G. IV. RECHTLICHE UND TECHNISCHE WÜRDIGUNG
2. P RÜFUNG DER G ENEHMIGUNGSVORAUSSETZUNGEN
2.5 Würdigung der im Anhörungsverfahren erhobenen Einwendungen
2.5.1 Einwendungen zum formalen Ablauf des Verfahrens
2.5.1.2 Zulässigkeit und Bestimmtheit des Antrages
2.5.1.2.1 Zulässigkeit des Antragsgegenstandes
Einwendung:
Der Antragsgegenstand sei zum Teil unzulässig.
Für das Inventar seien im Antrag eine sehr hohe Anreicherung und sehr hohe Abbrandwerte von bis zu 75 GWd/Mg Schwermetall vorgesehen, obwohl der Einsatz derartiger Brennelemente und ein derartiger Abbrand im Reaktor des Kernkraftwerkes Gundremmingen II nicht genehmigt sei.
Ferner sei die beantragte Einlagerung von leeren, innen kontaminierten Transport- und Lagerbehältern nicht nachvollziehbar und unnötig, da für die Aufbewahrung nur neue Transport- und Lagerbehälter verwendet würden.
Behandlung:
Der Antragsgegenstand ist zulässig.
Die Genehmigung des Einsatzes von Brennelementen mit den im Sicher
heitsbericht genannten Anfangsanreicherungs- und Abbrandwerten im Kern
kraftwerk Gundremmingen II ist keine Voraussetzung für die Zulässigkeit ei
nes Antrags auf Genehmigung der Aufbewahrung derartiger Brennelemente nach § 6 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 und 2 AtG.
Der Antrag ist außerdem nicht beschränkt auf die Verwendung von Transport-und Lagerbehältern, die zuvor noch nicht benutzt wurden. Vielmehr können nach dem Antrag grundsätzlich auch solche Transport- und Lagerbehälter zum Einsatz kommen, die schon einmal mit anderen Kernbrennstoffen bela
den waren und die deshalb innen kontaminiert sind. Gemäß § 7 Abs. 2 StrlSchV kann sich eine Genehmigung nach § 6 AtG auch auf einen gemäß
§ 7 Abs. 1 StrlSchV genehmigungsbedürftigen Umgang mit sonstigen radio
aktiven Stoffen erstrecken. Demnach ist der auf eine solche Erstreckung ge
richtete Antrag zulässig.
2.5.1.2.2 Bestimmtheit hinsichtlich des Antragsgegenstandes
Einwendung:
Der Antragsgegenstand sei im Antrag zu unbestimmt dargestellt.
Die Einlagerungsgenehmigung werde pauschal für unterschiedliche Behälter
typen mit verschiedenen, erheblich voneinander abweichenden Konstrukti
onsmerkmalen beantragt, obwohl einige der für die Einlagerung vorgesehe
nen Behältertypen, wie zum Beispiel die Transport- und Lagerbehälter der Bauarten CASTOR® Vc und CASTOR® X/69, keine Zulassung als Transport-und/oder Lagerbehälter besäßen beziehungsweise sich noch in der Entwick
lung befänden.
Der Antragswert für die Gesamtaktivität des einzulagernden Inventars sei nur pauschal in angegeben. Diese Angabe sei wertlos, da nur radionuklidbezoge
ne Angaben eine Einschätzung des Gefahrenpotenzials erlaubten.
Im Sinne der Bestimmtheit des Antrages müsse jeder einzelne Transport- und Lagerbehälter im Zusammenhang mit seinem Inventar überprüft sein.
Behandlung:
Der Antragsgegenstand ist im Antrag hinreichend genau beschrieben worden.
Die Betreiber haben die Genehmigung für die Aufbewahrung von Kernbrenn
stoffen in Form von bestrahlten Brennelementen aus dem Betrieb des Kern
kraftwerkes Gundremmingen II in hierfür geeigneten Transport- und Lagerbe
hältern in einem hierfür geeigneten Lagergebäude beantragt. Die zur Aufbe
wahrung vorgesehenen Brennelemente werden im Antrag hinreichend genau beschrieben. Die charakterisierenden Merkmale der vorgesehenen Transport-und Lagerbehälter werden genannt. Insbesondere teilten die Betreiber in den Schreiben vom 25.02.2000 und vom 28.03.2001 folgende Merkmale der Transport- und Lagerbehälter mit:
Die Transport- und Lagerbehälter besitzen eine Typ B(U)-Zulassung für den Transport auf öffentlichen Verkehrswegen und sind mit einem verschraubten Doppeldeckeldichtsystem verschlossen.
Die Transport- und Lagerbehälter sind jeweils einem der folgenden Behälter
typen zuzuordnen:
• Behälter mit monolithischem Behälterkörper und innenliegendem Modera
tormaterial,
• Behälter mit monolithischem Behälterkörper und außenliegendem Mode
ratormaterial,
• Behälter in Verbundbauweise.
Detailliertere Angaben zur vorgesehenen Behälterbauart, zum Behälterinven
tar und zu den Lagerbedingungen sind im Antrag zur Bezeichnung des An
tragsgegenstandes nicht erforderlich. Im Hinblick auf die technischen Merk
male des Transport- und Lagerbehälters wird der Antrag im Sicherheitsbericht konkretisiert. Die Auslegungsmerkmale, die die Einhaltung der Schutzziele gewährleisten, werden dargestellt. Insbesondere werden die Werkstoffe und die Konstruktion der Behälter beschrieben. Hierzu wird beim Behälter unter
schieden zwischen Behälterkörper, Deckel- und Dichtungssystem, Tragkorb für Brennelemente und den Anschlagelementen. Bei der Beschreibung des Behälterkörpers wird klar differenziert zwischen den einzelnen Behältertypen (siehe oben). Ferner wird im Sicherheitsbericht auch dargestellt, dass sowohl im bestimmungsgemäßen Betrieb als auch im Falle von Störfällen die Schutzziele eingehalten werden.
Die vorliegende, im ersten Schritt erteilte Genehmigung ist beschränkt auf die Verwendung von Transport- und Lagerbehältern der Bauart CASTOR® V/52, da die Betreiber mit Schreiben vom 28.03.2001 erklärt haben, dass bei Auf
nahme des Lagerbetriebs zunächst ausschließlich Transport- und Lagerbe
hälter dieser Bauart einlagert werden sollen.
Eine gesetzliche Verpflichtung zu radionuklidbezogenen Angaben in Antrags
schreiben gibt es nicht. Die nicht weiter spezifizierte Angabe der
Gesamtakti-vität ist ausreichend bestimmt und der Antrag damit zulässig. Weitere radio
nuklidbezogene Angaben sind in den eingereichten Antragsunterlagen enthal
ten, so dass eine sachgerechte Prüfung durch das Bundesamt für Strahlen
schutz erfolgen konnte.
2.5.1.2.3 Bestimmtheit hinsichtlich der Dauer der Aufbewahrung
Einwendung:
Der Antrag sei im Hinblick auf die Dauer der vorgesehenen Aufbewahrung der Kernbrennstoffe im Standort-Zwischenlager Gundremmingen zu unbe
stimmt.
Die Formulierung des Antrages lasse keine Beschränkung der Nutzungsdau
er der gesamten Anlage und keine Angaben zur Stilllegung, Räumung sowie zum Rückbau des Standort-Zwischenlagers Gundremmingen erkennen.
Auch sei zu befürchten, dass die benötigten Zwischenlagerzeiten wegen der vor kurzem genehmigten höheren Anreicherung und im Falle der Genehmi
gung der beantragten Leistungssteigerung weit über die im Antrag erwähnte Zwischenlagerzeit von 40 Jahren hinausgingen.
Ferner sei zu befürchten, dass das Standort-Zwischenlager Gundremmingen zu einem Endlager würde.
Behandlung:
Der Antrag ist hinsichtlich der Dauer der vorgesehenen Aufbewahrung hinrei
chend bestimmt.
Nach dem Antrag soll die Nutzungsdauer für das Standort-Zwischenlager Gundremmingen 40 Jahre betragen. In dieser Form wurde das Vorhaben in einem Genehmigungsverfahren gemäß § 6 AtG geprüft und beschieden.
Nach dem Entsorgungskonzept der Bundesregierung soll ein staatliches End
lager für radioaktive Abfälle in etwa 30 Jahren zur Verfügung stehen, und zwar nach den Vorgaben der Bundesregierung in tiefen, geologischen Forma
tionen. An dieses Endlager sind die zwischengelagerten Abfälle nach Inbe
triebnahme gemäß § 78 StrlSchV abzugeben. Die Verpflichtung zur Zwi
schenlagerung besteht bis zum Abruf durch ein Endlager des Bundes. Nach der vorliegenden Genehmigung ist die Dauer der Zwischenlagerung auf 40 Jahre nach Einlagerung des ersten Behälters begrenzt.
Ein Endlager im Sinne des § 9a AtG am Standort Gundremmingen war nicht beantragt und damit auch nicht Gegenstand des Verfahrens. Keinesfalls kann das Standort-Zwischenlager Gundremmingen in ein Endlager umgewandelt werden. Dagegen stehen die unterschiedlichen Genehmigungsverfahren und -voraussetzungen sowie der Umstand, dass ein Endlager nach dem Atomge
setz staatlich betrieben wird, während das Standort-Zwischenlager Gund
remmingen von privaten Gesellschaften errichtet und betrieben wird.
2.5.1.2.4 Vorschriften über die Entsorgungsvorsorge
Einwendung:
Das beantragte Standort-Zwischenlager Gundremmingen stelle eine unzuläs
sige Umgehung der Vorschriften des Atomgesetzes über die Entsorgungsvor
sorge dar.
In § 9a des Atomgesetzes werde vorgeschrieben, dass zum Schutz der All
gemeinheit anfallende radioaktive Reststoffe entweder schadlos verwertet oder geordnet beseitigt werden sollen, also nicht am Standort aufzubewahren seien. Die Zwischenlagerung sei im Atomgesetz nicht als weitere Möglichkeit der Entsorgung vorgesehen und stelle auch in keiner Weise eine Entsorgung der hochradioaktiven Kernbrennstäbe dar. Solange eine inhaltlich abgestimm
te Entsorgungskonzeption bis hin zur Endlagerung nicht vorliege, fehle es an einer Grundlage und Rechtfertigung, die eine Genehmigung des Standort-Zwischenlagers Gundremmingen ermögliche.
Für das Standort-Zwischenlager Gundremmingen müsse ein Entsorgungs
vorsorgenachweis erbracht werden.
Behandlung:
Es liegt kein Verstoß gegen die Vorschriften des Atomgesetzes über die Ent
sorgungsvorsorge vor.
Die Entsorgungspflicht der RWE Power AG, der E.ON Kernkraft GmbH und der Kernkraftwerke Gundremmingen GmbH als Betreiberinnen von Anlagen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität ist durch das Gesetz zur geord
neten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität vom 22.04.2002 in § 9a Abs. 1 bis Abs. 1d AtG neu geregelt wor
den. Danach ist die Abgabe von aus dem Betrieb von Kernkraftwerken stam
menden bestrahlten Kernbrennstoffen zur schadlosen Verwertung an eine Anlage zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe vom 01.07.2005 an un
zulässig. Für die geordnete Beseitigung ist nachzuweisen, dass der sichere Verbleib der bestrahlten Kernbrennstoffe in Zwischenlagern bis zu deren Ab
lieferung an ein Endlager gewährleistet ist (§ 9a Abs. 1b AtG). Die beantragte Aufbewahrung dient damit gerade der Erbringung des in § 9a Abs. 1a AtG gesetzlich vorgesehenen Entsorgungsvorsorgenachweises. Für die bei der Aufbewahrung im Standort-Zwischenlager Gundremmingen anfallenden ra
dioaktiven Abfälle haben die Betreiber ebenfalls Maßnahmen vorgesehen, mit denen eine geordnete Entsorgung sichergestellt wird.
2.5.1.2.5 Versprechen, Zusagen und Vereinbarungen
Einwendung:
Der Aufbewahrung von Kernbrennstoffen in einem Zwischenlager am Stand
ort des Kernkraftwerkes Gundremmingen II stünden verschiedene Zusagen, Versprechen und Vereinbarungen entgegen.
Der Bevölkerung um Gundremmingen sei in den 60er-Jahren beim Bauantrag des Blockes A des Kernkraftwerkes Gundremmingen das Versprechen
gege-ben worden, nach Ende des Betriebes, in 40 bis 50 Jahren, wieder eine „grü
ne Wiese“ herzustellen.
In den Anträgen für den Bau der Kernkraftwerke in Gundremmingen sei nur die Zwischenlagerung in Ahaus und Gorleben aufgeführt worden.
Das geplante Standort-Zwischenlager Gundremmingen widerspreche den tat
sächlichen Gegebenheiten, der bisherigen Rechtslage und den damaligen Zusagen, auch gegenüber dem Landkreis Günzburg und der sonstigen Öf
fentlichkeit.
Bei dem Bau des Kernkraftwerkes in Gundremmingen sei ein Standort-Zwischenlager ausgeschlossen worden. Ausdrücklich sei als Voraussetzung der Genehmigungserteilung für die Blöcke B und C des Kernkraftwerkes Gundremmingen II im Jahr 1976 zwischen Bund, Ländern und den Energie
versorgungsunternehmen verbindlich festgelegt worden, dass eine Zwischen
lagerung von Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen in der Gemeinde Gundremmingen als Betreiberstandort der Blöcke B und C nicht erfolgen solle. Dies sei die Geschäftsgrundlage der Genehmigungserteilung für die Blöcke B und C des Kernkraftwerkes Gundremmingen II gewesen, die durch das Standort-Zwischenlager Gundremmingen wegfallen würde.
Behandlung:
Dem Bundesamt für Strahlenschutz sind keine Zusagen, Versprechen oder Vereinbarungen bekannt, die einer Genehmigung und Realisierung des ge
planten Standort-Zwischenlagers Gundremmingen entgegenstehen könnten.
Insbesondere sind keine verbindlichen Festlegungen von Bund, Ländern und Energieversorgungsunternehmen aus dem Jahr 1976 ersichtlich, nach denen eine Zwischenlagerung in der Gemeinde Gundremmingen ausgeschlossen wäre. Zwar haben die Regierungschefs des Bundes und der Länder am 06.05.1977 die „Grundsätze zur Entsorgungsvorsorge für Kernkraftwerke“ be
schlossen, die auf Grund eines Beschlusses der Regierungschefs von Bund und Ländern vom 28.09.1979 neu gefasst wurden (BAnz. Nr. 58 vom 22.03.1980). Jedoch lässt sich daraus ein solcher Ausschluss nicht entneh
men. Aus diesem Beschluss ist vielmehr lediglich erkennbar, dass nach dem damals verfolgten Entsorgungskonzept eine Zwischenlagerung in externen Zwischenlagern angestrebt wurde. Dessen ungeachtet entfaltet der damalige Beschluss keine Bindungswirkung, auf Grund derer sich die Unzulässigkeit des dieser Genehmigung zu Grunde liegenden Antrags ergeben könnte.