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59 beschriebenen Einsatz von Material (siehe Kapitel 2.3.3, Funktionen und Auswahl von Material) ist keine nachvollziehbare fachdidaktische Begründung für die Auswahl erkennbar.

Andere Aspekte, wie die organisatorische Handhabung (beispielsweise bezogen auf motorische Schwierigkeiten) und das eigene Zurechtkommen stehen im Fokus der Auswahl.

Hier werden sonderpädagogische Aspekte der Fachdidaktik vorgezogen. Das eingesetzte Material eignet sich dabei nicht zum Aufbau von Grundvorstellungen, da es der Handlung des Abzählens entspricht und nicht den heuristischen Strategien, wie es in dem Kapitel 2.3.2 zur Förderung beschrieben ist. Somit wird das Material lediglich als Lösungshilfe (siehe Kapitel 2.3.2, Funktionen und Auswahl von Material) und damit zum Abzählen verwendet. Das bedeutet, die Schüler nutzen das Material als Hilfsmittel zum Zählen. Eine Ablösung vom Zählen ist damit nicht erreicht. Hinzu kommt, dass keine Ablösung vom Material erfolgt, wie es mit dem Vierphasenmodell beschrieben wird. Ein spezifisches Förderkonzept der Schwierigkeiten beim Lernen ist bei beiden Lehrkräften nicht zu erkennen. Lediglich ein konsequenter Einsatz von Material bei Schwierigkeiten kristallisiert sich heraus. Die Förderung entspricht eher dem bekannten und ‘gängigen’ Mathematikunterricht. Wobei in Kapitel 2.3.2 deutlich wird, dass dieser besonderen Schwierigkeiten beim Mathematiklernen nicht entgegen wirken kann. Es findet sich kaum Anlehnung an die Symptome von Rechenstörungen und die Sonderpädagogen können sich entstandene Fehler nur schwer erklären.

Einige Fördergrundsätze der Lehrer beruhen dabei auf ‘alten Prinzipien’, wie dem wiederholten Üben und dem Vorgehen in kleinen Schritten. Eine Differenzierung findet in Bezug auf die Reduktion der zu lösenden Aufgaben statt (inhaltliche Reduktion), sowie dem längeren Nutzen von Material. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass die Schüler durch die längere Anschauung Strategien entwickeln. Dies steht im Widerspruch zum Kapitel 2.3.2, in dem beschrieben wird, dass die Wiederholung der gleichen Inhalte und Methoden nicht zum Verständnis beiträgt. Ebenso ist die Auslagerung der Förderung zu sehen, da die Kompetenzen eigentlich auf Seiten der Lehrer liegen müssten. Handlung und Anschauung haben einen besonderen Stellenwert, was den didaktischen Überlegungen von Kaufmann und Wessolowski entspricht (siehe Kapitel 2.3.2).

Das Fach Mathematik hat bei beiden Lehrern keinen hohen Stellenwert. Dieser wird eher durch die Anzahl der zu unterrichtenden Stunden diktiert. Da viele Kinder einen Migrationshintergrund haben, sehen sie die Sprache als größere Herausforderung an, zumal diese auch in anderen Fächern benötigt wird. Teilweise wird die vorherrschende negative

60 Einstellung zum Fach auf die Schüler projiziert. Die Zurückstellung des Fachs in besonderen Lebenslagen der Schüler lässt sich mit Blick auf die individuellen Entwicklungsstände vereinbaren (siehe Kapitel 2.1.1).

Betrachtet man die geschilderten Rahmenbedingungen, so wird deutlich, dass die Schule viele Ressourcen zur Verfügung hat. Fortbildungen im Bereich Mathematik, um der heterogenen Schülerschaft gerecht zu werden, sind nach unserem Wissen wenig vorhanden oder werden nicht wahrgenommen. Die fachdidaktischen Schwierigkeiten der Lehrkräfte können somit nicht aufgefangen werden.

In Kapitel 2.1.2 wird deutlich herausgestellt, dass Sonderpädagogen besondere Kompetenzen im Bereich Diagnostik und Förderung haben. Sie gelten als Experten für diese Kompetenzbereiche. In diesem Maße sehen sich die Befragten jedoch nicht. Deutlich erkennen lässt sich, dass sie fachdidaktisches Wissen als die Basis im Umgang mit Rechenschwierigkeiten sehen, dies jedoch im Widerspruch zu ihrer eigenen Unsicherheit in diesem Bereich steht. Ihnen ist der Stellenwert des fachdidaktischen Wissens im Umgang mit Schwierigkeiten bewusst, dennoch überwiegen bekannte Verhaltensmuster bei der Förderung, wie beispielsweise die Reduktion der Aufgaben. Eine Veränderung der Herangehensweise bewirkt die Erkenntnis über die Bedeutung von fachdidaktischem Wissen nicht. Sie zeigen darüber hinaus viel Empathie für die Schüler und Engagement. Bei den Interviews wurde bei beiden Lehrern deutlich, dass sie sehr engagiert wirken (siehe Postskriptum im Anhang). Sie wollen, so unser Eindruck, ihren Schülern helfen, ihre Fähigkeiten auszubauen und sie bei der Entwicklung zu unterstützen. Die Kennzeichnung von Unterschieden zur Regelschule verdeutlicht den Eindruck, dass sie sich nicht in einer Expertenrolle sehen, da sie fast keine Unterschiede in den Kompetenzen sehen. Lediglich die Schülerschaft ist anders zusammengesetzt und sie können sich den Schülern der Förderschule mit mehr Zeit widmen.

Festhalten lässt sich, dass für die beiden befragten Sonderpädagogen bei der täglichen Arbeit der Umgang mit den Kindern, das Miteinander und das Umfeld sehr wichtig sind. Diese Bereiche werden umfassender betrachtet als die Fachdidaktik. Dies lässt sich aufgrund der heterogenen Schülerschaft nachvollziehen, da viele Kinder individuelle Bedürfnisse haben.

Unsere Hypothese 3 (siehe Kapitel 3.1.1) wird damit in Auszügen bestätigt.

Nichtsdestotrotz nimmt das fachdidaktische Wissen für Mathematik einen hohen Stellenwert ein, vor allem bei besonderen Schwierigkeiten. In dieser Hinsicht zeigen sich Diskrepanzen zur aktuellen Literatur und dem Handeln bzw. Wissen der Lehrer. Womit sich unsere

61 Hypothese 2 bezüglich des fehlenden Hintergrundwissens, um eine angemessene Förderung zu ermöglichen, (siehe Kapitel 3.1.1) bestätigt. Durch das fehlende Wissen, so unsere These, kann sich das Engagement der Lehrkräfte nicht entfalten. Ihnen fehlen Anhaltspunkte, an denen sie sich orientieren können und das Engagement allein kann nicht die kompensatorische Rolle übernehmen. Sie scheinen beide offen für Neuerungen zu sein, können diese jedoch nicht umsetzen, da ihnen das fachdidaktische Wissen fehlt. In der vorliegenden Stichprobe spielt der Altersunterschied bzw. die Berufserfahrung keine ersichtliche Rolle, da beide Lehrkräfte ähnliche Ansichten vertreten und ihre Unsicherheiten im Fachdidaktischen betonen.

Um die Frage der Einleitung nach den Kompetenzen der Sonderpädagogen im Bereich Diagnostik und Förderung von Rechenstörungen zu beantworten, muss festgestellt werden, dass die Kompetenzen der Lehrkräfte nicht im fachdidaktischen Bereich liegen, welches sich jedoch auch durch die gegebenen Strukturen ergibt. Die Lehrer haben Mathematik nicht studiert und bringen daher wenig vom theoretischen Hintergrundwissen mit in den Beruf.

Auch Fortbildungen haben sie bisher nicht besucht. Da es an der Schule keine Kollegen gibt, die Mathematik studiert haben, kann auch kein Austausch im Kollegium stattfinden. Dies ist eine denkbar schwierige Ausgangslage, die die Umsetzung der Förderung von Kindern mit Rechenstörungen erheblich erschwert. Die zweite Frage nach besonderen Schwierigkeiten im mathematischen Lernprozess, lässt sich vor allem bei der Ablösung von Material sehen.

Rechenschwache Kinder müssen ihrer Auffassung nach immer wieder Material nutzen, um Aufgaben richtig lösen zu können. Besondere Schwierigkeiten sehen sie auch bei dem Verständnis der Stellenwerte. Zahlendreher und die deutsche Sprechweise von Zahlen erschweren den Aufbau einer Vorstellung. Weiterhin sehen beide den Zehnerübergang als Hürde an. Hinzu kommen heuristische Strategien, wie das Verdoppeln und Halbieren, die nicht verstanden werden. Dies kann mit der fehlenden Vorstellungskraft einhergehen. Passend zu der Definition von Rechenstörungen (siehe Kapitel 2.2.1) betreffen die Schwierigkeiten auch hier nur die arithmetischen Kompetenzen der Schüler. Auch der Rückstand im Lernprozess lässt sich mit der Definition in Einklang bringen. Um die dritte Frage nach der Diagnostik und Förderung im Alltag zu beantworten, lassen sich die bereits beschreibenden Kategorien ‘Diagnostik im Unterricht’, ‘Verwendetes Material’, ‘Auswahl von Material’ und

‘Umsetzung der Förderung’ sowie die ‘Fördergrundsätze’ heranziehen. Als Förderung wird der gängige Mathematikunterricht gesehen, in dem sich jedoch keine Maßnahmen für besondere Schwierigkeiten, außer der längeren Verwendung von Material, erkennen lassen.

Allgemein betrachtet ist jedoch festzuhalten, dass die Lehrer versuchen jedes Kind individuell

62 im Blick zu haben und es nach seinen Fähigkeiten zu fördern. Diese pädagogische Einstellung scheint besonders bedeutend bei der Arbeit an einer Förderschule, dennoch sollte dies die Grundlage der pädagogischen Arbeit eines jeden Lehrers sein. Damit wird die Diagnostik und Förderung zu einer allgemeinen pädagogischen Kompetenz.

Wir sehen in dem unzureichenden didaktischen Wissen eine besondere Schnittstelle bei der Arbeit mit Kindern mit Rechenstörungen. Die Ergebnisse werden in der folgenden Grafik für die zwei Fälle zusammengefasst:

Aufgrund dieser Schnittstelle erfolgt im Kapitel 7 ein Ausblick, in dem auch die aktuelle Ausbildungssituation berücksichtigt werden soll.

Unsicherheiten im Unterricht Unzureichendes

Fachdidaktisches Wissen

Keine Fortbildungen

Keine gezielte Ressourcennutzung

Unzureichende universitäre Ausbildung

Fehlende Passung bei Förderung

Schüler: Schematisches Lösen von Aufgaben/ Mathe

als Regelwerk

Lehrer: Hilflosigkeit Kein Austausch im

Kollegium

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