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XIII Künstlerfrage und kunsthistorische Einordnung

von Giotto in der Arenakapelle in Padua (um 1305) sowie niederländische Flügelre­

tabel des 15. und frühen 16. Jahrhunderts erwähnt. 20 Grisaillemalereien imitieren oft ungefasste Skulpturen aus Stein oder Holz, bzw. sie ahmen schwarz­weisse Druckgra­

phiken nach. 21 Bei der Interpretation von Altären sind sie einer anderen Realitätsebe­

ne als die farbigen Szenen zugewiesen worden. 22

Grau gilt als Farbe des Todes und der Trauer. 23 Die Technik der Grisaillen passt daher zu Motiven, die mit dem Tod in Zusammenhang stehen. Hans Holbein d. Ä. stellte beispielsweise die Passion Christi mit einer reduzierten Farbpalette dar (Abb. 172). 24 Die sog. Graue Passion umfasst zwölf Szenen, welche zwischen 1495 und 1500 25 auf die Flügel eines Retabels gemalt worden sind. 26 Die Aussen­ und Innenseiten unter­

scheiden sich in ihrer Farbigkeit: Während aussen bei der Wiedergabe von Kleidern, Rüstungen und Waffen graue Töne dominieren, herrschen innen ockergelbe vor. Die Hintergründe erscheinen dunkelblau bzw. ­grün. 27

Mit Grautönen gemalte Motive vor farbigem Grund werden auch als Halbgrisaille oder Camaieu bezeichnet. 28 Sie gehen auf niederländische Werke des ausgehenden 15. Jahrhunderts, beispielsweise von Rogier van der Weyden oder Hans Memling be­

malte Altäre, zurück und sind in der süddeutschen Kunst selten. 29 Ihr Vorkommen steht laut Bernd Konrad im Kontext einer nach 1500 verstärkten Hinwendung zahl­

reicher Künstler zu Ton­in­Ton­Zeichnungen, Hell­Dunkel­Kontrasten im Holz­

schnitt sowie holzsichtigen Skulpturen. 30

172 Hans Holbein d. Ä., Retabel mit Grauer Passion, zwischen 1494 und 1500. Darstel-lung des Ecce Homo auf der Aussenseite des rechten Flügels. Staatsgalerie Stuttgart.

173 Hans Holbein d. Ä., Retabel, 1507. Dar-stellung der Heiligen Thomas und Augusti-nus auf der Aussenseite des linken Flügels. Národní galerie Praha.

174 Hans Holbein d. Ä., Retabel, 1507. Dar-stellung der Heiligen Ambrosius und Mar-garete auf der Aussenseite des rechten Flü-gels. Národní galerie Praha.

175 Hans Holbein d. Ä., Retabel, 1507. Dar-stellungen des Marientods und der Heiligen Sebastian, Lucia und Katharina auf der In-nenseite des linken Flügels. Národní galerie Praha.

176 Hans Holbein d. Ä., Retabel, 1507. Dar-stellung des «Zimmermannswunders» und des Gebets der Hl. Ottilie sowie der Heiligen Barbara, Apollonia und Rochus auf der In-nenseite des rechten Flügels. Národní gale-rie Praha.

123 2 Kunsthistorische Einordnung

von Giotto in der Arenakapelle in Padua (um 1305) sowie niederländische Flügelre­

tabel des 15. und frühen 16. Jahrhunderts erwähnt. 20 Grisaillemalereien imitieren oft ungefasste Skulpturen aus Stein oder Holz, bzw. sie ahmen schwarz­weisse Druckgra­

phiken nach. 21 Bei der Interpretation von Altären sind sie einer anderen Realitätsebe­

ne als die farbigen Szenen zugewiesen worden. 22

Grau gilt als Farbe des Todes und der Trauer. 23 Die Technik der Grisaillen passt daher zu Motiven, die mit dem Tod in Zusammenhang stehen. Hans Holbein d. Ä. stellte beispielsweise die Passion Christi mit einer reduzierten Farbpalette dar (Abb. 172). 24 Die sog. Graue Passion umfasst zwölf Szenen, welche zwischen 1495 und 1500 25 auf die Flügel eines Retabels gemalt worden sind. 26 Die Aussen­ und Innenseiten unter­

scheiden sich in ihrer Farbigkeit: Während aussen bei der Wiedergabe von Kleidern, Rüstungen und Waffen graue Töne dominieren, herrschen innen ockergelbe vor. Die Hintergründe erscheinen dunkelblau bzw. ­grün. 27

Mit Grautönen gemalte Motive vor farbigem Grund werden auch als Halbgrisaille oder Camaieu bezeichnet. 28 Sie gehen auf niederländische Werke des ausgehenden 15. Jahrhunderts, beispielsweise von Rogier van der Weyden oder Hans Memling be­

malte Altäre, zurück und sind in der süddeutschen Kunst selten. 29 Ihr Vorkommen steht laut Bernd Konrad im Kontext einer nach 1500 verstärkten Hinwendung zahl­

reicher Künstler zu Ton­in­Ton­Zeichnungen, Hell­Dunkel­Kontrasten im Holz­

schnitt sowie holzsichtigen Skulpturen. 30

172 Hans Holbein d. Ä., Retabel mit Grauer Passion, zwischen 1494 und 1500. Darstel-lung des Ecce Homo auf der Aussenseite des rechten Flügels. Staatsgalerie Stuttgart.

173 Hans Holbein d. Ä., Retabel, 1507. Dar-stellung der Heiligen Thomas und Augusti-nus auf der Aussenseite des linken Flügels.

Národní galerie Praha.

174 Hans Holbein d. Ä., Retabel, 1507. Dar-stellung der Heiligen Ambrosius und Mar-garete auf der Aussenseite des rechten Flü-gels. Národní galerie Praha.

175 Hans Holbein d. Ä., Retabel, 1507. Dar-stellungen des Marientods und der Heiligen Sebastian, Lucia und Katharina auf der In-nenseite des linken Flügels. Národní galerie Praha.

176 Hans Holbein d. Ä., Retabel, 1507. Dar-stellung des «Zimmermannswunders» und des Gebets der Hl. Ottilie sowie der Heiligen Barbara, Apollonia und Rochus auf der In-nenseite des rechten Flügels. Národní gale-rie Praha.

Hans Holbein d. Ä. experimentierte in zwei weiteren Werken mit monochromer Farbgebung, 31 wobei im Hinblick auf die Churer Todesbilder vor allem ein Retabel in Prag Beachtung verdient: Die Flügel sind beidseitig mit Grisaillen versehen; der mitt­

lere Schrein ist verloren. Auf den Aussenseiten stehen links die Heiligen Thomas und Augustinus bzw. rechts Ambrosius und Margarete vor gotischen, mit Masswerk und Weinranken verzierten Arkaden (Abb.  173 –174). Die Innenseiten zeigen links den Marientod und die Heiligen Sebastian, Lucia und Katharina sowie rechts das « Zim­

mermannswunder», 32 das Gebet der Hl. Ottilie und die Heiligen Barbara, Apollonia und Rochus (Abb.  175 –176). 33 Der Auftraggeber des Retabels ist nicht überliefert.

Katharina Krause zieht eine private Stiftung für einen kleineren Altar einer Kapelle in Erwägung. Sie verweist auf die frühere Zuschreibung der beiden Flügel an einen der Hl. Ottilie geweihten Altar respektive die Annahme des elsässischen Klosters auf dem Odilienberg als dessen Aufstellungsort und gibt zu bedenken, dass die Heilige auch in Augsburg verehrt wurde. Als Entstehungszeit schlägt sie wegen datierter Nachzeich­

nungen und aus stilistischen Gründen das Jahr 1507 vor. 34

Die mit Grautönen gemalten Churer Todesbilder weisen wie die Flügel des Prager Retabels 35 fein gegliederte Binnenflächen, dunkle Konturen und Lichthöhungen so­

wie Schraffuren und Punkte auf, die ihnen einen graphischen Charakter verleihen und an Zeichnungen auf farbigem Papier erinnern. Sie sind mit blauen, gelben, grü­

nen und roten Farbtönen akzentuiert, wobei einige Darstellungen der 3. Gruppe wie die Aussenseiten des Prager Retabels intensiv blaue Hintergründe zeigen (Taf. VIII). 36 Als früheste Grisaille in Graubünden sei auf die bischöfliche Betloge in der Kathe­

drale von Chur hingewiesen (Abb. 1). 37 Die ins Jahr 1517 datierte Bemalung der Brüs­

tung zeigt die Szene Anbetung der Drei Könige. 38 Die Figuren und das Gebäude sind mit violettbraunen Farbtönen ausgeführt und weisen dunkle Konturlinien sowie helle Lichter auf, der Himmel leuchtet blau. 39

An der Westwand der Laurentiuskapelle befindet sich eine in Grisailletechnik ausge­

führte Darstellung der Heiligen Luzius und Florinus, welche die (verlorene) Gottes­

mutter mit dem Kind 40 flankieren (Abb. 177). Das Wandbild ist inschriftlich ins Jahr 1546 datiert und wird derselben Werkstatt wie der Laurentiusaltar zugeordnet. 41 Als Künstler zog Hans Rott die Brüder Gallus 42 und Lukas Bockstorffer 43 aus Konstanz in Betracht. 44

177 Kathedrale Chur. Grisaillemalerei an der Westwand der Laurentiuskapelle, 1546.

125 2 Kunsthistorische Einordnung

Da die erwähnten Vergleichsbeispiele in der Kathedrale stilistisch von den Todes­

bildern aus dem Bischöflichen Schloss abweichen, lässt sich eine Zuschreibung an den gleichen Künstler nicht begründen. Die Bemalung der bischöflichen Betloge von 1517 mag den Auftraggeber vielleicht zur Ausführung der Todesbilder als Grisaillen inspiriert haben.

Im Obergeschoss des ehemaligen Klosters St. Georgen in Stein am Rhein befindet sich ein repräsentativer Saal, der 1515 –1516 unter Abt David von Winkelsheim mit Grisaillemalereien ausgestattet wurde. Diese stellen die Messe von Zurzach, Szenen der römischen und karthagischen Geschichte sowie einzelne heilige, historische oder mythologische Figuren dar (Abb. 178). 45 Die Wandmalereien wurden wegen der Sig­

178 Thomas Schmid und Ambrosius Hol-bein, Darstellung Der Schwur des Scipio im Festsaal des Abtes David von Winkelsheim im ehemaligen Kloster St. Georgen in Stein am Rhein, 1515 –1516.

naturen «TS» und « NAMBRO» den Künstlern Thomas Schmid, 46 Schaffhausen, und Ambrosius Holbein, 47 Basel, zugeschrieben. 48 Bernd Konrad zog aufgrund stilisti­

scher Vergleiche eine Mitarbeit der Konstanzer Maler Andreas Haider, Matthäus Gut­

recht d. J. und Conrad Appodeker in Betracht. 49 Er wies überdies nach, dass der seit 1513 in Konstanz urkundlich belegte Maler Christoph Bockstorffer 50 den Bildzyklus 1516 vollendet hatte. 51

Diese Grisaillen unterscheiden sich von den Churer Todesbildern durch stärkere Hell­Dunkel­Kontraste, weniger differenzierte Grauabstufungen und die Verwen­

dung von intensiven ockergelben, roten und grünen Farbtönen. 52 Eine Zuschreibung an einen oder mehrere der Künstler des Festsaals in St. Georgen kann daher wohl ausgeschlossen werden. Zudem sind die Grisaillen in Chur eine ganze Generation später entstanden.

Der Maler der Churer Todesbilder führte die koloristischen Experimente Hans Hol­

beins d. Ä. fort. Die Wahl der Grisailletechnik für die Nachbildung der Holzschnitt­

folge mit den Bildern des Todes nach Hans Holbein d. J. erweist sich dabei als stimmig:

Grisaillen eignen sich, die subtilen Hell­Dunkel­Werte von druckgraphischen Vor­

lagen malerisch umzusetzen, und sie passen zu Todesmotiven. Als Vergleich sei auf die beiden mit Grautönen gemalten Fassadenbilder am Alten Rathaus von Prachitz aus dem Jahr 1571 hingewiesen, welche auf die Szenen Richter und Fürsprecher der Holzschnittfolge nach Holbein zurückgehen (Abb. 179 –181).

Der Churer Maler ordnete die monochrom ausgeführten Todesbilder in der Hauptzo­

ne des Zyklus an und stellte die Tiere der Sockelzone und das gegenüberliegende Bild der Göttin Diana farbig dar. Er nahm damit im Vergleich zu den erwähnten Wand­

malereien und Altären des 14. und 15. Jahrhunderts eine umgekehrte Gewichtung vor und wertete die Grisailletechnik auf. Mehrere mit Grautönen gemalte Szenen kombinierte er wie Hans Holbein d. Ä. mit blauen Hintergründen. Die als Vorlage benutzte Holzschnittfolge mit den Bildern des Todes nach Hans Holbein d. J. sowie die als Vergleiche beigezogenen Halbgrisaillen von Hans Holbein d. Ä. und Ambrosius Holbein deuten darauf hin, dass der Maler der Churer Todesbilder aus dem Umfeld der Holbein­Familie stammen könnte.

179 Anonym, Fassadenbilder am Alten Rat-haus von Prachitz, 1571. Historische Post-karte mit Gemälde von B. Hochmann.

181 Anonym, Fassadenbilder am Alten Rat-haus von Prachitz, 1571. Szene des Fürspre­

chers. Historische Aufnahme.

180 Anonym, Fassadenbilder am Alten Rat-haus von Prachitz, 1571. Szene des Richters.

Historische Aufnahme.

127 2 Kunsthistorische Einordnung

2.2 Die sog. Donauschule

Im Kapitel zur Holzschnittfolge wurde gezeigt, dass die Bilder des Todes vorwiegend nördlich der Alpen rezipiert worden sind. 53 Dieses Gebiet stimmt mit der Verbreitung der sog. Donauschule überein. 54

Der Begriff Donauschule bzw. Donaustil benennt seit dem ausgehenden 19. Jahr­

hundert eine Stilrichtung der Malerei, Zeichnung und Druckgraphik, die sich von etwa 1490 bis 1540 in Bayern und im nördlichen Teil Österreichs manifestierte. Sie zeichnet sich durch die Betonung der Linien und Landschaften sowie eine expressive Ausdrucksweise aus. Häufig dienten Druckgraphiken als Vorlagen für Motive, wo­

bei denjenigen von Albrecht Dürer eine besondere Bedeutung als Inspirationsquelle und Ausgangspunkt zukam. 55 Als wichtigste Künstler der sog. Donauschule gelten Albrecht Altdorfer 56 und Wolf Huber. 57 Die Handelsstädte Augsburg und Nürnberg waren Zentren dieses Kulturraums. 58

Der Begriff Donauschule bzw. Donaustil erscheint in verschiedener Hinsicht als pro­

blematisch: Er impliziert eine Schule, obwohl zwischen den betreffenden Künstlern nie ein Lehrverhältnis bestand. Seit dem Ersten Weltkrieg erfuhr die Kunst der Do­

nauschule eine Nationalisierung, welche bis in die 1960er­Jahre anhielt. Nachdem die Auseinandersetzung mit den Werken des Donaustils in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eher in den Hintergrund getreten war, erkannte die Forschung in jüngster Zeit in den Niederlanden, am Nieder­ und Oberrhein, in der Schweiz und in Oberitalien, in Böhmen, Polen oder Norddeutschland vergleichbare stilistische Ausprägungen. 59 In der Ausstellung « Fantastische Welten. Albrecht Altdorfer und das Expressive in der Kunst um 1500» wurde die Kunst der Donauschule 2014 und 2015 zum ersten Mal in ihrer gesamten geographischen Breite präsentiert. 60 Dabei fanden verschiedene künstlerische Medien, darunter auch Bildwerke aus Holz, Be­

achtung.

Der Bildzyklus mit den Todesbildern in Chur lässt sich wegen der im Vergleich zu den Holzschnitten differenzierter ausgebildeten landschaftlichen Hintergründe 61 in den Kulturraum der sog. Donauschule einordnen. 62 Während die Landschaften der Szenen Königin (10), Bischof (11), Churfürst (12), Alter Mann (31) und Bauer (35)

182 Albrecht Altdorfer, Flügel des Sebas-tians-Retabels für St. Florian, Grablegung Christi, 1518. Wien, Kunsthistorisches Muse-um.

183 Narziss Renner, Miniatur im Gebetbuch des Matthäus Schwarz, 1521. Staatliche Mu-seen zu Berlin, Kupferstichkabinett.

184 Wolf Huber, Holzschnitt Der Drachen­

kampf des heiligen Georg, 1520. Wien, Alber-tina.

eine stimmungsvolle Wirkung erzeugen (Taf. V, VI, XV, XVII), fällt in den Darstellun­

gen Ritter, Tod und Teufel (29) und Krämer (34) die expressive Formensprache der Bäume und Felsen auf (Taf. XIV, Taf. XVI). Als Vergleich zu den eher lieblichen land­

schaftlichen Hintergründen sei auf ein Tafelbild mit der Szene Grablegung Christi aus dem Jahr 1518 von Albrecht Altdorfer hingewiesen (Abb. 182), das ursprünglich zu einem Altarretabel im Augustiner­Chorherrenstift St. Florian in Oberösterreich gehörte. Eine Miniatur von Narziss Renner im Gebetbuch des Augsburger Matthäus Schwarz, welche den betenden König David und den Stifter zeigt, weist hingegen eine ähnlich expressive Landschaft wie die Szenen Ritter, Tod und Teufel (29) und Krämer (34) auf (Abb. 183). Diese Landschaft geht wiederum auf einen Holzschnitt von Wolf Huber zurück (Abb. 184).

In mehreren Churer Szenen unterstreichen Wolken die Stimmung: So erzeugen die dunklen Wolken in der Szene des Bettelmönchs (22) wie in der Schleißheimer Kreuzi­

gung von Lucas Cranach d. Ä. eine bedrohliche Wirkung (Taf. XI, Abb. 185).

Die vom Churer Maler verwendeten Schraffuren und Lichthöhungen lassen sich mehrfach bei Zeichnungen auf farbigen Papieren feststellen: Als Beispiele seien die Blätter Johannes auf Patmos von Erhard Altdorfer, Christus am Kreuz von Hans Mie­

lich und Tod und Chorherr von Niklaus Manuel erwähnt (Abb. 186 –188).

Die genannten Vergleichsbeispiele deuten darauf hin, dass der unbekannte Maler der Churer Todesbilder aus dem Umkreis der sog. Donauschule gestammt haben könnte.

Mit der erstmaligen Nachbildung des Kupferstichs Ritter, Tod und Teufel verwendete er eine Vorlage von Albrecht Dürer, womit sich der Kreis zum wichtigsten Inspirator der Künstler dieses Kulturraums schliesst.

185 Lucas Cranach d. Ä., Tafelbild Schleiß­

heimer Kreuzigung, 1503. Bayerische Staats-gemäldesammlungen, Alte Pinakothek.

186 Erhard Altdorfer, Zeichnung Johannes auf Patmos, ca. 1510. Städel Museum Frank-furt am Main, Graphische Sammlung.

188 Niklaus Manuel, Zeichnung Tod und Chorherr, um 1518. Hessisches Landesmuseum Darm stadt.

187 Hans Mielich, Zeichnung Kreuzigung Christi mit Gottvater und der Taube des heiligen Geistes (Christus am Kreuz), 1539. Städel Museum Frank-furt am Main, Graphische Sammlung.

Die bemalte Fachwerkwand aus dem Bischöflichen Schloss in Chur gibt die Bilder des Todes nach Hans Holbein d. J. wieder. Sie ist 15,25 Meter lang, 3,42 Meter hoch und in drei Register mit 26 Gefachen eingeteilt. Der Zyklus umfasst 35 Szenen, die in Grisailletechnik gemalt sind, sowie acht Sockelfelder. Er ist an zwei Stellen mit der Jahreszahl 1543 versehen.

Die Grundlage der vorliegenden Arbeit bildet eine Bestandsaufnahme des Zyklus.

Anhand eines detaillierten Vergleichs der Churer Todesbilder mit den Vorlagen lässt sich die Vorgehensweise des unbekannten Malers wie folgt charakterisieren: Er än­

derte die Technik und bildete die kleinen Holzschnitte mit den Bildern des Todes nach Holbein stark vergrössert als Wandmalereien nach. Pro Gefach ordnete er meist zwei Szenen an, wobei er drei Darstellungen als kleine Eckbilder einfügte und sechs Motive von Holbein wegliess. Als Merkmale der Churer Todesbilder seien die Verän­

derungen von Proportionen, die Reduktion von Nebenfiguren und die Erweiterung mehrerer Szenen um landschaftliche Hintergründe hervorgehoben.

Die ikonographische Analyse des Zyklus zeigte, dass der Künstler Holbeins Kritik am als unmoralisch empfundenen Verhalten seiner Zeitgenossen aufnahm, sie teilweise aber etwas anders darstellte. So gab er aus Rücksicht auf den Anbringungsort der Malereien im Bischöflichen Schloss den Papst (6) ohne Teufel wieder und stellte die junge Frau (23) nicht als Nonne dar. Die auf Texte von Erasmus von Rotterdam und Motive im Narrenschiff von Sebastian Brant zurückgehende Kritik am Benehmen der übrigen Kleriker behielt er hingegen bei.

Als Bezugnahme auf die aktuelle Politik sei der ergänzte Mann mit dem Turban im Königsbild (8) erwähnt, der auf den Friedensvertrag des französischen Königs mit dem türkischen Sultan Süleyman I. zurückgeführt wird. Das Motiv des Grafen, wel­

ches wohl auf den Aufstand der Bauern von 1525 in Chur anspielt, ersetzte der Maler durch die Szene Ritter, Tod und Teufel (29) nach dem gleichnamigen Kupferstich von Albrecht Dürer. Dieses ikonographisch vielschichtige Bild aus dem Jahr 1513 stellt in der Entwicklung der Totentänze eine Vorstufe der Holzschnittfolge mit den Bildern des Todes nach Holbein dar. Bei der Churer Szene dürfte es sich um die erste Kopie des Kupferstichs handeln.

Die Churer Todesbilder sind eine der frühesten Kopien der Holzschnittfolge mit den Bildern des Todes nach Holbein und deren erste monumentale Umsetzung. Sie sind ein eigenständiges Werk von hoher künstlerischer Qualität. Anhand der Analyse der lateinischen Bibelzitate konnte die Ausgabe der Holzschnittfolge von 1542 als Vorlage bestimmt werden. Die graphische Folge erfuhr durch den Buchdruck eine enorme Verbreitung und eine breite Rezeption, die sich bis in die Gegenwart fortsetzt. Da die Todesbilder im 1. Obergeschoss des Bischöflichen Schlosses bis Mitte des 19. Jahr­

hunderts nicht öffentlich zugänglich waren, erlangten sie ihrerseits nur eine geringe Wirkung als Vorbild.

Mit der dendrochronologischen Datierung der Gefachbalken und Bretter ins Jahr 1540 erwies sich die Datierung des Zyklus in vorreformatorische Zeit, wie sie in der älteren Forschung vertreten worden war, als hinfällig. Die Entstehungszeit der Todes­

bilder lässt sich zwischen der Vorlage von 1542 und der Aufnahme einzelner Motive am Laurentiusaltar von 1545 in der benachbarten Kathedrale eingrenzen; die zweimal fassbare Jahreszahl 1543 scheint plausibel. Das Jahr 1543 fällt in die Amtszeit von Bi­

schof Luzius Iter. Dieser Reformen zugeneigte Bischof war wohl mit den aktuellsten künstlerischen Strömungen vertraut und beauftragte den Künstler mit der Nachbil­

dung modernster Druckgraphiken.