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2 Literaturübersicht

2.1 Definition und Einteilung der Dentalkeramiken

2.1.3 Zirkoniumdioxid

Oft werden die Begriffe Zirkoniumdioxid, Zirkon, Zirkonium und Zirkonoxid synonym verwendet, was aus werkstoffkundlicher Sicht unzutreffend ist. Als Zirkon wird allge-mein Zirkoniumsilikat bezeichnet, ein häufig in der Erdkruste vorkommendes Mineral.

Dieses Mineral ist Ausgangsstoff zur Herstellung des reinen Zirkoniums, eines Metalles aus der Titangruppe. Das Zirkonium bildet ähnlich wie Titan an seiner Oberfläche dün-ne Oxidschichten. Die wichtigste Verbindung dieses Metalls ist das Zirkoniumdioxid (ZrO2), welches in vulkanischem Gestein auch unter der Bezeichnung Baddeleyit in der Natur vorkommt. Der Name Zirkonoxid stellt eine häufig in der technischen Literatur

verwendete Kurzform des Begriffs Zirkoniumdioxid dar [1, 16, 17]. Das für medizini-sche und zahnmedizinimedizini-sche Bereiche eingesetzte Zirkoniumdioxid wird durch aufwen-dige chemische Prozesse aus Zirkoniumsilikat gewonnen. Auf die Verwendung von natürlichem Zirkoniumdioxid (Baddeleyit) wird aufgrund von Verunreinigungen mit unterschiedlichen metallischen Spurenelementen, die zu unerwünschten Verfärbungen im Werkstoff führen würden, verzichtet [16].

Zirkoniumdioxid zeichnet sich durch eine hohe mechanische Festigkeit aus. Jedoch macht das Phänomen der so genannten Umwandlungsverstärkung, diesen Werkstoff für die Anwendung im dentalen Bereich interessant [18]. Grundlage hierfür ist das poly-morphe Verhalten von Zirkoniumdioxid. Reines Zirkoniumdioxid kann in Abhängigkeit von der Temperatur in drei verschiedenen Modifikationen vorkommen (Abb. 2.2). Von Raumtemperatur bis zu einer Temperatur von 1170 °C liegt es in der monoklinen Kris-tallphase vor. Bei Temperaturen über 1170 °C wechselt die monokline in die tetragonale Phase und bleibt bis zu einer Temperatur von 2370 °C stabil. Oberhalb von 2370 °C liegt das Zirkoniumdioxid bis zu seinem Schmelzpunkt bei 2680 °C in der kubischen Kristallphase vor [1, 19-22]. Während der Abkühlung kommt es bei jedem Phasenüber-gang zu einer sprunghaften Volumenzunahme im Werkstoff. Bei dem ÜberPhasenüber-gang von der kubischen Kristallphase in die tetragonale Phase beträgt die Volumenzunahme ca.

2,3 %. Der Übergang von der tetragonalen zur monoklinen Phase ist mit einer Volu-menzunahme von etwa 4,5 % verbunden [19]. Diese phasenabhängigen Volumenände-rungen sind vollständig reversibel [23].

Abb. 2.2: Schematische Darstellung der temperaturabhängigen Phasentransformation von Zirko-niumdioxid modifiziert nach [7]

Von besonderer Bedeutung ist die auch als „martensitische t→m-Umwandlung“ be-zeichnete Phasentransformation von der tetragonalen in die monokline Phase. Die mit der t→m-Umwandlung einhergehende Volumenexpansion würde in der Abkühlphase bei reinem Zirkoniumdioxid zu hohen Spannungen und dadurch zur Bildung von Mi-krorissen führen. Da zum Sintern von Rohlingen aus Zirkoniumdioxid Temperaturen von 1500-1600 °C notwendig sind, wird der Temperaturbereich, bei dem die martensiti-sche t→m-Umwandlung stattfindet, in jedem Fall durchlaufen. Jedoch kann durch den Einbau verschiedener oxidischer Verbindungen in das Kristallgitter die Umwandlungs-temperatur auf RaumUmwandlungs-temperatur herabgesetzt werden und dadurch das Zirkoniumdioxid in seiner tetragonalen Phase stabilisiert werden [21]. Die wichtigsten Oxide, die zur Stabilisierung der tetragonalen Phase eingesetzt werden, sind Magnesiumoxid (MgO), Kalziumoxid (CaO), Ceriumoxid (CeO2) und Yttriumoxid (Y2O3) [1, 21, 22]. Durch die Einlagerung von Stabilisierungsoxiden wird auch der Effekt der Umwandlungsverstär-kung erst ermöglicht, welcher dem Zirkoniumdioxid seine hohe Risszähigkeit verleiht [7, 21, 24]. Umgangssprachlich wird dieser Mechanismus oft auch als Selbstheilungs-mechanismus oder „Airbag-Effekt“ bezeichnet, da sich die Zirkoniumdioxidteilchen durch die Volumenvergrößerung bei der martensitischen Transformation „aufblasen“

und dadurch die Rissausbreitung verhindern. Voraussetzung für diesen Mechanismus ist die Einlagerung von umwandlungsfähigen tetragonalen Zirkoniumoxidteilchen in die Kristallmatrix [1, 7]. Die Festigkeitssteigerung des Werkstoffes lässt sich dabei auf zwei grundsätzliche Mechanismen zurückführen. Zum einen kann eine spontane t→m Um-wandlung zu feinen Mikrorissen in der Umgebung eines Zirkoniumdioxidteilchens füh-ren, die auf die Volumenvergrößerung bei der Phasentransformation zurückzuführen sind. Ein sich ausbreitender kritischer Riss läuft sich an diesen Mikrorissen tot oder wird am Zirkoniumdioxidteilchen abgelenkt. Zum anderen kann die t→m Umwandlung durch hohe Zugspannungen, die an jeder Spitze eines sich ausbreitenden Risses vorherr-schen, induziert werden. Das größere Volumen der monoklinen Kristallform führt dabei zu lokalen Druckspannungen an der Rissspitze. Durch diesen Druck werden die Riss-flanken zusammengedrückt, wodurch das weitere Risswachstum erschwert bzw. ge-stoppt wird. [7, 22, 23, 25-27].

Je nach Art und Gehalt an oxidischen Verbindungen lassen sich Zirkoniumdioxidkera-miken weiter unterteilen. Durch die Einlagerung hoher Konzentrationen von Fremdoxi-den wird beim vollstabilisierten Zirkoniumdioxid (FSZ: fully stabilized zirconia) die kubische Form des Zirkoniumdioxids bis auf Raumtemperatur stabilisiert und damit die t→m-Umwandlung umgangen. Dies ist durch Zusatz von 8 Mol % Yttriumoxid mög-lich. Da durch das kubische Kristallgefüge die Umwandlungsverstärkung zur Festig-keitssteigerung nicht genutzt werden kann, wird diese Keramiksorte jedoch nicht im Dentalbereich eingesetzt [21]. Im Gegensatz zum vollstabilisierten Zirkoniumdioxid ist beim teilstabilisiertem Zirkoniumdioxid (PSZ: partially stabilized zirconia) die Menge an Stabilisierungsoxiden so weit herabgesetzt, dass neben der kubischen Phase auch ein gewisser umwandlungsfähiger tetragonaler Kristallanteil im Keramikgefüge vorliegt.

Somit bestehen teilstabilisierte Zirkoniumdioxidkeramiken aus einer Mischung aus ku-bischen, tetragonalen und monoklinen Phasen [7]. Untersuchungen an Y2O3-dotiertem Zirkoniumdioxid haben gezeigt, dass sich die mechanischen Eigenschaften mit dem Gehalt an tetragonaler Phase verbessern lassen. Daher wurden Zirkoniumdioxidkerami-ken entwickelt, deren Kristallstruktur vollständig in der tetragonaler Phase vorliegt, was bei einem Zusatz von 3 Mol % Yttriumoxid der Fall ist [21, 28]. Diese Werkstoffklasse wird auch als tetragonaler Zirkoniumdioxid Polykristall (TZP: tetragonal zirconia po-lycristals) bezeichnet. Bei der Dotierung mit 3 Mol % Yttriumoxid spricht man von 3Y-TZP.

Derzeit werden drei Arten von Keramiksystemen auf der Basis von Zirkoniumdioxid im zahnmedizinischen Bereich genutzt. Dabei handelt es sich um Yttriumoxid-stabilisiertes tetragonales polykristallines Zirkoniumdioxid (Y-TZP), Zirkoniumdioxid-verstärktes Aluminiumoxid (ZTA) und teilstabilisiertes Zirkoniumdioxid (PSZ) [19]. Die zurzeit am häufigsten verwendeten Y-TZP-Keramiken bestehen mit einem Anteil von 96-99,5 % fast vollständig aus tetragonalen Zirkoniumdioxidpartikeln [20]. Dabei spielt vor allem die Größe der TZP-Partikel für die mechanische Festigkeit eine entscheidende Rolle. Je größer die Partikel, desto eher findet eine unerwünschte spontane t→ m-Transformation statt. Bei kleineren Partikeldurchmessern ist die m-Transformationsrate niedriger. Während des Herstellungsprozesses haben Sintertemperatur und Sinterzeit einen entscheidenden Einfluss auf das mechanische Verhalten des Werkstoffs, da

hier-durch die Größe der TZP-Partikel beeinflusst wird [19, 20]. Y-TZP-Keramiken für den zahnmedizinischen Einsatz sollten in Abhängigkeit von der Sintertemperatur eine Korngröße zwischen 0,2-0,5 μm aufweisen [22, 29, 30]. Durch einen Zusatz von Alu-miniumoxid in geringen Konzentrationen (< 1 Gew.-%), kann die Korrosionsbeständig-keit dieses Werkstoffs erhöht werden. [31]. Einige Beispiele für häufig eingesetzte Y-TZP-Keramiken sind Lava Frame (3M Espe, Seefeld, D), Cercon Base (Degudent Dentsply, Hanau, D), ZS-Blanks (KaVo Everest, Leutkirch, D) und Vita In-Ceram YZ Cubes (Vita-Zahnfabrig, Bad Säckingen, D). Ein weiterer Ansatz, die Umwandlungs-verstärkung von Zirkoniumdioxid zur Festigkeitssteigerung zu nutzen ist die Einlage-rung von umwandlungsfähigen Zirkoniumdioxidpartikeln in eine Aluminiumoxidma-trix. Daraus resultiert eine zirkoniumdioxidverstärkte Aluminiumoxidkeramik (ZTA).

Bei einigen neu entwickelten ZTA-Keramiken wird durch aufwändige Herstellungsver-fahren eine feinere und gleichmäßigere Verteilung von Zirkoniumdioxid-Körnern in der Aluminiumoxidmatrix erzielt. Diese so genannten Ce-TZP/A Nanokeramiken weisen im Vergleich zu herkömmlichen Y-TZP Keramiken nochmals verbesserte Materialei-genschaften auf [19, 32]. Ein Beispiel für eine in der Zahnmedizin eingesetzte Ce-TZP/A-Keramik ist das Produkt nanoZir (Hint-ELs GmbH, Griesheim, D). Bei den teilstabilisierten Zirkoniumdioxidkeramiken (PZT) liegen einzelne umwandlungsfähige TZP-Partikel eingebettet in einer Matrix aus kubisch stabilisiertem Zirkoniumdioxid vor. Als Teilstabilisatoren können z. B. CaO und MgO (ca. 8-10 Mol %) dienen, wobei sich vor allem das Mg-PSZ für den Einsatz in der Zahnmedizin zu eignen scheint [10].

PSZ-Keramiken weisen jedoch im Vergleich zu den TZP-Keramiken eine geringere Festigkeit auf. Denzir-M (Dentronic AB, Skelleftea, Schweden) ist ein Vertreter der Mg-PSZ-Keramiken für den dentalen Einsatz [19, 33].

Aufgrund seiner physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften ist Zirko-niumdioxid neben zahlreichen technischen Anwendungsgebieten vor allem für den Ein-satz als Biomaterial im medizinischen und zahnmedizinischen Bereich von großer Be-deutung. In der Humanmedizin wird dieser Werkstoff hauptsächlich zur Anfertigung von Gelenkprothesen eingesetzt. So befinden sich bereits seit Mitte der 1980er Jahre künstliche Hüftgelenke mit Kugelköpfen aus Zirkoniumdioxid im klinischen Einsatz [17, 34]. Mitte der 1990er Jahre wurde dieses Material zunächst als ästhetische

Alterna-tive für Metallbrackets in der Kieferorthopädie und in Form von konfektionierten Stift-aufbauten in der zahnärztlichen Prothetik eingeführt [35]. Heute wird Zirkoniumdioxid zur Herstellung von Kronengerüsten, Brückengerüsten, Implantatabutments, Inlaybrü-cken und Teleskopkronen angewandt. Somit kann der Werkstoff als echte Alternative zu den herkömmlichen Dentallegierungen angesehen werden [7, 36, 37]. Auch der Ein-satz von Implantaten aus diesem Werkstoff scheint möglich, befindet sich derzeit je-doch noch in der Erprobungsphase [1, 27].