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Politisches Handeln assyrischer Könige

Im Dokument Schriften des Historischen Kollegs (Seite 128-138)

Das G eneralthem a dieses K olloquiu m s läßt sich auf verschiedene A rt abgrenzen. D er Ansatz, den ich gewählt habe, w eicht ab von anderen der A ltorientalistik, die hier zu hören sind. A ber natürlich gibt es zu diesen Beiträgen Berührungspunkte in m ehr als einer H insicht. V or allem ist soviel klar, daß es in dieser Z e it und unter ihren histori­

schen Bedingungen keine reflektierende G eschichtsschreibung gab, die etwa die poli­

tischen Veränderungen wertete, die den K önigen ihre politischen M otive interpre­

tierte, die uns also zum indest H inw eise auf Ziele und A bsichten gäbe. Ferner ist es die Quellenlage, die vergleichbar ist: Für die uns interessierenden Fragen gibt es auch in der neuassyrischen Z eit, d.h. dem 9. bis 7. Jahrhun d ert v.C hr., nur wenige direkte Zeugnisse, müssen indirekte Aussagen verwendet und der D eutung zugeführt werden.

Ich m öchte aber auch m it einer anderen Frage beginnen.

Die Frage nach der Politik ist einm al die Frage nach der Begründung des Handelns in einer bestim m ten Situation, zum anderen aber auch und vor allem die Frage nach der Vision, nach dem K onzept, m it dem ein Handlungsstrang angefangen und zu Ende geführt wird. Das gilt selbstverständlich von der K onfliktbew ältigung in n erh a lb einer G em einschaft, die nur dann gelingen kann, wenn ein tragfähiges K onzep t vor­

liegt. Das hat aber seinen besonderen Sinn auch in all dem , was n ach a u ß e n h in be­

wirkt werden soll, dem , was wir m odern m it „A ußenpolitik“ bezeichnen. Politisches Denken will ja auch hier K onzepte finden bzw. in die T at um setzen. U m auf unseren Aspekt des Them as zu kom m en : W ir wollen prüfen, ob ein Staatswesen wie das assyrische, das im 9 - 7 . Jahrhu n d ert v.C hr. stark expansiv war, eine in diesem Sinne zielgerichtete, von K onzep ten bestim m te A ußenpolitik betrieb oder n ic h t1. Deshalb

Es ist überraschend, daß die Fragen der p olitischen M otivierung assyrischer K ö n ig e bish er nur selten behandelt worden sind. V gl. etwa Mario Liverani, T h e Ideology of th e Assyrian E m pire, in:

■■Mogem Trolle Larsen (Hrsg.), Pow er and Propaganda (1 9 7 9 ) 2 9 7 - 3 1 7 ; ders., K itru , katäru, in : M e­

sopotamia 17 (1982) 4 3 - 6 6 ; Frederick M ario Tales, L ’„ideologo“ A d ad -su m u -u ju r, in : R en d iconti dell Accademia N azionale dei L incei 8/29 (1 9 7 4 ) 4 5 3 - 4 9 6 ; Hayim Tadmor, H istory and Ideology

^ the Assyrian Royal Inscrip tions, in : Mario Tales (Hrsg.), Assyrian Royal In scrip tio n s: New 5 Horizons (1981) 1 3 - 3 3 ; Paul Garelli, La propagande royale assyrienne, in: A ccad ica 27 (1982) : 16~29. Vgl. auch Albert Kirk Grayson, Assyria’s Foreign P olicy in R elation to E g ypt in the Eighth

and Seventh Centuries B.C., in : S S E A Jo u rn al 11 (19 8 1 ) 8 5 - 8 8 ; den. Assyrian Foreign P olicy in e ation to Elam in the E ighth and Seven th C enturies B.C., in : S u m e r 4 2 (1 9 8 6 ) 1 4 6 - 1 4 8 :

Wolf-1 0 6 W o lfg a n g R ö ilig

soll es im folgenden vor allem um die K onfliktbew ältigung m it äußeren M ächten gehen.

D er H istoriker - und nur als ein solcher können wir uns unserem Gegenstand nähern - versucht ja im m er herauszufinden, welche A ntriebskräfte hinter einem b e ­ stim m ten G esch ehen stehen und wie diese K onzep te, wenn es denn welche gab, tat­

sächlich um gesetzt worden sind. Er fragt also, und das durchaus auf einer hohen Eben e, nach der „Ideologie“. Er setzt dabei voraus, daß das K o n zep t für bestim m te Entscheidungen in aller Regel bewußt oder unbewußt ideologiegeprägt ist und war.

Allerdings m ögen auch früher schon Entscheidungen von großer Tragweite sehr prag­

m atisch getroffen worden sein. Das klingt dann ganz schlich t so wie es H erodot etwa von K roisos’ Ü bergriffen gegen die ionischen Städte sagt: „K o n n te er einen triftigen Grund ausfindig m achen, dann schützte er den vor. A ndernfalls genügte ihm auch irgendein fadenscheiniger Vorw and.“2

D ie Frage, die sich m ir stellt, lautet also: K ön n en wir ein K o n zep t erkennen, das Assyrien, diese als so blutrünstig und typisch im perialistisch verschrieene M acht dazu bewegte, sich eines großen T eils der damals bekannten W e lt zu bem ächtigen? A uf­

grund der Q uellenlage ist es sinnvoll, diese Fragen auf die Sargonidenzeit einzugren­

zen, da ich zwei unterschiedliche Textzeugnisse heranziehen m ö ch te: D ie K önigs­

inschriften und die Briefe, und letztere sind uns praktisch nur aus der Sargonidenzeit erhalten.

Die offiziellen Verlautbarungen der K önige geben vor, die Ereignisse und ihre H in­

tergründe, also die Motive der K önige, wiederzugeben. Das gesch ieh t m eist wortreich und m it einer festgefügten Phraseologie, die d ennoch Raum für individuelle Schw er­

punktsetzung läßt3. Da die Inschriften oft einer w iederholten redaktionellen Ü ber­

arbeitung unterworfen wurden, sind sie selten aus einem G uß und gelegentlich in sich widersprüchlich. In m anchen Grundzügen entsprechen sie sich aber merkwürdig:

1. Es wird in der Regel nich t behauptet, daß ein K ön ig aus eigenem A ntrieb einen Feldzug unternom m en hätte. Fast stets sind es die G ö tter, die ihn dazu bewogen bzw.

die ihn dazu aufforderten4.

2. M eist wird als Begründung für Feldzüge angegeben, daß die Fürsten bzw. Länder,

Fortsetzung Fußnote von Seite W>

gang Röilig, A ssur - G eiß el der V ölker. Z u r Typologie aggressiver G esellsch aften , in : Saeculuir 37 (1 9 8 6 ) 1 1 6 -1 2 8 .

2 H dt. I 26.

3 V gl. etwa Frederick Mario Fales, Assyrian Royal In scrip tio n s: New horizons in literary, ideologi­

cal, and historical analysis (R o m 1981); Louis D. Levine, P relim in ary R em ark s on the Historical Inscrip tio ns of Senn acherib, in : Hayim Tadmor and Moshe Weinfeld, H istory, H istoriography and Interp retation (1 9 8 4 ) 5 8 -7 5 .

4 V gl. etwa Assurnäsirpal II. in sein en A n n alen : „D am als ... als A ssur, m ein großer Herr, dei m ich berief, der m ein K ö n ig tu m über die K ö n ig e der vier W eltg eg en d en groß m achte, meinen N am en erh öh te, der seine gnadenlose W affe m ir an die S eite legte, der m ir zornig befahl, Ländei und große G ebirge zu b eh errschen, zu unterw erfen und zu regieren, da m arsch ierte ich im Ver­

trauen auf Assur, m einen H erren . .. “ A K A 2 6 7 f. 4 0 - 4 3 , Led iglich San h erib verzichtet oft au diesen H inw eis auf g ö ttlich en Auftrag.

P o litis c h e s H a n d e ln a s s y ris ch e r K ö n ig e 1 0 7

gegen die sich die Strafexpedition richtet, Verträge gebrochen haben, T rib u te verwei­

gerten. Das geschieht in verschiedenen V arianten5:

_ Aufstand gegen den lokalen R epräsentanten assyrischer M acht;

- Verschwörung und A nzettelung von A ufständen;

- Bew affneter A ngriff auf assyrisches Territorium oder das eines Vasallen;

_ A nschluß an eine feindliche K oalition;

_ Zurückhalten von Tribut oder von G eschenken;

_ U ngehorsam gegen königlichen Befehl und U nterlassen von Grußadressen;

_ M ißachtung früherer königlicher Gnadenerweise.

D er Grund wird also versachlicht. Es wird der Eindru ck erw eckt, als ob gewisserma­

ßen ein legitim es Einschreiten erforderlich gewesen sei. Dadurch wird aber die V er­

antwortung nach außen gegeben, dem H örer (oder Leser) wird quasi suggeriert, daß nicht der assyrische K ö n ig seine Feinde bedrohte, vielm ehr diese ihn bedroht hätten.

Das klingt dann beispielsweise so6 : „Dam als vergass Nabü-zer-kitti-lTser, der Sohn des Merodachbaladan, der Statthalter des M eerlandes, der den Vertrag n ich t achtete

und

der Güte Assyriens nicht gedachte, die Güte m eines V aters, und als in Assyrien Verwirrung herrschte7, bot er sein H eer und sein Lager auf, schloß Ningal-iddina, den mir ergebenen Statthalter von Ur, ein und schn itt ihm den Ausgang ab. Und auch als Assur, Samas, Bel und Nabu, Istar von N inive und Istar von A rbela m ich, Asarhaddon, froh auf dem T hron m eines Vaters hatten Platz nehm en lassen und m it der H errschaft über die Länder beleh nt hatten, fürchtete er sich nicht, hörte nich t auf und ließ m ei­

nen D iener nicht in Ruhe. A uch sandte er keinen B oten zu m ir und erkundigte sich nicht nach dem W ohlbefin den m einer M ajestät8. Als ich in Ninive von seinen Ü bel­

taten hörte, ergrim m te m ein Herz und tobte m ein G em üt.“

Wenn wir m utm aßen, daß hier „ein Eindruck erw eckt werden sollte“, so unterstel­

len wir, daß dem Verfasser/den Verfassern der T exte tatsächlich ein anderer Sachver­

halt bekannt war, aber verschleiert werden sollte. Es stellt sich jed och die Frage, ob das tatsächlich richtig ist. Zw ei Episoden will ich herausgreifen, die das zum indest in Zweifel ziehen lassen.

1. 667 v.Chr. revoltiert in Ä gypten Taharqa gegen Assurbanipal. Nach der Tontafel- inschrift9 „mißachtete er (damit) die M acht Assurs, m eines H errn“. Er „bot aber auch sein Heer auf, um A ssyrer in Ä gypten“, dem Assyrerkönig ergebene Leute zu töten,

„zu morden und zu berauben“. E in E ilbote berichtet Assurbanipal davon. „Ü ber diese Vorgänge erzürnte m ein H erz und es schrie auf m ein Inneres“, sagt der K önig von sich. Er schickt dann T ruppen, um die Ordnung wiederherzustellen. Sie können

Ta-\f;l. dazu Mordecbai Cogan, Im perialism and R elig io n : Assyria, Ju d ah and Israel in the E ighth and Seventh Centuries B.C. (1 9 7 3 ) 122 ff.

Aslv. Nin. A -F Ep isod e 4, Z 4 0 - 5 1 , s. Rykle Borger, D ie In sch riften A sarhaddons K ön igs von Assyrien (Archiv f. O rientforsch u n g, Beih. 9, 1 956) 46 f.

Nämlich infolge der E rm ordu ng San h erib s am 20. T e b e t 6 8 9 , vgl. dazu Simo Parpola, T h e (1980)rCr ®en n ac*le r ‘k ’ *n : Betult Alster (Hrsg.), D eath in M esopotam ia, in : M esopotam ia 8 s D 1 ^32.

’ Ir 1', .er.sc*1*c'cte n ich t die beim T h ron w ech sel übliche G ruß- und Ergebenheitsadresse.

<■xtmiltan Streck, A ssurbanipal und die letzten assyrischen K ö n ig e, in : V orderas. Bib lioth ek

7/2 0916) i58, Z.

3

ff.

1 0 8 W o lfg a n g R ö litg

harqa schließlich auch vernichten. D ie R eaktion ist aber typisch und läßt sich auch an ­ dernorts nachweisen - z.B . in dem bereits oben zitierten T e x t N icht eine Analyse der Situation wird vorgenom m en, sondern eine rein em otionale A bw ehr berichtet.

Sucht man ein politisches K onzep t in diesen W orten, dann sucht man vergeblich.

2. 6 6 0 v.C hr. kom m t es zu der historisch besonders interessanten Beziehung zwischen Assyrien unter Assurbanipal und Lydien m it seinem auch aus H erodot w ohlbekann­

ten K önig Gyges. H ier walten nun vollends höhere M ächte: D e r in der Ferne, „am U fer des M eeres“ w ohnende Lyder-K önig sieht gar auf Veranlassung des G ottes Assur in der N acht einen Traum m it dem Auftrag: „Die erhabenen Füße des Assurbanipal, des K önigs von Assyrien . .. . ergreife und fürchte sein K önigtu m , flehe seine H err­

schaft an.“ 10 D er tut das angeblich auch, und als Folge davon wird ihm der Rücken frei, er kann sich den K im m eriern zuwenden, sie besiegen und schließlich Tribut nach Ninive bringen. Daß Gyges schließlich 6 5 2 durch die K im m erier unter Dugdam m e (Lygdamis) doch noch besiegt und getötet wird, ist - wieder nach Assurbanipal - sei­

ner U ntreue und einem G eb et des Assyrers an seine G ö tte r zuzu schreiben11.

V ersuchen wir diese Episode, die m ehrm als und verschieden ausgeschm ückt von Assurbanipal berichtet wird, zu verstehen, so steht im Vordergund die - wohl durch­

aus realistische ~ Aussage „(er wohnte) am U fer des M eeres, einem fernen Orte, dessen N am en m eine königlichen Vorgänger nicht (einmal) hatten nennen hören“. D ie weit­

abliegende Gegend erlaubte offenbar keine direkte K ontaktn ahm e. M it anderen W or­

ten : Das übliche Schem a, das wir bei vielen der Eroberungen erkennen können, daß näm lich die Ausweitung der M acht durch die Einbeziehung der bisherigen Peripherie in den neuen H errschaftsbereich geschieht, wird d urchbrochen bzw. läßt sich hier nich t anwenden. Zu w eit ist Lydien entfernt, es ist keiner der Nachbarstaaten. Aber wenn bei diesen schon das Eingreifen von G öttern norm al ist, die eigene A ktivität er­

setzt, so wird hier die Passivität in besonderem Maße m anifest: N icht m ehr der König selbst droht, sondern durch „die N ennung m eines bedeutenden K önigtum s“ wird die U nterw erfung bewirkt. Das will zwar sagen: m ein Ruhm ist so weit in alle Länder vor­

gedrungen, daß schon auf die schlichte N am ensnennung hin, ohne jede A ktion, Un­

terwerfung erfolgt. Es gibt aber zugleich ein beredtes Beispiel ab für die Passivität, die selbst die Verbreitung des eigenen Ruhm es den G öttern und dem Traum gesicht

-10 M axim ilian Streck, A ssurbanipal 166, 13-17, vgl. A n nalen Col. II, ebd. 20 , 95-99.

11 Ebd . 2 0 - 2 2 , A nnalen C ol. II 1 1 2 -1 2 0 . Z u r T extü b erlieferu n g und den h istorisch en und chro­

n olog isch en Folgerungen s. den ein gehenden A rtikel von Mordechai Cogan/Hayim Tadmor, G>

ges and A shurbanipal, in : O rientalia 46 (1977) 65-85. - D ie n och im m er ungelöste K im m erier­

frage wird je tz t ausführlich von A nne Katrine Gade Kristensen b eh an d elt: W h o were the Cimme- rians, and w here did they co m e from ? (D e t K o n g elig e D anske V iden skabern es Selskab, Histo- risk-filosofiske M eddeleser 57, C openhagen 1988). M it R e c h t wird dort die T h e se der Einwand<

rung dieses V olk es über den Kaukasus bestritten . Statt dessen w erden die frühesten Erwähnun­

gen im G eb ie t südlich und südöstlich des U rm ia-Sees h ervorgehoben. D ieser Befund läßt natür­

lich die V erm u tun g zu, daß die K im m erier vom Südufer des K asp isch en M eeres aus nach A ssyrien bzw. Urartu vordrangen. D ie H au ptthese der V erfasserin, daß näm lich in den Kim m e­

riern die deportierten Ju d e n des „Hauses O m ri“ d.h . Israels w iederzufinden seien, ist phanta­

stisch und völlig unbegründet. D ie an geblichen Bew eise „of a philoiogical nature“ sind tatsac - lieh keine, sondern bestenfalls V erführungen durch die Siren en des G leichklangs.

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überläßt. D am it wird aber - zum indest oberflächlich - der Eindruck bestätigt, daß der Verfasser des T extes tatsächlich das m einte, was er schrieb - und die m ehrfachen W ie ­ derholungen m achen das auch w ahrscheinlich. Es war so spektakulär, daß sich ein fer­

ner K önig unterwarf, der nich t einm al angegriffen war, daß das nur auf höhere W e i­

sung hin erfolgt sein kann. D er A ssyrerkönig nim m t das dankbar zur K enntn is. Daß der Lyder damit eine A bsich t verbunden haben mag, näm lich durch diese Loyalitäts­

erklärung die Einschüchterung anderer Rivalen zu erreichen und sich damit den R ük- ken freizuhalten, scheint Assurbanipal nich t in den Sinn gekom m en zu sein. Dabei hat das schon alte T rad ition: D e r kleine Potentat Kilam uw a von Sam cal schreibt e in ­ m al, daß er sich den A ssyrerkönig „gem ietet“ habe, um sich seiner Feinde zu erweh­

ren 12. Auch dies spricht nich t gerade für eine aktive R olle assyrischer K önige, sondern läßt sie - selbst aus der S ich t eventueller O pfer - eher passiv erscheinen.

Das findet seine Bestätigung in den sehr zahlreichen T exten - auch Briefen - , die den K önig H andlungsanw eisungen einholen lassen: Gerade in der Sargonidenzeit, also der Epoche größter assyrischer M achtentfaltung, ist die Rückversicherung durch das konstante B eobachten von V orzeichen verschiedenster A rt offenbar Vorausset­

zung für jedes H and eln13. Das gilt zunächst von allen kultischen Bereichen, in denen der K önig natürlich zahlreiche staatserhaltende Pflichten hat und alle z.B . astronom i­

schen Erscheinungen - Eklipsen usw. aber auch alle sonstigen Prodigien sorgfältig beachten und deuten muß. D ie K orrespondenz des K önigs m it den G e le h rte n 14 zeigt deutlich, daß auch hier nich t A ktion, sondern R eaktion erforderlich und allein er­

wünscht ist. Analog können wir wohl folgern, daß sich dieses Verhalten auch in an­

dere - vor allem m ilitärisch-politische - Bereiche erstreckt hat.

Das wird eindrucksvoll belegt durch die ausführlichen „Fragen an den S onnengott“

als Herr der Leberschau15. H ier wird einerseits gefragt, ob der A ssyrer dies und das planen oder konzipieren soll. A ndererseits wird zum Gegenstand der Anfrage ge­

macht, ob der G egner ein bestim m tes K onzep t verfolgt. Das setzt zwar voraus, daß ein eigenes K onzept des H andelns existierte, verlegt aber dessen Realisierbarkeit außer­

halb des eigenen Einflußbereiches und ist damit eher ein Zeugnis der Passivität als der politischen Zielgerichtetheit.

Hin Beispiel: „Asarhaddon, der jetzt plant, einen Boten zu NN, dem K ö n ig von H u- buskija zu schicken und den deine große G otth eit k e n n t,... soll gem äß dem Beschluß deiner Gottheit und aufgrund deiner positiven Entscheidung Asarhaddon planen und 12 In der phönizischen In sch rift Wolfgang Röllig/Herbert Donner, K an aan äisch e und aram äische Inschriften (21966) Nr. 24 Z . 8 f.: „U nd der K ö n ig der D anu na war m äch tig über m ich ; ich aber mietete gegen ihn den K ö n ig von A ssur.“ D er T e x t ist etwa um 8 2 5 v.C h r. zu datieren, der assy- risthe König war wohl Salm anassar III. (8 5 9 - 8 2 4 v.C hr.); zum T e x t s. zuletzt S. D. Sperling, K A I 24 Re-examined, in: U garit-Forschu ngen 20 (1 9 8 8 ) 3 2 3 - 3 2 7 .

^gl. dazu Wolfram von Soden, R eligiöse U n sich erheit, Säkularisierungstend enzen und A b er­

gaube zur Z eit der Sargoniden, in : A nalecta Biblica 12 (1 9 5 9 ) 3 5 6 - 3 6 7 = Aus Sprache, G e - u y te und R ei>gi°n Babyloniens (N eapel 1 989) 9 7 - 1 0 8 .

8 ■ die ausführliche Bearbeitu n g dieser K orresp ond en z von Simo Parpóla, L etters of Assyrian . i ™ « *0 f^e Kings Esarhaddon and A ssurbanipal I.II (N eukirch en -V luyn 19 7 0 . 1983).

(Helsf |<en '? ■ ^ear*)eitet von I van Starr, Q u eries to the Sungod. State A rchives o f Assyria, Vol. 4

entscheiden, daß er einen Boten zu NN, K önig von H ubuskija schickt? Und wenn er ihn schickt: W ird ein Urartäer, ein K im m erier, ein M annäer, ein Skythe ... oder ein anderer Feind planen und entscheiden, daß sie ihn (den Boten) fangen und tö ­ ten ...? “ 16

W enden wir uns nun den Briefen zu, so sind sie in ihrer Masse so vielgestaltig, daß es schwer ist, aus ihnen allgem eine Schlüsse abzuleiten17. Eine V orbem erkung sei er­

laubt: Es ist merkwürdig, daß sich fast alle Briefe, die uns erhalten sind, m it sehr spezi­

fischen Detailfragen beschäftigen. Es kann sich um persönliche Beziehungen von W ürdenträgern untereinander handeln, um R ech te und Pflichten, die vergeben oder genom m en werden. Es kann sich aber auch um Details wie die A usstattung von T e m ­ peln, das erneute D ecken eines D aches, die Weitergabe einzelner Gewänder, Gefäße usw. handeln - alles wird dem K önig vorgetragen und er wird um seine W eisung ge­

beten. Dabei werden, w ahrscheinlich abhängig vom Rang des jew eiligen Schreibers, auch ganz konkrete Vorschläge gem acht, so daß der K ö n ig oft nur zwischen zwei M öglichkeiten zu wählen hat, um auf eine Anfrage zu antworten. D ie Tradition, die hinter dieser A rt von B ittschriften und V erw altungskom petenzen steht, geh t auf die aitbabylonische Z eit zurück, aus der wir ebenfalls um fangreiche Briefkorpora besitzen, die sich gleichfalls m it der Regelung von Details beschäftigen. Man m uß sich natürlich fragen, ob die Prinzipien der Verwaltung eines Reiches, wie sie für die Zw ecke eines verhältnism äßig kleinen altbabylonischen Stadtstaates entw ickelt worden waren, für das inzwischen weit ausgedehnte Assyrerreich angem essen sein konnten. D ie Antwort kann eigentlich nur sein, daß das nicht der Fall war - unter der Voraussetzung, daß die betreffenden Verfügungen vom K önig selbst ausgehen m ußten. Es läßt sich nicht nachweisen, daß „königliche Verlautbarungen“ auch von bestim m ten „Ressortm ini­

stern“ abgefaßt werden konnten. Da allerdings der K önig durch seine kultischen und m ilitärischen Pflichten stark in A nspruch genom m en war und häufig auch gar nicht im Lande weilte, kann man sich kaum eine andere Regelung vorstellen. W ie dem auch sei: Eine K onzeption für alle diese A ktivitäten im Sinne einer „Innenpolitik“ läßt sich bisher aus den erhaltenen Texten nicht ablesen, es sei denn, man will die stark domi­

nierende Personalpolitik als eine solche K onzeption - oder als T eil einer solchen erklären.

Fragen der „A ußenpolitik“ werden dagegen recht selten angesprochen. H ier sei ein D oku m ent in den M ittelpunkt gestellt, das auch über Assyrien hinaus Interesse bean Sprüchen k an n 18. In einem Brief aus dem Jah re 7 0 9 v.C hr. nim m t Sargon II. (722-16 Ivan Starr, State A rchives 4,24 Z. 2 -1 1 .

17 V on den Briefen neuassyrischer Z eit stam m t die größte Z ahl aus den kön iglich en Archiven in N inive. Sie wurden z.T . publiziert von Robert Francis Harper, Assyrian and Babylonian letters belonging to the K o u yu n jik C ollection of the British M useum , Bd. 1 - 1 4 (1 8 9 2 -1 9 1 4 ). Eine Gi sam tbearbeitung, die auch inzw ischen neu gefundenes M aterial en th alten wird, gesch ieh t derzeit in H elsinki. D o rt ersch ein en die Bände der R eih e „State A rchives of Assyria“, in der auch die

17 V on den Briefen neuassyrischer Z eit stam m t die größte Z ahl aus den kön iglich en Archiven in N inive. Sie wurden z.T . publiziert von Robert Francis Harper, Assyrian and Babylonian letters belonging to the K o u yu n jik C ollection of the British M useum , Bd. 1 - 1 4 (1 8 9 2 -1 9 1 4 ). Eine Gi sam tbearbeitung, die auch inzw ischen neu gefundenes M aterial en th alten wird, gesch ieh t derzeit in H elsinki. D o rt ersch ein en die Bände der R eih e „State A rchives of Assyria“, in der auch die

Im Dokument Schriften des Historischen Kollegs (Seite 128-138)