliederungszuschuß zusammengefaßt. Der

Gesetzesvorschlag orientiert sich in Zukunft am

"berücksichtungsfähigen Arbeitsentgelt". Damit toleriert der Gesetzgeber auch untertarifliche Bezahlung der

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Förderung sollte nur vorgesehen sein, wenn auch tarifliches Entgelt gezahlt wird. Da jedoch der durchschnittliche Förderaufwand erhöht wird, sollten Vorschriften vorgesehen werden, die Mitnahmeeffekten durch die Arbeitgeber zusätzlich entgegenwirken.

Bemängelt wird, daß das bewährte Instrument zur längerfristigen Förderung von älteren Arbeitslosen über Lohnkostenzuschüsse eingeschränkt wird.

Die Möglichkeit, den Zuschuß zu erhöhen, wenn der Arbeitgeber das berücksichtigungsfähige Entgelt abgesenkt hat, führt zu falschen Anreizen und zu Mitnahmeeffekten. Die Regelung ist deswegen abzulehnen.

10. Eingliederungsvertrag für Arbeitslose

Im Gesetz soll die Möglichkeit eines gestuften

Eingliederungsvertrages für Langzeitarbeitslose geschaffen werden. Das von drei Seiten getragene Eingliederungsverhältnis ist ausdrücklich als vermittels der Sperrfristandrohung

durchsetzbares Zwangsverhältnis konzipiert. Gesichtspunkte der freien Wahl von Beruf und Arbeitsplatz sind bei der

Ausgestaltung dieses Rechtsverhältnisses völlig ausgespart worden. Die Beendigung des Eingliederungsverhältnisses kann

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jederzeit ohne Angabe von Gründen erfolgen, ohne daß der Zuschuß zurückgezahlt werden muß. Der Arbeitnehmer wird der Befehlsgewalt des Arbeitgebers in Fragen unterworfen, die nach unserem der Realisierung von Grundrechten im Arbeitsverhältnis dienenden Recht sonst der vertraglichen Vereinbarung oder der Zustimmung des Betroffenen bedürfen. Insbesondere kann der Arbeitgeber die Einsatzzeit genauso nach Belieben verändern wie Arbeitsplatz und Arbeitsort und die Teilnahme an

Qualifizierungsmaßnahmen anordnen. Es ist zu erwarten, daß Arbeitgeber diese unserer Rechtsordnung fremde Befehlsgewalt auch auf andere Arbeitnehmer auszudehnen versuchen werden.

Schon jetzt sind praktikable und sozialverträgliche Instrumente vorhanden, wie betriebliche Praktika im Rahmen der

Weiterbildung, die den Arbeitgebern ein "risikoloses Kennenlernen von Langzeitarbeitslosen ermöglichen".

Beim gemeinnützigen Verleih von Arbeitskräften nach dem START- Modell geht der "Arbeitgeber" (Auftragnehmer) bereits heute keinerlei Arbeitgeberrisiko ein. Da der Projektträger diese Aufgabe übernimmt, greift der arbeits- und sozialrechtliche Schutz aber dennoch für den einzelnen Arbeitnehmer.

Der Eingliederungvertrag schafft hingegen einen deklassierten Arbeitsmarkt im regulären Arbeitsmarkt und droht möglicherweise andere sinnvolle Instrumente zu verdrängen, die dem Arbeitgeber gleichfalls ein "risikoloses Kennenlernen" ermöglichen,

allerdings ohne die negativen Konsequenzen für den Einzelnen und unsere sozialstaatlichen Standards.

11. Trainingsmaßnahmen

Trainingsmaßnahmen wurden auf Initiative von DGB und BDA in das AFG eingeführt. Die jetzt geplante Änderung könnte dieses

Instrument jedoch schnell zu einem Bestrafungsinstrument machen. Der Festschreibung kürzerer Trainingsmaßnahmen unter Aufzehrung der Arbeitslosenunterstützung bis 12 Wochen bei gleichzeitiger Androhung der Sperrzeitregelung kann so nicht zugestimmt werden. Bei einer Ausweitung der betrieblichen Trainingsmaßnahmen besteht die Gefahr von Mißbräuchen und

Mitnahmeeffekten, da sie auch zur kurzfristigen Eignungsprüfung von Arbeitslosen in Betrieben eingesetzt werden können. Auch fehlt es an ausreichenden qualitativen Kriterien zur

Beurteilung der Bildungselemente und an der Betreuung der Arbeitslosen bei der Suche nach geeigneten Trainingsmaßnahmen und an finanziellen Anreizen.

Die Wirksamkeit der Trainingsmaßnahmen kann nur dann verbessert werden, wenn die qualitativen Rahmenbedingungen verbessert und auf das disziplinarische Element der Zumutbarkeit weitgehend verzichtet wird. Nach den bisherigen Erfahrungen erscheinen betriebliche Praktika im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen, insbesondere in Form von Eingliederungsseminaren für

Arbeitslose mit Vermittlungshemmnissen, sinnvoller. Vielfach kann auf ein ausgedehntes, sozialpädagogisch betreutes

Betriebspraktikum nicht verzichtet werden. Als wichtig erweist sich derzeit auch, daß die Bildungsträger vielfach eine

gezielte Vorauswahl von Arbeitgebern vornehmen, "Schwarze

Schafe" unter den Arbeitgebern als Praktikumsbetrieb aussondern und das Praktikum selbst intensiv betreuen. Die

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Vermittlungsergebnisse gerade dieser Maßnahmen sind auch in Regionen mit schlechtem Arbeitsmarkt beachtlich.

12. Weiterbildungsförderung

Positiv zu bewerten sind folgende Elemente des AFRG-Entwurfs, die meist ohne kostenträchtig zu sein, insbesondere die

Flexibilitität dieses Instruments verbessern.

- Mit dem wiederholten Einsatz von Eingliederungsleistungen wird die Flexibilisierung in der beruflichen Weiterbildung gestärkt. Dies entspricht einer gewerkschaftlichen Forderung.

Modulsysteme und begleitende Selbstlernansätze werden

explizit benannt und förderungsrechtlich ermöglicht. Welche Praxis daraus konkret folgt, bleibt allerdings abzuwarten.

- Eine Verbesserung gegenüber dem AFG stellt gleichfalls die Verkürzung der notwendigen Vorbeschäftigungszeit von 24 auf 12 Monate dar. Auch für Berufsrückkehrerinnen werden die Zugangsvoraussetzungen günstiger. Hier soll vom

Dreijahreszeitraum bei der Vorbeschäftigung ganz abgesehen werden.

- Die Wartezeitregelung für modular strukturierte Maßnahmen wird verbessert.

- Die Regelungen zum Teilunterhaltsgeld berücksichtigen in stärkerem Maße die Lebenssituation von Frauen.

- Neben Maßnahmen mit Fernunterricht, die bereits nach geltendem Recht in die Förderung einbezogen sind, können künftig auch Maßnahmen anerkennungsfähig sein, die unter Einsatz geeigneter Selbstlernprogramme und -medien

durchgeführt werden. Die Rechtsänderung wird damit in Ansätzen neuen Lernformen gerecht.

- Praxisgerecht ist, daß allgemeinbildende Inhalte, sofern sie nicht überwiegen und der beruflichen Förderung dienen, in die Maßnahme einfließen können.

Bedauerlich ist, daß die ursprünglich vorgesehene Erhöhung des Zuschusses zu den Kinderbetreuungskosten wieder zurückgenommen wurde. Ein Zuschuß in Höhe von 200 DM wird vom DGB nach wie vor für notwendig erachtet.

Entgegen dem Vorentwurf sieht der Gesetzentwurf keinerlei finanzielle Anreize für Weiterbildungsteilnehmer vor, obwohl Teilnehmer an Qualifizierungsmaßnahmen einen höheren Bedarf bei der allgemeinen Lebensführung haben. Selbst auf die

ursprünglich vorgesehene Mehraufwandspauschale wird verzichtet.

Da die Teilnahme an Weiterbildung künftig keine Anwartschaften mehr begründen soll, ist die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen für viele mit einem hohen Risiko verbunden, da meist drei Monate nach Abschluß der Maßnahme die Lohnersatzleistungen bereits auslaufen. Negativ zu beurteilen ist gleichfalls die

vorgesehene maximale Gesamtförderungsdauer für Weiterbildung von zwei Drittel der Erstausbildungsdauer. Leider können nach wie vor Arbeitnehmer ohne Berufsabschluß keine Förderung im Rahmen der beruflichen Weiterbildung erhalten, sofern sie noch keine drei Jahre beruflich tätig gewesen sind.

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13. Berufliche Eingliederung Behinderter

Die bereits mit dem Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung vorgesehene Aufhebung des

Rechtsanspruchs auf Rehabilitation wird spürbare negative Konsequenzen haben und dazu führen, daß Reha-

bilitationsmaßnahmen stärker von finanziellen Erwägungen als von sozialen Erfordernissen bestimmt werden. Bei den erhöhten Aufwendungen ist zu berücksichtigen, daß die Integration

behinderter und benachteiligter Menschen zunehmend schwieriger wird. Kürzungen im Bereich der Rehabilitations- und

berufsvorbereitenden Maßnahmen können sich sehr schnell

kontraproduktiv auswirken, da die Berufschancen und damit die Lebenschancen dieser Menschen verschlechtert werden. Darüber hinaus muß erreicht werden, daß Menschen in Werkstätten für Behinderte bei einer positiven Entwicklung die Möglichkeit haben, die Werkstatt zu verlassen und am regulären Arbeitsmarkt eine Tätigkeit aufzunehmen. Das Verbleiben in der Werkstatt für Behinderte wird ebenfalls zu hohen Folgekosten führen.

Bei Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung soll die Auswahl künftig vorrangig danach erfolgen, inwieweit unter Berücksichtigung der Förderungsbedürftigkeit eher mit einem Eingliederungserfolg zu rechnen ist. Eine Überbewertung dieses Grundsatzes würde Behinderte und Rehabilitanden sowie andere Zielgruppen des Arbeitsmarktes systematisch benachteiligen. Bei Behinderten ist z.B. erforderlich, zunächst durch

Qualifizierung und Rehabilitation gleiche Startvoraussetzungen zu schaffen. Eine Bewertung der arbeitsmarktpolitischen Instru- mente lediglich am kurzfristigen Eingliederungserfolg würde die beruflichen Chancen dieses Personenkreises vielfach zunichte machen. Die "Nachbesserungen" im Gesetz für "Mehr Wachstum und Beschäftigung" wurden nicht in das AFRG übernommen. Der DGB geht davon aus, daß dies noch nachgeholt wird.

Für die Gruppe der Lernbehinderten ist die im WFG

vorgeschlagene Regelung keinesfalls ausreichend. Für diesen Personenkreis muß die Förderung im bisheringen Umfang erhalten bleiben. Die Integrationserfolge sind sehr hoch, bei

Nichtförderung ist andererseits mit langfristiger

Arbeitslosigkeit zu rechnen. Bei diesem Personenkreis besteht zudem die Gefahr des Abgleitens in das kriminelle Milieu.

Klargestellt werden sollte ferner, daß nicht nur die Teilnehmer in berufsvorbereitenden Berufsbildungsmaßnahmen Auszubildende sind, sondern auch die Teilnehmer an berufsbildenden

Bildungsmaßnahmen.

14. Verschärfung der ABM-Regelungen

Die Regelungen zu ABM werden eindeutig verschlechtert.

! So soll ein 20%iger Einkommensabstand zum regulären

Arbeitsmarkt festgeschrieben werden. Die weitere Absenkung der Förderung auf 80% des vergleichbaren Entgelts in nicht geförderter Arbeit macht höhere Eigenleistungen der Träger erforderlich, oder verschärft die Lohnunterschiede zwischen geförderter und nicht geförderter Arbeit weiter, auch wenn sie zum Teil inhaltlich identisch ist. Die üblichen

Arbeitseinkommen sind weitgehend durch Tarifverträge bestimmt. Mit der Regelung greift der Gesetzgeber in die

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Regelungshoheit der Tarifpartner ein. Statt deren durch Art. 9, Abs.3 GG garantiertes Gestaltungsrecht zu

respektieren, setzt er einen bedeutenden Anwendungsbereich außer Kraft.

! Die Regelfördersätze sollen auf 30% bis 75% verringert werden.

! Dem sogenannten Alhi-Reformgesetz folgend, sollen die Maßnahmen grundsätzlich auf Langzeitarbeitslose begrenzt werden; dies schränkt die Möglichkeiten der Arbeitsämter ein, Langzeitarbeitslosigkeit vorbeugend zu bekämpfen oder

Maßnahmen für Jugendliche im Rahmen von "Arbeiten und Lernen"

zu fördern.

! Um die Jugendarbeitslosigkeit effektiver zu bekämpfen,

sollten Jugendliche aus der Berechnung der Quote ausgenommen werden. Ebenso Anleiter, die für die Durchführung der

Projekte erforderlich sind.

! Über die Bereiche Bau- und Baunebengewerbe sowie Garten- und Landschaftsbau hinaus, ist künftig die Vergabe in allen Bereichen zu prüfen, in denen eine Konkurrenz zu

Wirtschaftsunternehmen in Betracht kommt. Durch eine

verstärkte Beteiligung von Handwerkskammern und IHK bzw. von Landesfachverbänden werden zusätzlich Hemmnisse in die

Umsetzung von ABM eingebracht und die Rechte der Selbstverwaltung inhaltlich entwertet.

! Es besteht die Gefahr, daß die öffentlich geförderte Beschäftigung weiter zurückgedränkt wird und dieses

Instrument arbeitsmarktpolitisch nahezu bedeutungslos werden könnte. Positiv zu vermerken ist, daß ein höherer Qualifizie- rungsanteil eröffnet wird.

15. Produktive Lohnkostenzuschüsse

Die produktive Arbeitsförderung nach § 249 h und § 242 s soll bis zum Jahre 2002 im AFG verlängert werden. Voraussetzung einer Förderung soll die Beset- zung neu geschaffener Arbeitsplätze mit zugewiesenen, durch Strukturverände- rungen arbeitslos gewordenen Arbeitnehmern sein. Unter den vorgesehenen Entwicklungen lehnt der DGB insbesondere die rigiden Kürzungsvorschriften im Falle einer Entlohnung über den Arbeitsentgelten von 80 % ab. Mit diesem In- strument soll eine tarifgerechte Aufstockung der Löhne systematisch unterlaufen werden. Löhne oberhalb des 80 %-Tariflohnes werden automatisch gekürzt. Hier- durch wird das Neutralitätsgebot gegenüber der Tarifpolitik erheblich verletzt, nicht zuletzt weil die Deckelung der Entlohnung auch für nicht Leistungsgemin- derte gilt, die noch beschäftigt aber von Arbeitslosigkeit bedroht waren. Der DGB befürchtet, daß das für Ostdeutschland wichtige Instrument der produktiven Ar- beitsförderung weitgehend ruiniert und eine tarifgerechte Entlohnung generell unterbunden wird. Wegen des erheblichen Co-Finanzierungsbedarfs wird das In- strument in Zukunft nur noch schwer umsetzbar sein.

16. Arbeitnehmerhilfe

Die Bezieher von Arbeitslosenhilfe sollen künftig auch zu Saisonarbeiten von längstens drei Monaten verpflichtet werden können. Sie sollen zusätzlich eine sogenannte Arbeitnehmerhilfe

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von 25 DM erhalten. Es ist problematisch, daß bei Ablehnung dieser Beschäftigung eine Sperrzeit eintreten soll und die Arbeitnehmerhilfe bei der Beurteilung der Zumutbarkeit berücksichtigt wird.

17. Teilarbeitslosengeld

Die Einführung eines Teilarbeitslosengeldes wird begrüßt. Diese Weiterentwicklung kann in begrenztem Umfang zum Abbau von

Benachteiligungen von Teilzeitkräften beitragen. Die zeitliche Begrenzung des Teilarbeitslosengeldes ist mit 6 Monaten jedoch zeitlich zu eng befristet. Als großes Problem erweist sich die mangelnde Differenzierung zwischen Haupt- und

Nebenbeschäftigung. Dies wird relativ häufig zu sozialen Härten führen und zur Konsequenz haben, daß bei Verlust der

Hauptbeschäftigung von Teilzeitkräften nur noch 6 Monate

Arbeitslosengeld bezogen werden können (vgl. auch Bewertung und Kritik zur Auswertung der Versicherungspflicht).

Nicht nachvollziehbar ist auch, weshalb der Anspruch auf Teilarbeitslosengeld spätestens nach Ablauf eines Jahres seit seiner Entstehung nicht mehr geltend gemacht werden kann. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Vollarbeitslosigkeit kann demgegenüber bis zu vier Jahren nach seinem Entstehen geltend gemacht werden. Diese ungleiche Behandlung entbehrt jeglicher sachlicher Grundlage.

18. Existenzgründungsförderung

Zur Zeit ist die berufliche Weiterbildung davon abhängig, daß im Anschluß an die Maßnahme eine beitragspflichtige

Beschäftigung aufgenommen werden soll. In Zukunft können auch Personen, die die Selbständigkeit anstreben, gefördert werden.

Dies ist sinnvoll. In einigen Bereichen, wie bei

Hochschulabsolventen, ist der Berufseinstieg teils nur im Wege der Selbständigkeit möglich. Problematisch ist jedoch, wenn diese Weiterbildungsmaßnahmen nach wie vor aus Beitragsmitteln finanziert werden sollen, ebenso wie die sonstigen Leistungen an Selbständige im AFG, die bereits ein Volumen von knapp 900 Mio DM erreichen.

Zu bemängeln ist, daß keinerlei Vorkehrungen getroffen werden, um Scheinselbständigkeit zurückzudrängen und einer

Arbeitsvermittlung oder Förderung dieser ungeschützten Arbeitsverhältnisse entgegengewirkt wird.

Auch der neu vorgesehene Einstellungszuschuß bei Neugründung ermöglicht die Gewährung eines Lohnkostenzuschusses an

Existenzgründer für unbefristete Beschäftigung von höchstens zwei zuvor arbeitslosen Arbeitnehmern in Höhe von 50% des Arbeitsentgelts. Der Gefahr von Mitnahmeeffekten muß hier entgegengewirkt werden.

19. Originäre Arbeitslosenhilfe

Erneut wird versucht, die originäre Arbeitslosenhilfe für Arbeitnehmer mit geringer Beschäftigungszeit zu streichen.

Damit wird dieser Personenkreis auf die Sozialhilfe verwiesen.

(19)

die Kommunen werden weiter belastet. Die Eingliederungschancen dürften ebenfalls zurückgehen.

Auch Arbeitslose mit geringer Beschäftigungszeit sollten mindestens Arbeitslosenhilfe und Eingliederungsförderung erhalten.

20. Zulassung gewinnorientierter Ausbildungsvermittlung

Den geplanten Wegfall des Alleinrechts zur Berufsberatung und die Zulassung gewinnorientierter Ausbildungsvermittlung werden dem besonderen Schutzbedürfnis Jugendlicher beim Berufseintritt keinesfalls gerecht. Bei der Beratung und Vermittlung von

jugendlichen Berufsanwärtern muß dem Schutzgedanken eine noch größere Bedeutung beigemessen werden, als bei der Vermittlung von Erwachsenen. Mit der Entscheidung für eine Ausbildung werden wichtige Weichen in die Zukunft gestellt, die

längerfristige Konsequenzen für die wirtschaftliche und soziale Situation des Einzelnen haben. Dies darf nicht vom

Gewinninteresse privater Berufsberater und

Ausbildungsvermittlern abhängig gemacht werden. Die zunehmenden Mißbräuche bei der privaten Arbeitsvermittlung lassen

befürchten, daß auch private Vermittler von Ausbildungsstellen

"Beratungshilfen" vorschalten, für die bezahlt werden muß. Das Alleinrecht der Arbeitsämter zur Beratung und Vermittlung im Bereich der Berufsberatung ist Ausdruck des Sozialstaatsgebots.

Vor dem Hintergrund der hohen Marktanteile der öffentlichen Berufsberatung ist zudem nicht erkennbar, wie die Zulassung gewinnorientierter Ausbildungsvermittlung positiv zu

Transparenz, Effektivität und einem Abbau von Ungleichgewichten auf dem Ausbildungsstellenmarkt beitragen kann. Gerade die Erfahrungen mit privaten Arbeitsvermittlern lassen große Zweifel am Nutzen gewinnorientierter

Ausbildungsstellenvermittlung erkennen. Besonders problematisch ist, daß nicht einmal ein besonderes Erlaubnisverfahren für private Berufsberater vorgesehen ist. Die geplante Aufhebung des Vermittlungsmonopols für Ausbildungsstellen ohne

Beibehaltung der grundsätzlichen Möglichkeit einer Meldepflicht für Ausbildungsstellen führt dazu, daß es keinen

Gesamtüberblick über den Ausbildungsstellenmarkt mehr geben wird. Dies ist jedoch für Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik unverzichtbar.

Die Zulassung gewinnorientierter Ausbildungsvermittlung wird vom DGB abgelehnt und sollte komplett aus dem Gesetz gestrichen werden.

21. Sonstige sozialrechtliche Regelungen

" Nachdem die jüngere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts

betont hat, daß das Beschäftigungsverhältnis im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung etwas anderes ist, als im übrigen Recht der Sozialversicherung und daß auch im AFG- Recht das Beschäftigungsverhältnis im Leistungsrecht etwas anderes ist, als im Beitragsrecht, soll im AFG künftig der Begriff "Arbeitsverhält-nis" durch den Begriff

"Beschäftigungsverhältnis" ausgetauscht werden. Nun bleibt die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten, so lange das "Beschäftigungsverhältnis"

(20)

fortbesteht. Wenn jedoch das Beschäftigungsverhältnis beim Arbeitskampf fortbesteht, kann nicht zugleich Arbeits- losigkeit bestehen, denn arbeitslos ist nur, wer nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Also bleibt beim Arbeitskampf die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung nicht erhalten, oder § 116 AFG ist überflüssig, weil keine Arbeitslosigkeit besteht, oder das Beschäftigungsverhältnis im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist wieder etwas anderes, als im Leistungsrecht des AFG.

" Hinzu kommt, daß künftig nur derjenige "arbeitslos" ist, der

eine versicherungspflichtige Beschäftigung sucht.

Rechtssystematisch gehört diese neue Bestimmung nicht zum Begriff der Arbeitslosigkeit, sondern zu den An-

spruchsvoraussetzungen für das Arbeitslosengeld. Wenn der Begriff der Arbeitslosigkeit um den Tatbestand der

Beschäftigungssuche erweitert wird, hat dies auch Bedeutung für andere Rechtsgebiete. So stellt das Sozialgesetzbuch sowohl bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, also auch bei den Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit auf den Begriff "Arbeitslosigkeit" ab. Fehlt es künftig an einer Beschäftigungssuche, entfällt damit auch der Tatbestand

"Arbeitslosigkeit". Dies hat zur Folge, daß nicht nur der Anspruch auf Arbeitslosengeld negativ berührt ist, sondern auch rentenrechtliche Konsequenzen drohen. Wir halten es im übrigen für erforderlich, daß nicht nur bei der Er-

werbsunfähigkeitsrente das Arbeitslosengeld bis zur laufenden Zahlung der Rente weiter gewährt wird, sondern auch bei allen anderen Renten.

" Des weiteren bestehen ganz erhebliche Bedenken dahingehend,

wie die Arbeitsämter und später die Sozialgerichtsbarkeit mit dem neuen Tatbestandsmerkmal "Beschäftigungssuche" umgehen sollen. Nach dem Gesetzentwurf sucht eine Beschäftigung, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine

Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Die Frage, welche

Möglichkeiten für den Arbeitslosen bestanden haben und welche er hätte nutzen können, wird die Gerichte in erheblichem Umfang beschäftigen. Es steht zu befürchten, daß die neue Vorschrift der Behördenwillkür Türen öffnet. Ferner besteht die akute Gefahr, daß beispielsweise Arbeitnehmer, die nur in eingeschränktem Maße der deutschen Sprache in Wort und

Schrift mächtig sind, in einen "Mißbrauchsverdacht" geraten könnten.

" Nach den neuen Vorschriften steht den Vermittlungsbemühungen

des Arbeitsamtes auch nur noch zur Verfügung, wer arbeitsfähig ist. Der Betroffene muß damit eine

versicherungspflichtige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben können und dürfen. Infolge dessen wird es künftig im Recht der Arbeitsförderung einen anderen

Begriff der Arbeitsfähigkeit geben, als im Recht der

gesetzlichen Krankenversicherung. Das entspricht keinesfalls der Zielsetzung des Gesetzentwurfs, das Recht der

Arbeitsförderung zu vereinfachen und überschaubarer zu machen.

" Nach wie vor ungelöst ist das Problem des fehlenden

Krankenversicherungsschutzes beim Ruhen des

Arbeitslosengeldanspruchs wegen des Erhalts einer

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Urlaubsabgeltung. Nach dem Sozialgesetzbuch besteht Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung längstens für einen Monat nach dem Ende der Krankenkassenmitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Urlaubsanspruch von über einem Monat abgegolten worden, besteht ab Beginn des zweiten Monats nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein

Krankenversicherungsschutz, obwohl der Arbeitslose von seiner Urlaubsabgeltung Beiträge zur Sozialversicherung zahlen

mußte. Denn gegen Krankheit versichert ist nur, wer

Leistungen der BA tatsächlich bezieht. Dieser unbefriedigende Rechtszustand ist die Folge der beitragsrechtlichen

Neuregelung von Einmalzahlungen, die mit dem Haus- haltsbegleitgesetz 1984 geschaffen wurde.

" Haben Ehegatten die Steuerklasse gewechselt, so werden die

neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dann nicht wirksam, wenn sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitslosengeld ergibt, das höher ist als das

Arbeitslosengeld, das sich ohne diesen Wechsel der

Steuerklasse ergebe. Berücksichtigt wird dieser Wechsel nur dann, wenn sich dann ein geringeres Arbeitslosengeld ergibt.

Diese Vorschrift steht im Widerspruch zu den Aufklärungs- und Beratungspflichten nach dem Sozialgesetzbuch. Vielmehr ist die Bundesanstalt kraft Gesetzes nicht mehr verpflichtet, die Ehegatten auf den von ihnen zu ihren Lasten gehenden

ungünstigen Wechsel der Steuerklassen aufmerksam zu machen und ihnen Gelegenheit zu geben, den Fehler zu korrigieren.

" Mit der Neuregelung soll die bisher dem Antrag auf Wintergeld

schriftlich beizufügende Stellungnahme der Betriebsräte entfallen. Dies ist keinesfalls zu rechtfertigen, weil damit unternehmerische Mißbräuche erleichtert werden.

" Entschieden kritisiert wird, daß die bisherige AFG-Regelung,

wonach die Arbeitsämter nicht am "Zustandekommen von

Arbeitsverhältnissen zu tarifwidrigen Bedingungen mitwirken"

sollen, nicht inhaltsgleich übernommen werden soll.

22. Ausdehnung der Leiharbeit

Mit diesem Gesetzentwurf soll die Leiharbeit erneut ausgeweitet und die Deregulierung am Arbeitsmarkt weiter vorangetrieben werden.

Mit den beabsichtigten Veränderungen wird der Sinn des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in sehr starkem Maße

ausgehebelt. So soll im Gesetz dauerhaft geregelt werden, daß der ununterbrochene Verleiheinsatz bei einem Entleiher 12

Monate betragen kann. Gravierende Auswirkungen ergeben sich aus der geplanten Zulassung des deckungsgleichen Einsatzes für die ersten zwei Verleiheinsätze. Verboten waren bisher die

Befristung des Arbeitsvertrages für die Leiharbeitskraft sowie die Kündigung von unbefristet Beschäftigten bei Wiedereinstel- lung innerhalb von drei Monaten und die Beschränkung des

Arbeitsverhältnisses auf die Dauer des Ersteinsatzes. Diese Bestimmungen hatten den Zweck, ein Arbeitgeberrisiko auch für den Leiharbeitgeber herzustellen und das immer wieder beklagte Heuern und Feuern von Leiharbeitskräften möglichst zu

(22)

verhindern. Verleihfirmen sollten wie jeder andere Arbeitgeber das "normale personalpolitische Risiko" tragen.

In Zukunft sollen diese Verbote nur bei wiederholten Tatbeständen gelten. Ein Verleihunternehmen kann dann die

Leiharbeitskraft für einen ersten Einsatz befristet einstellen, sie anschließend deckungsgleich einstellen, und muß sie erst für den dritten Einsatz unbefristet einstellen. Zusätzlich kann der Verleiher kündigen und innerhalb von drei Monaten die

betreffende Person wieder einstellen. Erst dann sollen die bislang gültigen Beschränkungen eintreten.

Dem DGB ist bekannt, daß in der Mehrheit der Überlassungsfälle lediglich ein bis zwei Verleiheinsätze zustande kommen. Damit wird für den weit überwiegenden Personenkreis der Arbeitnehmer das Synchronisationsverbot praktisch aufgehoben.

In der Gesetzesbegründung wird betont, daß Befristungen und Synchronisation nicht grundsätzlich freigeben werden sollen. In Wirklichkeit werden diese Regelungen aber faktisch die Freigabe bedeuten. Damit ist das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in

wesentlichen Teilen unwirksam. Darüber hinaus dürfte für die Landesarbeitsämter ein erhöhter Kontrollaufwand entstehen.

Durch die zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten wird dem Arbeitgeber nur in seltenen Fällen ein illegales Handeln nachgewiesen werden können.

Aus diesen Gründen lehnt der DGB die beabsichtigten

Veränderungen des AÜG entschieden ab. Sie tragen nicht zur Erhöhung der Beschäftigung bei, sondern erleichtern lediglich das "Heuern und Feuern". Damit wird das Arbeitgeberrisiko in erhöhtem Maße auf die Versichertengemeinschaft abgewälzt. Dies ist in der heutigen Zeit nicht zu verantworten.

Künftig sollen Arbeitgeber auch von der Erlaubnispflicht für Arbeitnehmerüberlassung entbunden werden, wenn sie weniger als 50 Beschäftigte beschäftigen.

In der Praxis werden die Landesarbeitsämter nicht in der Lage sein zu prüfen, ob die Voraussetzungen, nämlich daß

Entlassungen bzw. Kurzarbeit drohen, tatsächlich vorliegen.

Dadurch kann diese Regelung mißbraucht werde. Da dies nicht im Sinne des Gesetzgebers sein kann, wird empfohlen, die alte Regelung zu belassen.

Der Klarheit halber sollte noch einmal herausgestellt werden, daß diese Regelung nicht für Betriebe des Baugewerbes gilt. Es muß verhindert werden, daß das eigentliche Verbot der

gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung in das Baugewerbe von nicht dem Baugewerbe unterfallenden Branchen massiv aufgeweicht wird. Insgesamt könnte dadurch die grundsätzliche Regelung des Verbotes im Baugewerbe auf Umwegen generell ausgehebelt werden.

23. Übergangsregelung

Die Übergangsregelung wird ihrem Anspruch, den

verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz zu realisieren, nicht gerecht. Sie bezieht sich nur auf die beiden Themen, Dauer des Arbeitslosengeldbezugs und Anrechnung von

Abfindungen. Bei den Neuregelungen in den Bereichen der

Sperrfristandrohung, den Zumutbarkeitskriterien, der Kurzarbeit

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und dem Eingliederungsverhältnis ist kein Vertrauensschutz vorgesehen.

Die Begrenzung des Schutzes auf Personen, die in der letzten Rahmenfrist vor Inkrafttreten des Gesetzes mindestens 360 Tage versicherungspflichtig gearbeit haben, ist unangemessen.

Frauen, die die Arbeit wegen Erziehungsaufgaben unterbrochen haben, während der Rahmenfrist Erkrankten oder in

Weiterbildungsmaßnahmen beschäftigten Arbeitnehmern muß derselbe Vertrauensschutz zugestanden werden.

IV. Zu den Auswirkungen

auf besondere Personengruppen

1. Frauenförderung

Die Frauenförderung wird als eigenständiges Ziel im AFRG formuliert. Dies entspricht weitgehend schon der jetzigen Rechtslage. Allerdings bleibt es bei der Soll-Vorschrift, nach der Frauen entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen

gefördert werden sollen. Neu aufgenommen wurde die Forderung, daß die aktive Arbeitsförderung den geschlechtsspezifischen Lebensverhältnissen Rechnung tragen soll. Diese Regelung wird begrüßt. Da die unverbindliche Formulierung dieser Ziele in der Praxis nur wenig ändern wird, sollte eine "Muß-Vorschrift"

vorgesehen werden.

Der gleichstellungspolitischen Zielsetzung stehen allerdings einige geplante Änderungen entgegen. Zwar wurde die sogenannten Rahmenfrist für Berufsrückkehrerinnen beim Zugang zu

Weiterbildungsmaßanhmen aufgehoben, das reduzierte

Mittelvolumen wird aber letztendlich eine Ausweitung der Förderung verhindern. Der vorgesehene besondere

Eingliederungszuschuß bei der Einarbeitung von Be-

rufsrückkehrerinnen nach § 216 Abs.2 ist mit 30 % zu gering bemessen. Die Inanspruchnahme durch Betriebe wird deswegen sehr gering sein. Der auch bei Wiedereinstieg in den früheren

Beschäftigungsbetrieb vorgesehene Eingliederungszuschuß kann zu Mitnahmeeffekten führen. Der Wiedereinstieg in den früheren Beschäftigungsbetrieb ist die häufigste und unproblematischste Variante der Wiedereingliederung. Ein besonderer Bedarf an Lohnkostensubventionen ist hier nicht zwingend zu erkennen. In besonders problematischen Fällen könnten ohnehin im Rahmen des Ermessens Eingliederungszuschüsse gewährt werden.

Entgegen der bisherigen Anordnung soll künftig der Zeitraum für Fahrtkostenbeihilfe von einem Jahr auf 6 Monate reduziert und der Leistungszeitraum für die Trennungskostenbeihilfe ebenfalls vermindert und nur noch als Darlehn gewährt werden. Diese

Regelung richtet sich vornehmlich gegen Arbeitnehmerinnen bzw.

Arbeitnehmer, die am gegenwärtigen Wohnort einen Arbeitsplatz haben und darauf angewiesen sind, am neuen Arbeitsplatzort des Partners bzw. der Partnerin einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Der DGB bedauert, daß die Bundesregierung sich nicht zu einer Erhöhung der Leistungen für die Betreuung von Kindern der Teilnehmer an Weiterbildungsmaßnahmen durchringen konnte und

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