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Literaturüberlieferung in der Schule

Im Dokument Schriften des Historischen Kollegs (Seite 89-92)

Enlils und Ninlils (und mit ihnen Nannas) Exil in der Unterwelt läßt sich als H in

C. Literaturüberlieferung in der Schule

C I In n ic h t w en ig en W e rk e n d er su m erisch en L ite ra tu r h ab en w ir H in w eise auf m e h r od er w en ig er ex p liz ite p o litisch e M ein u n g säu ß eru n g en g efu n d en und k o n n te n auch p o litisch es A rg u m e n tie re n m it L iteratu r b e o b a c h te n . D ie se T e x te w aren zu ih rer Z e it ak tu ell, b e zo g en sich auf V erh ä ltn isse und E re ig n isse , die im B ew u ß tsein von H ö ­ rern und L esern ein e R o lle sp ielten . S ie liegen aber au sn ah m slo s in w e se n tlich sp ä te ­ ren A b s ch rifte n vor, vor allem aus d er Z e it Sam su ilu n as vo n B ab y lo n ( 1 7 4 9 - 1 7 1 2 v .C h r.), als S ü d b a b y lo n ie n d iesem H e rrsc h e r e n tg litt179: ru nd 5 0 0 J a h r e n ach N aräm - S m , ca. 3 5 0 J a h r e n ach U rn a m m u und Su lgi, 2 5 0 J a h r e n ach d er A u sein an d ersetzu n g zw ischen Ib b i-S m u n d Isb i-E rra . E s ist g u t vorstellb ar, daß d ie M y th en und E p e n zum W ie d e rh ö re n und -le se n reiz ten - bei K ö n ig slie d e rn ist das w en ig er p lau sib el, w en n ­ g leich d ie K ö n ig e , b e so n d ers Su lg i v o n U r und L ip it-E sta r v o n Isin, d ie P fleg e ihrer T e x te in d en S c h u le n in sp äterer Z e it fo rd e rn 180.

C 2 K e in e s d ieser L iteratu rw erk e w äre u n s erh a lten , h ätte es n ich t E in g a n g g efu n d en in d en L eh rp lan d er S c h u le n . D as, was g e m e in h in als die su m erisch e L itera tu r g ilt, ist ja n u r d e r T e il von ihr, d en b a b y lo n isch e O b e rle h re r fü r ihre Z ö g lin g e g e e ig n e t

erach-178 m lck e (1910) 62 ff.

179 Sieh e die Fund situation für Ü bungstafeln in N ippur: M iguel Civil, M aterials for the Sumerian L exicon 14 (R om 1 9 7 9 ) 7 - 8 ; Charpin (1 9 8 6 ) 4 8 4 ff. für S ch u ltexte aus U r; für Larsa siehe z. B. die Sam suiluna 10 X I I datierten T e x te von Iddin-D agän- und L ip it-E star-H ym n en T C L 16, 87 und 8 8 ; auch in Isin k o m m t die große M ehrzahl der S ch u ltexte aus Sch ich ten der Z e it Samsu-ilunas.

180 Wilcke (1982) 4 3 ; Sulgi B (siehe Klein [1981a] 38 f.) 3 0 4 - 3 2 0 n en n t die Sch u le als O rt der Ü berlieferun g; L ip it-E star 2, 5 7 -6 1 (Herman L J . Vanstiphout, Lip it-E star’s Praise in the Edubba in: J C S 3 0 , 3 8 f.; 44) sagt:

D u, Lipit-E star, Soh n Eniils,

H ast deine G erech tig k e it in aller M und sein lassen,

D ein e P reislieder sollen auf den T ontafeln der Sch u le n ich t weggelassen w erden!

D e r S ch reib er soll über sie jau ch zen ! G roßartig soll er sie deklam ieren!

D ein Preis soll unter den A n geh örigen der Sch u le kein Ende finden!

P o litik u n d L ite ra tu r im ä lte re n B a b y lo n ie n 6 7

teten , d en sie in d en K a n o n d er S c h u lte x te a u fn a h m en , e in e n K a n o n , d er land esw eit v erb in d lich w ar181.

D ie S c h u le n d ie n te n d er A u sb ild u n g vo n .B e a m te n “. N eb en d er V e rm ittlu n g von F e rtig k e ite n wie L esen und S c h re ib e n , v ersch ied en en R e c h e n a rte n , U rk u n d e n te ch n i- k en und R e ch tsk u n d e , M u sik und rh e to risch e n F o r m e n 182 w o llten d ie L e h re r d en zu ­ k ü n ftig en S taatsd ien ern o ffe n s ic h tlic h au ch g eistig e In h a lte m itg e b e n , vo r allem so l­

ch e , die das h e rrsc h e n d e p o litis ch e S y stem stü tzten .

Z u d iesen In h a lte n g e h ö rt vor allem d ie V era n k eru n g d es S taates und d er D y n astie in d er G e sc h ic h te .

E in zw eiter so lc h e r In h a lt ist sich e r die zen trale B e d e u tu n g d er A n e rk e n n u n g d urch den G ö tte rk ö n ig E n lil fü r den re c h tm ä ß ig e n K ö n ig . D a m it h än g t d ie B e d eu tu n g des K u lte s von N ip p u r fü r das G e d e ih e n d es L and es zu sam m en .

E in e d o p p elte F u n k tio n w ird d er D a rstellu n g des id ealen K ö n ig s z u g ek o m m en sein. S ie zeig t ein V o rb ild , d em S c h ü le r und B e a m te n a c h e ife rn so llte n . S ie so llten eb en so k lu g und w eise w erd en, so fleiß ig lern en w ie S u lg i, so llten a b e r au ch eb en so tapfere K rie g e r w erd en w ie er; in ih ren Ä m te r n so llte n sie g e re c h t sch a lte n und ihre Stellu n g n ic h t n u tz en , u m S ch w ä ch e re zu u n terd rü ck en o d er zu b e rau b en . A u ch K ö ­ n ig sk in d er g in g en zur S c h u le , le rn te n m it d en selb en T e x te n w ie an d ere S ch ü ler. Sie m ußten sich sp ä ter als K ö n ig e o d e r h o h e W ü rd e n trä g e r am Id eal d es id ealen H e rr­

schers g em essen w issen. W e g e n d ieser d o p p elten F u n k tio n w ü n sch ten die H e rrsc h e r die A u fn ah m e d er sie p re isen d en L ied er in d en K a n o n ; sie sah en sich selb st als B e i­

spiel für k o m m e n d e G e n e ra tio n e n .

C3 E s fällt auf, daß in d er su m e risch e n erzäh len d en L itera tu r und d en L ied ern alles fehlt, was die D y n a stie von A k k ad e v erh errlich en k ö n n te . A u ch in M y th en wie

„Inanna und E b e h “ sah en w ir e in e im p liz ite K ritik am V e rh a lte n d e r m it A kkad e identifizierten In ann a.

U nter den v ielen T e x te n aus N ip p u r g ib t es nu r e in e m ö g lic h e A u s n a h m e : d ie E r­

zählung von Sarg on v o n A k k ad und se in e r R o lle als M u n d sch e n k U r-Z a b a b a s von K is183 - aber d er A u sg an g d er G e s c h ic h te ist ganz u n k lar. Im a ltb a b y io n isch e n U r fand sich ein literarisch trad ierter, w oh l fik tiv er S a rg o n b rie f, cler zeig t, daß m an d ort die im m ittelb a b y lo n isch en „sar tam hari-E p o s “ ü b erlieferte A u sein a n d ersetz u n g Sar- gons m it dem H e rrsc h e r d es an a to lisc h e n P u ru sh attu m k a n n te 184. D ie se b e id en E in ­ zelstücke bestätigen als A u sn a h m e die R eg el.

Siehe Robert D. Biggs, in : J N E S 2 9 (19 7 0 ) 58 (R ezension zu U E T 6 /1); jMiguel Civil, Lexi-

<^’S™phy, in: Fs. Ja co b sen 145, A n m . 3 6 ; Charpin ( 1986) 4 5 2 ; WiIcke (1 9 8 7 ) 8 5 - 8 9 . i8) ^'c ^e Äke W. Sjöberg, T h e O ld Babylonian Ed uba, in : Fs. Ja c o b se n 1 5 9 -1 7 9 .

ß rro ldi. Cooper, Wolfgang Heimpel, T h e Su m erian Sargon Legend, in :J A O S 103 ( = Fs. K ra- mej') (1983) 6 7 -8 2 . - D ie D ich tu n g en der En h edu ann a m ö ch te ich n ich t zu den A usnahm en sich"101' ’ *nanna'^ 'e^er der S a rg o n -T o ch ter und en -P riesterin des M on dgottes in U r wenden von l " i>r ° 'lne an G ö ttin von A kk ad e; n in-m e-sär-ra endet aber in d er A u ssöhnung tung?!1anna ^lmC' ®niJe ^uanna) n1*1 N anna vielleich t ein G rund für die B e lie b th eit der D ich -lk4 ^ V c fe (i9 8 2 ) 5 U , A n m . 51.

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C lau s W ilc k e

D as E rzählgut um die H e rrsc h e r von A k k a d 183 war also b e k a n n t. D as v erd eu tlich en auch die in m ü n d lich er Ü b erlieferu n g w urzeln d en ,h isto risch e n O m in a 1, die ein en o m in ö sen B efu nd (z .B . d er E in g ew eid esch au ) m it e in e m E reig n is d er V e rg a n g e n h e it - g leich ob real od er fiktiv - v erk n ü p fen . D asselb e g ilt v o m S u lg i-S o h n und N ach fo lg er A m ar-S u ’en , d er in d er S c h u llite ra tu r ein e r dam naüo memoriae a n h e im fie l, o h n e daß die G rü nd e erk en n b ar w ären. N u r ein literarisch es F ra g m e n t h a n d e lt vo n ih m , und d ieses zeigt ihn in e in e r R o lle , die d er N aräm -S in s in „ F lu ch ü b er A k k a d e“ e n t­

sp rich t186.

C 4 N ach Sam su -ilu n a und au ß erhalb des b a b y lo n isc h e n K e rn la n d e s ist es anders.

M an leh rte zwar in d er S c h u le d ieselb e L iteratu r w ie im zen tralen B a b y lo n ien , p flegte aber auch die a k k ad isch -sp rach ig en E p e n u m die K ö n ig e v o n A k k a d e 187, die d ann nach d er A ltb a b y lo n isch en Z e it im H e th iterlan d und im fern e n Ä g y p ten au ftau ch en . Sargons G eb u rtsleg en d e ist gar erst aus dem 1. Ja h rta u se n d b e z e u g t188. N a ch a ltb a b y lo ­ n isch e T e x te ze ich n e n d ann au ch ein ganz and eres, u n erw artet n eg ativ es B ild Su lg is, des strah len d en , vo rb ild h aften K ö n ig s d er su m erisch en S c h u lü b e rlie fe ru n g 189.

C 5 D ie V erteilu n g d er T e x te sp rich t für ein e g ezielte A u sg ren zu n g , au ch w en n argu­

menta e silentio risk an t sind. D ie se A u sg ren zu n g b e tra f n ic h t das A b s c h re ib e n o ffiz ie l­

ler, ö ffen tlich au fg estellter S te le n -, S ta tu e n - od er B a u in sch rifte n . In sc h rifte n d er K ö ­ nige von A k k ad e k o p ierte m an sog ar se h r g ern - v ie lle ich t a b e r w en ig er des In h a lts als d er altertü m lich en S p rach e und Z e ic h e n fo r m e n w egen.

E in en G ru nd für die d u rch die Ja h rh u n d e rte k o n se q u e n te A b le h n u n g d er L iteratu r ü b er die K ö n ig e von A k k ad e k an n ich n ach d en e rh a lte n e n R e ste n d e r W e rk e nur v erm u ten ; im ,J a r tam hari-E p o s“ b e z e ic h n e t Sarg o n se in e n G e g n e r als „ L ieb lin g E n

-185 Sieh e die Ü bersicht bei Westenbolz (1983).

186 Sieh e Wilcke(\9 1Q) 62 m it A n m . 2 9 ; Piotr Michaloiuski, A m ar-Su ’ena and th e H istórica! Tra­

dition, in : M aria dejong Ellis, Essays on the A n cie n t N ear East in ¡Memory of Ja c o b J o e l Finkel- stein (H am den 1977) 1 5 5 -1 5 7 . - Z u den .historisch en “ O m in a: Wilcke(\988 b) 1 2 3 -1 2 8 m it älte­

rer Literatur.

187 B ekan nte Fundorte der älteren altbabylonischen Z eit sind Mari, T eil H arm al (Saduppüm) und vielleich t Sippar (aber Ja co b J. Finkeistein, T h e so-called „Old Babylonian K u th a Legend“, in:

J C S 11 (1 9 5 7 ) 83 und Christopher B. F. Walker, T h e Secon d T ab le t of /upsenna pitema, an Old Babylonian N aram -Sin Legend, in : J C S 33 (1 9 8 1) 1 9 1 -1 9 5 sind spätaltbabylonisch); das Datum des „narü dialoguée“ aus Larsa (Daniel Arnaud, Larsa. Catalogue des T e x te s ... de la sixièm e cam pagne, in: Syria 53 [1 9 7 6 ] 77) ist unbekannt.

186 Sie ist im Mai 1 9 9 0 unerw artet aktuell gew orden - ganz im altorientalisch en Sin n e - als poli­

tisches A rgum ent. T im e intern ation al 1 9 9 0 Nr. 21 (2 1 .5 . 1990), 23 b erich tet: „The president sat and w atched ... a tableau - M oses redux? - of a baby Saddam rockin g in a cradle in the marshes.

Vorbild d er vom Jou rn alisten gründlich m ißverstandenen D arstellu ng ist die G ebu rtsiegende Sar­

gons von Akkad, des G ründers des ersten W eltreich es eines sem itisch en V olkes, eines Reiches, das von iraqischem Boden ausging.

189 Sieh e Wilcke(1988b ) 1 2 9 f.; 1 3 3 ; al-Rawi (1990) 10: 2 8 -3 3 . W ie d ie „Su lg i-P rop h etie“ (Ryk'e Borger, G o tt M arduk und G o ttk ö n ig Su lg i als P roph eten, in Bib lioth eca O rientaüs 28, 1971»

24) die Regierung des K ön igs beu rteilte, ist m ir aus dem bru ch stückh aften T e x t n ich t deutlic ■

P o litik u n d L ite ra tu r im ä lte re n B a b y lo n ie n

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lils“, re c h n e t E n lil also d em L ag er se in e r G e g n e r z u 190. A u ch in „ N a rä m -S in und die fe in d lich e n H e e re “ s c h e in t E n lil au f d er g e g n e ris ch e n S e ite zu s t e h e n 19'.

D a die A b le h n u n g d e r W e rk e ü b e r Sarg o n und N a rä m -S in e in e A n ti-A k k a d e -H a l- tu n g zu zeig en s c h e in t, g lau be ich m it d er A n n a h m e v o n g eg en A k k a d e g e ric h te te r T e n d e n z lite ra tu r - w ie bei „In an n a und S u k aletu d a“ und „G ilg am es u n d d er H im - m e lsstie r“ - n ic h t allz u seh r in d ie Irre zu g eh en .

C 6 M an w o llte o ffe n b a r an ein e b e s tim m te V e rg a n g e n h e it an k n ü p fe n , an d er die H e rrsc h e r vo n A k k a d e k e in e n A n te il h a tte n , ein e V e rg a n g e n h e it, d ie sich m it d er V e r ­ e h ru n g E n lils als L e ite r d e r G ö tte rv e rsa m m lu n g verb and , d er ird isch d ie R o lle d es K ö ­ nigs in d er R a tsv ersam m lu n g e n ts p r a c h 192. D ie N in g irsu -N in u rta -T ra d itio n k o n n te m an in teg rieren , v ie lle ich t w eil es ein e stark e G ru p p e g ab , die sie als ih r .id en titä tsstif­

ten d es' h is to risch e s E rb e sah - g anz gew iß aber au ch , w eil sie zw ar e in e n an d eren H errsch er, n ic h t ab er ein an d eres S y stem p ropagiert.

D e r Ü b e rlie fe ru n g sstro m b e g in n t in d er U r - I I I - Z e it ; n e u e H e rrsc h e r reih en sich m it ih ren T e x te n in ih n ein , au ch so lc h e d er m it den Is in -K ö n ig e n riv alisieren d en D y ­ nastie von Larsa. U n te r Sam su ilu n a a b e r reiß t die T ra d itio n ab ; n u r e in z e ln e W e rk e ü b erleben . E s ist gew iß k e in Z u fall, daß d ies zu sa m m en fä llt m it d em V e rlu st N ippu rs und S ü d b a b y lo n ien s, w o h er für lan g e Z e it d ann k e in e T e x te k o m m e n . M it N ip p u r fiel auch das E n lilh e ilig tu m und d am it d er g eistig e M itte lp u n k t d er d iese L iteratu r tra g en ­ den Id eolog ie.

Im Dokument Schriften des Historischen Kollegs (Seite 89-92)