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5.4 Modell-Mixturen mit überlagerten Signalen

5.4.3 Xylol-Isomere

Der schwierigste anzunehmende Fall ist die Auswertung eines Spektrums, bei dem nur überlagerte Signale auftreten und deren Komponenten sich nicht im intramolekularen Protonenverhältnis der Signalgruppen unterscheiden. Als Modell-System ist hier eine Lösung bestehend aus den drei Stellungsisomeren o-, m- und p-Xylol unter Zusatz des Konstitutionsisomeren Ethylbenzol untersucht worden (Abbildung 5.17).

o-Xylol m-Xylol p-Xylol Ethylbenzol

Abbildung 5.17: Strukturformeln der drei Stellungsisomeren o-, m- und p-Xylol und des Konstitutionsisomeren Ethylbenzols.

Die Abbildung 5.18 zeigt das 1H-NMR-Spektrum einer Lösung, die 61,2 mg Ethylbenzol, 148,0 mg p-Xylol, 92,6 mg m-Xylol und 65,6 mg o-Xylol enthält. Während die aliphatischen Signale des Ethylbenzols einzeln ausgewertet werden können, ist dies bei den übrigen Signalen wegen der Überlagerung der aromatischen Signale aller vier Komponenten und der aliphatischen Signale der drei Xylole (die eindeutige qualitative Zuordnung der Signale erfolgte mittels Handversuchen) nicht möglich.

7 , 3 7 , 2 7 , 1 7 , 0 2 , 6 2 , 4 2 , 2 p p m

0 1 x 1 07 2 x 1 07 1 x 1 08 2 x 1 08 3 x 1 08

Abbildung 5.18: 1H-NMR-Spektrum (400 MHz) der Xylole (o, m und p). Abszisse und Ordinate sind zu besseren Darstellung unterbrochen worden.

Aufgrund der identischen Verhältnisse zwischen aromatischer und aliphatischer Protonenan-zahl der drei Xylole ist die Bestimmung mittels Gleichungssystems hier nicht möglich. Die Auswertung der aliphatischen CH3-Signale mittels WinFit lieferte erheblich abweichende Analysenwerte (relative Abweichungen von bis zu 4 % hinsichtlich der gravimetrischen Referenzwerten). In den folgenden drei Kapiteln werden Versuche zur Trennung der aliphatischen Signale mittels Lösungsmittelwechsel, Verschiebungsreagenz und größerem Magnetfeld diskutiert.

5.4.3.1 Einfluss des Lösungsmittels

Wechselwirkungen zwischen Lösungsmittel und gelösten Molekülen führen häufig zu Signal-verschiebungen im Spektrum [16]. Zum Erhalt möglichst extremer Lösungsmitteleffekte wurde die Xylol-Ethylbenzol-Lösung mit unpolaren (CCl4 und CDCl3) sowie mit einem Lö-sungsmittel (C6D6) verdünnt, das einen starken Anisotropie-Effekt bewirkt. Die in der Tabelle 5.19 dargestellten Signal-Lagen der aliphatischen Signale zeigen zwischen den beiden unpolaren Lösungsmitteln zu vernachlässigende Unterschiede auf. Hingegen veränderte sich beim Benzol-d6 neben der absoluten Lage aller Signale um ca. 0,2 ppm Richtung Tieffeld auch signifikant die Signalabstände untereinander, so dass hier eine vollständige Überlagerung der m- und p-Xylol-Signale auftrat.

Tabelle 5.19: Einfluss des Lösungsmittels auf die Lagen aliphatischer Signale der Xylole im Spektrum.

Signal-Lage in ppm, Signalabstand zum p-Xylol in ppm Lösungsmittel

o-Xylol m-Xylol p-Xylol o-Xylol m-Xylol

CDCl3 2,29 2,35 2,34 0,05 0,01

CCl4 2,30 2,36 2,35 0,05 0,01

C6D6 2,03 2,14 2,14 0,11 0

Der Wechsel von einem unpolaren zu einem Lösungsmittel, welches einen starken Anisotropie-Effekt bewirkte, führte zur einer insgesamt schlechteren Konstellation der Signal-Lagen im Spektrum.

5.4.3.2 Einsatz von Verschiebungsreagenzien

Die Anwendung von Verschiebungsreagenzien (Lanthaniden-Komplexe) ist in der qualitati-ven NMR-Spektroskopie ein gängiges Verfahren zur Vereinfachung von Spektren mit überla-gerten Signalen und geht auf Hinckley [75] zurück. Das Fehlen von Donor-Atomen wie z.B.

Sauerstoff oder Stickstoff bei dem hier betrachteten Modell-System verhindert die Bildung des notwendigen Komplexes.

Abbildung 5.19: Schematische Darstellung der Bindung des Silber-Lanthaniden-Komplexes an ein Alken (entnommen aus [77]).

Erst durch die zusätzliche Verwendung von Silbersalzen war es Evans et al. [76] gelungen, an Alkenen paramagnetische Shifts zu bewirken. Die Abbildung 5.19 gibt schematisch die Koordinierung des Silber-Lanthaniden-Komplexes an eine π–Bindung wieder. Dambska und Janowski setzen erfolgreich Silbertrifluoracetat (CF3CO2Ag) und Tris-[1,1,1,2,2,3,3-heptafluoro-7,7-dimethyl-4,6-oktandionat]-Europium (Eu(fod)3) zur quantitativen Analyse von m- und p-Xylol in Tetrachlorkohlenstoff ein [78]. Um den Einfluss von Shiftreagenzien (in Abhängigkeit vom Stoffmengenverhältnis Shiftreagenz zu Xylol) auf ein Gemisch aus den drei stellungsisomeren Xylolen zu untersuchen, wurden entsprechend den Vorgaben von Dambska und Janowski im molaren Verhältnis 1:1 angesetzte Lösungen aus dem jeweiligen Shiftreagenz (Eu(fod)3 bzw. Pr(fod)3) und Silbertrifluoracetat mit der Xylol-Lösung in molaren Verhältnissen von 0,1:1, 0,25:1, 0,5:1, 1:1 und 2:1 versetzt, zwei Tage stehen gelassen, filtriert und die Filtrate in NMR-Röhrchen gemessen. Es zeigte sich, dass der tieffeld-verschiebende Einfluss des Eu(fod)3 sowie der hochfeldverschiebende Einfluss des Pr(fod)3

sich auf die aliphatischen Protonen des o-Xylols am stärksten und auf die des p-Xylols am schwächsten ausübt. Die dadurch erhaltenden Signalabstände der drei aliphatischen CH3 -Signale zueinander sind in Tabelle 5.20 erfasst.

Tabelle 5.20: Einfluss des Verschiebungsreagenz auf die Lage der aliphatischen Signale der Xylole im Spektrum in Abhängigkeit vom Stoffmengenverhältnis Shiftreagenz zu Analyt.

Shiftreagenz: Eu(fod)3 Shiftreagenz: Pr(fod)3 Xylole

Pr(fod)3 erwies sich hierbei als das bessere Verschiebungsreagenz. Die größten Signal-abstände wurden bei einem molaren Verhältnis zwischen 1:1 und 2:1 (Shiftreagenz zu Xylol) erreicht. Dies widerspricht der Arbeit von Dambska und Janowski [78], die ein Stoff-mengenverhältnis von 0,2 bis 0,25zu1 (Eu(fod)3 zu Xylol ) als optimal zur Trennung der aliphatischen CH3-Signale von m- und p-Xylol beschrieben. Die erreichten Abstände sind für qualitative Unterscheidung ausreichend, nicht jedoch für quantitative Analysen, da bei einer Halbwertsbreite von ca. 1,3Hz der aliphatischen Signale ein Integrationsfaktor von 64 nicht zur einzelnen Auswertung der Signale eingesetzt werden kann. Des Weiteren wäre der Einfluss der aufwendigen Probenpräparation (Filtration) auf die Messunsicherheit des Verfahrens festzustellen.

Eine quantitative Auswertung der drei Xylol-Isomere unter den in dieser Arbeit vorgege-benen Bedingungen (Integrationsfaktor: 64) ist also auch mit Verschiebungsreagenzien nicht möglich.

5.4.3.3 Größere Magnetfeldstärke

Eine weitere Möglichkeit, die Abstände (in Hz) zwischen zwei Signalen zu vergrößern, ist die Messung bei höherem Magnetfeld. Hierzu wurde bei der Firma Bruker die Xylol-Lösung in CDCl3 an einem 18,8 T NMR-Spektrometer (1H: 800 MHz) aufgenommen. Der erwartete Vorteil durch die größeren Abstände der Signale (in Hz) wegen der doppelten Messfrequenz wurde angesichts der schlechteren Auflösung (doppelt so breite Signale) kompensiert (Tabelle 5.21).

Tabelle 5.21: Vergleich der Signalabstände und Halbwertsbreiten der Xylol-Isomere bei 400 MHz und 800 MHz NMR-Spektrometern.

400 MHz (BAM) 800 MHz (Bruker)

Signalabstand zum p-Xylol Signalabstand zum p-Xylol in ppm in Hz

Halbwerts-breite in Hz in ppm in Hz

Halbwerts-breite in Hz

o-Xylol 0,05 19 1,0 0,04 35 1,8

m-Xylol 0,008 3,2 1,2 0,009 6,9 2,4

p-Xylol – – 1,1 – – 1,8

Insgesamt stellte sich bei den Untersuchungen heraus, dass mit der 1H-SP-NMR eine quantitative Auswertung der drei Xylol-Isomere unter den in dieser Arbeit geforderten Auswertebedingungen (Integrationsfaktor von 64) nicht möglich ist. Auf den Einsatz der 13 C-NMR zur Bestimmung der Reinheit von Xylolen wird in Kapitel 6.2.1 eingegangen.