G. IV. RECHTLICHE UND TECHNISCHE WÜRDIGUNG
2. P RÜFUNG DER G ENEHMIGUNGSVORAUSSETZUNGEN
2.5 Würdigung der im Anhörungsverfahren erhobenen Einwendungen
2.5.3 Bedürfnis
Einwendung:
Das nach § 6 Abs. 2 AtG erforderliche Bedürfnis für die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen liege im Falle des Standort-Zwischenlagers Gundremmin
gen nicht vor.
An einem Bedürfnis für das beantragte Standort-Zwischenlager Gundrem
mingen fehle es auf Grund dessen Überdimensionierung. Auf Grund des jähr
lichen Anfalls an radioaktiven Abfällen im Kernkraftwerk Gundremmingen II und seiner genehmigten Restlaufzeit bestünde ein viel geringerer Lagerungs
bedarf. Die beantragte Lagerkapazität ermögliche hingegen einen Weiterbe
trieb des Kernkraftwerkes Gundremmingen II über die im Atomkonsens ver
einbarte Restlaufzeit hinaus.
Die Überdimensionierung berge in Anbetracht des fehlenden Endlagers außerdem die Gefahr, dass das Standort-Zwischenlager Gundremmingen ir
gendwann Abfälle aus anderen Kernkraftwerken aufnehme und schließlich zu einem Endlager werde. Die Dauer der Lagerung sei nicht absehbar.
Bereits das Lagergebäude dürfe nur so dimensioniert werden, dass nicht mehr Stellplätze eingerichtet werden könnten, als für die zur Lagerung der bis zum Ende der Restlaufzeit des Kernkraftwerkes Gundremmingen II anfallen
de Schwermetallmasse erforderlich seien.
Das Standort-Zwischenlager Gundremmingen sei weder zum Betrieb noch zur Entsorgung des Kernkraftwerkes Gundremmingen II notwendig. Insofern sei insbesondere die Lagerkapazität in den zentralen Zwischenlagern Ahaus und Gorleben zu berücksichtigen. Diese hätten eine ausreichende Lagerka
pazität, um abgebrannte Kernbrennstoffe für die nächsten Jahrzehnte aufzu
nehmen.
Behandlung:
Die in § 6 Abs. 2 AtG genannte Genehmigungsvoraussetzung des Bedürfnis
ses findet bei Genehmigungen nach § 6 Abs. 3 AtG keine Anwendung.
Insofern ist das Atomgesetz nach Durchführung des Erörterungstermins durch das Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität vom 22.04.2002 geändert worden.
Nach § 9a Abs. 2 Satz 3 AtG in der jetzt geltenden Fassung sind die Betreiber von Kernkraftwerken verpflichtet, standortnahe Zwischenlager zu errichten und die anfallenden bestrahlten Kernbrennstoffe bis zu ihrer Ablieferung an ein Endlager dort aufzubewahren.
Aus diesem Grund findet die in § 6 Abs. 2 AtG genannte Genehmigungsvor
aussetzung des Bedürfnisses bei Genehmigungen nach § 6 Abs. 3 AtG in der jetzt geltenden Fassung keine Anwendung. Für die standortnahen Zwischen
lager, die die Betreiber von Kernkraftwerken zur Erfüllung ihrer Pflicht aus
§ 9a Abs. 2 Satz 3 AtG innerhalb des abgeschlossenen Geländes des Kern
kraftwerks errichten, wird in § 6 Abs. 3 Satz 2 AtG lediglich auf die Num
mern 1 bis 4 des Absatzes 2, nicht jedoch auf die Genehmigungsvorausset
zung des Bedürfnisses verwiesen. Nach der Auffassung des Gesetzgebers ist für diese Zwischenlagerung bereits kraft Gesetzes ein Bedürfnis vorhanden.
Die Möglichkeit einer Nutzung von Aufbewahrungskapazitäten in Ahaus und Gorleben war bei der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen danach nicht zu berücksichtigen.
Unabhängig vom Wegfall der Genehmigungsvoraussetzung des Bedürfnisses haben die Betreiber mit Schreiben vom 28.03.2001 die für das Standort-Zwischenlager Gundremmingen zunächst beantragte Kapazität von 2 500 Mg Schwermetall mit einer Gesamtaktivität von maximal 3 • 1020 Bq auf 2 250 Mg Schwermetall mit einer Gesamtaktivität von maximal 2,7 • 1020 Bq reduziert.
Nach dem Antrag vom 25.02.2000 sollen im Standort-Zwischenlager Gund
remmingen nur Kernbrennstoffe aus dem Kernkraftwerk Gundremmingen II aufbewahrt werden. Eine Aufbewahrung von Brennelementen aus anderen Kernkraftwerken wurde nicht beantragt und ist daher nach der vorliegenden Genehmigung unzulässig. Ferner ist diese Genehmigung keine Grundlage für die Endlagerung der Kernbrennstoffe am Standort Gundremmingen (verglei
che hierzu Abschnitt G.IV.2.5.1.2.3).
2.5.4 Zuverlässigkeit und Fachkunde
Einwendung:
Die Zuverlässigkeit und Fachkunde der Betreiber sowie der für die Leitung und Beaufsichtigung der Aufbewahrung verantwortlichen Personen sei nicht gegeben.
Das Fehlen der notwendigen Fachkunde und Zuverlässigkeit bewiesen die zahlreichen Störfälle, Versagensfälle usw.
Überhaupt sei die Zuverlässigkeit der Betreiber für die Bevölkerung nicht er
sichtlich.
Der rechtswidrige Bau des Kernkraftwerkes Mülheim-Kärlich spreche gegen die Zuverlässigkeit der RWE Power AG als eine der Betreibergesellschaften.
Dort hätte die RWE Power AG gezeigt, dass sie Auflagen von Genehmi
gungsbehörden nicht immer wirklich befolge. Insofern zeige die Tatsache, dass die Wiederinbetriebnahme dieser kerntechnischen Anlage inzwischen aufgegeben wurde, dass dieser Verstoß keine Lappalie gewesen sei. Auch die im Rahmen des CASTOR®-Skandals 1998 aufgedeckte Kontaminationen der Außenhaut der Transport- und Lagerbehälter der Bauart CASTOR® lasse auf unzuverlässige Handhabung schließen.
Über Zwischenfälle seien Behörden und die Öffentlichkeit nicht oder nicht ausreichend informiert worden.
Die für den Standort Gundremmingen beantragte Lagerkapazität, die für den prognostizierten Bedarf nach dem sogenannten Atomkonsens deutlich über
dimensioniert sei, und dass die Gründe hierfür von den Betreibern nicht of
fengelegt seien, spreche gegen die Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit der Betreiber.
Behandlung:
Der erforderliche Nachweis der Fachkunde wurde durch die Betreiber er
bracht, gegen die Zuverlässigkeit der verantwortlichen Personen bestehen keine Bedenken. Hierzu wird auf die Ausführungen im Abschnitt G.IV.2.1 verwiesen.
Maßstäbe für die Prüfung der Zuverlässigkeit ergeben sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 AtG und § 7 AtZüV.
Die Tatsache, dass sich die erste Teilgenehmigung für das Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich als rechtswidrig erwiesen hat, rechtfertigt nicht den Schluss, dass die RWE Power AG, die im damaligen Genehmigungsverfahren unter dem Namen RWE Energie AG beteiligt war, oder die für sie tätigen Mitarbei
ter unzuverlässig sind. Auch die im April 1998 bekannt gewordenen grenz
wertüberschreitenden Kontaminationen an Behältern und Eisenbahnwaggons bei Transporten zu den Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield und La Ha
gue rechtfertigen eine solche Feststellung nicht.
Die Unzuverlässigkeit wäre dann gegeben, wenn ein Verhalten grundlegende Mängel oder Schwächen bei den verantwortlichen Personen oder in der Or
ganisation des Betriebs oder in der Aus- und Fortbildung des Betriebsperso
nals erkennen ließe, die es nicht ausgeschlossen erscheinen lassen, dass deswegen auch künftig ein erhöhtes Risiko besteht. Entsprechendes gilt für sonstige etwa aufgetretene Unzulänglichkeiten oder Fehler im Rahmen des Anlagenbetriebs oder im Rahmen des Genehmigungsverfahrens. Bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit der Betreiber und der für die Leitung und Beaufsichtigung der Aufbewahrung verantwortlichen Personen, unter Berück
sichtigung aktueller Erkenntnisse der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde, konnte das Bundesamt für Strahlenschutz kein derartiges Verhalten
feststel-len. Aus den eingewendeten Umständen ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken gegen die Zuverlässigkeit.
Die im April 1998 bekannt gewordenen grenzwertüberschreitenden Kontami
nationen an Behältern und Eisenbahnwaggons bei Transporten zu den Wie
deraufarbeitungsanlagen in Sellafield und La Hague sind Gegenstand zahl
reicher Gutachten der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit mbH und des Öko-Institutes e.V. gewesen, in denen nicht nur die Ursachen der Kontaminationen erforscht, sondern auch die in der Zwischenzeit eingeleite
ten Abhilfemaßnahmen begutachtet wurden. Die Ergebnisse führten nicht zu durchgreifenden Bedenken der zuständigen atomrechtlichen Aufsichtsbehör
de des Landes Bayern gegen die Zuverlässigkeit der Betreiber.