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Biogeographisch-phylogenetische Untersuchungen an Hochgebirgs-Laufkäfern. Ein Beitrag zur Umweltgeschichte des Himalaya-Tibet Orogens

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Academic year: 2021

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Biogeographisch-phylogenetische Untersuchungen

an Hochgebirgs-Laufkäfern

Ein Beitrag zur Umweltgeschichte des

Himalaya-Tibet Orogens

Kumulative Dissertation

zur

Erlangung des Doktorgrades

der Naturwissenschaften

(Dr. rer. nat.)

dem

Fachbereich Geographie

der Philipps-Universität Marburg

vorgelegt von

Joachim Schmidt

aus Schwerin

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Vom Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg am 19. Januar 2011 als Dissertation angenommen.

Erstgutachter: Prof. Dr. Georg Miehe

Zweitgutachter: Prof. Dr. Jochen Martens, Mainz

Tag der mündlichen Prüfung: 17. Februar 2011

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Die kumulative Dissertation umfasst die folgenden vier Publikationen, denen eine zusammenfassende Erörterung vorangestellt ist:

I Schmidt, J. (2009): Taxonomic and biogeographical review of the genus Trechus Clairville, 1806, from the Tibetan Himalaya and the southern central Tibetan Plateau (Coleoptera: Carabidae: Trechini). – Zootaxa 2178: 1-72.

II Schmidt, J., Opgenoorth, L., Martens, J. & Miehe, G. (in review): Neoendemic ground beetles and private tree haplotypes: two independent proxies attest a moderate LGM summer temperature depression of 3 to 4K for the southern Tibetan Plateau. – Quaternary Science Reviews.

III Schmidt, J. & Hartmann, M. (2009): Pristosia Motschulsky, 1865 from the Nepal Himalaya: Taxonomy and Biogeography (Coleoptera: Carabidae: Sphodrini). – Zootaxa 2009: 1-26.

IV Schmidt, J., Opgenoorth, L., Höll, S., Bastrop, R. & Hundsdörfer, A. (submitted): Phylogeography of the Ethira clade supports the hypothesis of Tertiary-Tibetan origin of a Himalayan ground beetle species group. – Molecular Ecology.

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Vorwort………... 7

1. Einleitung……….. 9

1.1. Problemstellungen und Arbeitshypothesen……… 9

1.2. Laufkäfer als Indikatoren in der Paläoumweltforschung Hochasiens………. 12

2. Ergebnisse und Diskussion……… 17

2.1. Mikroareal-Endemiten der Laufkäfer: Zeigerarten eisfreier Gebiete im LGM Südtibets und im Himalaya………. 17

2.2. Vertikale Arealgrenzen lokalendemischer Laufkäfer: Neue Proxydaten zur Bestimmung der Temperaturabsenkung im LGM Hochasiens………... 27

2.3. Endemische Entwicklungslinien der Laufkäfer im Himalaya-Tibet Orogen: Vielversprechende Indikatoren der tertiären Umweltgeschichte Tibets….... 35

3. Zusammenfassung……….. 65 4. Ausblick………. 67 5. Danksagung……….. 71 Literatur……….. 73 Publikation I Publikation II Publikation III Publikation IV Erklärung Curriculum Vitae

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Vorwort

Käfer nehmen etwa ein Viertel aller bekannten Arten von Organismen ein. Bei inzwischen fast einer Million beschriebenen Insektenarten gehören 380.000 allein zur Ordnung Coleoptera oder Käfer. Diese Zahlen wachsen durch die beständigen Entdeckungen neuer Arten unvermindert an. Deshalb ist heute noch niemand in der Lage, die tatsächlich auf der Erde existierende Artenzahl halbwegs genau zu benennen; nicht einmal ihre Dimension ist sicher bekannt. Vorsichtige Schätzungen gehen von 5-15 Millionen Insektenarten aus; es gibt aber auch ernstzunehmende Schätzungen von 30 oder mehr Millionen Arten, wobei die Käfer immer den weitaus höchsten Anteil stellen (Stork 1997).

Mit diesen Zahlen verbinden sich sowohl Hoffnungen als auch ernüchternde Tatsachen. Berücksichtigt man, dass Käfer bereits seit dem Perm existieren, sich im Mesozoikum und Känozoikum weiter sehr stark differenzierten (Grimaldi & Engel 2005), dabei nahezu alle Landlebensräume eroberten und heute in großer Formenvielfalt auch extreme Lebensräume besiedeln, wie Wüsten, tiefe Höhlensysteme, Schneegrenzregionen der Arktis und der Hochgebirge (Dajoz 2002, Liebherr & McHugh 2003, Klausnitzer 2005), dann müssen sich aus Daten zur Biologie, Verbreitung und Stammesgeschichte rezenter Arten Aussagen zum Zustand und zur Verteilung nicht nur heutiger sondern auch früherer Ökosysteme ableiten lassen. Solche Ableitungen sind bereits mehrfach erfolgreich vorgenommen worden und fanden in der Paläoklimaforschung große Beachtung. Beispiele hierzu werden in den folgenden Kapiteln genannt.

In den Biodiversitätszentren der Erde, z.B. im Himalaya-Tibet Gebirgssystem, steht man jedoch vor dem Problem eines erheblichen Kenntnisdefizits. Aus solchen Regionen rekrutiert sich die große Dunkelziffer der noch unentdeckten Arten. Für nur sehr wenige Gattungen existieren Bestimmungsliteratur und hinreichend genaue Angaben über Ökologie und Verbreitung der einzelnen Arten. Die Beschäftigung mit Fragestellungen der Biogeographie und Stammesgeschichte artenreicher Käfergruppen Hochasiens stellen den Bearbeiter deshalb grundsätzlich vor zwei methodische Probleme: Erstens muss er mittels eigener Forschungsreisen die ökologisch-faunistische Materialbasis wesentlich verbessern. Unter Berücksichtigung der versteckten Lebensweise der oftmals winzigen Untersuchungsobjekte und der allgemein schwierigen Geländesituation in extremen Hochgebirgen dauert es verständlicherweise mindestens mehrere Jahre, um zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu kommen. Zweitens ist er gezwungen, sich sein Handwerkszeug selbst zu schmieden, indem er gründliche taxonomische Revisionen der verschiedenen Artengruppen liefert. Letztere sind die Fundamente für alle weitergehenden Fragestellungen der Phylogenie, Biogeographie und Bioindikation.

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Die im Folgenden vorgestellten Ergebnisse basieren auf insgesamt 26 eigenen Forschungsreisen nach Hochasien. Diese dienten vor allem dazu, einen möglichst umfassenden Überblick zur Präsenz bestimmter Artengruppen der Käfer im Himalaya-Tibet Orogen und detaillierte Kenntnisse zur Verbreitung und Ökologie der einzelnen Arten zu erhalten. Dabei entdeckte ich mehrere Hundert neue Arten, die als eine der taxonomischen Grundlagen für die weitere Arbeit beschrieben werden mussten und noch müssen. Ein erheblicher Aufwand war und ist mit der Revision der Systematik der bearbeiteten Taxa zu leisten. Durch die Hinzuziehung molekulargenetischer Arbeitsmethoden, die im Rahmen dieses Promotionsprojektes möglich wurde, konnte ich die Studien auf die Untersuchung evolutionärer Prozesse auf intraspezifischer Ebene ausweiten. Die vielen notwendigen Arbeitsschritte zur Gewinnung neuer biogeographischer Daten hatten somit zwangsläufig einen großen Anteil am Gesamtaufwand der vorliegenden Arbeit, was sich letztlich auch in den Inhalten der hier vorgelegten Publikationen widerspiegelt.

Der nun vorliegende umfangreiche Datenfundus aus der vielversprechenden Gruppe der Käfer und die Anwendung molekulargenetischer Methoden ermöglicht eine Fortführung der grundlegenden biogeographischen Arbeiten über die Besiedlungsgeschichte, Diversifizierung und Adaptation der Faunenelemente des Himalaya und Tibets von M. S. Mani (1968, 1974a, b), J. Martens (1979, 1984, 1993) und H. Weigold (2005). Weitergehendes Ziel der hier vorgestellten Arbeiten ist es, aus den neuen biogeographischen und phylogenetischen Daten erstmals auch konkrete Aussagen zur Umweltgeschichte des Himalaya-Tibet Orogens abzuleiten. Dieses Ziel entstand nach intensiven Diskussionen in der Arbeitsgruppe Biogeographie des Fachbereichs Geographie der Universität Marburg, welche mir den teilweise noch erheblichen Wissensbedarf der Paläogeographie dieser Region vor Augen führten. Die vorliegende Studie ist deshalb vorrangig diesem Problemfeld gewidmet; sie dient der Entwicklung und Erprobung neuer Methoden in der Hoffnung, dass die Entomologie zukünftig einen größeren Beitrag zur Klärung offener Fragen der Paläoökologie der Hochgebirge leisten wird.

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1. Einleitung

1.1. Problemstellungen und Arbeitshypothesen

Der Einfluss des Himalaya-Tibet Orogens auf den Strahlungshaushalt der Erde und auf die atmosphärische Zirkulation ist unbestritten (Manabe & Terpstra 1974, Kutzbach et al. 1989, Raymo & Ruddiman 1992, An et al. 2001, Harris 2006, Zhang et al. 2007, Molnar et al. 2010) und bereits seit den Arbeiten von Blanford (1884) bekannt. Dennoch existieren bis heute offene Fragen von zum Teil erheblicher erd- und klimageschichtlicher Relevanz und zwar sowohl hinsichtlich der Ausprägung der quartären Umweltbedingungen auf dem Plateau als auch zur Abfolge und Dynamik der tertiären Heraushebung der verschiedenen Teile des Gebirgssystems. Damit sind alle zusätzlichen Beiträge, die zu einer Verbesserung der Kenntnisse der Paläoumwelt Hochasiens führen, von überregionaler Bedeutung. Die beiden wichtigsten noch immer teilweise recht heftig diskutierten Fragenkomplexe sind folgende:

 Wie wirkten sich die Eiszeiten in den verschiedenen Teilen des Gebirgskomplexes aus? Welche Ausdehnung erreichten Gletscher und Kältewüsten im letztglazialen Maximum (LGM), und wie stark war die maximale Temperaturabsenkung?

 Wann und in welcher Reihenfolge wurden die einzelnen Abschnitte des Himalaya-Tibet Orogens in signifikante Höhen gehoben? Seit wann besitzen sie ihre aktuelle Meereshöhe?

Entscheidende Argumente für die Modellierung eiszeitlicher Umweltbedingungen lassen sich aus der Beantwortung der Frage nach der Ausdehnung der LGM-Vergletscherung Hochasiens gewinnen. Hier liegen die Meinungen in den Geowissenschaften zum Teil aber noch weit auseinander. Zwar gehen die meisten Autoren von einer relativ geringen LGM-Gletscherbedeckung aus, die stark von der regionalen bzw. lokalen Ausprägung des Klimas kontrolliert wurde (siehe Zusammenfassungen in Lehmkuhl & Owen 2005, Owen et al. 2008, Owen 2009), jedoch muss auch die Auffassung von Kuhle (zuletzt 2004, 2005, 2007, 2010) berücksichtigt werden, der eine umfassende Plateauvergletscherung ähnlich dem Skandinavischen Eisschild postuliert. Hieraus lassen sich für die vorliegende Studie sehr klare alternative Arbeitshypothesen ableiten, die auf den Erfahrungen der europäischen Zoogeographen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufbauen (vgl. Holdhaus 1906, 1912, 1954, Heberdey 1933, Lindroth 1931, 1935) und die durch Arbeiten späterer Autoren über die Besiedlungsgeschichte Mittel- und Nordeuropas grundsätzlich bestätigt wurden (siehe hierzu die Übersicht in Rabitsch & Essl 2009).

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Die alternativen Arbeitshypothesen lauten:

a) Auf dem Tibetischen Plateau existieren Vorkommen von flugunfähigen Lokalendemiten der Laufkäfer. Bestimmte Teile des Gebirgssystems waren somit eisfrei und standen der Hochgebirgsfauna als Massifs de refuge zur Verfügung. b) Auf dem Tibetischen Plateau kommen ausschließlich ausbreitungsstarke Arten

vor.

Letzteres würde für eine Kaltzeit-Überdauerung der rezenten Hochgebirgslaufkäfer in der Peripherie des Himalaya-Tibet Orogens sprechen und das mit der LGM-Eisschildhypothese verbundene Tabula rasa-Szenario auf dem Tibetischen Plateau stützen. Da hierzu von der Biogeographie der Käfer klare Aussagen mit großer Beweiskraft erwartet werden können, stelle ich meine diesbezüglichen Ergebnisse an den Anfang des Kapitels „Ergebnisse und Diskussion“. Die biogeographischen Grundlagen dazu habe ich in einer umfassenden Revision der Trechus-Arten Südtibets gelegt (Publikation I). Ich werde in der vorliegenden Studie aber auch Möglichkeiten aufzeigen, wie mittels biogeographisch-phylogenetischer Laufkäferdaten zukünftig auch Rückschlüsse auf die Vergletscherung des Plateaus während vorhergehender Eiszeiten gezogen werden können.

Die Frage nach der LGM-Temperaturabsenkung (LGM-ΔT) ist in biogeographischer Hinsicht eng mit der vorgehenden Problematik verbunden. Einige Autoren gehen von einer so starken Abkühlung aus, dass in weiten Teilen Tibets auch an Standorten ohne Gletscherbedeckung eine lebensfeindliche Kältewüste existiert haben muss (LGM-ΔT > 6 K, vgl. Zhang et al. 1993, Yao et al. 1997, Böhner & Lehmkuhl 2005). Auch dieses Szenario entspricht einer Tabula rasa für weite Teile des Plateaus. Kaltzeitliche Refugien der hochmontanen und alpinen Fauna hätten somit nur an den südlichen und östlichen Rändern des Plateaus und in den Stromfurchen gelegen. Nach anderen Autoren war die LGM-Temperaturabsenkung dagegen vor allem im Sommer sehr moderat, so dass artenreiche alpine Lebensräume auf dem Plateau persistiert haben dürften (LGM-ΔT < 5 K, vgl. Tang et al. 1999,Liu et al. 2002). Von der Endemiten-Biogeographie kann hierzu eine ebenso klare Stellungnahme erwartet werden, wie mit Hinblick auf die Frage nach der Ausdehnung der LGM-Vergletscherung. Da die Eignung von Standorten als Lebensraum für Laufkäfer primär von den beiden Faktoren Bodenfeuchte und Temperatur bestimmt wird (Lindroth 1949, Thiele 1974), sollten sich aus den jeweiligen Ansprüchen endemischer Arten konkrete Aussagen zu den LGM-Umweltbedingungen im Bereich ihrer glazialen Refugien ableiten lassen. Auf der Basis subfossiler Käferfunde aus Ablagerungen des Pleistozäns vor allem in Europa und Nordamerika wurde von Atkinson et al. (1987) bereits Pionierarbeit geleistet und eine weltweit akzeptierte Methode zur Rekonstruktion der Paläotemperaturen entwickelt (mutual climatic range method, siehe auch Elias 1994, 2007, 2010). Da solche Ablagerungen aus

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Hochasien jedoch unbekannt sind, musste eine gänzlich neue Methode entwickelt werden (Publikation II). Dabei dienen rezente, lokalendemische Laufkäferarten als Proxys der Paläoumweltforschung. Dies führt zu der folgenden Arbeitshypothese:

Die Kartierung der Areale endemischer Laufkäferarten bietet die Möglichkeit zur Rekonstruktion von LGM-Umweltbedingungen auf dem Tibetischen Plateau.

Die Ergebnisse stelle ich im zweiten Abschnitt des Kapitels „Ergebnisse und Diskussion“ vor. Sie basieren auf den Publikationen I und II sowie auf frühere Arbeiten und sind geographisch auf die zentralen Teile Südtibets und auf den Nepal-Himalaya begrenzt. Ziel war die Entwicklung und Erprobung einer Methode zur Berechnung der Temperaturabsenkung im ökologisch stärker relevanten LGM-Sommer, mit dem zukünftig (bei entsprechend verbesserter faunistischer Datenlage) eine Ableitung der LGM-Temperaturen auch für andere Teile Hochasiens möglich ist.

Mit besonders großen Unsicherheiten ist bis heute die Frage behaftet, wann der Himalaya und das Tibetische Plateau ihre aktuellen Meereshöhen erreicht haben. Die diesbezüglichen Meinungen divergieren in der jüngeren geowissenschaftlichen Literatur um etwa 40 Millionen Jahre, und zwar von relativ rezent (Li 1991: < 150.000 Jahre, Wang & Deng 2005: < 2-3 Mio. Jahre, Fossilbefunde) bis vor die Eozän/Oligozän-Grenze (Dupont-Nivet et al. 2008: > 38 Mio. Jahre, Pollenanalysen; Wang et al. 2008: 40 Mio. Jahre, geologische und geophysikalische Daten). Hinzu kommt, dass große Unsicherheiten über die Reihenfolge der Heraushebung der einzelnen Teile des Orogens existieren. Derartig erhebliche Differenzen sind eine Herausforderung für die Biogeogeographie. Ob einer Fauna 40 Millionen Jahre zur Anpassung und Diversifizierung in ihrem Hochgebirgslebensraum zur Verfügung standen oder nur der aus evolutionsbiologischer Sicht sehr kurze Zeitraum des Quartärs, sollte in der morphologischen und genetischen Ausprägung sowie in der geographischen Verteilung der heute im Himalaya-Tibet Gebirgssystem vorkommenden Entwicklungslinien ablesbar sein. Wegen der Größe des zu berücksichtigenden Gebirgsareals, der hier existierenden enormen Vielfalt an Arten und Artengruppen der Laufkäfer und des in vielen Gruppen noch ungenügenden systematischen, phylogenetischen und biogeographischen Kenntnisstandes kann ich mich dieser komplexen Thematik in der vorliegenden Studie nur annähern. Viele meiner Aussagen fokussieren stärker auf den Himalaya und Südtibet, da hier, nicht zuletzt aufgrund meiner eigenen langjährigen Feldarbeiten, die Biogeographie der Laufkäfer im Vergleich zu anderen Teilen des Orogens am weitesten entwickelt ist. Auf dieser Grundlage bin ich zu der Auffassung gekommen, dass in der genauen Kenntnis der Arealgeschichte ausbreitungsschwacher Artengruppen ein Schlüssel zum Verständnis der Himalaya-Tibet Orogenese und der damit verbundenen Veränderungen der regionalen Gebirgsumwelt steckt.

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Diese Auffassung spiegelt sich in der folgenden Arbeitshypothese wider:

Stammesgeschichtliche und arealgenetische Analysen der im Himalaya endemischen Laufkäfer-Artengruppen liefern Hinweise zu den Umweltbedingungen in den tertiären Entwicklungsphasen des Himalaya-Tibet Gebirgssystems.

Ich kann hierbei auf die biogeographischen Ergebnisse zahlreicher morphologischer Studien an Laufkäfern dieser Region aufbauen (z.B. Schmidt 1999, 2003, 2006, 2009a, 2009b, Schmidt & Arndt 2000, Wrase & Schmidt 2006a, 2006b, zuletzt Publikationen I und III). Einige dieser Studien erbrachten Hinweise auf eine primäre Evolution der heute im Himalaya endemischen Artengruppen in den nördlich angrenzenden Teilen des Orogens. Diese führten zur Formulierung der Hypothese des Tertiär-Tibetischen Elementes in der Himalayafauna (Schmidt 2006, Publikation III). Sollte sich die Hypothese bestätigen, wäre das sowohl ein Beleg für die Existenz tertiärer Bergnebelwälder in Südtibet als auch ein Indiz für die spätere Anhebung des Hohen Himalaya im Bezug auf den Tibetischen Himalaya oder den Transhimalaya. Mit der Sequenzanalyse ausgewählter Genabschnitte konnte ich für die vorliegende Studie eine leistungsfähige Arbeitsmethode der Phylogeographie hinzuziehen, um die Hypothese und ihre Alternativen zur Besiedlungsgeschichte des Himalaya zu testen (Publikation IV). Diese Ergebnisse stelle ich unter anderen im dritten Abschnitt des Kapitels Ergebnisse und Diskussion vor.

1.2. Laufkäfer als Indikatoren in der Paläoumweltforschung Hochasiens

Käfer der Familie Carabidae (Laufkäfer) sind für Fragestellungen der Paläogeographie und Paläoklimaforschung im Hochgebirge ganz offensichtlich hervorragend geeignet. Sie erfüllen die folgenden vier entscheidenden Voraussetzungen:

 Laufkäfer kommen in allen Teilen des Himalaya-Tibet Orogens vor und sind hier in allen Höhenstufen unterhalb der Zone dauerhafter Eisbedeckung artenreich vertreten. Zahlreiche angepasste Arten leben noch in der hochalpinen Stufe; der Höhenrekord aller Käfer wird von Laufkäfern erreicht und liegt bei 5600 m in Südtibet (Publikation I). Somit steht ein enormes Repertoire an Zeigerarten für diverse Umweltbedingungen zur Verfügung.

 Laufkäfer sind ganz überwiegend unspezialisierte Räuber oder Aasfresser. Ihr horizontales und vertikales Gebirgsareal wird (im Gegensatz z.B. zu den Phytophagen) nicht durch das Vorkommen bestimmter Arten von Organismen determiniert, die als Nahrung dienen, sondern weitgehend durch Faktoren des Standortklimas bestimmt. Auf die Bedeutung dieser Problematik haben schon die Pioniere der Paläoklimatologen unter den Zoogeographen hingewiesen, nämlich Heberdey (1933) in seiner Studie zur Auswirkung der Eiszeit auf die Alpenfauna und

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Atkinson et al. (1987) bei der Rekonstruktion von Paläotemperaturen aus subfossilen Ablagerungen.

 In allen Entwicklungslinien der Laufkäfer kommt es im Verlaufe der Anpassung an den Hochgebirgslebensraum zur Reduktion der Hautflügel und der Flugmuskulatur sowie, damit verbunden, zu einer unumkehrbaren Umgestaltung des Exoskelettes. Die morphologischen Veränderungen verursachen eine extreme Reduzierung der Fähigkeit zur Ausbreitung. Da Vektorverbreitung bei Laufkäfern keine Rolle spielt, kann Arealerweiterung flugunfähiger Arten praktisch nur ‚zu Fuß‘ erfolgen, was aufgrund der Vielzahl potentieller Barrieren im Hochgebirge (Gebirgskämme, Gletscher, Flüsse, Trockenhänge) nur in einem sehr begrenzten geographischen Rahmen möglich ist. Die heutige Lage des Areals einer flügellosen, endemischen Laufkäferart steht somit immer in einem engen Zusammenhang mit der geomorphologischen und klimatischen Entwicklung des von ihr besiedelten Gebirges.  Trotz der großen Fülle der noch unbeschriebenen Arten und der vielfach noch ausstehenden systematischen Revisionen der Gattungen gehören Laufkäfer zu den wenigen besonders artenreichen Tiergruppen, deren Systematik inzwischen so weit fortgeschritten ist, dass eine biogeographische Bearbeitung der Fauna des Himalaya-Tibet Gebirgssystems möglich erscheint.

Es gibt derzeit vermutlich keine andere Tiergruppe, welche alle hier genannten Grundvoraussetzungen zur Bioindikation in der Paläogeographie und Paläoklimatologie des Hochgebirges gleichermaßen erfüllt, wie die der Laufkäfer. Mit Hinblick auf die Arealgenese flügelloser Arten und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten zur Ableitung früherer erdgeschichtlicher Umweltzustände bietet die Biogeographie der Laufkäfer zudem eine ideale Ergänzung zu den Arbeitsgebieten der Vegetationsgeographie. Pflanzenareale reagieren im Allgemeinen zügig auf regionale Umweltveränderungen, weshalb die Vegetation die vorherrschenden Standortbedingungen unmittelbarer abbildet, als die lokalen Laufkäfer-Assoziationen. So werden längst nicht alle potentiell geeigneten Standorte im Hochgebirge auch von entsprechend angepassten Laufkäferarten besiedelt. Die alpine Stufe, die sich meist als geschlossenes, breites Vegetationsband an den Bergflanken entlang zieht, erscheint bei Untersuchung der Laufkäfer weitläufig fragmentiert. Geographische Separation bzw. extreme Verinselung potentieller Laufkäferlebensräume durch Felsflanken, Gletscherflüsse, Schutthalden, trockene Hänge etc. führen dazu, dass ausbreitungsschwache Arten extreme Arealdisjunktionen aufweisen. Dies erweist sich für die Untersuchung erdgeschichtlich früherer Umweltzustände durchaus als Vorteil, denn Disjunktareale ausbreitungsschwacher Entwicklungslinien sind die primäre Ursache für die Entstehung lokaler Endemiten (Neoendemismus durch geographische Vikarianz). Diese

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Endemiten zeichnen sich bei molekulargenetischen Untersuchungen als eigenständige Haplotypen aus oder sie lassen sich als distinkte Morphen nachweisen, die als geographische Unterarten bzw. eigenständige Arten beschrieben werden. Wenn es anhand phylogenetischer Untersuchungen in den betreffenden Artengruppen gelingt, die Abstammung der Endemiten zu klären und eine Vorstellung über deren Alter zu erhalten,

und wenn Ökologie und Verbreitung möglichst vieler Mitglieder dieser

Abstammungsgemeinschaft hinreichend untersucht sind, dann liegt ein verlässlicher Datenfundus vor, der eine Rekonstruktion der Paläoumwelt im Entstehungsgebiet der endemischen Linien ermöglicht. Die biogeographische und phylogenetische Analyse des Neoendemismus der Laufkäfer des Himalaya-Tibet Orogens und die paläogeographischen und paläoklimatischen Implikationen stehen somit im Zentrum der Untersuchungen der vorliegenden Studie.

Abb. 1: Blick vom Gangdise Shan über das Damxung-Becken zum westlichen Nyainqentanglha Shan nördlich der Ortschaft Yangpachem am Austritt des Gletscherflusses Geda Chu. Der Boden des Beckens liegt hier bei ca. 4300 mNN und damit in der subalpinen Stufe. Entlang der Bergflanken leben zahlreiche, z.T. lokalendemische Laufkäferarten, die an die jeweiligen Standortverhältnisse in verschiedenen Höhenstufen speziell angepasst sind, in eng begrenzten, artspezifischen Vertikalarealen. Die weltweit höchsten Laufkäfervorkommen wurden hier in hochalpinen Frostschuttböden auf einer Moränenkuppe am Budha-Gletscher bei 5600 mNN nachgewiesen (Pfeil). In dieser Höhe kommt noch jeweils eine Art aus den Gattungen Amara, Bembidion und Trechus vor. Aufnahme im Juli 2010.

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Abb. 2: Beispiele für lokale Neoendemiten aus verschiedenen Tribus und Gattungen der Laufkäfer des Himalaya-Tibet Orogens. In jedem Fall handelt es sich um primär ungeflügelte, ausbreitungsschwache Arten mit stark abgeflachter Basis der Elytren und mit stark verkürzten Lateralplatten des Metathorax. Die Größenangaben beziehen sich auf die Körperlängen der abgebildeten Arten von den Mandibeln bis zur Flügeldeckenspitze.

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Abb. 3: Erfassungsmethode edaphischer Laufkäferarten im Hochalpin: Die z.T. winzigen Arten leben im Lückensystem der Frostschuttböden und werden beim Wenden großer Steine gefunden. Sie werden mittels eines Exhaustors (= mundbetriebener Ministaubsauger) aufgesaugt. Moränen im Gangdise Shan bei 5300 m, Juli 2010.

Abb. 4: Das Sieben der Bodenstreu ist eine ideale Erfassungsmethode für kleine, bodenbewohnende Laufkäferarten der Bergnebelwälder. Obere Nebelwaldstufe an der Südabdachung des Mardi Himal, Zentral-Nepal, mit Rhododendron campalunatum und spät ausapernden Schneetälchen bei 3800 m, Mai 2008.

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2. Ergebnisse und Diskussion

2.1. Mikroareal-Endemiten der Laufkäfer: Zeigerarten eisfreier Gebiete im LGM Südtibets und im Himalaya

Vorbetrachtungen

Ausgangspunkt der Untersuchungen war die kontroverse Diskussion zur tatsächlichen Ausdehnung der LGM-Vereisung des Himalaya-Tibet Orogens, die sich vor allem um die Eisschild-Hypothese von Kuhle (zahlreiche Arbeiten seit 1982a, zuletzt 2004, 2005, 2007, 2010) entfachte. Nach dieser Hypothese wären Tibet und die Randgebirge von einem bis über zwei Kilometer mächtigen Eisschild bedeckt gewesen, und nur die trockenen zentralasiatischen Becken und das untere Yarlung Tsangpo Tal in Südtibet blieben eisfrei (Abb. 5, 6). In der geowissenschaftlichen Literatur gibt es hierzu eine große Zahl an ablehnenden Stellungnahmen (z.B. Derbyshire et al. 1991, Shi et al. 1992, Hövermann & Lehmkuhl 1994, Fort 1995, Klinge & Lehmkuhl 2004, Zhou’Li Jijun et al. 2004, Lehmkuhl & Owen 2005, Owen et al. 2008, Owen 2009). Die Mehrzahl der Autoren geht heute von einer erheblich geringeren LGM-Eisbedeckung aus (vgl. Abb. 7).

Abb. 5: Profil des sich über 2,4 Millionen km2 erstreckenden LGM-Eisschildes Tibets und angrenzender Gebirge nach Kuhle (1982-2010, aus Kuhle & Roesrath 1990); Profil Takla Makan – Dhaulagiri (Himalaya). Im Himalaya überragen nur > 6000 m hohe Gipfel die Eisströme; die mächtigen Durchbruchstalgletscher (hier im Tal des Kali Gandaki) dringen weit an die Südabdachung des Himalaya vor.

Kuhles Eisschildhypothese hat weitreichende Bedeutung für die Biogeographie. Der Autor geht davon aus, dass die Anhebung des Tibetischen Plateaus über eine kritische Höhe hinaus, die daraufhin erfolgende Plateauvergletscherung und der damit verbundene Wärmeverlust der Erdatmosphäre die Kausalkette zur Auslösung der Eiszeiten darstellt (Kuhle 2001). Frühere eiszeitliche Vergletscherungen des Himalaya-Tibet Orogens hätten ähnliche Ausmaße erreicht, wie jene, die er für das LGM postuliert. Dieses Szenario schließt eine nahezu vollständige Vernichtung der Tertiären Fauna für das Plateau ein. Da die postulierten LGM-Durchbruchstalgletscher bis an die Südabdachung des Himalaya heran reichten (Kuhle 1982b, 1983, 2005, 2007, 2010, Abb. 1), wären Glazialrefugien der himalayanisch-tibetischen Tertiärfauna nur am Südrand des Gebirgssystems möglich

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gewesen. Eine Ausnahme würde das untere Yarlung Tsangpo Tal in Südtibet bilden, welches nach Kuhle (2005) partiell unvergletschert war (vgl. Abb. 6). In diesem Periglazialraum müssten arktische Bedingungen im LGM existiert haben. Das Überdauern von kleinen hochalpin-nivalen Laufkäferarten mit geringem Raumbedarf (z.B. Arten der Gattung Trechus) wäre in den unteren und mittleren, eisfreien Talabschnitten unter der Voraussetzung der Persistenz semistabiler Böden mit winterlicher Schneebedeckung durchaus möglich, nicht jedoch in den Seitentälern des Yarlung Tsangpo, die von gewaltigen Gletschern ausgefüllt waren. So gibt Kuhle (2005) für das Kyi Chu Tal nur 40 km nördlich des Yarlung Tsangpo bereits eine Gletschermächtigkeit von 700-1000 m an.

Abb. 6: Tibetisches LGM-Eisschild nach Kuhle (1985, aus Hövermann & Lehmkuhl 1993, verändert). Die roten Punkte stellen Fundorte flügelloser, edaphischer Trechus-Arten früherer Erfassungen im zentralen Südtibet dar (nach Deuve 1996, 1997). Um diese Vorkommen zu erklären, müssen erhebliche holozäne Arealerweiterungen dieser Arten angenommen werden.

Abb. 7: LGM-Vergletscherung Tibets nach Shi Yafeng et al. (1992, aus Hövermann & Lehmkuhl 1993, verändert). Die Fundpunkte edaphischer Trechus-Arten (dieselben wie in Abb. 6) befinden sich in Nachbarschaft zu tiefer gelegenen, nicht vergletscherten Gebieten; ihre Lage wäre deshalb recht einfach durch vertikale Arealverschiebung im Verlaufe des Holozäns erklärbar.

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Befunde in Südtibet

Eine Kartierung der Areale der z.T. winzigen, ungeflügelten Trechus-Arten erwies sich als ideale Möglichkeit, um Khules Eisschildhypothese zu verifizieren. Aus dieser Gruppe sind Arten bekannt, die ausschließlich edaphisch (im Lückensystem der oberen Bodenschichten) leben; sie kommen praktisch nie an die Bodenoberfläche und sind an Standorte mit hoher Bodenfeuchte gebunden. Solche Arten verfügen zwangsläufig über eine extrem eingeschränkte Ausbreitungsfähigkeit. Es war zu erwarten, dass in den höheren Lagen der an das Yarlung Tsangpo Tal angrenzenden Massive Arten dieser Gruppe vorkommen, welche die Kaltzeiten in jenem Tal überdauert haben und die in der nachfolgenden Klimaerwärmung ihr Areal vertikal aufwärts verschoben haben. Dagegen wären, folgt man der Eisschildhypothese, in den inneren Massiven des Plateaus keine edaphischen Trechus zu erwarten. Aus früheren taxonomischen Arbeiten (Deuve 1996, 1997) waren aber bereits fünf Arten aus dem zentralen Südtibet bekannt geworden, deren Fundorte zum Teil recht weit entfernt vom Tal des Yarlung Tsangpo lagen (Abb. 6). Für diese Arten müsste eine ungewöhnlich starke holozäne Ausbreitungsaktivität angenommen werden. Auch dies kann durch eine Arealanalyse verifiziert werden: Im Falle einer Arealerweiterung vom Yarlung Tsangpo entlang der Seitentäler nach Norden oder Süden müssten an geeigneten Standorten in den Massiven entlang des Ausbreitungsweges weitere Vorkommen derselben Arten existieren. Lokalendemismus weit entfernt vom Tal des Yarlung Tsangpo wäre nach der Eisschildhypothese ganz unwahrscheinlich. Dies ist dagegen nicht der Fall, wäre die LGM-Vergletscherung auf die stärker exponierten Massive Tibets beschränkt gewesen. Abbildung 7 zeigt, dass unter diesen Bedingungen keine erhebliche Arealexpansion dieser Trechus-Arten für das Holozän angenommen werden muss.

Entscheidende biogeographische Hinweise zur tatsächlichen LGM-Gletscherausdehnung im zentralen Südtibet brachte eine erste umfassende Arealkartierung der Laufkäfer im Sommer 2007. Hinsichtlich der Gattung Trechus sind sie in Publikation I zusammengefasst. Eine zweite Kartierung im Sommer 2010 im selben Gebiet verdichtete die Datenlage und bestätigte die Ergebnisse im Detail (Publikation in Vorbereitung). Demnach ist sowohl der östliche Gangdise Shan im Einzugsgebiet der Flüsse Kyi Chu und Tolung Chu als auch der gesamte Westteil des Nyainqenthanglha Shan durch einen beachtlichen Mikroareal-Endemismus geprägt (Abb. 8). Die meisten Arten besiedeln einzelne Seitentäler entlang der Abdachungen der Massive, und nur in sehr wenigen Fällen wurden Areale nachgewiesen, die sich über mehrere solche Seitentäler erstreckten. Keine einzige edaphische Trechus-Art besitzt ein Areal, das beide Talseiten des Yarlung Tsangpo einnimmt oder das sich entlang der Massive vom Yarlung Tsangpo nach Norden zum Nyainqentanglha Shan ausdehnt. Alle orographisch exponierten Teile des Gebirges und ihre verschiedenen Abdachungen besitzen eine jeweils eigene Ausstattung an Lokalendemiten.

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Abb. 8: Lage der Areale von 35 Lokalendemiten der Gattung Trechus (Kreise, jede Zahl entspricht einem Taxon) im zentralen Südtibet. Für nur vier der Taxa (3, 9, 15, 21) konnten je zwei nahe beieinander liegende Vorkommen nachgewiesen werden. Die Farben kennzeichnen separate Entwicklungslinien innerhalb der Gattung: Weiß – solhoeyi-Gruppe. Rot – antonini-Gruppe. Grün – chaklaensis-Gruppe (monotypisch). Gelb – dacatraianus-Gruppe. Blau – wrzecionkoi-dacatraianus-Gruppe. Die Funddaten basieren auf Publikation I, ergänzt durch Ergebnisse der Feldkampagne 2010; die Taxa 23-35 wurden erst 2010 neu entdeckt.

Abb. 9: Ausweisung von neun Bereichen (a-i) im Damxung-Becken, in welchen sich LGM-Refugien der Alpinfauna befanden. Die Angaben beruhen auf Arealbefunden lokalendemischer Trechus-Arten in Publikation I und auf Daten der Feldkampagne 2010.

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Auf Basis dieser Befunde kann die Eisschildhypothese zurückgewiesen werden (Publikation I). Die Lage der Trechus-Areale in Südtibet ist einzig dadurch erklärbar, dass die eiszeitlichen Refugien in unmittelbarer Nähe zu den heutigen Vorkommen der Arten lagen. Bedeutende Arealverschiebungen dieser Arten erfolgten im Zuge des holozänen Klimawandels vorrangig vertikal, aber nur sehr geringfügig horizontal.

Aussagen zur tatsächlichen Ausdehnung der LGM-Vergletscherung in Südtibet lassen sich mit Hilfe von Laufkäferdaten über die Lage der Refugialareale erhalten. Die Genauigkeit dieser Aussagen wird reliefbedingt bis zu einem bestimmten Grad durch die Datendichte determiniert. Da jede Kartierung bislang unerforschter Gebirgsteile zur Entdeckung neuer Arten, Unterarten bzw. Haplotypen führt, dürfte der maximale Grad an Genauigkeit noch lange nicht erreicht sein. In Abb. 9 ist beispielhaft für ein bereits relativ gut untersuchtes Gebiet die Lage von neun unabhängigen LGM-Refugialarealen der Alpinfauna an der Südostabdachung des westlichen Nyainqentanglha Shan eingezeichnet, wie sie sich aus der aktuellen Datenlage der endemischen Trechus-Arten ergeben. Grundlage dieser Darstellung ist die Erkenntnis, dass alle Arten Lokalendemiten bestimmter Seitentalsysteme dieses Gebirges sind, die das LGM in den unteren Lagen dieser Talsysteme überdauert haben müssen. Die Refugien der alpinen Trechus füllten dabei nicht den Boden des Haupttales aus, da dies zwangsläufig zu einer talquerenden, horizontalen Arealerweiterung und damit zur Vermischung der Faunenelemente beiderseits des Damxung-Beckens geführt hätte. Dies ist aber in keinen Fall belegt worden. Man kann somit davon ausgehen, dass sich die alpine Zone im LGM noch etwas hangaufwärts erstreckte.

Sehr wahrscheinlich können in diesem Gebiet zukünftig weitere LGM-Refugialareale auf der Basis bislang noch unentdeckter endemischer Trechus-Vorkommen ausgegrenzt werden. Es kann aber bereits als sicher gelten, dass mindestens neun eisfreie Areale an der Südabdachung des Nyainqentanglha Shan existierten, die in jenen Bereichen lagen, wie sie in Abb. 9 eingezeichnet sind. Im Gegensatz zu Kuhle (2005) zeigen die Ergebnisse der glazialmorphologischen Untersuchungen von Lehmkuhl et al. (2002), Klinge & Lehmkuhl (2004) und Lehmkuhl & Owen (2005) für die Südabdachung des westlichen Nyainqentanglha Shan partiell eisfreie Flanken und LGM-Gletscherstände, die nicht den Talboden erreichten (Abb. 10). Diese geomorphologischen Befunde werden durch den Nachweis von Glazialrefugien der alpinen Fauna im Gebiet unterstützt.

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Abb. 10: N-S-Querschnitt durch den Südteil des Tibetischen Plateaus mit Darstellung der aktuellen und der LGM-Vergletscherung (aus Lehmkuhl & Owen 2005, verändert). Die Pfeile verweisen auf eisfreie Flächen am Talhang und auf die unvergletscherte Talsohle an der Südabdachung des westlichen Nyainqentanglha Shan. Hier befanden sich nach den Ergebnissen der vorliegenden Studie die Refugialgebiete der alpinen Bodenfauna. Darüber hinaus liefern die Verbreitungsdaten der endemischen Trechus-Arten und ihre Verwandtschaftsbeziehungen Hinweise auf die Ausdehnung der Tibet-Vergletscherungen früherer Vereisungsperioden. Im Rahmen der systematischen Revision der Gattung konnte gezeigt werden, das die im zentralen Südtibet vorkommenden edaphischen Arten zu Entwicklungslinien gehören, die alle endemisch für bestimmte Bereiche des südlichen und östlichen Plateaus sind (Publikation I, siehe auch Abb. 8). So kommt die antonini-Gruppe ausschließlich im Nyainqentanglha Shan vor, hat aber ihre weitaus höchste Artendiversität in dessen Westteil (bisher ist erst eine Art aus dem Osten des Massivs bei Qamdo gefunden worden). Ähnlich sind die Verhältnisse in der dacatraianus-Gruppe: zwei weniger spezialisierte Arten kommen im Ost- und Nordteil des Plateaus vor, während alle stärker abgeleiteten Vertreter Lokalendemiten des westlichen Nyainqentanglha Shan sind. Die wrzecionkoi-Gruppe kommt nur in einem kleinen Abschnitt des Gangdise Shan zwischen den Tälern des Yarlung Tsangpo und des Kyi Chu vor. Die beiden Lokalendemiten Südtibets Trechus chaklaensis und die solhoeyi-Gruppe stehen im System der Gattung phylogenetisch isoliert; verwandtschaftliche Beziehungen zu anderen Arten des Himalaya-Tibet Gebirgssystems konnten bislang nicht gefunden werden. Keine dieser Artengruppen hat Vertreter im unmittelbar südlich angrenzenden Tibetischen Himalaya. Letzterer wird von edaphischen Trechus-Artengruppen besiedelt, die ihrerseits keinen einzigen Vertreter im Transhimalaya haben (Publikation I; die thibetanus-Gruppe unterliegt dieser Regel nicht, sie umfasst vielfach Arten ohne streng edaphische Lebensweise und wird hier nicht berücksichtigt).

Aus diesen biogeographischen Befunden lässt sich ableiten, dass es zu keinem Zeitpunkt in der Umweltgeschichte des Himalaya-Tibet Orogens zur Ausbildung eines Eisschildes

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gekommen sein kann. Da sich keine engen Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den im Gangdise Shan, Nyainqentanglha Shan und Tanggula Shan endemischen Trechus und den Arten der tibetischen Randgebirge erkennen lassen, dürfte die gesamte Stammesgeschichte der in Tibet endemischen Artengruppen in den mehr zentral gelegenen Teilen des Plateaus abgelaufen sein. Die rezente Formenfülle lässt sich nur durch ein relativ hohes evolutives Alter der Entwicklungslinien erklären, weshalb ein tertiärer Ursprung sehr sicher ist

(Publikation I). Diese auf morphologischen Untersuchungen zurückgehenden

Schlussfolgerungen können zukünftig durch molekulargenetische Analysen verifiziert werden. Letztere liefern neben weiteren Merkmalen zur Überprüfung der Monophylie-Hypothesen der Artengruppen vor allem bessere Möglichkeiten zur Datierung ihres phylogenetischen Alters. Sollte sich dadurch der tertiäre Ursprung der endemischen Trechus-Artengruppen Südtibets bestätigen, wäre dies ein Indiz mit hoher Beweiskraft gegen die Theorie von Eisschildvergletscherungen während früherer Kaltzeiten, wie sie von Kuhle (2001, 2007) angenommen werden.

Befunde im Himalaya

Aus dem Himalaya liegen nach eigenen Erhebungen aufschlussreiche Laufkäfer-basierte Befunde zur Lage von LGM-Refugien aus den Massiven des Saipal Himal und des Kanjiroba Himal in West-Nepal (Abb. 11) und aus den oberen Tälern des Kali Gandaki und des Marsyangdi Khola im westlichen Zentral-Nepal (Abb. 12) vor.

West-Nepal: Verbreitungsdaten der Laufkäfer verschiedener Gattungen sprechen dafür, dass auch der Innere Himalaya großräumig eisfrei gewesen sein muss. In den Hochtälern an den nordwestlichen Flanken des Kanjiroba Himal und an den nordöstlichen Flanken des Saipal Himal sind eng verwandte Trechus-Taxa (z.T. auf Unterart-Niveau) quasi parapatrisch verbreitet (Abb. 11). Auch hier kann aufgrund der rezenten Arealsituation nur eine vertikale Arealverschiebung infolge des spätpleistozänen Klimawandels angenommen werden. Mikroareal-Endemiten in Seitentalsystemen an den Nordabdachungen dieser Gebirge müssen ihre LGM-Refugien folglich in den Tälern der Flüsse Humla Karnali bzw. Mugu Karnali nördlich des Himalaya-Hauptkammes besessen haben (Publikation I). Dies sind weitere Indizien gegen die Eisschildhypothese, die ein Eisstromnetz im Inneren Himalaya über den Himalaya-Hauptkamm hinaus postuliert, aus welchem nur Peaks oberhalb von 6000 m herausgeragt haben sollen (Kuhle 2004, 2005, 2007, 2010 und frühere Arbeiten, vgl. Abb. 5). Unter derartigen Bedingungen wäre eine eiszeitliche Überdauerung einer alpinen Fauna nördlich des Himalaya-Hauptkammes unmöglich gewesen.

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Abb. 11: Verbreitung von edaphischen Trechus-Arten in West-Nepal (Publikation I). Die Taxa T. aedeagalis und T. stratiotes sind endemisch an der Nordabdachung des Saipal Himal und besaßen ihre LGM-Refugien im Humla Karnali-Tal. T. eremita ist endemisch an der Nordabdachung des Kanjiroba Himal und besaß sein LGM-Refugium im Mugu Karnali-Tal. Die unmittelbar südlich angrenzenden, quasi parapatrischen Areale der jeweiligen Schwestertaxa weisen auf eine in sito-Entstehung dieser Taxa durch geographische Separation hin (Vikarianz-Endemismus), weshalb die Existenz gemeinsamer LGM-Refugien an den Südabdachungen unwahrscheinlich ist. Westliches Zentral-Nepal: In den Transverstälern der Flüsse Kali Gandaki und Marsyangdi Khola kommen zahlreiche Laufkäfer-Endemiten aus verschiedenen Gattungen ausschließlich nördlich des Himalaya-Hauptkammes vor. Dazu gehören auch große Arten mit deutlich höherem Raumbedarf, deren Vertikalareal zum Teil nur bis in die subalpine Stufe hinauf reicht. Dies sind starke Indizien für die Existenz ausgedehnterer LGM-Refugien im Inneren Himalaya, die lokal sogar für die Existenz von Waldrefugien sprechen (Schmidt 2007). Die auf morphologischen Untersuchungen in mehreren Laufkäfergattungen beruhenden Angaben werden durch molekulargenetische Befunde in der Gattung Pterostichus gestützt (Publikation IV, Abb. 12). Nördlich des Durchbruches des Kali Gandaki durch den Himalaya-Hauptkamm kommt an der Ostabdachung des Dhaulagiri-Massivs ein endemischer Pterostichus balachowskyi COI-Haplotypus vor (b3 in Abb. 12). Dieser ist identisch mit der Unterart P. b. tukchensis. Nördlich des Durchbruches des Marsyangdi Khola durch den Himalaya-Hauptkamm kommt an der Nordostabdachung des Annapurna-Massivs ein endemischer Pterostichus ganja COI-Haplotypus vor (g4 in Abb. 12). Dieser ist identisch mit der Unterart P. g. pisangensis. Die beiden genannten Pterostichus-Unterarten besiedeln die obere Nebelwaldstufe und erreichen mit der Obergrenze ihres Vertikalareals das Subalpin. Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass lokal am Rand des Talbodens unmittelbar nördlich des Himalaya-Hauptkammes auch im LGM Waldstandorte existierten.

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Abb. 12: Verbreitung des hochalpinen Trechus tilitshoensis (weiße Kreise: ti) und von Haplotypen eines 1444 bp langen COI-Sequenzsegments hochmontan-subalpiner Pterostichus-Arten (farbige Kästchen) in den Durchbruchstälern des Kali Gandaki und Marsyangdi Khola, zentraler Nepal-Himalaya (b1-b3, gelb: P. balachowskyi; f1-f2, blau: P. fritzhiekei; g1-g4, rot: P. ganja). Angaben aus Publikationen I und IV.

Auf Basis dieser Befunde kann angenommen werden, dass alpine Lebensräume im Inneren Himalaya Zentral-Nepals während des LGM weit verbreitet gewesen sind. Darauf weisen auch die zahlreichen, geographisch separierten Vorkommen der winzigen, streng edaphischen Art Trechus tilitshoensis nördlich der Massive des Annapurna und des Dhaulagiri hin. Diese rekrutieren sich sehr wahrscheinlich aus mehreren alpinen Glazialrefugien dieses Laufkäfers in Tälern des Inneren Himalaya (Publikation I, Abb. 12). Die Nachweise von Laufkäfer-Endemiten nördlich des Himalaya-Hauptkammes sprechen damit nicht nur gegen die Ausbildung eines LGM-Eisstromnetzes im Inneren Himalaya, sondern auch gegen die Existenz von jeweils über 1000 m mächtigen Durchbruchstalgletschern, wie sie von Kuhle (1982, 1983, 2007, 2010) sowohl für das Kali Gandaki Tal als auch für das Marsyangdi Khola Tal postuliert werden (vgl. Abb. 5). Eine kaltzeitliche Überdauerung von Laufkäferarten der subalpinen Stufe auf eisfreien Flanken oberhalb dieser Gletscherströme (als sogenannte Nunatak-Endemiten) ist bei einer derartig mächtigen Talfüllung ausgeschlossen. Dagegen stützen die Laufkäferdaten die glazialmorphologischen Befunde von Fort (1995, 2004). Nach dieser Autorin erreichten die längsten LGM-Eisströme an den Flanken des Dhaulagiri Himal und des Annapurna Himal zwar den Talboden des Kali Gandaki bzw. des Marsyangdi Khola, jedoch kam es nur an diesen Stellen zu einer lokalen Gletscherfüllung des Haupttales, während große Bereiche sowohl am Talboden als auch an den Bergflanken eisfrei blieben. Letztere konnten somit von subalpinen und alpinen Arten als LGM-Refugien genutzt werden. Auf klimatisch begünstigten Standorten wären am unteren Talhang auch unter dem Szenario von Fort (1995, 2004) Waldrefugien denkbar.

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Anmerkungen zu den Methoden der Pleistozänforschung

Die erheblichen Abweichungen in den präsentierten Forschungsergebnissen der Geomorphologen zur Ausdehnung der LGM-Vergletscherung im Himalaya-Tibet Orogen führen zwangsläufig zu der Frage nach den Ursachen. Kuhle (2007) und Kuhle & Kuhle (2010), die mit der Eisschildhypothese selbst eine extreme Meinung vertreten, führen die Differenzen auf methodische Probleme bei der Datierung glazigener Ablagerungen auf der Basis von OSL (optically stimulated luminescense dating) und TCN (terrestrial in situ cosmogenic nuclide dating) zurück. Diese Methoden werden nach Auffassung der genannten Autoren ohne eine für die Anwendung in Hochasien notwendige Kalibrierung eingesetzt, weshalb jüngere glazigene Ablagerungen fälschlicherweise auf das LGM datiert werden. Autoren, die sich kritisch mit den Ergebnissen Kuhles auseinandersetzen, (z.B. Shi et al. 1992, Fort 1995, Benn & Owen 2002, Owen & Lehmkuhl 2005) führen die gravierenden Abweichungen dagegen auf eine Fehlinterpretation der lokalen geomorphologischen Erscheinungsformen zurück. Die in der vorliegenden Studie dargelegten Arbeitsergebnisse legen letzteres nahe. Die biogeographischen Befunde sprechen eindeutig gegen die Existenz eines tibetischen LGM-Eisschildes und eines Eisstromnetzes im Himalaya im Sinne von Kuhle (1982-2010). Dagegen werden u.a. die Arbeitsergebnisse von Klinge & Lehmkuhl (2004), Lehmkuhl & Owen (2005), Owen & Benn (2005) in Südtibet gestützt, die mittels OSL und TCN gewonnen wurden. Wichtig in diesem Zusammenhang erscheint der Hinweis, dass die Methode zur Kartierung von LGM-Vereisungsgrenzen auf der Basis von Laufkäferarealen grundsätzlich keine Datierungsprobleme in sich birgt, da sie sich ausschließlich auf das lokale LGM bezieht und zwar unabhängig davon, wann das LGM an der jeweiligen Lokalität erreicht wurde. Dies kann hier als besonderer Vorteil der auf Mikroareal-Endemismus basierenden Indikation herausgestellt werden. Biogeographische Analysen bieten demzufolge ideale Möglichkeiten zur Absicherung der geomorphologischen Befunde bei der Erkundung der eiszeitlichen Vergletscherungen Hochasiens.

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2.2. Vertikale Arealgrenzen lokalendemischer Laufkäfer: Neue Proxydaten zur Bestimmung der Temperaturabsenkung im LGM Hochasiens

Vorbetrachtungen

Mit Hinblick auf ihre biogeographische Relevanz divergieren die Auffassungen zur LGM-Temperaturabsenkung (LGM-ΔT) in Hochasien nicht weniger stark, als die zur Ausdehnung der LGM-Vergletscherung. Im Unterschied zur letzteren Problematik existiert hier aber keine so ausgeprägte Polarisierung gegensätzlicher Meinungen. Die in der geowissenschaftlichen Literatur präsentierten Werte für die LGM-ΔT auf dem Tibetischen Plateau schwanken zwischen 0-10K. Geophysikalische (δ18O in Eisbohrkernen, Yao et al. 1997, bzw. in interkristallinen Salzen, Zhang et al. 1993) und geomorphologische Proxydaten (Sandkeile und Torfe in glazigenen Frostaufbrüchen, Xu et al. 1984) sowie ein auf geomorphologischen Befunden (LGM-ELA und Dauerfrostböden) basierendes Klimamodell (Böhner & Lehmkuhl 2005) lieferten dabei durchschnittlich höhere Werte (6-10K) als Pollenanalysen (0-6K, siehe Übersicht in Shi 2002) sowie die vorrangig aus solchen Daten abgeleiteten Klimamodelle (1-4K, Liu et al. 2002, Zheng et al. 2004). In nur wenigen Arbeiten wird dabei zwischen einer LGM-Temperaturdepression im Winter und einer im Sommer differenziert. Letztere ist jedoch von entscheidender ökologischer Bedeutung, während die winterliche Temperaturabsenkung einerseits im Boden unter Schneebedeckung erheblich abgemildert wird und andererseits durch entsprechende Anpassungen der Organismen in einem hohen Maß toleriert werden kann (Franz 1979, Ellenberg 1986, Körner 2003). Neuere pollenanalytische und klimatologische Arbeiten gehen außerdem von +/- ausgeprägten jahreszeitlichen Unterschieden in der LGM-ΔT aus (Tang et al. 1999,Liu et al. 2002, Böhner & Lehmkuhl 2005). Die Angaben zum Jahresdurchschnitt liefern somit keine Grundlage zur Rekonstruktion der eiszeitlichen Umweltverhältnisse. Andererseits sind LGM-ΔT-Daten zum Jahresdurchschnitt aus oben genannten Gründen anzuzweifeln, wenn sie aus biologischen Proxydaten abgeleitet wurden, z.B. aus Pollenanalysen.

Reduziert man die publizierten Datensätze auf Angaben zur LGM-Temperaturabsenkung des LGM-Sommers, verbleibt eine Spanne der in der jüngeren geowissenschaftlichen Literatur publizierten Ergebnisse von 0-6K. Dieses macht es praktisch unmöglich, eine Vorstellung von den eiszeitlichen Umweltbedingungen auf dem Tibetischen Plateau zu erhalten. Bei einem Szenario von 6K LGM-ΔT dürften in weiten Teilen des Tibetischen Plateaus auch ohne umfassende Vergletscherung lebensfeindliche Kältewüsten geherrscht haben. Bereits in den im vorgehenden Kapitel vorgestellten Untersuchungsergebnissen zur LGM-Gletscherausdehnung deutete sich mit dem Nachweis von Glazialrefugien alpiner Laufkäfer in über 4000 m hoch gelegenen Tälern an, dass dies nicht der Fall war. Vermutlich lag die tatsächliche LGM-ΔT also unter 6K. Bei 0-1K LGM-ΔT hätte die Eiszeit entweder zu keinem Wandel der Vegetation und Fauna auf dem Plateau geführt oder ein solcher müsste einzig

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auf Veränderungen im Niederschlagsregime zurückzuführen sein. Ein solches Szenario widerspricht aber Befunden aus Sedimentuntersuchungen einschließlich Pollenanalysen, die erhebliche Vegetationsveränderungen auf dem Tibetischen Plateau seit dem LGM dokumentieren, welche nicht zuletzt durch eine phasenhafte, deutliche Erwärmung erklärt werden (Shen et al. 2005, Herzschuh et al. 2006, Herzschuh & Liu 2007). Sehr wahrscheinlich lag die tatsächliche LGM-ΔT also über 1K.

Ableitung lokaler LGM-ΔT auf der Basis von Laufkäferdaten

Käfer haben schon seit einigen Jahrzehnten eine besondere Bedeutung in der Klimaforschung des Quartärs erlangt. Die Kombination zweier Eigenschaften macht sie für entsprechende Fragestellungen hervorragend geeignet: Erstens ist das stark sklerotisierte Exoskelett der Käfer so widerstandsfähig gegen chemische und mikrobielle Zersetzung, dass es in einer geeigneten Lagerstätte (z.B. Moor, Seesediment) viele tausend Jahre nahezu unversehrt überdauern kann. Da das Exoskelett in den meisten Fällen die arttypischen Merkmale trägt, lassen sich die gefundenen subfossilen Überreste meist zweifelsfrei bestimmten Arten zuordnen (Elias 1994, 2007, 2010). Zweitens sind die Toleranzen verschiedener Käferarten gegenüber Schwankungen bestimmter Umweltfaktoren wie Temperatur und Bodenfeuchte begrenzt. Werden viele Käferarten in derselben Schicht einer Lagerstätte gefunden und sind die jeweiligen artspezifischen Toleranzgrenzen bekannt (hinsichtlich der Temperatur lassen sie sich beispielsweise aus der geographischen Lage des rezenten Artareals unter Verwendung von Daten aus Klimastationen ableiten), dann können die Paläoumweltbedingungen in der Umgebung der Lagerstätte aus dem Überlappungsbereich der verschiedenen Standortansprüche der Arten rekonstruiert werden (mutual climatic range method, MCR, Atkinson et al. 1987). Inzwischen sind auf Basis dieser Überlegungen zahlreiche Arbeiten erschienen in denen es gelungen ist, pleistozäne und holozäne Umweltbedingungen in Gebieten mit Fundplätzen subfossiler Käfer vor allem im nördlichen Europa und in Nordamerika zur rekonstruieren (z.B. Coope et al. 1998, Coope & Elias 2000, Coope 2002, Elias 2000, Jost-Stauffer et al. 2005).

Im Himalaya-Tibet Orogen wurden subfossile Lagerstätten mit Käferüberresten bislang nicht gefunden. Vermutlich sind die Bedingungen in diesem extremen Hochgebirge für derartige Ablagerungen so ungünstig, dass sie entweder sehr selten sind oder gar nicht existieren. Die besondere geomorphologische Situation auf dem Tibetischen Plateau und eine umfassende Revision der rezenten Arten der Laufkäfergattung Trechus dieses Gebietes (Publikation I) boten jedoch die Möglichkeit, die MCR stärker zu modifizieren und damit einen anderen Arbeitsansatz zur Ableitung von Paläotemperaturen zu entwickeln (Publikation II). Die entscheidende Abweichung besteht darin, dass ausschließlich heute lebende Arten die Datengrundlagen liefern. Die Idee zu dieser neuen Methode entsprang aus den zahlreichen

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Nachweisen von Mikroareal-Endemiten der Laufkäfer auf dem Tibetischen Plateau, welche die Kaltzeiten in demselben Seitentalsystem eines Massivs überdauert haben müssen, in dem sie heute noch vorkommen. Aufgrund der Temperaturabhängigkeit der vertikalen Arealgrenzen der Laufkäfer müssen die LGM-Refugien hangabwärts der heutigen Vorkommen gelegen haben (Abb. 9, Diskussion in Kapitel 2.1). Der Talboden des Haupttales bildet dabei die absolute Untergrenze der potenziellen Abwärtsverschiebung des LGM-Areals. Liegt der Talboden im Vertikalareal einer Art, ist eine horizontale Arealerweiterung auch bei flügellosen Laufkäfern wahrscheinlich, sofern geeignete Standortbedingungen dies ermöglichen. Dieses Szenario entspricht insofern den Erfahrungen bei der Untersuchung der

rezenten Laufkäfer-Verbreitungsbilder an der Südabdachung des westlichen

Nyainqentanglha Shan und der gegenüberliegenden Nordabdachung des Gangdise Shan, indem hier alle flügellosen Arten mit Hauptvorkommen in der subalpinen Höhenstufe (< 4700 m) eine relativ weite Verbreitung im Damxung-Becken aufweisen (Abb. 13).

Abb. 13: Fundorte flügelloser Laufkäfer-Endemiten des Damxung-Beckens mit Hauptverbreitung in der subalpinen Stufe (< 4700 m). Für alle diese Arten sind Vorkommen aus mehreren Seitentalsystemen bekannt, und die meisten besiedeln die Bergflanken an beiden Seiten des Haupttales (Ergebnisse der Feldkampagnen 2007+2010, unveröffentlicht. Kartenausschnitt wie in Abb. 9).

Im Gegensatz dazu sind die Trechus-Taxa dieses Gebietes, die ausschließlich in der alpinen Stufe vorkommen, in jedem Fall Lokalendemiten (Publikation I, Abb. 14). Ihr Verbreitungsgebiet umfasst selten mehr als ein Seitentalsystem des Nyainqentanglha Shan bzw. Gangdise Shan. Areale, die beide Seiten des Hauptales einnehmen, kommen bei Trechus gar nicht vor. Bei diesen Taxa kann somit davon ausgegangen werden, dass die untere Grenze des jeweiligen Vertikalareals den Talboden auch im LGM nicht erreicht hat. Im Abschnitt 2.1 konnte bereits gezeigt werden, dass sich die alpine Zone im LGM an den eisfrei gebliebenen Bergflanken noch etwas hangaufwärts erstreckte. Hier müssen die Refugien der lokalendemischen Trechus gelegen haben (Abb. 9 und 14).

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Abb. 14: Lage der Areale lokalendemischer Trechus-Taxa am westlichen Nyainqentanglha Shan (weiße Punktlinien, basierend auf Publikation I und Ergebnissen der Feldkampagne 2010). In den mittels schwarzen Punktlinien umgrenzten unteren Bereichen der Seitentalsysteme werden die jeweiligen LGM-Refugien vermutet. Die Höhenangaben kennzeichnen den jeweils tiefsten Punkt dieser Refugien. Tiefer lagen die Trechus-LGM-Areale sicher nicht, da es sonst zur Vermischung der Faunen verschiedener Gebirgsabschnitte gekommen wäre. Die Höhendifferenz zwischen der Untergrenze der heutigen Vertikalverbreitung jeder Art und dem tiefsten Punkt ihres potentiellen LGM-Refugiums liefert die Grundlage für die Berechnung der LGM-ΔT in Publikation II. Kartenausschnitt wie in Abb. 9 und 13.

Diese biogeographischen Befunde und die berechtigte Annahme einer direkten Abhängigkeit der artspezifischen vertikalen Arealgrenzen von der Julitemperatur (vgl. Lindroth 1949, Coope 1986, Atkinson et al. 1987) ermöglichen die Berechnung der regionalen Sommer-LGM-ΔT (Publikation II). Die Höhendifferenz zwischen der Untergrenze des rezenten Vertikalareals jeder lokalendemischen Trechus-Art und dem tiefsten Punkt im Bereich ihres potentiellen LGM-Refugiums bildet den Grenzwert ihrer maximal möglichen kaltzeitlichen Arealverschiebung (Tabelle 1). Es ergeben sich Werte von 450-800 m maximaler Arealverschiebung für die Trechus-Arten des westlichen Nyainqentanglha Shan. Bei einem im betrachteten Untersuchungsraum relevanten Gefälle der Juli-Temperatur von 0,55K/100 m (Giddings 1980) bis 0,69K/100 m (Du et al. 2007) entspricht dies einer LGM-ΔT von 2,5-5,5K. Beim Vergleich der Daten in Tabelle 1 fällt jedoch auf, dass nur bei drei von 19 lokalendemischen Taxa eine vertikale Arealverschiebung von über 650 m erforderlich ist, damit deren untere Arealgrenze den Boden des Haupttals erreicht. Bei allen anderen Arten hätte eine derart starke Arealabsenkung eine horizontale Arealerweiterung im Damxung-Becken ermöglicht, da deren untere Arealgrenze theoretisch unterhalb des Haupttalbodens gelegen hätte. Da jedoch nur Lokalendemismus nachgewiesen werden konnte muss davon ausgegangen werden, dass die oben erwähnten drei Arten den Talboden auch im LGM nicht erreichten, sondern die darüber liegenden, eisfreien Flanken besiedelten. Damit sind sie für die Berechnung der LGM-ΔT nicht geeignet.

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Tabelle 1: Berechnung der maximal möglichen Arealverschiebung lokalendemischer Trechus-Taxa an der Südabdachung des westlichen Nyainqentanglha Shan und Ableitung der LGM-ΔT bei einem Gefälle der Juli-Temperatur (lr) von 0,55K/100 m (Giddings 1980) und 0,69K/100 m (Du et al. 2007). Die durch Schattierung markierten Taxa liefern unrealistisch hohe LGM-ΔT-Werte (in Klammern); die Untergrenze ihres Vertikalareals lag sicher auch im LGM deutlich oberhalb des Talbodens (Begründung siehe Text). Alle Angaben aus Publikation II. Lokalendemisches

Trechus Taxon

Vertikale Arealgrenzen [mNN]a)

Höhe des Haupttals im Bereich des LGM-Refugiums [mNN] Maximal mögliche Arealverschiebung [m] ΔT [K] (lr = 0.55K) ΔT [K] (lr = 0.69K) T. astrophilus 5100-5600 4300 800 (4,4) (5,5) T. bastropi 5000-5350 4500 500 2,8 3,4 T. budhaensis 5000-5400 4300 700 (3,8) (4,8) T. folwarcznyi 5000-5450 4500 500 2,8 3,4 T. rarus 5000-5200 4500 500 2,8 3,4 T. religiosus 5100-5500 4600 500 2,8 3,4 T. solhoeyi 4800-5100 4300 500 2,8 3,4 T. yak shogulaensis 5000-5400 4500 500 2,8 3,4

T. yak subspec. nov. 5000-5300 4500 500 2,8 3,4

T. yak yak 5000-5300 4300 700 (3,8) (4,8)

T. yeti 5100-5300 4500 600 3,3 4,1

Trechus spec. nov. 1 4900-5350 4450 450 2,5 3,1

Trechus spec. nov. 2 5000-5350 4450 550 3,0 3,8

Trechus spec. nov. 3 4950-5400 4350 600 3,3 4,1

Trechus spec. nov. 4 4950-5350 4300 650 3,6 4,5

Trechus spec. nov. 5 5000-5500 4500 500 2,8 3,4

Trechus spec. nov. 6 4950-5400 4500 450 2,5 3,1

Trechus spec. nov. 7 5000-5300 4500 500 2,8 3,4

Trechus spec. nov. 8 4950-5100 4300 650 3,6 4,5

a) In Anpassung an die im Gelände erreichbare Genauigkeit sind die ermittelten Werte der oberen Arealgrenze in 50 m-Schritten aufgerundet, der unteren Arealgrenze in 50 m-Schritten abgerundet.

Bei 16 von 19 Taxa wäre eine maximale Arealverschiebung von 450-650 m bis zum Boden des Damxung-Beckens im Bereich des jeweils besiedelten Seitentalsystems möglich, wobei der Mittelwert unter Berücksichtigung der in 2007 und 2010 kartierten Verbreitungsdaten bei 530 m liegt. Daraus leitet sich eine Juli-LGM-ΔT von 2,9K (2,5-3,6) bei einem Temperaturgefälle von 0,55K/100 m (Giddings 1980) und von 3,6K (3,1-4,5) bei einem Temperaturgefälle von 0,69K/100 m (Du et al. 2007) ab. Es lässt sich daraus schließen, dass die tatsächliche Juli-LGM-ΔT zwischen 3K und 4K lag.

Mit diesen Berechnungen kann die bislang aus der Literatur zur Verfügung stehende Spanne von 0-6K für die sommerliche LGM-ΔT in Südtibet auf einen sehr engen Bereich eingegrenzt werden. Außerdem können zwei Sachverhalte hervorgehoben werden, welche die besondere Eignung dieses neuen Proxy der Paläoumweltforschung nahe legen: Zum einen existieren keine Probleme hinsichtlich der Datierung der Laufkäferbefunde. Die hier präsentierten Daten beziehen sich zwangsläufig auf den tiefsten während der letzten Vereisung erreichten Temperaturpunkt im jeweiligen Refugialgebiet. Zum anderen können

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die Befunde mittels weiterer biogeographischer Erkundungen verifiziert und konkretisiert werden. Es kann als sicher angenommen werden, dass in Zukunft zahlreiche weitere endemische Laufkäfervorkommen in Zentral- und Südtibet entdeckt werden. Dabei muss die Molekulargenetik eine stärkere Rolle einnehmen da sie in der Lage ist, morphologisch identische aber genetisch distinkte Haplotypen verschiedener Seitentalsysteme oder Bergflanken als lokale Endemiten zu identifizieren. Somit erscheint nicht nur die weitere Eingrenzung der Spanne um den tatsächlichen Wert der lokalen Juli-LGM-ΔT sondern auch eine Laufkäfer-basierte Kartierung der Temperaturabsenkung für alle Gebiete Hochasiens realistisch, in denen Mikroareal-Endemismus nachgewiesen werden kann. Das betrifft praktisch alle Bereiche des Himalaya-Tibet Orogens, die keiner Tabula rasa während des LGM unterlagen. Die in Tabelle 1 präsentierten Werte für das Damxung-Becken zeigen aber auch, dass eine weitere Annäherung der Laufkäfer-basierten Berechnung an die tatsächliche regionale Juli-LGM-ΔT zukünftig nicht nur von einer Verdichtung der biogeographischen Datenlage abhängt, sondern insbesondere von der Verwendung eines besser abgesicherten Wertes für das regionale Temperaturgefälle entlang der Bergflanken. Somit wäre es von erheblichem Vorteil, wenn die biogeographischen Analysen mit mikroklimatischen Standorterkundungen in repräsentativen Gebieten ergänzt werden könnten.

Die Belastbarkeit der in Tabelle 1 und in Publikation II präsentierten Ergebnisse lässt sich mit ähnlichen biogeographischen Methoden mindestens für den Bereich der Obergrenze der errechneten Juli-LGM-ΔT bereits heute relativ einfach überprüfen. Ein geeigneter Indikator ist die Obergrenze des Vertikalareals solcher Endemiten, die nicht bis in die hochalpinen Frostschuttböden hinauf vorkommen. Es zeigt sich, dass Werte von deutlich über 4K Juli-LGM-ΔT schon deshalb ausgeschlossen sind, weil eine solche Temperaturabsenkung mindestens zur Auslöschung der Vorkommen von zwei am Nyainqentanglha Shan nördlich von Yangpachem lokalendemischen Laufkäferarten geführt hätte. Es handelt sich dabei um Trechus solhoeyi und ihre allopatrische Schwesterart Trechus spec. nov. 8 (vgl. Tabelle 1 und Abb. 14). Beide Arten haben die Obergrenze ihrer Vertikalverbreitung bei 5100 m, wobei der Talboden bei 4300 m liegt. Die heutigen Vorkommen beweisen, dass die LGM-Arealabsenkung niemals 800 m erreicht haben kann. Ein solcher Wert würde sich aus der vertikalen Lage des Areals der stenök hochalpinen Art Trechus astrophilus ergeben (Tabelle 1), was einer Juli-LGM-ΔT von 4,4-5,5K entspräche. Eine derart hohe Temperaturabsenkung wurde bereits unter Verwendung der Untergrenze des artspezifischen Laufkäfer-Vertikalareals als unrealistisch identifiziert (siehe oben).

Methodentest mittels lokaler Wacholder-Haplotypen

Eine weitere Möglichkeit zur kritischen Überprüfung der Ergebnisse bot sich durch die Entdeckung von Wacholder-Waldrefugien im Einzugsgebiet des Yarlung Zhangbo auf Basis

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molekulargenetischer Untersuchungen im Juniperus tibetica-Hybridkomplex (Opgenoorth et al. 2010). Mit dem Nachweis lokalendemischer Haplotypen des Tibetischen Wacholders stand neben den ausschließlich alpin lebenden Trechus-Arten ein weiterer Bioindikator für die Ableitung der regionalen LGM-Temperaturabsenkung zur Verfügung. Zur Ermittlung der maximal möglichen Arealverschiebung bis zum lokalen Talboden verwendeten wir in Publikation II die Obergrenze der rezenten Juniperus-Vorkommen, da diese als Temperaturgrenze eindeutig identifiziert wurde (Ellenberg 1986, Körner 2003). Die Obergrenze der Juniperus-Funde liegt in Südtibet zwischen 4620 und 4850 m, also im Durchschnitt nur wenig tiefer als die Untergrenze der Vorkommen edaphischer Trechus-Endemiten. Auf Basis der lokalen Juniperus-Haplotypen errechnete sich eine Spanne der Juli-LGM-ΔT von 2,6-7,6K (Publikation II). Dabei sind die ermittelten Höchstwerte aber nicht interessant, da Juniperus in den weiter hinab reichenden Tälern sehr sicher auch im LGM eine Höhenverbreitung von mehreren Hundert Metern besessen hat. Hinweise auf die tatsächliche LGM-ΔT sollten sich deshalb von jenen Populationen ergeben, die während des LGM aufgrund der geographischen Situation (hoch gelegene Täler) vermutlich auf ein sehr kleines Höhenareal am Temperaturlimit von Juniperus zusammengepresst wurden. Leider liegen uns bisher nur Daten von drei solchen besonders geeigneten Juniperus-Populationen vor. Auf dieser Grundlage konnte eine Juli-LGM-ΔT von 2,6-4,1K ermittelt werden. Diese Wertespanne stützt die aus den Trechus-Daten geschlussfolgerten 3-4K auffallend gut. Weitere Schlussfolgerungen zur LGM-Umwelt Süd- und Zentraltibets

Da die überwiegende Zahl der Einzelbefunde der Trechus-Laufkäfer am westlichen Nyainqentanglha Shan eine LGM-Höhenstufenabsenkung von ca. 500 m bzw. eine Juli-LGM-ΔT von ca. 3K anzeigt besteht der Verdacht, dass der Boden des Damxung-Beckens südwestlich der Ortschaft Damxung am Durchbruch des oberen Kyi Chu durch den Gangdise Shan (Lokalität siehe Abb. 8) in der subalpinen Stufe lag. Tatsächlich gibt es bereits Nachweise von Laufkäferarten mit Hauptverbreitung in der Subalpinstufe, die vermutlich Endemiten des Damxung-Beckens sind (Beispiele in Abb. 13). Zur Absicherung dieser Befunde sind sowohl weitere Kartierungen im Gebiet des Gangdise Shan als auch molekulargenetisch basierte phylogeographische Analysen in verschiedenen Laufkäfer-Artengruppen notwendig. Sollte sich der Verdacht erhärten, wäre an wärmebegünstigten Standorten in den tiefsten Lagen des Damxung-Beckens (4200-4300 mNN) das Vorkommen von Juniperus tibetica-Wald während des LGM denkbar, da rezente Vorkommen dieser Baumart in Südtibet bis 4900 mNN gefunden wurden (Miehe et al. 2007). Vielleicht ist der heute noch vorhandene Wacholderwald-Restbestand bei Nindung Xhang südwestlich von Damxung (Miehe et al. 2008) ein Relikt dieses Waldrefugiums. Juniperus ist in Pollenanalysen aus diesem Gebiet bereits in Ablagerungen von 13.000 Jahren vor heute

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