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Im Dokument für die Klinik? (Seite 57-60)

Z. Allg. Med. 1993; 69: 451-453. © Hippokrates Verlag GmbH, Stuttgart 1993

»Es gibt oft nur eine geringe Korrelation zwischen dem Grad der Hemmung der Prostaglandin­

synthese und der analgeti­

schen Wirkung«

»Die peripher angreifenden Analgetika haben über­

haupt kein Suchtpotential«

ZFA: Könnte man die peripher wirksamen Analgetika demnach je nach dem Grad der Hemmung der Prostaglandinsynthese in ver­

schiedene Wirkstärken einteilen?

Zimmermann: Es gibt oft nur eine geringe Korrelation zwischen dem Grad der Hemmung der Prostaglandinsynthese und der analgeti­

schen Wirkung, was wieder zeigt, daß diese nur einen Teil der schmerzlindernden Wirkung ausmacht, bei einigen peripheren Analgetika spielt sie sogar nur eine nebensächliche Rolle.

ZFA: Welche anderen Faktoren spielen dann für die Wirkung und Wirkstärke peripherer Analgetika noch eine Rolle?

Zimmermann: Sie wirken auch auf andere Schmerzmediatoren hemmend ein, z. B. auf die Freisetzung von Histamin und Serotonin aus Mastzellen. Auch bei der Freisetzung von Neu- ropeptiden aus Nerven (z. B. Substanz P) sollen einige periphere Analgetika dämpfend wirken und so die neurogene Entzündung abschwä­

chen, die bei vielen Schmerzen beteiligt ist (z. B.

Migräne, Fibromyalgie). Schließlich scheint es noch eine direkte Wirkung auf die sensorischen Endigungen der Nozizeptoren zu geben, die die Auslösung von Aktionspotentialen zum ZNS er­

schwert.

ZFA: Wie lassen sich peripher wirksame Anal­

getika klassifizieren, wenn eine solche Eintei­

lung denn notwendig und sinnvoll ist?

Zimmermann: Dies könnte man nach ver­

schiedenen Gesichtspunkten tun. Einmal na­

türlich im Sinne einer Differentialindikation, z. B. der Unterscheidung in Analgetika, die eher bei Schmerzzuständen mit entzündlicher Kom­

ponente indiziert sind, und solchen, die indi­

ziert sind, wenn Entzündungsfaktoren keine Rolle spielen.

Eine weitere Möglichkeit ist eine Trennung in Schmerzmittel für akute und Schmerzmittel für chronische Schmerzen.

Ein ganz wichtiger Faktor sind natürlich die Nebenwirkungen. Es gibt Analgetika, die z.B.

im gastrointestinalen Bereich stärkere uner­

wünschte Wirkungen haben und solche, die dort besser verträglich sind, dafür aber Neben­

wirkungen in anderen Bereichen aufweisen.

Schließlich ist eine unerwünschte Nebenwir­

kung, nämlich das erhöhte Blutungsrisiko, gleichzeitig als erwünschte Wirkung zu sehen, nämlich die Hemmung der Blutgerinnung, die das Risiko von Herz- und Hirninfarkt mindert.

Man kann sich so ein Klassifizierungssystem erarbeiten, um dann quasi maßgeschneidert

Aktuelles Interview

für bestimmte Patientengruppen und be­

stimmte Schmerzkrankheiten eine Differen­

tialindikation und so etwas wie eine Anwen­

dungsorientierung zu haben.

ZFA: Könnte man das so werten, daß z.B.

Schmerzmittel mit rascher Anflutung und kur­

zer Wirkdauer eher für akute und solche mit langsamer Anflutung und langer Wirkdauer eher für chronische Schmerzen geeignet sind?

Zimmermann: Die rasche Anflutung ist ohne Frage ein Vorteil bei der Behandlung akuter Schmerzzustände, z.B. bei einem plötzlich ein­

tretenden Kopfschmerz, Zahnschmerz, oder etwa bei Rückenschmerzen. Wobei fast wichti­

ger als die rasche Anflutung ist, daß man auch merkt, daß das Mittel wirkt. Das stärkt das Überzeugungspotential und nutzt damit auch noch eine zusätzliche »Plazebowirkung« aus, die Wirksamkeit ist sozusagen noch einmal psychologisch potenziert.

ZFA: Könnten Sie einige der häufig eingesetz­

ten Schmerzmittel bestimmten Differentialin­

dikationen zuordnen, z. B. das Ibuprofen, das ASS, Naproxen-Natrium usw.?

Zimmermann: Da gibt es viele Anpreisungen und relativ wenige kontrollierte Untersuchun­

gen oder Feldstudien. Man kann schon sagen, daß gerade die neueren Medikamente, wie das Ibuprofen oder das Naproxen-Natrium, bei akuten Schmerzzuständen mit einer Entzün­

dungskomponente anzuwenden sind, wie z. B.

bei Dysmenorrhoe oder bei Sportverletzungen.

Bei diesen Mitteln ist das Nebenwirkungsspek­

trum insgesamt geringer als bei der ASS.

ZFA: Wie ist es denn bei den peripheren Anal­

getika insgesamt mit der Suchtproblematik?

Zimmermann: Diese beiden Problematiken sind generelle Hinderunggründe für den Ein­

satz von Analgetika: die Angst von Betroffenen und die Angst bei Ärzten, daß man einen Pa­

tienten schwer schädigen oder sogar töten kann. Dies hat neben der ethischen Problema­

tik auch eine juristische Dimension.

Im Gegensatz zu zentral wirksamen und eu­

phorisierenden Mitteln haben die ganz peri­

pher angreifenden Analgetika überhaupt kein Suchtpotential. Hierzu gibt es viele aussage­

kräftige tierexperimentelle Untersuchungen.

ZFA: Wie sieht es denn generell bei peripheren Analgetika mit der Gefahr einer Kumulation aus, wenn man die Mittel über einen längeren Zeitraum hinweg einnimmt? Gibt es da Unter­

.^tuieltes Interview

schiede zwischen Mitteln mit kurzer und sol­

chen mit langer Halbwertszeit?

Zimmermann: Generell kann man sagen, wenn Nebenwirkungen auftreten, dann sind diese dosisabhängig.

Was aber dabei bestimmt ganz wichtig ist, das ist die Anreicherung an der Stelle, an der die Nebenwirkung auftritt. Es ist ja bekannt, daß die sogenannten sauren Analgetika sich gerade in der Magenschleimhaut anreichern, aufgrund ihrer Pharmakokinetik erreichen sie dort eine wesentlich höhere Konzentration als z.B. im Magenlumen, und durch diese lokale hohe Konzentration kommen die gastroenteralen Nebenwirkungen dann so sehr zum Tragen.

Diese Anreicherung geschieht nach den Ge­

setzmäßigkeiten einer Adsorptions- oder Re­

sorptionskinetik auf der Basis einer komplexen Affinität. Sie hängt oft nicht vom therapeuti­

schen Plasmaspiegel ab.

ZFA: Wie würden Sie unter diesen Aspekten Nutzen und Risiko z.B. der Propionsäure-De­

rivate beurteilen?

Zimmermann: Für diese ist generell und über­

zeugend eine im Vergleich zu klassischen ent­

zündungshemmenden Analgetika sehr geringe Inzidenz von Nebenwirkungen beschrieben worden, wobei die analgetische Wirkung der­

jenigen der Azetylsalizylsäure vergleichbar ist.

Im Gegensatz zur ASS, die im sauren Milieu des Magens gelöst wird, werden die Propionsäure- Derivate erst nach der Magenpassage aufgelöst und sind deshalb dort weniger problematisch.

ZFA: Wo sehen Sie die Indikationen, wo die Grenzen für diese Analgetika?

Zimmermann: Die Indikation liegt eigentlich bei allen Schmerzzuständen, die eine entzünd­

liche Komponente haben. Dazu gehört, nimmt man die neueren Vorstellungen zur neuroge­

nen Entzündung dazu, z. B. auch ein vasogener Kopfschmerz und die Migräne.

Die Unterschiede zwischen den Patienten sind ja oft größer als die Unterschiede zwischen den Medikamentengruppen. Auch wenn man Re­

geln hat für eine Differentialindikation, wie z. B.

die antientzündlichen Medikamente bei Schmerzen mit Entzündungskomponente zu nehmen, die antipyretischen dann, wenn Fie­

ber mit eine Rolle spielt und die antispasti­

schen bei kolikartigen Schmerzzuständen, so

sind das vielleicht erste Anleitungen, wie man die Therapie beginnen sollte. Aber man kann durchaus Ärzten empfehlen, selbst zu experi­

mentieren und dann mit einem eigenen und bewährten Schema systematisch vorzugehen.

Dabei findet man dann wahrscheinlich auch Abweichungen von der Regel insofern, denn - wie gesagt - bestehen zwischen den Patienten generell größere Unterschiede als zwischen den Substanzen. Ich kann nur empfehlen, daß jeder Arzt sich eine Reihe von Medikamenten aus den verschiedenen Gruppen auswählt, die er gut kennt und bei seinen Patienten optimal einsetzen kann.

Zur Auswahl und Erprobung eines Analgeti­

kums gehört aber vor allem auch eine gute Schmerzdokumentation, bei der die vom Pati­

enten angegebenen Schmerzstärken verwen­

det werden. Es ist damit eine zuverlässige Be­

wertung analgetischer Wirkungen möglich.

ZFA: Wie würden Sie da ganz pragmatisch Vorgehen? Sollen die Patienten ein Schmerzta­

gebuch führen?

Zimmermann: Dies wäre eine sehr gute Hilfe bei einem Patienten mit chronischen Schmerzen, deren Intensität im Tagesverlauf wechselt. Bei einem Patienten mit eher gleich­

bleibenden Schmerzen würde es ausreichen, wenn er sich einmal täglich eine Aufzeichnung macht und diese bei der nächsten Konsultation mitbringt.

Anhand einer graphischen Auswertung eines solchen Tagebuchs, in der der Schmerzverlauf über ein oder zwei Wochen dargestellt wird (Schmerzkurve), kann man mit dem Patienten wesentlich besser über seine Schmerzen sowie die Wirksamkeit und Dosierung der Medika­

mente reden, als wenn man das nur aus dessen Erinnerung heraus tut.

ZFA: Dient dies dann auch dazu, den Einsatz der Analgetika richtig steuern zu können?

Zimmermann: Meiner Meinung nach ist dies die Hauptindikation für die Anwendung sol­

cher Schmerzdokumentationen in der Praxis des niedergelassenen Arztes, nämlich die Wirk­

samkeit verschiedener Medikamente besser beurteilen zu können und zu sehen, wie z. B.

bestimmte Lebensumstände des Patienten sich auf den Verbrauch an Schmerzmitteln auswir­

ken.

»Wenn Neben­

wirkungen auf­

treten, dann sind diese do­

sisabhängig«

»Zur Auswahl und Erprobung eines Analgeti­

kums gehört vor allem eine gute Schmerz­

dokumenta­

tion«

»Die Indikation für Proprion­

säure-Derivate liegt bei allen Schmerzzu­

ständen, die eine entzündli­

che Kompo­

nente haben«

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