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„Wir interessieren uns für euch“ – Herausforderungen

Im Dokument Zum Erfolg verdammt (Seite 56-59)

für die Geschichtskultur in Deutschland

Es ist hervorzuheben, dass die Projek-te vielfach durch innovative Zugänge und Methoden gekennzeichnet sind.

Partizipation, Multiperspektivität, Le-bensweltorientierung, interkulturelle und intergenerationelle Ansätze sind hier ebenso zu finden wie historische Perspektiven, die alltagsgeschichtli-che, biografie- und lokalgeschichtliche Fragestellungen in den Vordergrund rücken. Zentral ist dabei – nicht zuletzt aufgrund der Leitlinien der Bundespro-gramme, aber durchaus nachvollzieh-bar – die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Gleichwohl haben sich insbesondere eine Reihe zäsuren-übergreifender Projekte als besonders anregend und produktiv erwiesen. Pro-blematisch jedoch ist ihr Modellcharak-ter, wobei an dieser Stelle nicht die zwar sehr berechtigte, aber wenig originelle

55 Perspektivwechsel – Konzeptentwicklung – Praxis

Klage über zeitlich befristete und oft-mals finanziell unzureichende Förder-modalitäten in den Mittelpunkt treten soll, sondern die Feststellung, dass die Entwicklung einer pluralen und leben-digen Geschichtskultur kaum mit ein-zelnen verstreuten, wenn auch innova-tiven Modellprojekten zu erreichen ist, die zudem großen „Zeitaufwand für die Kontaktpflege oder die Fertigstellung von Fördermittelanträgen einplanen müssen“ (Regiestelle 2011, 20). Freilich sind in diesem Kontext die Bedeutung und das Engagement dezentraler, in den lokalen und regionalen Sozialräu-men verankerter Initiativen nicht hoch genug einzuschätzen.

In einem Workshop zur Weiterentwick-lung des Lokalen Aktionsplans

Saarbrü-cken konstatierte etwa Hans-Christian Herrmann vom Stadtarchiv Saarbrü-cken, dass zum einen die Geschichte der Migration in den Beständen des Ar-chivs kaum repräsentiert sei, zum ande-ren aber die Einrichtung bislang keine Wege gefunden habe Migrant_innen als potentielle Zielgruppe anzusprechen und zu signalisieren: „Wir interessieren uns für euch“ (Landeshauptstadt Saar-brücken 2011, 14). Die Aufgabe bestehe nun darin, über Gemeinwesensarbeit, Vereine und andere Mittler_innen Be-ziehungsarbeit zu leisten und Vertrauen

aufzubauen. Eine Herausforderung, die sich auch für die anderen genannten In-stitutionen der Geschichtskultur – nicht nur in Saarbrücken – formulieren lässt.

Modellprojekte und Lokale Aktions-pläne können hierzu Anstöße liefern.

Es bedarf aber gleichzeitig der Bereit-schaft der etablierten „deutungsmäch-tigen“ Akteur_innen im Bereich der historisch-politischen Bildung sowie der Geschichts- und Erinnerungskultur vermeintliche Gewissheiten zu hinter-fragen. In diesem Sinne kann es „richti-ge Denkmäler“ nicht „richti-geben.

Michael Sturm, Historiker, ist pädagogisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter im Ge-schichtsort Villa ten Hompel der Stadt Münster und in der Mobilen Beratung im Regierungsbezirk Münster. Gegen Rechtsextremismus, für Demokratie (mobim).

Über den Autor

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Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2013):

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L I T E R AT U R

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Geschlecht in der Forschung

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