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Zw ist und Einigkeit, Treue und Abfall in juridischen Texten

Im Dokument Schriften des Historischen Kollegs (Seite 143-151)

Hubert Cancik

2. Zw ist und Einigkeit, Treue und Abfall in juridischen Texten

2.1 Typologie der Q uellen und Begrenzung des T hem as

Das zentrale T hem a der hethitischen Historiographie, die m it diesen beiden B eispie­

len vorgestellt werden sollte, ist Entstehung, Behauptung und Verlust von Herrschaft, die verbindliche, rechtlich und religiös sanktionierte O rdnung von H errschaft und A bhängigkeit, die A nerkennung der H errschaft in der königlichen Fam ilie, durch den Adel, die Beam ten, die „Ä ltesten“, „die M änner von Hattusa“ und die auswärtigen Länder und K ö n ig e 15.

Das T hem a .H errschaft/Abhängigkeit1 ist in der hethitischen Literatur nicht nur narrativ entw ickelt, sondern wird in folgenden T extarten erfaßt:

a) ,Thronfolgeordnungen‘ (kein hethitischer Term inu s): Das „Testam ent Hattu- sili’s I.“ (C TH 6) und das „Edikt des Telepinu“ (C T H 19) regeln - vergeblich - die in­

terne hethitische Thronfolge und können als lex fundam entalis des Landes Hattusa gelten. A uch in Vasallenverträgen wird sowohl die hethitische Dynastie als auch die Thronfolge des Vasallen g esich ert16.

b) .Verträge“ (ishiul- „Bindung“): Ü ber 4 0 Verträge in akkadischer, hethitischer oder in beiden Sprachen sind, einige in m ehreren Exem plaren, bekannt. D e r Vertrag zwi­

schen H attusili und Ram ses ist auch ägyptisch überliefert.

c) Verw altung:

ca) .Instru ktionen“ (.D ienstvertrag“) - ishiul-, M Ä M IT U - Bindung, Eide (CTH 251 ff.): Nach Form und Funktion m it den .Verträgen“ vergleichbare T exte, die der Verpflichtung von .Beam ten“ und Militärs dienen; sie rekapitulieren gelegentlich in ei­

ner A rt .V orgeschichte“ die K arriere des Kandidaten und definieren auch hierdurch die Organisation des Staates. D ie In stru k tio n en “ enthalten, wie die V erträge, histori­

sche Beispiele und führen zu einer Eidesleistung. Sie binden den Beam ten an die Dy­

15 V gl. Z JA , R egieru n gsan tritt (Albrecht Goetze 2 0 f.): .Je tz t aber, der sich auf den T h ro n seines V aters setzte, der ist klein. U nd das Land H attusa und die G ren zen des Landes H attusa wird er n ich t auf D auer halten k ön n en .“ Z A G (heth. arha-, luw. irha-) - Ende, G ren ze, G eb iet. Durch G ren zen definierte T erritorialh oh eit ist w esentliches E le m e n t auch des h eth itisch en Staatsbegrif­

fes. - „Für T errito riu m “ verw endet das H eth itisch e ein L ehnw ort aus dem Keilschrift-Luw i- sch en : upatit- [iibadiä-]n. > h e th . upati- c., z .B . K B o IV 10/Bronzetafel; vgl. S tB o T 31, 1990»

195 ff. puruttaz bed eutet Bronzetafel I 86 m. E. n ich t ,m it n ack tem M auerw erk“ (so H Offen), S tB o T Beih. 1 (1988) 15, sondern ,m it dem (dazugehörigen) T erritoriu m “. H ier ist piiratt- ,Lehm, M örtel“ Lehn übersetzun g von akkad. epni (in Mari/Alalah .Territorium “); vgl. auch S u n a s s u r a -Ver­

trag K B o 1 5 [E nd e 15.Jh .] II 33 , 4 1 , III 43 f.“ (Frank Starke).

16 D e r Sattiw aza-Vertrag setzt den S oh n des Tusratta zur H errschaft ein, regelt die Heirat mit ein er T o ch te r des h eth itisch en G roßkönigs und die T h ron folg e (Vs Z . 5 9

ff.)-,H e r rs c h a ft' in T e x te n d e r H e th ite r 1 2 1

nastie, sichern aber auch den B eam ten gegen den K ö n ig : „D am it ist die Instruktion eine A utorität neben dem K ö n ig.“ 17

cb) Landschenkungs- und Stiftungsurkunden (C T H 221 ff.); Verleihung von P rie­

sterstellen, Stellenbestätigung, Im m u nitäten -Freibriefe18. Insofern diese Privilegien begründet werden, verleihen sie nich t nur M acht und Prestige, sondern reflektieren die Voraussetzungen und U m stände der V erleihung und erm ahnen den Begünstigten m it m oralischen, w eisheitlichen, historischen A rgum enten zu W ohlverhalten.

d) .Protokolle“ und .K orrespondenz': A lle Verträge werden vorbereitet, begleitet oder später benutzt in .Entw ürfen', .Protokollen' (C T H 2 5 fff.) und einer um fang­

reichen diplom atischen K orrespondenz. Aus dieser Literatur seien hier nur genannt:

der Tawaglawa- und der M iiaw ata-,Brief (C TH 181. 182), weil sie Beziehungen von Hattusa zu A hhijaw a bezeugen, und die A kte über die „Vergehen des Madduwatta“

(SA M A D D U W A T T A im stiil:C T H 14 7 )19.

e) .G esetze' (,M usterfälle'; C T H 291 f.): D ie hethitischen ,G esetze' - in zwei Serien und 35 E xem plaren überliefert - bieten nich t nur dem R echtsh istoriker interessante Fälle und Strafen. Sie definieren die verschiedenen Bevölkerungsklassen (N A M .RA , Handwerker, Bauern, Freie, Sklaven) und, durch den U nterschied des Strafm aßes bei Tötungsdelikten, den W ert der G eschlechter. Sie registrieren lokale U nterschiede - Totschlag ist in Hattusa, Luwija, Palä verschieden geregelt (§§ 4 - 5 ) - und die ge­

schichtliche Entw icklung des R ech ts: früher strafte man hart, heute m ilder20. Im Blick auf die Verfassung von H attusa am wichtigsten sind K om petenzregelungen und das Verfahren bei A nfechtung von U rteilen der W ürdenträger und des K önigs (§ 173).

Dieses T extcorpus ist die Grundlage für die folgenden Bem erkungen. Ich m öchte Ihnen zunächst einige Begriffe und A rgum entationen der hethitischen H errschafts­

sprache, die inneren Verhältnisse betreffend, aus den juridisch-adm inistrativen T exten vorlegen: Einigkeit, Zwist, A nerkennung; Bindung, V ergehen, Entschuldigung; Abfall, Rebellion, Intrige. D abei werden die Orte, die Institutionen und A kteure deutlich, die diese Sprache gebrauchen: der O rt der V ersam m lung, der Platz der G erichte, der H of und die Stadt, die sehr weitläufige königliche Fam ilie, die G roßen, Ä ltesten, Richter, Schreiber und, zuletzt, die „M änner von Hattusa“ insgesamt.

2.2: Sukzession, Fürstenspiegel und .Verfassung“

2.2.1: D er Tod des K önigs, Vasallen oder H errn ist in einem .feudalen' System wie dem hethitischen die n atü rlich e' Bruchstelle, an der H errschaft in Frage gestellt wird, neu verteilt und begründet werden m uß21. D ie beiden hethitischen

Thronfolgeord-11 Binar v, Schaler, D ienstanw eisu ngen, 7, m it H inw eis auf den Sauskam uw a-V ertrag 22,1 II 14- 30. - K arriere: s. C T H 87 (M ittanamuwa).

Belege: C T H 221 ff.; K U B V f 26 (P riesterstelle); K B o IV 12 (M ittanam uw a m it .Laufbahn­

geschichte“: C T H 87 ); F reib rief: C T H 225.

Vgl. C T H 8 6 : „R éq u isitoire con tre A rm a-D atta“ ; ein T e il der K ask äer-T exte gehö rt in diese S teilu n g .

;l § ? A, 9 A, 19 A , 25 A , 57 A, 58 B, 59 B u .a .m . - E n tsteh u n gszeit der G esetze: um 1600.

Zum h ethitischen K ö n igtu m vgl. A/brecht Goetze, K lein asien , 8 5 - 9 5 ; Heinrich Otten,P oliti- ,c e und religiöse G rundlagen des h eth itisch en K ön igtu m s.

1 2 2 H u b e r t C a n c ik

nungen, die Verträge zur Einsetzung und Thronfolge der Vasallen, die Instruktionen für H erren und die ,Protokolle“ von Vereidigung, A nerkennung, H uldigung enthalten deshalb nich t nur die V orschriften und das Faktum , sondern reflektieren die B ed in­

gungen, unter denen H errschaft erhalten, verloren und weitergegeben wird, wie Lega­

lität erzeugt wird, wie die Interessen zwischen Adel und Zentralgew alt ausgeglichen werden kön nen22. Regeln und A nw eisungen w echseln in diesen T exten m it B erichten über Thronw irren, K önigsm ord oder Bürgerkrieg. Aus der H istorie werden R ich tig ­ keit und N otw endigkeit der A nordnung gefolgert. D abei geht es nicht nur um das W ohlergehen des jew eiligen Thronfolgers oder W ürdenträgers, sondern auch um die D ynastie, das K önigtu m , ja „das Land Hattusa“. D ie A kteure in diesen T exten und zu­

gleich ihre Ö ffentlichkeit sind die königliche Fam ilie - auch die Frauen, der Altadei und die Beam ten, aber auch, etwa bei der A nerkennung (sagg-/segg-) des K önigs, „die M änner von H attusa“23.

2.2.2: D ie sog. „H ethitisch-akkadische Bilingue“ (H A B )24 ist der Form nach eine Rede des kranken H attusili ("f ca. 1540) vor seinen G roßen; zum Schluß ordnet er sein B e­

gräbnis: - es sind also die letzten W orte des K önigs, sein „T estam ent“, der K önig be­

stim m t, nachdem zwei K andidaten hatten ausgeschieden werden müssen, den jungen Mursili zu seinem Nachfolger. H attusili beauftragt die Großen, seine W eisheit dem Prinzen m itzuteilen, ihn zur W eish eit zu erziehen: nu D U M U-la-ma-an hattahhiski- terP\ insofern ist die Bilingue ein Fürstenspiegel. D ie Bedeutung des T extes wird auch dadurch deutlich, daß er im N euen R eich , m ehr als zweihundert Jah re nach dem T ode H attusili’s, noch einm al neu geschrieben wurde26.

A kteure, Publikum und Ö ffentlichk eit zugleich sind für diese T exte:

(a) W ürdenträger (Lü me5D U G U D ), die engeren Berater des K önigs (IR MES), H ofjun­

ker (II 73 u.ö.), die G roßen (l(-imeSG A L .G A L ) m it zahlreichen Ä m tern und T iteln 27;

(b) D ie Einw ohner von Stadt und Land ( § 1 1 : utnijanz kuiski) und deren Vorsteher, die Ä ltesten (LftMESSU .GI).

D ie .W eisheit“ des K önigs H attusili benutzt, um sein A nliegen - „eure Sippe sei eins wie die der (wilden) T iere“28 - darzulegen, folgende Leitsätze und T erm ini:

22 Q u ellenan gaben: s. § 2 .1 ; P ro to k o lle: C T H 2 5 1 - 2 7 5 ; vgl. Onofrio Carruba, Beiträge zur m ittel- h eth itisch en G esch ich te II. D ie sogenan n ten ,P rotocoles de succession dynastique“, in: Studi mi- cen ei ed egeo-anatolici 18 (1977) 1 7 5 -1 9 5 . - C T H 2 5 1 , 2 7 1 , 2 7 5 verbinden A nw eisungen (Futur) m it Narrative oder früheren T hronw irren. - Begriffe: sagg-/segg- „an erk en nen “, pahs- „schützen“.

23 C T H 2 7 5 = K U B X X X V I 109, Z.6.

24 C T H 6. V gl. Hubert Cancik, G rundzüge § 7.31.

25 H A B § 10.

26 Ferdinand Sommer, H A B S. 2 0 1 ; „A bschrift aus dein E n d e des 14.Jah rh u n d erts“ (Frank Starke). E in e neuere paläographische U n tersu ch u n g zur H A B ist m ir n ich t b ekan n t, sie ist aber auch zur E rken n tn is der T raditionsbildu ng h eth itisch er ,W eish eit“ w ichtig. A u ch im Telepinute*.

sch e in t H A B b en utzt: vgl. Em il Forrer,2BoT Lf (2), S. 1 3 *; Ferdinand Sommer, H A B S. 145; 215.

Z u m A n schlußstü ck K U B X L 6 5 vgl. Cord Kühne, in : Z eitsch r. f. A ssyriologie 62 (1973) 257

260.

27 V gl. Sedat Alp, B eam ten nam en .

28 H A B § 8: hu-\ü-e-it-na-as mein pankur-semit 1 -E N e s d u:z u h u ita r- (wilde) T iere (fr. Stink S tB o T 31 [1 9 9 0 ] 562) - Vgl. Mario Liverani, Storiografia po litica ittita.

.H e r r s c h a ft“ in T e x te n d e r H e th ite r 1 2 3

a) Friede und Ruhe im Lande ist Z iel allen königlichen W irkens (warsnu-f9; äußere und innere Feindschaften, Em pörung, Aufruhr, Bruderkrieg muß er verhindern30;

all dies ist ,U nheil“, idälu-; m it diesem Begriff wird alles Böse, vor allem der Zw ist in Fam ilie, Adel und Bürgertum , zusam m engefaßt31, b) Innere Unruhe (harnammar, wörtlich ,Gärung“) ist durch Fehlverhalten der anderen Thronbew erber zu befürch­

ten32; sie „bringen zum Gären, m achen U nruhe“ (harnammnje-), „entziehen die Unterstützung, rebellieren“ (ivakkarje-f1; „sie schieben W orte beiseite“ ( üddär edi

• • . \.3 4

nt je-/ ■

All dies ist Ausfluß von Böswilligkeit (kusduivätarf*. D ie Folge ist Bürgerkrieg (§ 14) und allgem einer N iedergang36: „W o sind die Häuser der G roßen (geblieben)?“

2.2.3: Die zweite hethitische Thronfolgeordnung, das sog. „Edikt des T elepinu“, abge­

faßt um 1500, ist etwa 2 5 0 Z eilen lang und in 9 hethitischen und 2 akkadischen Exemplaren überliefert37. Sie zeichnet sich durch eine sehr lange ,V orgeschich te“ aus, deren verheerendes Ergebnis die N otw endigkeit einer verbindlichen Thronfolgeord­

nung beweist.

,Einigkeit“ im K önigshaus und m it den M ilitärs ist das Leitwort (§ 1 : taruppantes)', Einigkeit bringt Erfolg, U neinigkeit Zerfall. Da Telepinu selbst nur der Schwager sei­

nes Vorgängers und dieser auch nur ein Usurpator ist, wird der Bedarf an Legitim ation und der W ille zu einer geregelten Sukzession verständlich. Zw ei Instanzen werden wichtig - für die Königsw ahl und als Ö ffentlichkeit und Träger eines Diskurses über die Ordnung von H errschaft: patiku- und tulija-.

Über Alter, Zusam m ensetzung, Aufgabe und tatsächliche W irksam keit dieser G re­

mien ist oft und widersprüchlich gehandelt w orden38. D ie D eutungen für panku- b e i­

spielsweise schw anken zwischen A d elsgem einschaft“ und ,Volksm asse“, N ach dem Edikt des Telepinu sollen diese Instanzen sogar gegen den K önig - und zwar jeden König („wer auch im m er K önig wird“, § 30) - tätig werden, falls dieser gegen M itglie­

der der königlichen Fam ilie(n) „Böses plant“; sie sollen eingreifen nicht erst nach, son­

dern bereits vor dem befürchteten Blutvergießen (§ 2 7 ; 3 0 f.). Dabei b etont das Edikt selbst seine Qualifikation als ausschließliche Rechtsgrundlage: tuppiaz au- (§30).

Inso-*'J HAB § 5; 20 ; 2 1 ; vgl. S. 6 0 f.; vgl. A U 134 f.

HAB §8; 13; 15.

i! HAB § 22.

HAB § 6; 13; vgl. harnammnijashas - Aufruhr.

’’J HAB § 6; 12; vgl. S. 1 10.

” HAB § 20; vgl. C h icago H ittite D iction ary vol. 3 (1 9 8 0 - 8 9 ) 361 f.

HAB § 6; io ; vgl. § 2 2: M ursili I. soll den D ienern und G roßen kein V ergeh en (wasttd-J durchgehen lassen.

J.'; h ^B § 20: j ^ G A L . G A L ™ t-S U N U ku wapi?

CTH 19. Vgl. Inge H offm ann, Erlaß, in : T H e th 11; R ezen sion Frank Starke, in: W e lt d.

nents 16 (1985) 100ff. (mit H inw eisen zur D atieru n g d er verschiedenen E xem plare); Gary

i? l 'm a n n >in: Jou rn al of A n cie n t O riental Studies 106 (1 9 8 6 ) 5 7 0f f .

. f ^ary Beckmann, H ittite A ssem bly; Massimtliano M arazzi, Bedeu tu ng von pankus

‘ » »-„V olksm asse“, n ic h t: „A d elsgem ein schaft“); Clelia Mora, II ruolo p olitico-sociale di pan- hUs e hilijas.

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fern dieses Edikt also nicht nur die Thronfolge praktisch regelt - m ännliche N ach­

kom men der Hauptfrau, Freie usw. sondern auch Gremien errichtet, für K o n flik t­

fälle um die höchsten Gewalten Entscheidungsw ege und Strafen vorsieht, kann es als geschriebene, form elle Verfassung des hethitischen Staates angesehen w erden; denn es ist geschrieben: „Verfassung ist die O rdnung der Gew alten eines Staates und beso n ­ ders der höchsten von allen Gew alten“39. D ie von T elepinu genannten G rem ien sind zugleich die Ö ffentlichkeit, das Publikum , die Benutzer dieses Textes, der, wie gesagt, in zahlreichen Exem plaren und über einen längeren Zeitraum überliefert worden ist.

Staatsziel ist innere E in heit und Stärke nach draußen. Telepinu expliziert den Z u sam ­ menhang in einem allgem eingültigen Satz40:

„In Zukunft, wer nach m ir K ön ig wird, (unter dem) sollen seine Brüder, seine Söhne, seine A ngeheirateten und seine Blutsverwandten und seine Leute vereinigt sein (taruppantes asandu). Und dann kom m t es dazu, daß du die Länder der Feinde machtvoll besiegt halten wirst.“

Das Edikt des Telepinu zielt aber über E in heit als Voraussetzung für den M achter­

halt der herrschenden Cliquen hinaus auf etwas wie ,G em einw ohl1. M achtkäm pfe in der nach Fam ilien, Altadel und Funktionärseliten aufgesplitterten O b erschicht sollen m öglichst geringe Auswirkungen auf die Bevölkerung haben (§ 32).

W ährend dieser M achtkäm pfe der herrschenden Sch ich ten kam es zu U nruhen un­

ter den Bauern (L^ ME®APIN.LAL). D ie V orgesetzten „begingen Falsch heit“ ( marsätar essa-f1:

„ ... Und des Landes Blut pflegten sie zu trinken. Je tz t aber sollen sie nicht (mehr so) handeln! W er es (doch) m acht, dem sollen sie einen bösen Tod bereiten. W er in Zukunft nach m ir K önig wird, siegele du im m er (korrekt) die N am en der Getreide­

sorten.“

n-asta utne es har akkuskir - ein em phatisches Bild; es evoziert das Bild eines K ö­

nigtums, das - sozusagen .unparteiisch“ - über diesen M achtkäm pfen steht, Betrüge­

reien m it Getreide nicht nötig hat und das W o h l des „Landes“ (utne) insgesam t be­

sorgt42.

39 A ristoteles, P olitik ¡11 6 (1 2 78 b).

40 § 2 9: URRAM SERAM - w örtl.: ,Tag und N ach t'; D iese ,E w igkeitsform er ist Indiz dafür, dal!

der T elep in u -T ext die Q ualität ein er V erfassu n g ' haben solle. Vgl. Kaspar K. R ie m s c h n e id e r , in.

M itteil. d. Instituts f. O rientforsch g. 6 (1 9 5 8 ) 333.

41 § 3 9 f.; die D eu tu n g des T extes ist un sicher; vgl. Hoffm ann, T H e th 11.

42 Vgl. T elepin u § 7 („Sie begannen ihre H äuser zu versch lin gen “) und dazu H om er, flias 1,231- demoboros basileus - volkfressender K ö n ig (Agamemnon). „Dazu verweist G. D u n kel, in: F « schrift für H enry Hoenigsw ald, ed. G . C ardona und N. H. Z id e, 1 9 8 7 , S. 9 4 auf Odyssee 16» 43*

und 2 1 ,332 f. Nach D un kel ind ogerm anisch e P hraseologie.“ (Frank S tarke)- Vgl. Kurt Retetfl^

D ie A nfänge des p olitischen D en k en s bei den G rie ch en , in : H istor. Z eitsch r. 2 4 8 (1989) bes. 27.

.H e r r s c h a ft“ in T e x te n d e r H e th ite r 1 2 5

2.3 Bindung, V ergehen, R echtsstreit: ishiul-, wastul-, hannessar

2.3.1: Einigkeit und Zwist, T reue und Abfall sind K ernpu nkte nicht nur der Thron fol­

getexte, sondern auch der hethitischen Staats- und Vasallenverträge43. Dieses um fang­

reiche und juristisch anspruchsvolle Textcorpus soll hier kurz und in strikter B e­

schränkung auf die Frage, wie H errschaft reflektiert wird, vorgestellt werden.

A lle Verträge (ishiul-) enthalten - m ehr oder weniger vollständig und m it höchst subtilen Variationen - folgende E lem en te:

(a) die V orgeschichte - sie erzählt die Leistungen des hethitischen Großkönigs, die seine Parität (heth. annauli-) m it m esopotam ischen oder ägyptischen H errschern be­

gründen, oder die D ankbarkeit und Treue der Vasallen; (b) die V ertragsbestim m un­

gen; (c) D eposition und Eide.

Zu den Vertragsbestim m ungen gehören: (a) die gegebenenfalls gegenseitige Festle­

gung von G renzen, die zu „schützen“ sind, d.h. die K o nstitu tion eines Territorium s als einer Voraussetzung für die G egeben heit von Staat überhaupt44; (b) V erzicht des Vasallen auf eigene A ußenpolitik; Friedenspflicht gegenüber den anderen Vasallen;

militärische Beistandspflicht gegenüber dem G roßkönig und T eilu ng von Beu te;

Pflicht zu H offahrt, G esch enken , T ribut; (c) als T eil der A usübung bzw. Beschrän­

kung der Personalhoheit wird die (N icht-)A usiieferung von Flüchtlingen geregelt45;

(d) (wechselseitige) Garantie der Thronfolge, bzw. Rückfall des G ebietes an den h eth i­

tischen Großkönig46; A nzeige- und Beistandspflicht bei Em pörung der jeweiligen U n ­ tertanen47.

Die Verträge werden geschlossen „zwecks Bew ahrung der H errschaft“ - ASSUM EN-UTTIM pahs-4s; Schutzpflichten werden begründet gegenüber dem hethitischen König, seinem N achfolger und dem Lande H attusa, also gegenüber der Dynastie (P er­

son: QAQQADU; heth. harsar) und dem Lande (A lÄ T U f9.

Die Verträge werden, auch nach Titulatur und E tik ette, auf das sorgfältigste den je ­ weiligen M achtverhältnissen angepaßt, spätere Verträge m it dem selben Land spiegeln dessen Machtverlust (Azira - Duppi-Tesup). D ie Bestim m ungen für Sunassura von Kizzuwatna sind so raffiniert gefaßt, daß G elehrte schw anken, ob es sich um einen pa­

ritätischen oder um einen Souveränitätsvertrag handelt50. Für die H offahrt des Sunas­

sura wird bestim m t, daß die G roßen des H ethiterlandes sich von ihren Sitzen erheben, 43 Meisterhaft die D arstellu ng von Viktor Korosec, H eth itisch e Staatsverträge, 5 4 : „In der fein en Abwägung aller psy ch ologisch-p olitisch en M om en te erw eisen sich die H eth iter als große M ei­

ster, und man kön n te sie darin geradezu als V orläufer der R ö m e r b ezeich n en .“

Albert Bleckmann, G rundgesetz und V ölkerrech t. Ein Stu d ienb u ch (1 9 7 5 ); Kap. I I I: „D ie räumliche und personelle G rundlage der Staatsgew alt“.

Alben Bleckmann, G rundgesetz, 126; 131 ff. V gl. Giuseppe delMonte, Sulla term inologia hittita per la restituzione di fuggiaschi, in : Studia M editerranea 4, 1 9 8 3 , 2 9 - 4 7 .

Vgl. z.B. Sattiw aza-Vertrag, V s. 5 8 ff.

« ' i f ’*’ 2 A zinj-V ertrag, V. 221.; T ette-V ertrag, Vs. II, 4 8 f.

^J^LP^nta-K A L-V ertrag § 1 1 ,3 5 ; § 15,14. D ie akkadische Form el lautet: ASSUM B ELU TTIM

’ Vgl. Sunassura-Vertrag, Vs. I, 5 0 ff.; 5 6 ff.: K U R - j t f - S A G .D U -S Ü - vgl. „K aiser und R e ic h “.

* 7 ^ Staatsverträge, 6 6 f.

.. er m anä Sommer, A U , 3 9 4 ; Viktor Korosec; Staatsverträge, 4 0 ; 8 5 f.

1 2 6 H u b e r t C a n c ik

wenn er dem hethitischen K önig huldigt. D ie Verträge haben ein festes Sch em a; sie nehm en aufeinander Bezug; gelegentlich liefern die Einleitungen eine V ertragsge­

schichte51. Die Verträge sollen vorgelesen und durch öffentliche A ufstellung bekannt werden. Als dem Talm i-Sarrum a, K ö n ig von A leppo, die O riginalurkunde seines V e r­

trags m it Mursili II. entw endet worden war, fertigte ihm die hethitische K anzlei eine Zw eitschrift (tu p p u s a n ü ) aus; eine K o p ie dieser Zw eitschrift wurde in H attusa auf­

bewahrt und daselbst gefunden52.

2.3.2: W ie die V orbereitung und Ausfertigung von V erträgen die R eflexion über H err­

schaft, über ihre rechtlichen, gesch ichtlichen , m oralischen Bedingungen stim uliert, so die Benutzung dieser Verträge, die Problem e ihrer Auslegung, der M ißbrauch. Klagen über Vertragsbruch und U ntreue, Beschw erden über G renzziehung oder deren zusätz­

liche Bestätigung, Forderung nach Auslieferung von Flüchtlingen oder Zurückw ei­

sung von A uslieferungsbegehren sind häufig genug.

Für das Staatsrecht wie für die G esch ich te der hethitischen G eschichtsschreibung gleicherm aßen w ichtig ist ein m ittelh ethitisch er T e x t (15.Jah rhu nd ert) m it dem Titel

„Die Vergehen des Madduwatta“ (SA M A D D U W A TTA w a s tu lf3. D e r T e x t beginnt in der Topik und Logik der Vasailenverträge:

A ttrissija, der M ann von A h h ija54, hat Madduwatta verfolgt; vom hethitischen K ö ­ nig aber wurde er gerettet und im Lande Zippasla, weit w estlich von H attusa, in Phry- gien am Sangarios zum Vasallen eingesetzt. Madduwatta hat geschw oren, Truppen zu stellen, feindliche oder böse W o rte zu m elden (§ 7), Angriffe von außen abzuwehren, selbst aber keine m ilitärischen A ktionen außerhalb seines G ebietes zu unternehm en.

D iese und andere Bestim m ungen m ehr werden, offenbar aus dem Vertrag, aufgezählt, weil Madduwatta sich gegen sie vergangen hat: E r führt eigenm ächtig K rieg, vereidigt die U nterw orfenen auf seine Person, verweigert den H ethitern den m ilitärischen Bei­

stand. E r schließt Frieden m it den Feind en seines H erren und schreibt diesem , er tue dies nur, um die Feinde in S icherh eit zu wiegen, in W irklich keit wolle er sie umbrin­

51 D uppi-T esu p - V ertrag, V s. 1 ff.

52 Ernst Weidner, P D K Nr. 6. - V gl. K o lo p h o n der Bronzetafel von Bogazköy m it dem Hinweis auf die V erteilung der versch ieden en Exem piare.

53 C T H 1 4 7 ; Albrecht Goetze, M adduw attas; Heinrich Otten, Sprach lich e Stellun g und Datierung des M adduw atta-Textes, in : S tB o T 11

(1969)-54 Z u r Bildung des E th n ik o n vgl. Albrecht Goetze, 50 ff. - Frank Starke: „A t-ta-ri-is-si-ja- (Attris- sija-] ist keilschrift-Iuw ische .O rth ograp h ie' wie übrigens auch Ta-wa-ka-la-w a [Tawaglawa-j für keilschrift-iuw isches +Ta-w a-ak-ka-!a-w a- [Tawaklawa-], letzterer m it S ich e rh eit = Etewoklewes, wie sich anhand griech isch er N am en im Lykischen zeigen läßt (s. S T B o T 31 , 1 9 9 0 , 226, Anm.

766). A ttrissija- beruh t auf keilsch rift-luw isch em +A ttrissi-, das im H in b lick auf lykisch Zeusi-

> Z eus vielleich t doch zu griech isch A treus zu stellen ist. D ie A hhijaw a-N am en sind also durch luw ische V erm ittlun g den Hethitern b ek an n t gew orden. A hhijaw a- selbst ist h e t h i t i s i e r t e r Stam m zu keilsch rift-luw isch em A h h iu -+ (vgl. Arzawa- > A rzau -+) m it Su ffix -u- +-w o -, wie älte­

res A h hija- bestätigt. D ieses w iederum h eth itisiert aus keilschrift-luw ischem A h h i- (wie L u w ija -

res A h hija- bestätigt. D ieses w iederum h eth itisiert aus keilschrift-luw ischem A h h i- (wie L u w ija -

Im Dokument Schriften des Historischen Kollegs (Seite 143-151)