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In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts postulierte Francis H. C. Crick das „Zentrale Dogma der Molekularbiologie“, das einen einseitig gerichteten Fluss der genetischen Information von DNA (engl.: deoxyribonucleic acid) über RNA (engl.: ribonucleic acid) hin zu funktionalen Protein beschreibt. Dieser vormals einfache Ablauf hat sich in den letzten Jahren durch die Entdeckung von immer mehr nicht-proteinbasierten Regulatoren der Genexpression und anderer zellulärer Prozesse zunehmend verkompliziert. Obwohl sie oft als inaktives Speichermedium der genetischen Information bezeichnet wird, ist die DNA von sehr dynamischer und vielgestaltiger Natur, die eine Vielzahl alternativer Sekundärstrukturen einnehmen kann.

Im Speziellen haben sich die Indizien für G-Quadruplexe als wichtige Komponenten in zellulären Prozessen vermehrt (25,63-65). Es wurde gezeigt, dass diese transient ausgebildeten, alternativen DNA-Strukturen regulierende Funktionen in nahezu allen integralen biologischen Prozessen wie Rekombination, Replikation, Transkription und Translation ausführen. Darüber hinaus sind sie durch ihre polymorphe Struktur und hohe Stabilität ein attraktiver Baustein für die DNA-Nanoarchitektur und in funktionalen DNA-Nanoobjekten (68,69).

Einfache repetitive Sequenzen, sogenannte „simple sequence repeats“ (SSRs), kommen sehr häufig im menschlichen Genom vor und sind auch in Prokaryoten allgegenwärtig (140,141). Auf Grund ihrer repetitiven Eigenschaften neigen sie dazu, alternative Sekundärstrukturen auszubilden. Forschungsarbeiten zu repetitiven DNA-Motiven war bisher wegen der Beteiligung von Trinukleotidexpansionen an humanen neurodegenerativen Erkrankungen hauptsächlich auf Eukaryoten fokussiert (147-149). In Prokaryoten wurde gezeigt, dass SSRs mit repetitiven Einheiten in der Länge von eins bis 5 Nukleotiden Phasen- und antigenische Variation verursachen können (27,28,195). Obwohl ein gehäuftes Vorkommen von repetitiven Sequenzen, mit Grundeinheiten einer Länge von 7 Nukleotiden (Heptamere), bemerkt wurde (141), sind Studien zu längeren SSRs bestehend aus Hexameren bis zu Nonameren in Bakterien selten.

Insbesondere die Forschung an guaninreichen SSRs, die dazu neigen, G-Quadruplexstrukturen zu falten, wurde bisher vernachlässigt.

Diese Arbeit umfasst zwei Projekte, das erste behandelt die strukturelle Charakterisierung eines polymorphen G-Quadruplexes, der ursprünglich aus dem Humanpathogen Treponema pallidum stammt. Das zweite Projekt richtet sich auf die Charakterisierung von guaninreichen Heptamer-SSRs in zwei Xanthomonas Spezies.

Im ersten Teil dieser Arbeit wurden die Eigenschaften der Faltung der DNA-Sequenz (G4CT)3G4

zum G-Quadruplex charakterisiert. Diese guaninreiche Sequenz wurde vor Kurzem als potenziell Quadruplex faltende Sequenz identifiziert, die mit dem genetischen Locus des Antigens TprK assoziiert ist, welcher in Treponema pallidum der antigenischen Variation unterliegt (231). Es

stellte sich heraus, dass das Sequenzmotiv sowohl in eubakteriellen als auch im menschlichen Genom generell überrepräsentiert ist. Zur strukturellen Charakterisierung wurde eine Kombination aus CD-Spektroskopie, analytischer Ultrazentrifugation, EPR-Spektroskopie und Kernspinresonanzspektroskopie angewandt und zudem das Laufverhalten in nicht denaturierender Polyacrylamidgelelektrophorese untersucht. Es konnte nachgewiesen werden, dass das Oligonukleotid d[(G4CT)3G4] bemerkenswerte Eigenschaften wie eine ausgeprägte Kationenselektivität und Faltungskinetiken mit sehr hohen Aktivierungsenergien aufweist, sowie eine kontinuierliche strukturelle Umwandlung von einer antiparallelen Topologie bei niedrigen K+-Konzentrationen zu einer parallelen Topologie bei hohen K+-Konzentration durchläuft. Für die genauere Charakterisierung der beiden unterschiedlichen Konformere wurden EPR-Spektroskopie und analytische Ultrazentrifugation als analytische Methoden angewandt, die besonders dazu geeignet sind, Änderungen in der Stöchiometrie während der beobachteten Strukturumwandlung zu studieren. Es konnte nachgewiesen werden, dass d[(G4CT)3G4] in der antiparallelen Konformation als intramolekularer und in der parallelen Konformation als tetramolekularer G-Quadruplex vorliegt. Darüber hinaus wurden die Effekte der Kationenselektivität, der Nukleotidzusammensetzung und Länge der sogenannten Schlaufenregion sowie die Länge der Guanintrakte auf die Umfaltung zwischen den beiden Quadruplexspezies untersucht. Hierdurch wurden eigene weitere künstliche G-Quadruplexsequenzen identifiziert, die sich ebenso durch eine bemerkenswerte Selektivität für K+ auszeichnen und strukturelle Umwandlung zwischen zwei G-Quadruplexspezies durchlaufen.

Einige offene Fragen betreffend einer potenziellen Rolle der untersuchten Sequenz in zellulären Prozessen bleiben bestehen. Obwohl es sehr wahrscheinlich ist, dass das Motiv in Treponema pallidum an Rekombinationsprozessen beteiligt ist, wurde die Sequenz in anderen Bakterien oft im Zusammenfang mit intrazellulären Proteinen gefunden, die sehr wahrscheinlich nicht der antigenischen Variation unterliegen. Interessanterweise ist das Motiv in der Nähe von K+ -Transportern zu finden. Hier käme eine Beteiligung des guaninreichen Motivs als Transkriptions- oder Translationsregulator in Frage. Genexpressionsstudien der entsprechenden Gene in Abhängigkeit der intrazellulären K+-Konzentration sind notwendig, um eine solche Funktion zu klären. Außerdem könnte eine strukturelle Charakterisierung des entsprechenden RNA G-quadruplexes durchgeführt werden, um eine mögliche biologische Funktion zu untermauern.

Abgesehen von einer potenziellen Rolle in zellulären Prozessen, könnte die untersuchte Quadruplexsequenz als Baustein in der DNA-Nanotechnologie eingesetzt werden (244). Zum Beispiel wurden G-Quadruplexe wegen ihrer kationspezifischen Strukturstabilisierung zur Entwicklung von nukleinsäurebasierten Kaliumsensoren eingesetzt (255-259). Außerdem macht die Möglichkeit zwischen drastisch unterschiedlichen Konformation hin und her zu wechseln und die Molekularität wohldefinierter Komplexe zu steuern, die untersuchte G-Quadruplexsequenz zu einem vielversprechenden Kandidaten als Baustein in funktionalen DNA-Nanoobjekten (68,69).

Insbesondere die tetramere, parallele Anordnung der guaninreichen Nukleinsäure ist von Interesse, da sie die Ausbildung von sogenannten G-wires ermöglichen könnte (245). Darüber hinaus kann auch hier die definitive Anforderung der Präsenz von K+ als Trigger der Quadruplexfaltung ausgenutzt werden. Im Anbetracht der technischen Anwendung wäre es außerdem von Interesse, die genaue Struktur des monomolekularen, antiparallen Konformers aufzuklären.

Der zweite Teil dieser Arbeit richtete sich auf guaninreiche Heptamer-SSRs des Typs GGGAATC in Xanthomonas campestris pv. campestris ATCC 33913 (Xcc) und Xanthomonas axonopodis pv. citri str. 306 (Xac). Außerdem wurden GGGGA(C/T)T SSRs im Cyanobakterium Nostoc sp. PCC 7120 (Ana) untersucht. Die SSRs wurden in Anbetracht von Verteilung und Lage auf dem Genom, Länge und Sequenzvariabilität als auch Funktion der assoziierten Gene und deren relativer Orientierung zu den SSRs hin untersucht. In allen drei Organismen wurden die Heptamerwiederholungen überall auf dem Genom gefunden, waren aber besonders in nicht kodierenden Regionen repräsentiert. Beträchtliche Variation der Anzahl an wiederholten Einheiten mit Iterationen von zwei bis zu 26 Einheiten in Xcc und Ana und 18 in Xac wurde gefunden, jedoch fiel ein stark gehäuftes Vorkommen von vier Wiederholungen auf. Die guaninreichen Sequenzen befinden sich vorzugsweise zwischen gleichgerichteten Genen und sind in kodierenden Regionen oder zwischen divergenten Genen unterrepräsentiert. Während in Xcc und Xac die Mehrzahl der SSRs zwischen homologen Genen gefunden wurde, waren auch zwischen diesen sehr nahen Verwandten ausgeprägte Längen- und Sequenzvariabilität zwischen den intergenisch auftretenden Mustern zu erkennen. Die SSRs sind in allen drei Organismen mit deutlicher Präferenz in einem Abstand von bis zu 50 bp vor dem kodierenden Bereich eines Genes auf dem nicht kodierenden Strang oder im gleichen Abstand nach dem kodierenden Bereich auf dem kodierenden Strang zu finden. Darüber hinaus sind die kürzeren Heptamerwiederholungen in Xac und Xcc oft in einer paarweisen gegenläufigen Anordnung zu finden, die zur Ausbildung sogenannter Stem-Loop-Strukturen führen könnten. SSR-assoziierte Gene in allen drei Organismen wurden dem allgemeinen Metabolismus zugeordnet und stehen nicht ausschließlich in Verbindung mit Proteinen der Zelloberfläche oder Proteinen, die an Adaptationsprozessen beteiligt sind.

Die Präferenz für vier Wiederholungen der guaninreichen Sequenz überschneidet sich mit der Bedingung von vier aufeinanderfolgen Guanintrakten, die für die Ausbildung von G-Quadruplexen nötig sind. Hinweise auf G-Quadruplexfaltung der Konsensussequenzen der untersuchten SSRs wurden in biophysikalischen Studien gefunden. Charakteristische Änderungen der CD-Spektren unter Bedingungen, die die Quadruplexausbildung fördern, wurden beobachtet, während für verwandte Oligonukleotide mit mutierten Guanintrakten keine spektralen Änderungen gefunden wurden. Außerdem wurde unter ionischen Bedingungen, die auch in vivo vorliegen können, eine gesteigerte thermodynamische Stabilität gemessen.

Das gehäufte Auffinden der guaninreichen Heptamere in der Nähe vor und nach kodierenden Bereichen weist auf eine Rolle als Genregulatoren hin. Erste Studien zur Aufklärung einer potenziellen biologischen Funktion dieser Sequenzwiederholungen wurden ausgeführt. Die gewonnen Daten weisen auf verschiedene mögliche regulative Funktionen hin. Generell wurde gefunden, dass in Xac sowohl der G-reiche als auch der komplementäre C-reiche Strang transkribiert werden. Analyse von öffentlich zugänglichen Gesamt-Transkriptom-Shotgun-Sequenzierungen deuten sowohl eine mögliche Rolle in der Transkriptionstermination, als auch in der Regulation von Transkription und Translation an. Weiterhin lassen auch Bestimmungen der Expressionslevel von ausgewählten SSR-assoziierten Genen unter Bedingungen von osmotischem Schock in Xcc bei zwei Heptamer-Wiederholungen eine Rolle als Regulatoren der Transkription vermuten.

Weiterführende biochemische Untersuchungen sind notwendig, um beide Hypothesen zu überprüfen. So kann zum einen durch sogenanntes „DMS footprinting“ die Ausbildung von G-Quadruplexen in der DNA während hyperosmotischem Schock geprüft werden. Zum anderen können Genexpressionsstudien der entsprechenden Gene in Abhängigkeit der SSR-Länge oder nach Behandlung mit G-Quadruplex stabilisierenden Verbindungen durchgeführt werden.

Während die Häufigkeit von ausgeprägten guaninreichen Heptamer-SSRs in der Tat eine bemerkenswerte Eigenschaft von Xcc, Xac und Ana ist, so bleibt eine potenzielle biologische Funktion vorläufig unaufgeklärt.

Zusammengefasst führten beide Projekte zu neuen Erkenntnissen über die dynamische und polymorphe Natur von alternativen DNA-Sekundärstrukturen. Es wurde eine Verbindung zwischen gehäuft vorkommenden guaninreichen SSRs und potenziellen G-quadruplex bildenden Sequenzen geknüpft; Themen, die zuvor in der Literatur getrennt voneinander behandelt wurden.

Beide Untersuchungen bieten Ausgangspunkte für weitere Untersuchungen an, einerseits für die Nutzung von G-Quadruplexen als Bausteinen in der Nanotechnologie, andererseits um weitere Erkenntnisse über die physiologische Rolle von G-Quadruplexen als facettenreiche, regulativ wirkende DNA Elemente zu erlangen.