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Zielgruppen der Forschung und Prävention/Rechtsextre- Prävention/Rechtsextre-mismus und Internet/Medien

Studie Methodik Thema/

Musik spielt beim Aufbau einer Affinität zur Skinhead-Szene eine zentrale Rolle.

Zentrale Bedeutung der Musik für den sozialen Zusammenhalt innerhalb der Szene.

Vergleichsweise unwichtig hingegen ist eine Affinisierung durch rechtsextreme Inhalte im Internet.

Reale Vernetzungen bilden den Ausgangspunkt für virtuel-le Vernetzungen.

Das Internet kann dennoch fehlende reale Verbindungen ersetzen und zur Stabilisierung der Bewegung beitragen.

Festgestellt wird ein beträcht-liches Vernetzungspotenzial, das in seiner kooperativen Wirkung bestehende Konkur-renzen überwiegt.

Ergebnisse der Studie müssen aufgrund der vielfältigen Ver-änderungen in der rechtsext-remen Medienwelt als veraltet gelten.

In der Einwanderungsgesellschaft beschränkt sich Rechtsextremismus hinsichtlich seiner konstitutiven Merkmale – Ausprägung von Vorurteilen gegenüber als „fremd“ oder „anders“ wahrgenommenen Gruppen sowie Gewaltbereitschaft – nicht lediglich auf herkunftsdeutsche Bevölkerungs-gruppen. Besonders in den Städten haben wir es mit pluralen, herkunfts-heterogenen Gesellschaften zu tun, deren Konflikte und Problemlagen nicht mehr angemessen mit Sammelkategorien wie „Einheimische“ und

„Zugewanderte“ bzw. „Menschen mit Migrationshintergrund“ begriffen werden können. Vielmehr entstehen unterschiedliche Milieus und Gemen-gelagen, die quer zu diesen Zuschreibungen integrativ bzw. ausgrenzend wirken können. Damit verbunden sind Einstellungen, Akteursgruppen und politische Konflikte, in denen Intoleranz, Abwertungen, Chauvinismus, Rassismus und Antisemitismus kein Privileg der „Mehrheitsgesellschaft“

sind. Gruppenbezogene Abwertungen treten vielmehr in allen Herkunfts-gruppen auf und prägen vielfach jugendliche Revierkämpfe in multikultu-rell geprägten Stadträumen.

Es gehört nicht zum Auftrag dieser Expertise, rechtsextreme Orientie-rungen in migrantischen Milieus aufzuarbeiten. Eine Bestandsaufnahme der Forschungslage wäre aber unvollständig, wenn nicht wenigstens ein knapper Ausblick auf diesen Aspekt jugendlicher Vorurteils- und Gewalt-bereitschaft vorgenommen würde. In der Forschung und Präventions-praxis werden mittlerweile Ethnozentrismus und Antisemitismus bei Ju-gendlichen mit Migrationshintergrund in ähnlicher Intensität in den Blick genommen wie bei herkunftsdeutschen Jugendlichen. In der sekundär-präventiven Projektpraxis ist es – zumal in einem „westdeutschen“ Kon-text – mittlerweile üblich, dass sich bei den Teilnehmer/innen, abhängig von den örtlichen Verhältnissen, deutschstämmige und Jugendliche mit Migrationshintergrund mischen. Auch ein Blick auf die im gegenwärtigen Bundesprogramm „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“ ge-förderten Modellprojekte beweist, dass der Umgang mit Vielfalt, Tenden-zen der Ethnisierung von Religion und Kultur sowie die Förderung von Toleranz bei Jugendlichen verschiedener Herkunft und Religionszugehö-rigkeit einen gewichtigen Stellenwert in der Primärprävention einnehmen.

Bislang bezieht sich die Debatte um die Verbreitung rechtsextremer, an-tisemitischer und ethnozentrischer Orientierungen unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund schwerpunktmäßig auf antisemitische Ein-stellungen bei jungen Muslimen, auf die Attraktivität der rechtsextremen Organisation „Graue Wölfe“ für türkischstämmige Jugendliche sowie auf eine „Deutschenfeindlichkeit“ bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund (Greuel/Münch 2011: 61).

Die bislang referierten Surveys und qualitativen Untersuchungen beziehen sich fast ausnahmslos auf herkunftsdeutsche Jugendliche. Dass Abwer-tungen anderer Gruppen auch unter Jugendlichen mit Migrationshinter-grund verbreitet sind, zeigen verschiedene Studien, die in den vergange-nen Jahren vorgelegt wurden. Die Studie von Karin Brettfeld und Peter Wetzels „Muslime in Deutschland“ (2007) bietet Informationen zu politi-schen Einstellungen und religiös geprägten Vorurteilen von in Deutschland lebenden jungen Migranten aus muslimischen Herkunftsländern. Hier zeigt sich beispielsweise, dass bezogen auf antisemitische Vorurteilsbekundun-gen junge Muslime deutlich höhere Zustimmungswerte aufweisen als

her-5.5 Rechtsextremismus in „migrantischen Milieus“

kunftsdeutsche Jugendliche und Nichtmuslime mit Migrationshintergrund (Brettfeld/Wetzels 2007: 275). Umgekehrt aber sind Vorbehalte gegen Muslime und islamfeindliche Einstellungen etwa unter serbisch- und kro-atischstämmigen, russisch- und polnischstämmigen Migrant/innen nicht weniger verbreitet als in der herkunftsdeutschen Mehrheitsbevölkerung (Chung 2010: 10). Im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz wurde eine Arbeitsgruppe „Präventionsarbeit mit Jugendlichen“ eingerichtet, in de-ren Rahmen seit 2011 erste Forschungsarbeiten entstanden sind. Vorgelegt wurde bislang eine Expertise zu islamischem Extremismus bei Jugendli-chen, die die thematischen Schwerpunkte auf Gewaltaffinität, Demokra-tiedistanz und muslimische Religiosität in dieser Gruppe legt (Uslucan/

Liakova/Halm 2011). Den Zu-sammenhang zwischen Benachteiligungs- und Diskriminierungserfahrungen und antisemitischen Einstellungen und Verhaltensweisen bei Jugendlichen mit türkischem und arabischem Migra-tionshintergrund haben Jürgen Mansel und Viktoria Spaiser untersucht (z.

B. Mansel/Spaiser 2012). Sie analysieren dabei, wie die eigene benachtei-ligte Lebenssituation und persönlich erlebte Diskriminierung sich – häufig gestützt durch drastische transnationale Medienberichte – zu einer Iden-tifizierung mit der Lage anderer Muslime weltweit, insbesondere mit den Palästinensern, aufschaukeln. Diese Jugendlichen sehen ihre gesellschaft-liche Stellung und Anerkennung in der deutschen Gesellschaft bedroht und projizieren die Ursachen hierfür auf Juden, beispielsweise durch „jüdi-sche“ mediale Manipulationen (ebd.: 236). Auf diese Weise werden durch den Nahostkonflikt entfachte antisemitische Ressentiments auf die deut-sche Gesellschaft übertragen.

Bei der Untersuchung rechtsextremer Orientierungen wird es künftig da-rauf ankommen, sich nicht in einer verengenden Perspektive von „Mehr-heit“ und „Minder„Mehr-heit“ zu verlieren. Mögliche Gewaltdynamiken beziehen sich vielmehr auf vielfältige jugendkulturelle Milieus. Eine solche erweiter-te Perspektive wird in die künftige Forschung verstärkt einzubringen sein.

Wie ertragreich zeigt sich die Forschung zu rechtsextrem orientieren Ju-gendlichen? Was weiß man wissenschaftlich abgesichert über rechtsex-trem orientierte Jugendliche? Was hilft im pädagogischen Umgang mit diesen Jugendlichen? Welche notwendigen und sinnvollen Forschungsper-spektiven ergeben sich aus diesen Antworten? – Mit diesen Fragen setzen sich die letzten beiden Kapitel auseinander, in denen eine Zusammenfas-sung und ein Ausblick unternommen werden. Zunächst soll in einem ers-ten Schritt die Reichweite und Repräsentativität vorhandener Forschung bestimmt werden. In einem zweiten Schritt soll der Frage nachgegangen werden, welche Erkenntnisse zur Entstehung von rechtsextremen Orien-tierungen bei Jugendlichen sowie zum pädagogischen Umgang mit ihnen als gut begründet gelten können.

Die Forschung zu rechtsextrem orientierten Jugendlichen präsentiert sich heterogen nach verschiedenen daran beteiligten Disziplinen, nach metho-dischen Ansätzen und Fragestellungen. Allein über den Begriff „rechts-extrem orientiert“ gibt es innerhalb der vorhandenen Forschung keinen Konsensus, sondern er steht für ein variables Spektrum an Einstellungen und Verhaltensdispositionen bei Jugendlichen.

Obwohl – wie die Bibliografie ausweist – eine umfangreiche Literatur zum Thema vorliegt, sind in der deutschen Forschung nur wenige Primärstu-dien zu rechtsextrem orientierten Jugendlichen vorhanden. Eine letzte umfangreiche Studie wurde 2007 von Kurt Möller und Nils Schuhmacher vorgelegt („Rechte Glatzen“); seitdem ist keine empirisch begründete qua-litative Studie über die Entstehungsbedingungen und Ausformungen von jugendlichem Rechtsextremismus mehr entstanden, die sich beispielswei-se auch mit den veränderten Rekrutierungsbedingungen in der rechten Organisationslandschaft befassen würde.

Betrachtet man die verfügbaren Primärstudien nach ihrer Reichweite, d.h.

hinsichtlich ihrer Repräsentativität nach Fallzahlen, hinsichtlich regiona-ler Beschränkungen und hinsichtlich enger oder weiter gefasster Unter-suchungsgruppen, so fällt die Einschätzung ambivalent aus. In der qua-litativen Forschung, die sich überwiegend auf biografische Forschung bzw. Interviewstudien stützt, wird tendenziell sehr kleinteilig mit geringen Fallzahlen gearbeitet. In der Übersicht zu Kapitel 4.2 (Biografieforschung) wurden die Samplegrößen aufgelistet; die kleinste noch berücksichtigte Studie umfasste ein Sample von sechs Proband/innen; die größeren Studi-en neuerStudi-en Datums arbeitStudi-en mit Samples von maximal 40 Proband/innStudi-en.

Das allgemeine Wissen über rechtsextrem orientierte Jugendliche stützt sich also auf recht geringe Fallzahlen in den Untersuchungen. Rechnet man die Fallzahlen in den hier berücksichtigten Primärstudien hoch, so können wir davon ausgehen, dass das derzeitige Wissen über rechtsextrem orien-tierte Jugendliche auf maximal 200 Proband/innen beruht, die wiederum unterschiedlichen Subgruppen (Skinheads, Auszubildende, Mädchen) mit