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In diesem Teil der vorliegenden Arbeit zum Themenbereich „Bildnerisches Gestalten im institutionellen Kontext“ werden zunächst einige wichtige Unterschiede zwischen den Institutionen Kita und Schule, bzgl. ihres Erziehungs- und Bildungsauftrages, dargestellt. Es lassen sich Unterschiede in der Vermittlung zentraler Lerninhalte und von Wissen sowie in der Leistungsbewertung finden. Unterschiede spiegeln sich auch in den einzelnen Erziehungs-und Bildungsaufträgen sowie in den Ausbildungsinhalten des Fachpersonals wider. Allesamt

Faktoren, die sich auf das gestalterische Verhalten von Kindern und auf die Konzeption von Angeboten auswirken können. Mit Blick auf die entwicklungsspezifischen Anforderungen im Vorschulbereich werden eine Reihe von Aufgaben aufgeführt, die von Kinderseite, aber auch von institutioneller Seite, erbracht werden sollen. Das bildnerische Gestalten wiederum kann einen wesentlichen Einfluss auf die kindliche Entwicklung haben.

In der Fachwelt gibt es zahlreiche Konzepte, Vorstellungen und Anregungen zum bildnerischen Gestalten. Näher beschrieben werden in diesem Teil der Arbeit drei unterschiedliche Auffassungen, die den Vorschulbereich in der Kita und in der Schule repräsentieren können. Die Hamburger Bildungsempfehlungen, die Reggio-Pädagogik und ein Lehrplan einer Schweizer Volksschule. Alle drei beschreiben als zentralen Schwerpunkt des bildnerischen Gestaltens die Förderung und Entwicklung der Wahrnehmungs-, Empfindungs- und Ausdrucksfähigkeiten von Kindern. Bei der Umsetzung und in ihren Inhalten zeigen sich sowohl Überschneidungen als auch unterschiedliche Schwerpunkte.

In den Hamburger Bildungsempfehlungen wird das bildnerische Gestalten als Anlass verstanden, der Kindern die Möglichkeit bietet, ihre Erlebnisse und Eindrücke zu verarbeiten.

Die dort beschriebenen Prozesse des bildnerischen Gestaltens oder auch das sinnliche Erkundungsverhalten von Kindern wird als wertvolles Gut erachtet, welches die pädagogischen Fachkräfte erhalten und mit neuen Erfahrungs- und Empfindungsmöglichkeiten verbinden sollen. Zu den Aufgaben der Erzieherinnen und Erzieher zählen konkret: Gestaltungsvorhaben inhaltlich und praktisch vorbereiten unter Berücksichtigung der Gestaltungsinteressen der Kinder sowie ein fachgerechter Umgang mit den bildnerischen Ausdrucksweisen von Kindern. Für eine gelingende Umsetzung werden hier Erkundungsfragen aufgeführt, die zu einer genauen Beobachtung und Hinterfragung der konkreten Gegebenheiten in einer Kita und ihrem Umfeld führen. Die Zieldefinierung für das bildnerische Gestalten steht hier mit dem Erwerb bestimmter Kompetenzen in Verbindung.

Wie in den Hamburger Bildungsempfehlungen steht in der Reggio-Pädagogik der Schaffensprozess und nicht das vorzeigbare Endprodukt im Mittelpunkt. Auch hier gilt es, die kindliche Fähigkeit zum Erstaunen zu erhalten. Dafür fragt die Reggio-Pädagogik nach dem Wahrnehmungsverhalten, statt Möglichkeiten zum Gestalten aufzuzählen. Das dafür erforderliche genaue Beobachten führt wiederum zu Erkenntnissen, die wichtig für eine Begleitung in Gestaltungsprozessen sind. Begleiter sind für Kinder Impulsgeber, Mutmacher

und Partner für Interaktionsprozesse. Für gestalterische Vorhaben wird zum einen der Individualität des Einzelnen als auch dem jeweiligen Institutionssystem Beachtung geschenkt.

Gestalterisch tätig zu sein heißt hier Aktivierung des Lernens, deswegen werden Gestaltungsprozesse auch als Erkenntnisprozesse bezeichnet.

Für die praktische Umsetzung finden Kinder in Ateliers die dafür nötigen Werkstoffe und Werkzeuge, die ihnen in einer bestimmten Anordnung zur Verfügung gestellt werden. Betreut werden sie dabei von der Atelierleitung, d.h. durch Personen die eine handwerkliche oder künstlerische Ausbildung absolviert haben. Dadurch stehen im Fokus der Atelierarbeit die Aspekte der handwerklichen Praxis und Lehre. Infolgedessen unterscheiden sich ihre Aufgaben von denen der Erzieherinnen und Erzieher. Die Atelierarbeit soll Kindern jederzeit möglich sein. Dabei kann eine kontinuierlich anwesende Atelierleitung wichtige Erkenntnisse zu den Gestaltungsgewohnheiten der Kinder sammeln und damit für eine angemessene Begleitung der Kinder sorgen. Gefördert werden auch hier der Umgang und das Arbeiten mit bildnerischen Mitteln, wobei die Reggio-Pädagogik einen eigenen Materialbegriff definiert.

Materialien werden als Selbst- sowie Ausdrucksmittel verstanden, die zwischen der inneren und äußeren Welt vermitteln. Zu den Materialien werden zudem alle Gegenstände gezählt, die zum Experimentieren anregen.

Im Lehrplan für die Volksschule im Kanton Aargau wird ebenfalls eine sinnliche und bewusste Wahrnehmung mittels der Verfahren der bildenden Kunst angestrebt. So werden auch die Themenschwerpunkte des bildnerischen Gestaltens und die Möglichkeiten, die sich daraus für Kinder ergeben, aus der fachdidaktischen Perspektive dargestellt. Dabei wird deutlich, warum der gestalterische Prozess genauso wichtig ist wie sein Endprodukt.

Ausgangspunkte sind auch hier die individuell wahrgenommenen Wirklichkeiten der Kinder, die es zu erforschen gilt. Kinder sollen lernen, das Besondere von Wahrnehmungen zu erkennen. Es geht um die bewusste Verarbeitung des von außen Empfangenen und der inneren Empfindungen. Auf diese Weise soll sich ihre Fähigkeit zur ästhetischen Sensibilität entwickeln. Im Unterricht lernen Kinder, ihre Ideen zu verfolgen und zu realisieren.

Auftretende bildnerische Probleme und Fragen sollen zu individuellen, unterschiedlichen und neuen Antworten führen. Die spielerische, experimentelle oder gezielte Vermittlung der Bildsprache und der gestalterischen Grundlagen erfolgt mit dem Zweck, dass diese Elemente auch zunehmend differenzierter für die Umsetzung eigener Ideen und Vorstellungen

angewendet werden können. Durch Besuche in Museen, Galerien und Medienkonzernen erfahren Kinder zudem, dass die Bildsprache nicht nur ein Medium ist, sondern auch als Mittel verwendet wird.

II Darstellung und Analyse der Untersuchung

Angeregt wurde die vorliegende Untersuchung durch eine Studie von Malaka (2009), die es sich zum Ziel gemacht hat, die Medienvorlieben von Grundschulkindern näher zu betrachten.

Mittels einer Befragung von 435 Grundschulkindern sucht Malaka Antworten auf die Frage, welcher Medienumgang von den Kindern im Kunst- / Gestalten- / Textilunterricht selber gewünscht wird. Malakas Medienbegriff beinhaltet traditionelle sinnliche Medien wie Stoff, Wolle, Ton, Holz, Farben sowie digitale Medien, Präsentations- und Artikulationsmedien. Sie hinterfragt, welche Medien sich sinnvoll im Unterricht einsetzen lassen und auf welche Weise dies geschehen kann. Abschließend formuliert sie Thesen zu einer zukunftsorientierten Medienwerkstatt in Grundschulen. Dabei berücksichtigt sie nicht nur fachwissenschaftliche Vorstellungen, sondern auch die Wünsche der Kinder (vgl. Malaka, 2009). Diese Studie hat einen beispielhaften Charakter, denn Arbeiten, die sich mit den medialen Interessen und Vorlieben von Grundschulkindern befassen, existieren nicht. Die Zahl der Arbeiten, die sich in diesem Zusammenhang mit der Perspektive der Kinder auseinandersetzen, ist insgesamt gering.

So befragte Mollenhauer (1996) in zehn Einzelgesprächen 10- bis 13-Jährige Kinder zu ihrer ästhetischen Tätigkeit und ihren Objekten. Ausführlich erläutert er theoretisch das reichhaltige Spektrum ästhetischer Erfahrungen (Mimesis, Interaktion, Stil, Gestalt, Ausdruck) im Bezug zum Stand der Diskussion in Kunst- und Musikwissenschaft.

Bildnerische und musikalische Erfahrung werden dabei gleichgewichtig behandelt.

Unbeachtet blieben in dieser Studie die materiellen und räumlichen Voraussetzungen, die zum ästhetischen Handeln anregen (vgl. Mollenhauer, 1996).

Kirchner (1999) untersuchte, ob sich bestimmte künstlerische Positionen für die Vermittlung in bestimmten Altersgruppen eignen. Zum anderen betrachtet sie das produktive und ästhetische Verhalten der Kinder im Umgang mit Gegenwartskunst. Kirchners Forschungsthese lautet, dass Kinder und Jugendliche einen besonders guten Zugang zur Gegenwartskunst haben können, weil ihre ästhetischen Bedürfnisse mit künstlerischen Strategien korrespondieren (vgl. Kirchner, 1999). Gegenstand von Brennes (2004) Untersuchung ist die künstlerische Feldforschung, eine künstlerische Methode der Hamburger Künstlerin Lili Fischer. Brenne analysiert Fischers Methode und transformiert sie in ein kunstpädagogisches Modell für die Primarstufe, welches er mittels qualitativer Empirie

untersucht. Abschließend formuliert er eine Theorie, die sich auf den Verlauf ästhetischer Erfahrungsbildung bei Kindern konzentriert (vgl. Brenne, 2004). Nach Uhlig (2005) zeigen Grundschulkinder ein hohes Interesse an Gegenwartskunst und verfügen über ausgeprägte rezeptive Fähigkeiten. Die Auseinandersetzung mit Kunst steht im engen Zusammenhang mit ihrer Lebenswirklichkeit. Deshalb bedarf es einer spezifischen Rezeptionsmethodik, die das kindliche Rezeptionsvermögen fördert. Uhligs qualitative empirische Studie gibt Aufschluss darüber, wie Grundschulkinder Gegenwartskunst verstehen und wie diese, entsprechend dem Alter, vermittelt werden kann (vgl. Uhlig, 2005).

In den letzten drei dargestellten Studien wird belegt, dass bestimmte kunstpädagogische Verfahrensweisen leisten können, was sie behaupten leisten zu können. Die Basis dieser drei Untersuchungen sind Methoden der teilnehmenden Beobachtung, die zum Teil durch schriftliche Befragungen und die Analyse von Schülerarbeiten ergänzt wurden.

4 Grundlagen der Untersuchung

Wie bereits oben dargestellt, ist diese Untersuchung maßgeblich durch die Studie von Malaka (2009) angeregt. Zudem gibt es keine Untersuchungen, die im Kontext des Bildnerischen Gestaltens die Interessen und Vorlieben von Kindern im Vorschulalter erfassen. So gibt es heute zwar zahlreiche Konzepte und Theorien zur „ästhetischen Erziehung“ mit jüngeren Kindern, aber kaum Praxisforschung. Als Praktikerin ist es mir ein persönliches Anliegen, zu untersuchen, wie “Angebote zum bildnerischen Gestalten” konzipiert sein sollten, die das ästhetische Verhalten von Kindern unterstützen und fördern können. Damit hat diese Untersuchung auch zum Ziel, das Handeln von Praktikern zu fundieren. Denn professionelles pädagogisches Handeln beruht auf Situationsanalysen und Handlungsentwürfen (vgl. Prengel, 1997).

Unter Berücksichtigung der spezifischen Rahmenbedingungen eines Waldkindergartens (s.a.

Punkt 4.2.1), unterschiedlicher fachwissenschaftlicher Vorstellungen (s.a. Punkt 2.3.1-2.3.4), der Ergebnisse der Bedarfsanalyse (s.a. Punkt 5.2) und Elementen der Hamburger Bildungs-empfehlungen wurde für diese Untersuchung ein “Angebot zum bildnerischen Gestalten”

entwickelt (s.a. Punkt 4.2). Dieses versucht zum einen, die wichtigen Facetten der genannten Perspektiven miteinander zu vereinen und bildet zum anderen die Basis, um die

entsprechenden Vorlieben und Interessen der teilnehmenden Vorschulkinder ermitteln zu können.