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Physikalische Grundlagen der Werkstoffkunde: Vorlesung (Sommersemester 2000)

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Research Collection

Educational Material

Physikalische Grundlagen der Werkstoffkunde Vorlesung (Sommersemester 2000)

Author(s):

Öttinger, Hans Christian Publication Date:

2000

Permanent Link:

https://doi.org/10.3929/ethz-a-004259511

Rights / License:

In Copyright - Non-Commercial Use Permitted

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ETH Library

(2)

Physikalische Grundlagen der Werkstoffkunde (Sommersemester 2000) Seite 1

der Werkstoffkunde

Thermodynamik und Statistische Mechanik Dozent: Hans Christian Öttinger

Vorbemerkungen:

Diese Vorlesungsnotizen sind als Kurzer Leitfaden zur Anwendung von Thermodynamik und klassi- scher Statistischer Mechanik gedacht. Zentrales Anliegen dieses Leitfadens ist es, die korrekte, klare und effiziente Anwendung dieser grundlegenden Gebiete der klassischen Physik auf Inge- nieurprobleme zu vermitteln (dieser Zusatz ist leider nicht ganz überflüssig). Während die Wichtig- keit von Thermodynamik und statistischer Mechanik für Anwender über jeden Zweifel erhaben ist, sollten diese Gebiete nicht etwa als schwierig oder geheimnisvoll empfunden werden, sondern sie sollten vielmehr als elegant und einfach anwendbar erkannt werden.

Bei Anwendungen der Thermodynamik in Ingenieur-Vorlesungen ist es weithin üblich, bei “Adam und Eva”, das heißt mit einer ausführlichen Diskussion der Hauptsätzen der Thermodynamik, anzu- fangen. Während dieses Vorgehen bei einer ersten Begegnung mit der Thermodynamik sehr sinn- voll ist, gehört es ansonsten fraglos als ineffizient ins 19. Jahrhundert verbannt. In diesem Leitfaden wird angenommen, daß diese erste Begegnung mit der Thermodynamik und ihren Hauptsätzen bereits in der Mittelschule, in den Physikvorlesungen des Grundstudiums und vielleicht auch bei einigen Anwendungen (zum Beispiel in der physikalischen Chemie) bereits stattgefunden hat. Der Schwerpunkt liegt daher auf der Begründung und Anwendung des zentralen Konzepts der thermo- dynamischen Potentiale, in das die Hauptsätze bereits voll eingearbeitet sind, und mit dem man effizient an alle Anwendungen herangehen kann. Thermodynamische Potentiale für konkrete Pro- bleme sind experimentell oder mit Hilfe der Statistischen Mechanik aus mikroskopischen Modellen zu bestimmen.

Dieser Leitfaden faßt die Vorlesung Physikalische Grundlagen der Werkstoffkunde (größtenteils) stichwortartig zusammen und kann sicher nicht als Lehrbuch dienen. Jeder Abschnitt wird mit einer Problemstellung eröffnet. Zwischenschritte und Ableitungen auf dem Weg zur Lösung des Pro- blems sind oft ausgelassen. Der Leitfaden soll bei der “Verarbeitung” der Vorlesung helfen, sei es zur Vorbereitung oder zum Nacharbeiten, oder auch als Anleitung zum Selbststudium. Zu jedem Abschnitt werden mehrere Literaturstellen angegeben, mit deren Hilfe die einzelnen Themen sorg- fältig nachgearbeitet oder vertieft werden können. Es bleibt dabei jedem Leser selbst überlassen, seine “Lieblingsbücher” zu finden. Die zahlreichen Verständnisfragen und Übungen am Ende eines jeden Kapitels sollen es ermöglichen (oder gar dazu reizen), das Gelernte durch Nachdenken weiter zu vertiefen und den Lernerfolg jederzeit zu überprüfen.

Für die Ausarbeitung der Übungen und Lösungen danke ich Markus Herrchen und Markus Hütter.

(3)

Inhaltsverzeichnis

1. Einführung 3

2. Aufbau der Thermodynamik 4 2.1 Grundbegriffe, Vorgehen 4

2.2 Der erste Hauptsatz (Energieerhaltung) 5 2.3 Der zweite Hauptsatz (Entropiebilanz) 6 2.4 Die Gibbssche Fundamentalform 8 2.5 Thermodynamische Potentiale 10

2.6 Thermische und kalorische Zustandsgleichungen 11 2.7 Materialgrößen 12

2.8 Gleichgewicht und Stabilität 13

2.9 Zusammenfassung der Vorgehensweise 14 3. Anwendungen der Thermodynamik 18

3.1 Kreisprozesse und Wärmemaschinen 18 3.2 Die Gibbssche Phasenregel 19

3.3 Phasendiagramme für Einstoffsysteme 21 3.4 Van der Waalssches Gas 23

3.5 Mehrstoffsysteme (Lösungen, Mischungen, Legierungen) 25 3.6 Chemische Reaktionen 29

4. Grundlagen der Klassischen Statistischen Mechanik 36 4.1 Die Idee der statistischen Gesamtheiten 36

4.2 Mikrokanonische Gesamtheit 37 4.3 Kanonische Gesamtheit 40 4.4 Theorie der Fluktuationen 42

4.5 Zusammenfassung der Vorgehensweise 44

5. Anwendungen der Klassischen Statistischen Mechanik 47 5.1 Klassische Theorie der Wärmekapazität von Festkörpern 47 5.2 Systeme am Phasenübergang 48

5.3 Polymermischungen 51 5.4 Gummielastizität 52

6. Elementare Beschreibung von Transporterscheinungen 58 6.1 Aufgaben der Transporttheorie 58

6.2 Elementare kinetische Gastheorie 58

6.3 Elementare Berechnung von Transportkoeffizienten 60

6.4 Boltzmann-Gleichung (Boltzmannsche Transportgleichung) 61 6.5 Brownsche Bewegung 64

Literaturhinweise 67

Antworten auf die Verständnisfragen 70 Lösungen der Übungsaufgaben 76-90

(4)

1. Einführung

Thermodynamik und Statistische Mechanik stellen – neben der Quantenmechanik – wichtige physi- kalische Grundlagen der Werkstoffkunde dar, die im Laufe der Ausbildung eines Werkstoffinge- nieurs in den verschiedensten Vorlesungen benötigt werden. Diese Grundlagen werden gebraucht, weil die rein makroskopische Beschreibung von Werkstoffen nicht ausreicht, wenn man funktio- nelle Werkstoffe entwickeln und verstehen möchte: ein mikroskopisch/atomares Verständnis ist ent- scheidende Voraussetzung für die Entwicklung und Verbesserung moderner, funktioneller Werkstoffe. Dies gilt in gleicher Weise für metallische, keramische und polymere Werkstoffe, sowie für Verbundwerkstoffe. Deshalb kann die Verknüpfung von mikroskopischer und makrosko- pischer Betrachtungsweise oder die Behandlung von Problemen auf verschiedenen Längen- und Zeitskalen als ein Wesensmerkmal der modernen Werkstoffkunde betrachtet werden.

Mag für Maschinenbauer die Newtonsche Mechanik völlig ausreichend sein, so sind für Werkstoff- ingenieure Thermodynamik, Statistische Mechanik und Quantenmechanik unverzichtbar, zum Bei- spiel wenn sie sich für die Stabilität von neuen Mischungen, elektronische Eigenschaften von Werkstoffen, Halbleiter, extrem zugfeste Polymerfasern, Verbundwerkstoffe oder “intelligente”

Materialien interessieren.

Aufgrund der Vielseitigkeit und Allgemeinheit von Thermodynamik und Statistischer Mechanik können hier selbstverständlich nicht alle für Werkstoffingenieure relevanten Probleme behandelt werden. Es sollen die Grundlagen der Thermodynamik und der Statistischen Mechanik entwickelt werden, und es soll an einigen Beispielen das typische Vorgehen bei den Anwendungen illustriert werden. Durch die Vorlesung Physikalische Grundlagen der Werkstoffkunde sollen die Studieren- den Zusammenhänge besser verstehen lernen, denken lernen, damit sie immer neue Probleme in der Praxis ausgehend von einem mikroskopischen Verständnis von Werkstoffen lösen können.

(5)

2. Aufbau der Thermodynamik

Mit “Aufbau” der Thermodynamik ist hier auch der Vorgang des Aufbauens gemeint, nicht nur das fertige Ergebnis des Aufbauens. Ausgangspunkt ist eine Fülle von experimentellen Befunden, die in den Hauptsätzen der Thermodynamik zusammengefaßt worden sind.

2.1 Grundbegriffe, Vorgehen

(Römer & Filk, S.1-11; Honerkamp & Römer, S.157-159; Hudson, S.3-8)

Problem:

Was ist und was leistet die Thermodynamik?

Thermodynamik: Makroskopische Theorie der Materie (Theorie der Wärme); allgemeine Theorie thermodynamischer Systeme.

Statistische Mechanik: Ableitung/Begründung der Thermodynamik aus der mikroskopischen Dynamik; Bestimmung der thermodynamischen Eigenschaften von speziellen Systemen (ideale und reale Gase, magnetische Systeme, Mischungen ...).

Einige Grundbegriffe der Thermodynamik:

Thermodynamisches System: unter festen Randbedingungen stellt sich ein zeitunabhängiger Zustand (Gleichgewichtszustand) ein, der sich durch wenige Variablen beschreiben läßt [man kann geradezu folgende Definitionen wählen: Thermodynamisches System = Liste der relevanten Varia- blen und derer Wertebereiche; Zustand des Systems = bestimmte Werte der Variablen]; zum Bei- spiel kann ein Gas trotz der riesigen Zahl von Teilchen, aus denen es typischerweise besteht, durch wenige Variablen wie Teilchenzahl, Volumen und Energie beschrieben werden.

Umgebung des Systems: mögliche äußere Einwirkungen auf das System; Formen des Austauschs von Materie, Energie, ...

Geschlossenes System: kein Materieaustausch mit der Umgebung.

Abgeschlossenes System: weder Materie- noch Energieaustausch mit der Umgebung.

Offenes System: sonst.

Erste Aufgabe der Thermodynamik: Identifizierung der relevanten Variablen für ein gegebenes Problem. Treten später Inkonsistenzen auf, so hat man einen ungeeigneten Variablensatz gewählt (oder es liegt ein Nichtgleichgewichtsproblem vor). Historisches Beispiel: Bei der Beschreibung von Wasserstoff bei tiefen Temperaturen hatte man zu Unrecht an der Gültigkeit der Thermodyna- mik gezweifelt, weil man die Bedeutung von getrennten Teilchenzahlvariablen für Moleküle mit gleichgerichteten und entgegengesetzten Kernspinstellungen zunächst nicht erkannt hatte.

Allgemein kann man ein System durch die Gesamtenergie E und eine Liste weiterer extensiver (d.h.

mengenartiger) Variablen beschrieben werden (z.B. Volumen V und Teilchenzahl N für ein Gas, Magnetisierung M für ein magnetisches System, etc.). Betrachtet man E und als n+1 unabhängige Variablen, dann möchte man auch die folgenden n+2 Variablen als Funktionen dieser unabhängigen Variablen ausdrücken: die zu gehörenden inten- siven Variablen (z.B. -p zu V und µ zu N, wobei p der Druck und µ das chemische Potential ist, oder das Magnetfeld H zur Magnetisierung M), sowie die extensive Größe Entropie S

X1, ,X2 ..., Xn X1, ,X2 ..., Xn

X1, ,X2 ..., Xn f1, ,f2 ..., fn

(6)

mit der zugehörigen intensiven Größe absolute Temperatur T. Es kann von Vorteil sein, einen ande- ren Satz von n+1 Variablen als unabhängig zu betrachten (z.B. weil experimentell leichter zugäng- lich), und dann die restlichen n+2 Variablen wiederum durch sogenannte Zustandsgleichungen als Funktionen der unabhängigen Variablen auszudrücken.

Damit läßt sich die zweite Aufgabe der Thermodynamik leicht formulieren: Bestimmung der Zustandsgleichungen für ein gegebenes Problem. Dabei ergeben sich verschiedene Fragen: Wie- viele Zustandsgleichungen benötigt man, um ein System vollständig zu charakterisieren? Welche Konsistenzbedingungen zwischen verschiedenen Zustandsgleichungen sind zu berücksichtigen?

Zum Beispiel gibt es für Gase eine allgemeine Konsistenzbedingung, .

Ist also etwa E unabhängig von V, so muß p linear in T sein (vgl. ideales Gas). Um Inkonsistenzen und Redundanzen in den Zustandsgleichungen zu vermeiden, werden wir die Idee von thermodyna- mischen Potentialen einführen. Aus dem entsprechenden thermodynamischen Potential lassen sich bei gegebener Liste von unabhängigen Zustandsvariablen alle anderen Variablen bestimmen. Die Idee der thermodynamischen Potentiale spielt eine zentrale Rolle im Formalismus der Thermody- namik. Die Bestimmung eines thermodynamischen Potentials für ein konkretes System geht über den Formalismus hinaus und verlangt Experimente oder theoretische Ableitungen (im Rahmen der Statistischen Mechanik).

Formalismus der Thermodynamik:

Der hier gewählte Zugang zur Thermodynamik, insbesondere die Konstruktion von thermodynami- schen Potentialen, beruht auf grundlegenden Erfahrungen, den sogenannten Hauptsätzen der Ther- modynamik, nicht auf einer theoretischen Ableitung aus den Prinzipien der Mechanik.

Vorteile dieses Zugangs:

Allgemeingültigkeit

Bequemlichkeit für Anwender

Begriffliche Klarheit (nicht an spezielles System gebunden)

Historischer Ursprung (Wärmelehre, nicht Mechanik)

Strenge Herleitung der Thermodynamik aus der Statistischen Mechanik bisher nicht möglich Nachteile dieses Zugangs:

Auf (lokales) Gleichgewicht beschränkt

Thermodynamisches Potential bleibt unbestimmt (Vorhersagekraft auf Relationen beschränkt)

Zeitlicher Verlauf der makroskopischen Variablen nicht berechenbar

2.2 Der erste Hauptsatz (Energieerhaltung)

(Honerkamp & Römer, S.159-160; Römer & Filk, S.11-14; Chandler, S.4-8; Höfling, S.339-346)

Problem:

Was bedeutet ‘Wärme’? Wie hängt dieser Begriff mit dem der Energie zusammen?

Vorbemerkung: Wir betrachten zunächst nur homogene Systeme. Für allgemeine heterogene Systeme zerlegen wir das Gesamtsystem in homogene Teilsysteme und addieren die Energie (und andere extensive Zustandsvariablen) der Teilsysteme auf.

E T V N( , , )

V

--- Tp T V N( , , )

T

--- –p T V N( , , )

=

(7)

Was ist Energie? Beispiele (kinetisch, potentiell, ...), Eigenschaften (erhalten, extensiv, bestimmt die Zeitentwicklung eines mechanischen Systems), Einheiten (kWh, kcal, Größenordnung von Umrechnungsfaktoren [1 kWh=859.8 kcal; vgl. die Preise für Strom, Schokolade und Zucker]);

experimentelle Bestimmung der spezifischen Wärme von Flüssigkeiten nach Joule.

Der erste Hauptsatz: Die Gesamtenergie eines thermodynamischen Systems ist eine extensive Zustandsvariable, deren Wert sich in einem abgeschlossenen System nicht mit der Zeit ändert.

Die Energie eines offenen Systems kann sich demnach nur durch Energieaustausch mit der Umge- bung ändern:

,

wobei dE der Zuwachs in der Zustandsvariablen E des Systems ist, δQ die zugeführte Wärme (ein Symbol, nicht auffaßbar als Zuwachs in einer Zustandsvariablen Q), δW die Arbeit am System (besser: “Nichtwärme”).

Allgemein: , z.B.:

Anmerkungen:

(i) Idee der adiabatischen Wände (wärmeundurchlässig); Bestimmung von δQ durch Vergleich mit adiabatischen Zustandsänderungen.

(ii) Beispiel Mikrowellenherd: Temperaturerhöhung nicht durch Zufuhr von Wärme (vgl. Back- röhre, Wasserbad), sondern durch elektromagnetische Strahlung.

2.3 Der zweite Hauptsatz (Entropiebilanz)

(Honerkamp & Römer, S.160-162; Römer & Filk, S.14-18; Chandler, S.8-16; Callen, S.25-31) Typische Probleme der Thermodynamik:

Welcher Endzustand stellt sich ein, wenn man folgendes erlaubt?

Wärmeaustausch zwischen den beiden Teilsystemen

Volumenaustausch (bewegliche Trennwand)

Teilchenaustausch, evtl. nur eine Sorte (Löcher in der Trennwand)

Wärmeaustausch mit der Umgebung (äußere Wand ohne Wärmeisolation)

Problem:

Diese Fragen lassen sich bisher nicht beantworten, so daß wir ein zusätzliches Prinzip einführen müssen. “Offensichtlich” gibt es Anfangszustände, die wir niemals als Ergebnis einer spontanen Fluktuation erwarten würden. Wir haben ein Gefühl dafür, daß im Endzustand Unter- schiede ausgeglichen werden, daß große (“verrückte”) Fluktuationen nicht spontan auftreten. Die- ses Gefühl wird durch Einführung der Zustandsvariablen Entropie präzisiert, die anzeigt, in welcher Richtung sich das System entwickelt (“Ausgleich” entspricht Vergrößerung der Entropie).

Die Einführung eines derartigen Konzepts ist zwingend, wenn man die obigen Fragen beantworten dE = δQW

δW fidXi

i

f dX

= = δW = –pdV+µdN+H dM⋅ +...

E1, ,V1 N1 E2, ,V2 N2

(8)

will, nachdem man durch Beschränkung auf einen kleinen Variablensatz die Dynamik des Systems nicht mehr vollständig beschreiben kann.

Konzept der Temperatur (siehe auch Kuypers, S.181-191):

Vorbemerkung: Wenn zwei Systeme Energie nur in Form von Wärme austauschen, stellt sich ein thermisches Gleichgewicht ein. Dadurch ist eine Äquivalenzrelation (intuitiv: “gleich warm”) zwi- schen den Zuständen verschiedener Systeme definiert.

Der nullte Hauptsatz: Es gibt für jedes thermodynamische System eine intensive Zustandsvariable ϑ, empirische Temperatur genannt, so daß Systeme sich genau dann miteinander im thermischen Gleichgewicht befinden, wenn sie in Zuständen zu gleichem Wert von ϑ sind. Größere Werte von ϑ entsprechen wärmeren Zuständen.

Anmerkungen:

(i) Mit ϑ ist auch jede streng monoton wachsende Funktion f(ϑ) eine empirische Temperatur.

(ii) Temperaturmessung: Man kann ein festes System wählen und alle Variablen bis auf eine fest- halten: die frei veränderliche Variable nimmt im thermischen Gleichgewicht mit dem System, des- sen Temperatur zu messen ist, einen Wert an, den wir als empirische Temperatur verwenden können (falls dieser Wert für wärmere Zustände strikt zunimmt). Beispiele: Quecksilberthermometer, Gas- thermometer, Bimetallthermometer, Widerstandsthermometer, Strahlungspyrometer, Thermoele- ment (siehe Aufgabe 1).

Der zweite Hauptsatz: Es gibt eine intensive Zustandsvariable T (absolute Temperatur) und eine extensive Zustandsvariable S (Entropie), so daß für ein homogenes System im Gleichgewicht gilt:

Die Entropie eines abgeschlossenen Systems (das aus mehreren homogenen Teilsystemen bestehen kann) nimmt niemals ab und erreicht im Gleichgewichtszustand ein Maximum (das durch die vor- gegebenen Randbedingungen bestimmt ist).

Anmerkungen:

(i) Der Begriff Entropie (innewohnende Fähigkeit zum Wandel des Zustands) wurde 1865 von R.

Clausius in Anlehnung an den Begriff Energie (innewohnende Fähigkeit zur Arbeitsleistung) geprägt.

(ii) Der erste Teil des zweiten Hauptsatzes beschreibt den Austausch von Entropie (und löst damit die zugeführte Wärme δQ auf), während der zweite Teil eine Aussage über die Erzeugung von Entropie in einem System macht.

(iii) Die Entropie ist nur für Gleichgewichtssysteme definiert. Die Maximierung ist dann so zu ver- stehen, daß der globale Gleichgewichtszustand eine höhere Entropie besitzt, als wenn das System aus verschiedenen Teilsystemen besteht (z.B. durch innere Nebenbedingungen gegeben, oder ver- schiedene Phasen), deren Entropie definiert ist (Gleichgewicht in jedem Teilsystem) und über die Teilsysteme aufsummiert werden kann (Extensitivität der Entropie).

(iv) Durch die Forderung, daß die Entropie extensiv sein soll, sind T und S bis auf einen Faktor fest- gelegt. Durch die Definition der Einheit 1 K (Kelvin) wird auch über diesen Faktor verfügt (am Tri- pelpunkt des Wassers, d.h. am eindeutigen Koexistenzpunkt von Flüssigkeit, Dampf und Eis, beträgt die Temperatur definitionsgemäß 273,16 K).

dE = TdS+ f dX

(9)

(v) Aus dem zweiten Hauptsatz folgt, daß Energie vom wärmeren zum kälteren System fließt, bis die Temperaturen ausgeglichen sind.

(vi) Historische Formulierungen des zweiten Hauptsatzes:

Es ist unmöglich, Wärme von einem kälteren zu einem wärmeren Reservoir zu bringen, ohne in der Umgebung irgendwelche Veränderungen zu hinterlassen (R. Clausius).

Es ist unmöglich, eine periodisch arbeitende Maschine zu konstruieren, die weiter nichts bewirkt, als Arbeit zu leisten und ein Wärmereservoir abzukühlen (W. Thomson = Lord Kelvin) (vii) Beim nicht umkehrbaren Übergang von einem Nichtgleichgewichtszustand in einen Gleichge- wichtszustand nimmt die Entropie zu (Auszeichnung einer Zeitrichtung). Bei reversiblen Zustands- änderungen können daher nur Gleichgewichtszustände durchlaufen werden (quasi-statische Prozesse, unendlich langsam durchgeführt).

(viii) Der zweite Hauptsatz macht nur über Entropiedifferenzen Aussagen. Absolute Werte werden erst durch den von W. Nernst 1918 formulierten dritten Hauptsatz festgelegt (der letztendlich nur mit Hilfe der Quantenstatistik zu verstehen ist).

Der dritte Hauptsatz: Beim absoluten Nullpunkt nähert sich die Entropie eines Systems im Gleichgewicht einem von Volumen, Druck, Aggregatszustand ... unabhängigen kleinstmögli- chen Wert .

2.4 Die Gibbssche Fundamentalform (Honerkamp & Römer, S.162; Chandler, S.20-25)

Problem:

Welche konkreten und praktischen Informationen lassen sich aus der Existenz der Zustandsvariablen Entropie herausziehen?

Gibbssche Fundamentalform:

Da der Zustand eines Systems vollständig durch die Werte der Variablen E und beschrieben wer- den kann:

Verwendet man S und als unabhängige Variablen, dann erkennt man, daß sich die innere Energie nicht nur durch die explizit kontrollierbaren Variablen beeinflussen läßt, sondern auch durch S (“Wärme” = “der Rest” wird durch die Entropie erfaßt). Ist die Funktion für ein gegebenes System bekannt, dann ergibt sich aus der Gibbsschen Fundamentalform:

Die Funktion enthält somit die gewünschte Information über alle Zustandsgleichungen;

man nennt deshalb auch ein thermodynamisches Potential.

T = 0 S0 = 0

dE TdS fidXi

i=1

n

+

=

X

S = S(E X, ) als Zustandsvariable ⇒ E = E(S X), X

X

E(S X),

T(S X), ∂E(S X),

S --- ,

= fi(S X), ∂E(S X),

Xi ---

= E(S X),

E(S X),

(10)

Auch die Funktion kann als thermodynamisches Potential verwendet werden. Nach der folgenden Umschreibung der Fundamentalform,

, erhält man

Maxwellsche Relationen:

Aus der Vertauschbarkeit zweiter Ableitungen erhalten wir die folgenden Konsistenzbedingungen, die als Mawellsche Relationen bekannt sind (diese Bedingungen können direkt auf dem Level der Zustandsgleichungen , , d.h. ohne Kenntnis eines thermodynamischen Potentials, überprüft werden):

Aus dem extensiven Charakter aller Variablen in ergibt sich die Beziehung

oder, zusammen mit der Gibbsschen Fundamentalform, auch

Diese Gleichung ist als Gibbs-Duhem-Beziehung bekannt.

Beispiel Gas:

Für intensive Funktionen findet man:

S = S(E X, )

dS 1

T--- dE fi T--- dXi

i=1

n

=

1 T(E X),

--- ∂S(E X),

E --- ,

= - fi(E X),

T(E X),

--- ∂S(E X),

∂Xi ---

=

fi(S X), T(S X),

2E(S X),

∂Xi∂Xj

--- ∂fi(S X),

∂Xj

--- ∂fj(S X),

∂Xi ---

= =

2E(S X),

∂S∂Xi

--- ∂T(S X),

∂Xi

--- ∂fi(S X), ---∂S

= =

E(S X), E TS fiXi

i=1

n

+

=

SdT Xidfi

i=1

n

+ = 0.

E = TSpV+µN SdTVdp+Ndµ = 0

p S V N( , , ) p S V--- N

V----

 , 

 

= T S V N( , , ) T S

V--- N V----

 , 

 

=

(11)

2.5 Thermodynamische Potentiale

(Römer & Filk, S.18-20; Honerkamp & Römer, S.141-142; Chandler, S.16-20; Callen, S.137-148;

Reichl, S.32-41)

Problem:

Im vorigen Abschnitt wurde als thermodynamisches Potential eingeführt. Da T viel leichter zu messen ist als S, würde man im allgemeinen gerne T und als unabhängige Variablen zur Beschreibung eines thermodynamischen Systems verwenden. Ganz allgemein stellt sich die Frage, ob und wie man nach Auswahl geeigneter unabhängiger Variablen für ein gegebenes Problem die restlichen Zustandsvariablen aus einem thermodynamischen Potential durch Differen- zieren gewinnen kann.

Legendre-Transformationen:

Aus der Gibbssche Fundamentalform ergibt sich mit Hilfe der Produktregel:

Freie Energie:

und dann:

.

Derartige Transformationen sind als Legendre-Transformationen bekannt. Oft kontrolliert man lie- ber den Druck als das Volumen, und man führt deshalb weitere Legendre-Transformationen durch.

Übersicht über thermodynamische Potentiale:

An der ETH wird die “freie Enthalpie” bei den Physikern auch “Gibbssches Potential” genannt.

Für Einstoffsysteme stimmt die freie Enthalpie pro Teilchen mit dem chemischen Potential überein.

Beispiele:

(i) Ideales Gas: Zusammenstellung einiger wichtiger Formeln (siehe Aufgaben 2, 4 und 5 zu den Details).

Elementare Zustandsgleichungen: ,

Thermodynamische Potentiale: ,

Variablen thermodynamisches

Potential Name (D) Name (E)

S, V, N, ... E (oder U) Energie energy

T, V, N, ... (oder A) freie Energie Helmholtz free energy

S, p, N, ... Enthalpie enthalpy

T, p, N, ... freie Enthalpie Gibbs free energy E(S X),

X

d E( –TS) = – dTS + f dXF = ETS

T(S X), ⇒S(T X), F(T X), = E(S(T X) X), , –TS(T X),

∂F(T X),

---∂T S(T X), , ∂F(T X),

∂Xi

--- = fi(T X), –

=

F = ETS H = E+pV G = ETS+pV

E = 3NkT 2pV = NkT

G T p N( , , ) = (T p N, , ) = –NkT ln(z˜T5 2p)

(12)

Entropie:

Dabei ist , m die Teilchenmasse und h das Plancksche Wirkungsquantum.

(ii) Magnetisches System bei hohen Temperaturen (entropiedominiert):

, c: Curiesche Konstante Es ergibt sich:

, , .

Paramagnetismus; c/T als magnetische Suszeptibilität pro Teilchen.

2.6 Thermische und kalorische Zustandsgleichungen (Römer & Filk, S.26-29; Honerkamp & Römer, S.162-164)

Problem:

Wie kann man ein thermodynamisches Potential aus (experimentell direkter zugängli- chen) Zustandsgleichungen rekonstruieren?

Gegeben: – kalorische Zustandsgleichung – n thermische Zustandsgleichungen

(auf eine der thermischen Zustandsgleichungen kann man wegen der Gibbs-Duhem- Beziehung verzichten)

Aufgabe: Konstruiere ein thermodynamisches Potential, z.B.

Konsistenzbedingungen (Maxwellsche Relationen):

Unter diesen Bedingungen kann (und damit auch die freie Energie) als Potential mit den folgenden partiellen Ableitungen aus den Zustandsgleichungen gewonnen werden:

F T V N( , , ) NkT

k-- V N---- T3 2

 

  +1

ln –

= S Nk ln(z˜T5 2p) 5

2---

+ Nk V

N---- 4πmE 3Nh2 ---

 

 3 2

ln 5

2---

 + 

 

 

= =

k 2πmk h2 ---

 

 3 2

=

F(T N M), , 1 2c--- T M

2

---N

=

S(T N M), , 1 2c---

M

2

---N

= E = 0 M

---N c T--- H

=

E(T X), fi(T X),

F(T X), = E(T X), –TS(T X),

∂fi(T X),

∂Xj

--- ∂fj(T X),

∂Xi ---

=

fi(T X), T∂fi(T X), ---∂T

– ∂E(T X),

∂Xi ---

=

S(T X),

(13)

.

Beispiel: Ideales Gas (siehe Aufgabe 4).

Praktisches Vorgehen:

Ausgehend von der allgemeinen Form des entsprechenden thermodynamischen Potentials benutzt man die erste Zustandsgleichung (Differentialgleichung für eine der Variablen) um die Abhängig- keit des Potentials von der entsprechenden Variablen zu bestimmen; alle übrigen Variablen treten noch in der Integrationskonstante auf. Sukzessive benutzt man die weiteren Zustandsgleichungen, um die verbleibenden unbekannten Abhängigkeiten zu eliminieren. Die Maxwellschen Relationen garantieren, daß das Ergebnis unabhängig von der Reihenfolge der benutzten Zustandsgleichungen ist. Wegen der Gibbs-Duhem-Beziehung kann man auf eine der Zustandsgleichungen verzichten.

2.7 Materialgrößen

(Römer & Filk, S.29-34; Honerkamp & Römer, S.143-145; Reichl, S.42-45)

Problem:

Wie erhält man aus einem thermodynamischen Potential direkt meßbare thermische Materialeigenschaften?

Definition einiger Materialgrößen:

isotherme Kompressibilität adiabatische Kompressibilität

Wärmekapazität bei konstantem Volumen Wärmekapazität bei konstantem Druck isobarer Ausdehnungskoeffizient isochorer Spannungskoeffizient Anmerkungen:

(i) Wegen des dritten Hauptsatzes gilt: , für . (ii) ; für ein einatomiges ideales Gas.

(iii) ; die Größe α oder β kann mit Hilfe der Identität zugunsten von κ eliminiert werden (siehe Aufgabe 8).

∂S(T X), ---∂T 1

T---∂E(T X),

--- , ∂T ∂S(T X),

∂Xi

--- ∂fi(T X), ---∂T –

= =

κ 1

V--- ∂V T p( , ) ---∂p –

=

κS 1

V--- ∂V S p( , ) ---∂p –

=

CV T ∂S T V( , ) ---∂T

=

Cp T ∂S T p( , ) ---∂T

=

α 1

V--- ∂V T p( , )

T ---

=

β 1

p--- ∂p T V( , ) ---∂T

=

CV→0 Cp→0 T→0 CV ∂E T V( , )

---∂T

= CV 3

2---Nk

=

CpCV = pVTαβ α = pβκ

(14)

für ein ideales Gas.

2.8 Gleichgewicht und Stabilität

(Römer & Filk, S.34-39; Honerkamp & Römer, S.164-168; Callen, S.203-210; Chandler, S.33-37;

Reichl, S.45-52)

Problem:

Wie findet man Gleichgewichtszustände thermodynamischer Systeme? Was lernt man aus der Stabilität von Gleichgewichtszuständen?

Aus der Analysis wissen wir, daß es, um ein Maximum einer Funktion zu finden, nicht genügt, die erste Ableitung der Funktion gleich null zu setzen; man muß zusätzlich überprüfen, ob die zweite Ableitung kleiner als null ist. Bei Wärmeaustausch zwischen zwei Systemen liefert die Gleichge- wichtsbedingung aus dem zweiten Hauptsatz (Maximum der Entropie) für die erste Ableitung

. Aus der zweiten Ableitung ergibt sich die folgende Stabilitätsbedingung:

oder umformuliert .

Bei Wärme- und Volumenaustausch zwischen zwei Systemen erhält man die Gleichgewichtsbedin- gungen und . Die Bedingungen für die zweiten Ableitungen bedeuten dann, daß die durch die Matrix der zweiten Ableitungen von S nach E und V definierte quadratische Form negativ definit ist. Als weitere Beispiele für handlich umformulierte Stabilitätsbedingungen halten wir fest:

, , ,

Um für die Bestimmung von stabilen Gleichgewichtszuständen nicht immer auf das Maximierungs- prinzip für die Entropie zurückgreifen zu müssen, seien hier noch einige Umformulierungen des zweiten Hauptsatzes zusammengestellt. Der zweite Hauptsatz besagt ja, daß, wenn man mehrere Teilsysteme zu einem abgeschlossenen Gesamtsystem zusammenfassen kann, die Entropie des Gesamtsystems nicht spontan abnehmen kann und im stabilen Gleichgewicht maximal ist.

Weitere Kriterien für stabile Gleichgewichtszustände:

1. In einem System seien folgende Größen konstant: Entropie (Abgabe erzeugter Entropie an die Umgebung ist erlaubt), Volumen, sowie zusätzliche extensive Variablen zur Beschreibung des Systems. Dann nimmt die Energie nicht spontan zu und ist im stabilen Gleichgewicht minimal.

[Bei Annäherung ans Gleichgewicht erzeugte Entropie muß abgeführt werden; bei der Wahl der festgehaltenen Variablen gilt für den Austauschterm dE=TdS.]

2. In einem System seien folgende Größen konstant: Entropie (Abgabe erzeugter Entropie an die Umgebung ist erlaubt), Druck, sowie zusätzliche extensive Variablen zur Beschreibung des Systems. Dann nimmt die Enthalpie nicht spontan zu und ist im stabilen Gleichgewicht mini- mal.

CpC

V = Nk

T1 = T2

2S(E X),

∂E2

---≤0 CV≥0

T1 = T2 p1 = p2

Cp≥0 CV≥0 CpCV κ≥0 κS≥0

T≥0

(15)

[Bei Annäherung ans Gleichgewicht erzeugte Entropie muß abgeführt werden; bei der Wahl der festgehaltenen Variablen gilt für den Austauschterm dH=TdS.]

3. In einem System seien folgende Größen konstant: Temperatur (Ankopplung an ein Wärmereser- voir), Volumen, sowie zusätzliche extensive Variablen zur Beschreibung des Systems. Dann nimmt die freie Energie nicht spontan zu und ist im stabilen Gleichgewicht minimal.

[Erzeugungsterm: F=E-TS wird durch Erzeugung von Entropie im System kleiner;

Austauschterm: F bleibt bei der Wahl der festgehaltenen Variablen beim Wärmeaustausch mit dem Reservoir unverändert.]

4. In einem System seien folgende Größen konstant: Temperatur (Ankopplung an ein Wärmereser- voir), Druck, sowie zusätzliche extensive Variablen zur Beschreibung des Systems. Dann nimmt die freie Enthalpie nicht spontan zu und ist im stabilen Gleichgewicht minimal.

[Erzeugungsterm: E+pV bleibt konstant (Volumen kann sich nur durch Austausch mit der Umgebung ändern), G=E+pV-TS wird durch Erzeugung von Entropie im System kleiner;

Austauschterm: G bleibt bei der Wahl der festgehaltenen Variablen beim Wärme- oder Volu- menaustausch mit der Umgebung unverändert.]

Man beachte, daß für jeden konstant gehaltenen Variablensatz das entsprechende thermodynami- sche Potential zu minimieren ist, um stabile Gleichgewichtszustände zu finden.

2.9 Zusammenfassung der Vorgehensweise (Callen, S.283-287)

Problem:

Wie packt man thermodynamische Problemstellungen an?

Wenn wir in Zukunft ein thermodynamisches Problem behandeln wollen, sollten wir nicht immer wieder bis auf die Grundlagen des ersten und zweiten Hauptsatzes zurückgehen. Die in den Haupt- sätzen der Thermodynamik zusammengefaßten, grundlegenden Erfahrungen sind lediglich als Hin- tergrund für die folgende Vorgehensweise zu verstehen:

Bei bekanntem thermodynamischen Potential muß man für die Anwendungen der Thermodynamik nur differenzieren können. Sind nur die Zustandsgleichungen bekannt, so muß man auch integrie- ren können, um ein thermodynamisches Potential zu bestimmen. Die Analysis von Funktionen mehrerer Variablen ist daher zentrales und unverzichtbares Rüstzeug für die Thermodynamik.

Für ein gegebenes Problem überlege man sich zunächst, welche intensiven und extensiven Variablen zur vollständigen (d.h. reproduzierbaren) Beschreibung des Problems benötigt wer- den. Dann wähle man einen geeigneten Satz unabhängiger Variablen und mache sich klar, was das zugehörige thermodynamische Potential ist. Dieses thermodynamische Potential hat man aus experimentell gewonnenen Zustandsgleichungen oder mit Hilfe der Statistischen Mecha- nik zu bestimmen. Es muß gewisse, allgemeine Bedingungen erfüllen (Extensivität, Stabilität, 3. Hauptsatz). Ist das thermodynamische Potential einmal bekannt, dann kann man alle Zustandsgleichungen und die thermodynamisch stabilen Zustände des Systems bestimmen (Phasendiagramme). Man kann das betrachtete System auch in Wechselwirkung mit anderen Systemen (z.B. Wärmereservoirs) bringen (Wärme/Kältemaschinen).

(16)

Verständnisfragen

V1. Welche zusätzliche Eigenschaft muß ein geschlossenes System haben, um ein abgeschlossenes System zu sein?

V2. Was sind ‘intensive’ und ‘extensive’ Variablen? Geben Sie je drei Beispiele.

V3. Nennen Sie drei Paare von ‘konjugierten’ Variablen (für Systeme Ihrer Wahl). In welchem Zusammenhang steht der Begriff der ‘konjugierten’ Variablen mit den thermodynamischen Potentialen? Wieso muß die konjugierte Variable einer extensiven (intensiven) Variablen intensiv (extensiv) sein?

V4. Wie kann man am Beispiel des Mikrowellenherdes erklären, daß es keine Zustandsvariable ‘Wärme’ gibt?

V5. Was ist über das Vorzeichen der Entropieänderung bei geschlossenen, abgeschlossenen und offenen Systemen zu sagen?

V6. Warum wird heutzutage der Tripelpunkt des Wassers zur Definition des Kelvins herangezogen?

V7. Wie lautet die Gibbs-Duhem Beziehung? Worauf beruht sie?

V8. Erläutern Sie die Bedeutung von Legendre-Transformationen in der Thermodynamik! In welchem Zusammen- hang steht die Legendre-Transformation mit den Begriffen ‘konjugierte Variable’, ‘intensive Variable’ und

‘extensive Variable’?

V9. Welche Beziehungen für ein ideales Gas kennen Sie auswendig? Ist eine dieser Beziehungen ein Ausdruck für ein thermodynamisches Potential? Wie kann ein thermodynamisches Potential gewonnen werden?

V10. Welches thermodynamische Potential ist zu wählen, wenn Sie ein System bei kontrollierbarem Druck p und kon- trollierbarer Temperatur T beschreiben wollen? Die analoge Frage ist für die Paare (p, S), (V, T) und (V, S) zu beantworten. Welches ist die physikalische Bedeutung der partiellen Ableitungen dieses Potentials nach seinen Variablen?

V11. Wie heißen die Konsistenzbedingungen, welche man beim Aufstellen von thermodynamischen Zustandsglei- chungen beachten muß? Wie leitet man diese Konsistenzbedingungen her? Führen Sie die Herleitung einer sol- chen Konsistenzbedingung am Beispiel eines Systems durch, welches durch eine freie Energie der Form F(T,V,N) beschrieben wird.

V12. Wie erhält man Materialeigenschaften wie Kompressibilitäten oder Wärmekapazitäten aus einem thermodynami- schen Potential?

V13. Was kann über die thermodynamischen Potentiale im Zusammenhang mit dem Erreichen und der Stabilität von Gleichgewichtszuständen gesagt werden? Wie stellt man den Zusammenhang zwischen der Stabilitätsbedingung und den Materialeigenschaften des Systems her?

Aufgabe 1: Thermometer

Erklären Sie die Prinzipien, auf denen die folgenden Thermometer beruhen:

a) Quecksilberthermometer b) Gasthermometer c) Bimetallthermometer d) Widerstandsthermometer e) Strahlungspyrometer f) Thermoelement.

Suchen Sie Informationen zum jeweiligen Temperaturbereich und der Genauigkeit. Warum war Quecksilber als Ther- mometerflüssigkeit eine besonders glückliche Wahl?

(17)

Aufgabe 2: Partielle Ableitungen

a) Berechnen Sie für die Funktion die partiellen Ableitungen und

, wobei k und c Konstanten bezeichnen.

b) Berechnen Sie für die Funktion die partiellen Ableitungen und

, wobei k und wiederum Konstanten sind.

(Anmerkung: Diese Funktionen wurden so gewählt, daß F die freie Energie und G die freie Enthalpie eines idealen ein- atomigen Gases beschreibt.)

Aufgabe 3: Integrabilitätsbedingung

Ein Vektorfeld erfüllt die Integrabilitätsbedingung, falls für alle Indexpaare (i, k) die Beziehung erfüllt ist. In diesem Fall gibt es eine Funktion (Potential) , so daß

. Prüfen Sie, ob in den folgenden Fällen die Integrabilitätsbedingung gilt:

a) für die dreikomponentige Funktion , wobei c=const. (zum Beispiel Gra- vitationsfeld in Erdnähe).

b) für die zweikomponentige Funktion (fT (T, p), fp (T, p)) mit und , wobei k, N und Konstanten sind.

Aufgabe 4: Konstruktion eines thermodynamischen Potentials (Ideales Gas)

Konstruieren Sie ein thermodynamisches Potential aus der kalorischen Zustandsgleichung und der ther- mischen Zustandsgleichung . Dabei bezeichnet E die innere Energie, k die Boltzmann-Konstante, T die

absolute Temperatur, p den Druck und V das Volumen). Die Teilchenzahl N soll als Konstante betrachtet werden.

Hinweise: Wählen Sie zuerst die unabhängigen Variablen und das zugehörige Potential; drücken Sie die obigen Zustandsgleichungen durch das gewählte Potential aus; bei der Integration können die Integrationskonstanten von den anderen Variablen abhängen!

Aufgabe 5: Legendre-Transformation

Die Legendre-Transformation einer Funktion f(x) ist eine Transformation von der Variablen x zu der Variablen und ist wie folgt definiert:

und daraus: .

(Falls die Funktion f(x) noch von anderen Variablen als x abhängt, verhalten sich diese während der Legendre-Transfor- mation wie Konstanten.)

Berechnen Sie die Legendre-Transformierte der freien Energie bezüglich der Variablen V, wobei .

F T V N( , , ) = kTNln(cT3 2 V N )

V

 ∂F

 

T N,

T

 ∂F

 

V N,

G T p N( , , ) = kTN 1[ ln(c˜T5 2 p)]

p

 ∂G

 

T N,

T

 ∂G

 

T N,

f1(x1, , xn) …, ,fn(x1, , xn)

( )

xk

fi xi

fk

= φ(x1, , xn)

x1

∂φ … xn

∂φ

, ,

= (f1, , fn)

fx(x y z, , ),fy(x y z, , ),fz(x y z, , )

( ) = (0 0 c, , )

fT(T p, ) kN 1[ ln(c˜T5 2 p)] kTN 5 2T--- +

= fp(T p, ) kTN

---p

=

E = 3NkT 2 pV = NkT

y = xf x( )

y x( )

xf x( )

= x = x y( ) Lf y( ) = f x y( ( ))y x y ( )

F T V N( , , ) = kTNln(cT3 2 V N )

(18)

Aufgabe 6: Thermodynamisches Potential für die Feder

Wir betrachten eine Feder der Länge (Dehnung) L und Masse M, mit temperaturabhängiger Federkonstante h(T). Die thermischen Zustandsgleichungen ergeben für die Federkraft f (die zu L konjugierte intensive Variable) und für das chemische Potential µ (die zu M konjugierte intensive Variable)

. Die kalorische Zustandsgleichung lautet .

Berechnen Sie das thermodynamische Potential F(T,L,M) (freie Energie). Für die Berechnung der Integrationskonstan- ten ist zu beachten, daß F extensiv sein muß.

Aufgabe 7: Experimentelle Bestimmung von Zustandsgleichungen

Überlegen Sie sich mögliche Versuchsanordnungen zur Bestimmung der thermischen Zustandsgleichungen für die fol- genden beiden Systeme:

a) Gas (bestimmt durch E(S,V,N)): thermische Zustandsgleichung für p,

b) magnetisches System (bestimmt durch E(S,V,M)): thermische Zustandsgleichung für M.

Welche Größen sind überhaupt experimentell zu bestimmen?

Aufgabe 8: Relation zwischen den Wärmekapazitäten

Beweisen Sie die folgende Relation zwischen den Wärmekapazitäten und : .

Hinweis: Drücken Sie als partielle Ableitung der Entropie aus, ersetzen Sie diese partielle Ableitung gemäß dem 1.

Hauptsatz durch andere partielle Ableitungen.

f T L M( , , ) h T( )L M---

= µ(T L M, , ) 1

2---h T( )L2 M2 ---

= E T L M( , , ) M

--- h T2 ( ) T∂h T( )

T ---

L2

M2 ---

=

Cp CV

CpCV T

T

p

  

V N, VT

  

p N,

= Cp

(19)

3. Anwendungen der Thermodynamik

3.1 Kreisprozesse und Wärmemaschinen

(Römer & Filk, S.20-25; Honerkamp & Römer, S.145-155; Höfling, S.372-383; Callen, S.91-130)

Problem:

Welche Grenzen setzt die Thermodynamik für die Umwandlung von Wärme in mecha- nische Arbeit? (Eine klassische Frage, deren Beantwortung sehr stark zur Entwicklung der Thermo- dynamik beigetragen hat.)

Einige Begriffe:

Prozeß: (Stetiger) Übergang eines Systems von einem Zustand in einen anderen; nur Anfangs- und Endzustand interessieren.

Kreisprozeß: Nach einer gewissen Zeit (“Periode”) stimmt der Endzustand mit dem Anfangszu- stand überein.

Realisierung eines Prozesses: Angabe aller Zwischenzustände von System und Umgebung.

Wärmereservoir (zur Temperatur T): Ein System, das nur Energie in Form von Wärme mit anderen Systemen austauschen kann und dabei konstante Temperatur (T) behält (Beispiele: genügend große Systeme, Wasser-Eis-Gleichgewichtssystem).

Eigenschaften von Prozessen: isotherm (T=const) isobar (p=const) isochor (V=const) isentrop (S=const) isoenergetisch (E=const) Eigenschaften von Prozeßrealisierungen:

reversibel (man kann ohne Änderungen in System und Umwelt zum Ausgangspunkt zurückkeh- ren)

adiabatisch (ohne Austausch von Entropie mit der Umgebung)

Z.B.: Ein adiabatisch realisierter, isentroper Prozeß muß reversibel realisiert sein.

Isotherme Expansion eines idealen Gases:

(i) Reversible Realisierung:

kleine Gewichte, nach und nach wegnehmen

Wärmereservoir

V1V2

A p Vd

V1 V2

NkT--- VV d

V1 V2

NkT lnVV---21

= = =

T = const⇒E = const

T∆S vom Wärmereservoir aufgenommen

∆S = NklnV2NklnV1 System:

p, V, T

(20)

(ii) Adiabatische (irreversible) Realisierung:

Carnot-Maschine (Carnotscher Kreisprozeß):

Entropieaufnahme von einem Wärmereservoir bei hoher Temperatur (isotherme Expansion), Abkühlung auf die Temperatur bei konstanter Entropie (adiabatische Expansion), Entropieab- gabe an ein Wärmereservoir bei der Temperatur (isotherme Kompression), Erwärmung auf die Temperatur bei konstanter Entropie (adiabatische Kompression):

Zur Diskussion des Carnotschen Kreisprozesses im p-V-Diagramm siehe Aufgabe 9.

Wärmepumpe:

Durch Arbeit wird einem System höherer Temperatur (Haus) Wärmeenergie zugeführt, wobei einem Wärmereservoir niedrigerer Temperatur (Umgebungsluft) Wärmenergie entnommen wird.

3.2 Die Gibbssche Phasenregel

(Hudson, S.39-49; Reichl, S.85-87; Callen, S.245-248; Römer & Filk, S.41; Chandler, S.29-38)

Problem:

Wieviele unabhängige Variablen benötigt man, um die Gleichgewichtszustände von mehrphasigen Systemen zu beschreiben und somit etwa die Stabilität von Mischungen oder Legie- rungen vorherzusagen? Welche Variablen kann man vorteilhaft verwenden?

Phasen: Homogene (bis in den molekularen Bereich!), durch scharfe Trennlinien abgegrenzte, physikalisch unterscheidbare Zustandsformen (im Gleichgewicht!) der Stoffe.

Beispiele: Wasser – feste, flüssige, gasförmige Phase (verschiedene Aggregatszustände);

Kristalle – verschiedene Kristallformen;

Magnetische Systeme – ferromagnetische, paramagnetische Phase.

System:

p, V, T

Zwischenwand herausziehen

Entropieerzeugung

(während der Expansionsphase können keine Aussagen

gemacht werden)

T1 T2

T2 T1

T

S T1

T2

S1 S2

Arbeit

Aufgenommene Wärmeenergie: Q1 = T1∆S Abgegebene Wärmeenergie: Q2 = T2∆S

Wirkungsgrad: ηmax Q1Q2 Q1

--- T1T2 T1 ---<1

= =

(optimaler Wirkungsgrad bei reversibler Realisierung) Geleistete Arbeit: Q1Q2

(21)

Heterogene Gleichgewichtssysteme:

Man betrachte die einzelnen Phasen eines heterogenen Gleichgewichtssystems als Teilsysteme und addiere deren extensive Variablen auf, um die extensiven Variablen des Gesamtsystems zu erhalten;

z.B. erhält man für P verschiedene Phasen:

, , ,

wobei Grenzflächeneffekte (der Ordnung ) vernachlässigt sind. Für B verschiedene Teilchens- orten hat man weiterhin:

, wobei für die Zahl der Teilchen der Sorte i im Teilsystem α steht (i=1...B).

Umverteilungen der Größen E, S, V, zwischen den verschiedenen Teilsystemen sind möglich.

Gleichgewichtsbedingungen:

Frage: Wieviele intensive Variablen benötigt man, um ein heterogenes Gleichgewicht von P Pha- sen aus B Teilchensorten zu beschreiben? (Die gesuchte Zahl F ist die Anzahl der thermodynami- schen Freiheitsgrade; es ist nur nach den intensiven Variablen gefragt, weil wir uns hier nicht für die Gesamtgröße der einzelnen, koexistierenden Phasen interessieren.)

Gibbssche Phasenregel:

Beweis durch Abzählen (Liste der benötigten intensiven Parameter): T, p

Zusammensetzung der Phase α: , , ... , ,

wobei wegen nur B-1 unabhängige Parameter zur Charakterisierung der Zusammensetzung der Phase α benötigt werden.

Gesamtzahl der Variablen:

Zahl der Bedingungen an die chemischen Potentiale: (die Bedingungen, daß die Tem- peratur und der Druck der verschiedenen Teilsysteme übereinstimmen müssen, sind durch Einfüh- rung der globalen Variablen T und p bereits berücksichtigt)

E Eα

α=1 P

= S Sα

α=1 P

= V Vα

α=1 P

=

N2 3

Ni Niα

α=1 P

= Niα

Ni

. . .

T1 = T2 = ... = TP p1 = p2 = ... = pP µ11 = µ12 = ... = µ1P

µB1 = µB2 = ... = µBP

diese intensiven Zustandsvariablen sind also durch das gesamte, mehrphasige System hindurch konstant

F = 2+BP

x N1α N

i

---

= x N2α

N

i

---

= x NBα

N

i

---

=

x1α+x2α+...+xBα = 1 2+P B( –1)

B P( –1)

(22)

Durch Differenzbildung erhält man die Gibbssche Phasenregel (und einen Vorschlag, von welchen intensiven Parametern man zur Beschreibung von koexistierenden Phasen ausgehen kann).

3.3 Phasendiagramme für Einstoffsysteme

(Honerkamp & Römer, S.170-176; Hudson, S.119-134; Reichl, S.87-99; Römer & Filk, S.42-43)

Problem:

Wie sieht ein typisches Phasendiagramm für die Aggregatszustände oder Kristallfor- men eines Einstoffsystems aus? Wie kann man es graphisch darstellen? Wie kann man die Gestalt des Phasendiagramms mit Umwandlungswärmen in Verbindung bringen?

Einstoffsysteme: B=1 (nur eine Teilchensorte), F=3-P (Gibbssche Phasenregel).

Einzelne Phasen lassen sich durch zwei Freiheitsgrade beschreiben (pT-Diagramme).

Zwei Phasen können nur auf Linien im Zustandsdiagramm (pT-Diagramm) koexistieren.

Drei Phasen können nur in einzelnen Punkten des Zustandsdiagramms koexistieren.

Mehr als drei Phasen eines Einstoffsystems können nicht koexistieren.

Am Phasendiagramm fest–flüssig–gasförmig läßt sich das typische Phasendiagramm von Einstoff- systemen also vollständig verstehen.

Phasendiagramm des Wassers:

Anmerkungen:

(i) Im Tripelpunkt T können die feste, flüssige und gasförmige Phase koexistieren. Dieser nach der Gibbsschen Phasenregel eindeutig bestimmte Punkt wird zur Definition der Einheit Kelvin heran- gezogen (er liegt bei 273.16 K, während 0°C [als Temperatur des fest-flüssig-Übergangs bei Atmo- sphärendruck von 1.01325 bar] einer absoluten Temperatur von 273.15 K entspricht).

fest flüssig

gasförmig T

C

0 0.0098

100 374

220.8

1.01325 0.00611

Druck [bar]

Temperatur [°C]

(23)

(ii) Entlang der flüssig-gasförmig-Koexistenzkurve wird der Dichteunterschied zwischen den bei- den Phasen mit zunehmender Temperatur immer geringer, bis er am Punkt C verschwindet. Dieser Punkt C wird auch kritischer Punkt genannt (allgemein: an einem kritischen Punkt entsteht eine neue Phase, hier mit abnehmender Temperatur). Oberhalb der zugehörigen kritischen Temperatur gibt es keinen Unterschied zwischen flüssig und gasförmig mehr.

(iii) Das Phasendiagramm von Wasser ist eigentlich wesentlich komplizierter als hier schematisch dargestellt, da es eine Vielzahl verschiedener fester Phasen gibt (siehe Reichl, S. 86).

(iv) Die Steigung der Koexistenzkurven in einem Phasendiagramm enthält sehr wichtige thermody- namische Information. Zum Beispiel hängt die negative Steigung der fest-flüssig-Koexistenzkurve im Phasendiagramm des Wassers damit zusammen, daß Eis eine geringere Dichte als flüssiges Wasser hat (deswegen ragen Eisberge aus dem Wasser; der Dichteunterschied ist von der Größen- ordnung 10%). Wassereis kann deswegen durch Druckanwendung verflüssigt werden (z.B. beim Schlittschuhlaufen unter dem Druck der Kufen).

Neben diesen qualitativen Einsichten kann man auch eine quantitative Aussage machen. Wenn man ausnutzt, daß die Änderungen des chemischen Potentials in den koexistierenden Phasen entlang der Koexistenzkurve gleich sein müssen, dann ergibt sich ganz allgemein die Clausius-Clapeyronsche

Gleichung: .

In dieser Gleichung steht für die Differenz der Entropien pro Teilchen in zwei bei der Tem- peratur T koexistierenden Phasen, und steht analog für die Differenz der Volumina pro Teil- chen in den beiden koexistierenden Phasen. Aus der Steigung der Koexistenzkurve und dem Sprung in der Dichte erhält man also sehr direkt den Sprung in der Entropie pro Teilchen beim Pha- senübergang. Führt man einem System bei konstantem Druck Wärme zu, so wird für den Phasen- übergang (ohne Temperaturerhöhung) die folgende Umwandlungswärme pro Teilchen (Enthalpie pro Teilchen) benötigt:

.

Beispiel: die Umwandlungswärme für 1 kg Wasser bei Luftdruck beträgt etwa 0.1 kWh für den fest- flüssig-Übergang und 0.6 kWh für den flüssig-gasförmig-Übergang. (Wieviel ist das in Rappen?

Wie groß sind die entsprechenden Werte der Umwandlungswärme in der gebräuchlicheren Einheit kJ/mol?)

(v) Die freie Enthalpie G ändert sich beim Phasenübergang stetig (weil sich das chemische Poten- tial stetig ändert). Die ersten Ableitungen von G nach T und p machen einen Sprung (dies ist gleich- bedeutend mit einer Entropieänderung bzw. Volumenänderung). In dieser Situation spricht man von einem Phasenübergang 1. Ordnung. Allgemein treten bei einem Phasenübergang n-ter Ordnung Sprünge in den n-ten Ableitungen eines thermodynamischen Potentials auf, während die niedrige- ren Ableitungen stetig sind. Am kritischen Punkt C verschwinden die Sprünge und , so daß die ersten Ableitungen von G nach T und p stetig werden und ein Phasenübergang 2. Ordnung vorliegt. Bei einem Übergang 2. Ordnung hat man typischerweise einen Sprung in der Wärmekapazität, während diese bei einem Übergang 1. Ordnung singulär wird.

Typisches Stabilitätsverhalten verschiedener Kristallstrukturen (bei Nicht-Übergangselemen- ten; Machlin, S.8-15):

fcc (face-centered cubic, kubisch flächenzentriert): ideal dichte Packung;

bcc (body-centered cubic, kubisch raumzentriert): weniger dichte Packung.

dp

dT--- ∆s T( )

∆v T( ) ---

=

∆s T( )

∆v T( )

q Ts T( ) ∆v T( )T dp dT---

= =

∆s T( )

∆v T( )

(24)

Typischerweise ist die Energie der fcc-Struktur niedriger als für die bcc-Struktur. Verwendet man T und p als unabhängige Variablen, sieht die freie Enthalpie im allgemeinen wie folgt aus:

3.4 Van der Waalssches Gas

(Römer & Filk, S.187-192; Huang, S.38-43; Reichl, S.99-102; Callen, S.74-77, 233-243; Sommer- feld, S.45-55)

Problem:

Wie soll man die freie Energie eines idealen Gases modifizieren, um den flüssig-gas- förmig Übergang beschreiben zu können?

Ideales Gas:

(siehe Aufgaben 2 und 4; ohne Wechselwirkungen tritt kein Phasenübergang auf)

Van der Waalssches System:

(der Parameter führt ein effektives Teilchenvolumen ein, das das freie Volumen für die Bewe- gung eines Teilchens reduziert [harter Kern, abstoßende Wechselwirkung]; der Parameter a beschreibt eine attraktive Wechselwirkung bei größeren Abständen)

Mit dem thermodynamischen Potential F(T, V, N) des van der Waalsschen Systems sind insbeson- dere alle Zustandsgleichungen gegeben. Führt man v=V/N für das Volumen pro Teilchen ein, erhält man die folgenden Ausdrücke für thermische und kalorische Zustandsgleichung:

und (van der Waalssche Zustandsgleichungen).

G

T fcc bcc

G

p fcc bcc

p = const. T = const.

S ∂G

---∂T

– ≥0

=

Cp T2G

T2 ---

– ≥0

=

V ∂G

---∂p ≥0

=

κ 1

V---∂2G

∂p2 ---

– ≥0

= Übergang 1. Ordnung

F T V N( , , ) NkT cT3 2 V N----

 

 

ln –

=

F T V N( , , ) NkT cT3 2 V N----–v0

 

  aN2

---V – ln

= v0

p a

v2 ---

 + 

 (vv0) = kT E 3

2---NkT aN2 ---V

=

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