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bundesgeförderten Arbeit gegen Rechtsextremismus

Im Dokument Zum Erfolg verdammt (Seite 73-77)

Die Förderprogramme der vergangenen 13 Jahre wirken durch Stärkung der zivil-gesellschaftlichen Arbeit mittelbar auf die Zurückdrängung der extremen Rech-ten, indem sie mit ihren Präventions- und

10 Vgl. Qualitätsstandards für die Mobile Beratung im Themenfeld Rechtsextremismus zur Stärkung demokra-tischer Kultur, URL: http://www.kulturbuero-sachsen.de/index.php/dokumente/category/5-mobile-beratung.

html (letzter Zugriff: 28.03.2014).

Auswirkungen auf die extreme Rechte

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Beratungsansätzen zur Sensibilisierung von Politik, Verwaltung, Kirchen Sport, Feuerwehr, Bürgerinitiativen, Soziale Ar-beit, Wirtschaft, etc. beitragen. Mit Fort-bildung, Beratung und Empowerment werden Menschen auf dem Weg der De-mokratiestärkung und der öffentlichen Auseinandersetzung mit Neonazismus, Rassismus und anderen Formen der

„Gruppenbezogenen Menschenfeind-lichkeit“ begleitet, mit dem Ziel durch die Sichtbarwerdung demokratischer Positionen die extreme Rechte und ihren Einfluss zurückzudrängen.

Das Kulturbüro Sachsen e. V. arbeitet seit 2001 unter einem Leitsatz, der be-reits Mitte der 1990er-Jahre von Men-schenrechtsgruppen und Demokra-tieinitiativen entwickelt wurde: „Arbeit für demokratische Kultur ist Arbeit gegen Rechtsextremismus“. Sie alle verband bereits zu dieser Zeit das Ziel, rassistischen Einstellungen und extrem rechten Strukturen eine lebendige de-mokratische Zivilgesellschaft entge-genzustellen. In ihrer Arbeit hatten sie neben rassistischer Alltagskultur und rechter Gewalt auch Gleichgültigkeit, Desinteresse und Ignoranz der Bür-gergesellschaft gegenüber dem sich ausbreitenden Neonazismus als scho-ckierend wahrgenommen. Ein kontinu-ierliches Engagement für demokrati-sche Teilhabe, verstanden als ständige Lern- und Aushandlungsprozesse zwi-schen staatlichen und nichtstaatlichen Akteur_innen, war und ist aus ihrer und damit auch aus unserer Sicht geboten.

Dabei wurde deutlich, dass die Ausprä-gung und Verankerung von neonazisti-schen Strukturen, Alltagsrassismus und Antisemitismus, vor allem für Demo-kratiedefizite in den Gemeinden stan-den. Wir fanden autoritäres Handeln in den Kommunalparlamenten und der -verwaltung sowie ein Wegducken von politisch Verantwortlichen, die Diskre-ditierung von Engagierten und man-gelnde Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger_innen.

Aus diesem Befund wurde in den ers-ten Jahren Mobiler Beratungsarbeit ein tragfähiges Konzept entwickelt, dass in seinem Kern die Bürger_innen als

Expert_innen im demokratischen Pro-zess betrachtet. Mut machten uns da-bei Gemeinden, deren Politiker_innen erkannten, dass ein öffentlich transpa-renter Umgang mit Problemen, eine Zusammenarbeit von Stadtpolitik und -verwaltung mit Bürger_innen und das Vertrauen auf deren Kompetenz die Eckpfeiler demokratischer Entwicklun-gen sind. Politiker_innen, die wussten, dass Verdrängen und Verschweigen an-tidemokratische Strukturen stärkt und dass eine engagierte Zivilgesellschaft unverzichtbare Partnerin auf dem Weg zur Zurückdrängung von Neonazis in der Region ist, stärkten uns in unserer Arbeit. Ihnen war darüber hinaus be-wusst, dass sich durch die Beteiligung der Bürger_innen neue Perspektiven für ihre Gemeinden entwickeln können. Zu Beginn unserer Arbeit gab es in Sach-sen nur wenige Kommunalpolitiker_in-nen und Initiativen, die sich offensiv mit den Problemlagen auseinandersetzten.

Die Initiativen, die es taten, hatten ei-nen schweren Stand, denn sie mussten gegen Diskreditierungen als „Nestbe-schmutzer“ oder als „zu links“ für den kommunalen Mainstream ankämpfen.

Und doch blieben sie, arbeiteten weiter und fanden später Partner_innen sowie Hilfe und Unterstützung, zunächst vor allem außerhalb von Sachsen und spä-ter auch vor Ort.

Die Mobilen Beratungsteams waren in diesen Prozessen Ansprechpart ner_ in, Coach, Moderator_in, Projektentwick-ler_in. Sie knüpften Netzwerke zur Un-terstützung der Initiativen und bauten Kontakte in die Kommunalpolitik und -verwaltung auf. Sie vermittelten Kon-takte nach Angriffen von Neonazis zur Beratungsstelle für die Betroffenen von rassistischer und rechtsmotivierter Ge-walt. Sie halfen bei polizeilichen Anzei-gen, unterstützten das Bemühen von Initiativen um Projektfinanzierungen und versuchten die politische, kulturelle und wirtschaftliche „Elite“ in Sachsen für die notwendige Auseinandersetzung mit Neonazismus, Rassismus und men-schenverachtenden Einstellungen zu sensibilisieren. Sie boten Fortbildungen an und erstellten Situationsanalysen zu lokalen und regionalen neonazistischen Strukturen.

Dabei gehörte der Erfolg der Arbeit im-mer den Initiativen, den engagierten Bürger_innen, der Kommunalpolitik und den Netzwerken. Mobile Beratungs-arbeit steht nicht im Rampenlicht, son-dern moderiert und berät die eigentli-chen Akteur_innen.

Was wurde erreicht in der mobilen Beratungsarbeit:

Durch die Beratungs- und Begleitungs-arbeit, durch Fortbildungsangebote, durch thematische Projektarbeit und vor allem durch Politikberatung und die im-merwährende Einmischung in politische Diskurse können wir in Sachsen heute folgende Klimaveränderungen, die sich in der Stärkung der demokratischen Zi-vilgesellschaft ausdrücken, beschreiben:

Es gibt zunehmend mehr Gemein-den und Kommunen, die das bei ihnen vor Ort bestehende Problem des Neonazismus und Rassismus in seinen verschiedenen Facetten als Problem auf die Agenda heben und Bereitschaft signalisieren, mit der Zivilgesellschaft Handlungsstrategi-en zu Handlungsstrategi-entwerfHandlungsstrategi-en und umzusetzHandlungsstrategi-en.

Heute gibt es bereits zahlreiche Kommunen, die Beratungsprozesse zur Stärkung der Demokratie und zur Bildung demokratischer zivilgesell-schaftlicher Strukturen durchlaufen haben und mit dem darauf basie-renden Ergebnis einer Vitalisierung demokratischer Grundwerte Erfolg versprechend in die Zukunft blicken.

Es haben sich in Sachsen Netzwerke gebildet, die aktiv den Kampf gegen die Dominanz rechtsextremer Struk-turen vor Ort aufnehmen und mit eigenen Konzepten für mehr Demo-kratie und vor allem für deren Wert-schätzung kämpfen. Diese Netzwerke auf lokaler, regionaler und sachsen-weiter Ebene speisen sich aus allen Teilen der Gesellschaft. Bürger_innen vor Ort arbeiten mit Kirchen, Gewerk-schaften, Schulen, Eltern, örtlichen Wirtschaftsunternehmen, Parteien konfessions- und generationsüber-greifend an diesem Thema.

Es gibt in politischen Äußerungen der sächsischen Landespolitik eine deut-Auswirkungen auf die extreme Rechte

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liche Haltung, dass die demokratie-gefährdenden Potenziale der Neona-zis ein gewichtiges gesellschaftliches Problem darstellen. Gerade ange-sichts der rassistisch aufgeladenen Veranstaltungen der extremen Rech-ten im Umfeld der Eröffnung von Un-terkünften für Asylbewerber_innen hat die Staatsregierung 2012 unmiss-verständlich deutlich gemacht, das Flüchtlinge und Asylbewerber_innen unsere Solidarität und Unterstützung verdienen.

Auch bundesweit ist die Medien-landschaft für Problemlagen von Neonazismus, Rassismus und ande-ren Formen der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ sensibilisiert.

Mittlerweile haben viele regionale und überregionale Medien Demokra-tieentwicklung sowie den Umgang mit Neonazismus und der extremen Rechten als Thema dauerhaft in ihre Berichterstattungen bearbeitet und dokumentiert.

Was die Initiativen und Träger – hier vor allem die Mobile Beratungsarbeit – nicht können, ist die Anzahl der Neona-zis zu reduzieren oder Menschen davon abzuhalten die NPD zu wählen. Was sie können, ist interessierten Bereichen der Gesellschaft, die die extreme Rechte als Problem wahrnehmen, bei der Bearbei-tung der jeweiligen konkreten Situation vor Ort zu unterstützen und sie dadurch in ihrer demokratischen Haltung zu stärken.

4. Fazit - eine zukunftsfeste Programmstruktur ab 2015

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Aus dem oben Dargestellten lässt sich schlussfolgern, dass für künftige Bun-desprogramme Erfolge und gute Er-fahrungen vorangegangener Förder-phasen die Richtschnur sein sollten. Im vorliegenden Falle bedeutet das, wieder einen deutlichen inhaltlichen Schwer-punkt zu setzten und staatlicherseits in der neuen Förderphase verloren gegan-genes Vertrauen in die Gestaltungskraft der zivilgesellschaftlicher Arbeit zurück zu gewinnen

Dazu werden folgende Eckpunkte für eine zukunftsfeste Förderung des En-gagements der Zivilgesellschaft mit einem Bundesprogramm – Rassismus überwinden, Rechtsextremismus be-kämpfen, Demokratie fördern – vorge-schlagen:

Präambel:

Die Auseinandersetzung mit und die Überwindung von Rassismus, Rechts-extremismus, Antisemitismus, Antiziga-nismus, Islamfeindlichkeit und anderen Formen Gruppenbezogener Menschen-feindlichkeit sind Aufgaben von Bund, Ländern und Kommunen sowie der Zi-vilgesellschaft gleichermaßen.

Der Untersuchungsausschuss des Deut-schen Bundestages zum „Nationalsozi-alistischen Untergrund“ empfiehlt eine Neuordnung der Bundesförderung mit dem Ziel, zivilgesellschaftliches Enga-gement zu unterstützen, ausreichend zu fördern, auszubauen und zu verste-tigen. Er weist zudem darauf hin, dass verfassungsrechtliche Bedenken einer langfristigen, dauerhaften Arbeit ge-gen Neonazismus und für Demokra-tieförderung nicht entgegenstehen.12 Der Ausschuss fordert dazu auf, bei der organisatorischen und inhaltlichen Neuordnung der Förderung zivilge-sellschaftliche Initiativen und Projekte einzubeziehen und gleichberechtigt zu berücksichtigen. Bisher gibt es auf der Bundesebene zwar in unterschiedlichen Ressorts angesiedelte Förderprogram-me, mit denen Opferberatungsstellen, Mobile Beratungsteams, Präventions-projekte, Bildungsarbeit, Lokale Akti-onspläne oder auch Träger mit einer spezifischen Themenkompetenz etc.

gefördert werden. Es mangelt aber an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage und an der Möglichkeit ei-ner dauerhaften Förderung. Folgender Vorschlag wurde durch bundesweite Netzwerke, wie die Bundesarbeitsge-meinschaft für Demokratieentwicklung,

die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus, die Zentralräte, den DGB, bundesweite Verbände und zahlreiche Träger der Mobilen Beratung, der Opferberatung und diverser andere Strukturen und Modellprojekte erarbei-tet und abgestimmt und jetzt im politi-schen Raum zur Diskussion gestellt.13 Auf Basis eines Gesetzes zur Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements wird ein „Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antise-mitismus, Antiziganismus, Islamfeind-lichkeit und andere Formen gruppen-bezogener Menschenfeindlichkeit – für Demokratie und Akzeptanz einer vielfäl-tigen Gesellschaft“ vorgeschlagen.

Als Schwerpunkte werden empfohlen:

Auseinandersetzung mit und Inter-vention gegen Rassismus, Rechtsex-tremismus, Antisemitismus, Islam-feindlichkeit, Antiziganismus und anderer Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie Förde-rung der Demokratie, der Menschen-rechte und der Akzeptanz einer viel-fältigen Gesellschaft;

Beratung und Unterstützung von Be-troffenen von Straf- und Gewalttaten;

Präventive Maßnahmen zur Bekämp-fung der genannten demokratie- und menschenfeindlichen Formen;

Beratung und Unterstützung beim Umgang mit rassistischen und rechts-extremen Erscheinungsformen und Tendenzen, insbesondere muss der Ansatz der Mobilen Beratung dauer-haft gefördert werden;

Ziele:

Erweiterung der bisherigen zivilge-sellschaftlichen Maßnahmen;

Dauerhafte Förderung zivilgesell-schaftlicher Projekte und Einrichtun-gen;

Verringerung des Verwaltungsauf-wandes bei Beantragung und Ab-rechnung;

11 Der folgende Abschnitt basiert auf einen bundesweit abgestimmten Programmvorschlag für eine bundes-gesetzliche Förderung der zivilgesellschaftlichen Arbeit, URL: http://kulturbuero-sachsen.de/images/PDF/e-bundesprogramm_kurzf-11nov13.pdf (letzter Zugriff 02.02.2014).

12 Der Ausschuss verweist dabei auf das Gutachten von Prof. Battis und Prof. Grigoleit.

13 Der Vorschlag basiert auf den Erfahrungen mit der bisherigen Bundesförderung und der Förderung in ande-ren Politikbereichen (z. B. der Kinder- und Jugendhilfe). Das neue Gesetz sollte 2014 beschlossen werden, so dass die Förderung ab 2015 erfolgen kann

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Beteiligung des Deutschen Bun-destages bei der Entwicklung und Durchführung des Programms;

Beteiligung von Wissenschaft und Zivilgesellschaft bei der Entwicklung und Durchführung des Programms;

Eine Verdoppelung der bisher in den ver-schiedenen Programmen zur Verfügung stehenden Mittel ist Grundvorausset-zung zur Stabilisierung der entstande-nen zivilgesellschaftlichen Landschaft bundesweit.

Um ein solches Programm sinnvoll und stabil als Gesetzeslösung auf den Weg zu bringen, ist eine Beteiligung der bun-desweiten zivilgesellschaftlichen Akteu-re an der inhaltlichen und struktuAkteu-rellen Ausgestaltung notwendig. Dadurch wird sichergestellt, dass die genannten

Schwerpunkte und Ziele, die auf Bun-desebene im Rahmen des Gesetzes for-muliert werden, auch passgenau in den Ländern, Regionen und vor Ort umge-setzt werden.

Mit dieser Gesetzeslösung, kann die neue Bundesförderung zum einen an den partizipativ erarbeiteten Erfolgen der ersten Programmgeneration unter

„CIVITAS“ anknüpfen, kann zum zweiten die Erfahrungen mit der Einbindung der Länder aus der zweiten

Programmge-neration nutzen und zum dritten den Prozess der Qualitätsentwicklung aus der dritten Programmgeneration weiter fortsetzen.

So wird sichergestellt, dass der inhaltli-che Ansatz des neuen Fördergesetzes ab 2015 sich an den realen Alltagproblem-lagen der Auseinandersetzung mit der extremen Rechten und der gruppenbe-zogenen Menschenfeindlichkeit orien-tiert und daraus Handlungsperspekti-ven gewinnen kann.

Grit Hanneforth ist seit 2001 Geschäftsführerin des Kulturbüro Sachsen e. V. Sie hat die Mobile Beratungsarbeit von Anbeginn in Sachsen mit auf- und ausge-baut. Neben der Mobilen Beratungsarbeit wurden seit 2005 im Kulturbüro Sach-sen drei weitere Arbeitsbereiche entwickelt und in SachSach-sen verankert. Das sind:

„Fachcoaching“, „Gemeinwesenarbeit“ und „Internationale Kooperationen“.

Über die Autorin

Bundestagsdrucksache 17/14600: Beschlussempfehlung und Bericht des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes, Berlin.

Erkol, Aslan / Winter, Nora (2013): 184 Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt seit 1990, URL: http://www.mut-gegen-rechte-ge- walt.de/news/chronik-der-gewalt/todesopfer-rechtsextremer-und-ras-sistischer-gewalt-seit-1990 (letzter Zugriff: 01.02.2014).

Klingelhöfer, Susanne / Schmidt, Mareike / Schuster, Silke, u. a. (2007):

Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung des Programms „En-timon – gemeinsam gegen Gewalt und Rechtsextremismus“, Jahre 2002–

2006, URL: http://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs/188_8436_

AB-Entimon.pdf (letzter Zugriff: 01.02.2014).

Kulturbüro Sachsen e. V. (Hg.) (2013): (Dia)Logbuch Sachsen. Prozesso-rientierte Beratung im ländlichen Raum, Wiesbaden: VS Verlag für Sozial-wissenschaften.

o. V. (2010): Qualitätsstandards für die Mobile Beratung im Themenfeld

Rechtsextremismus zur Stärkung demokratischer Kultur, URL: http://

www.kulturbuero-sachsen.de/index.php/dokumente/category/5-mobi-le-beratung (letzter Zugriff: 28.03.2013).

o. V. (2013): Rassismus überwinden, Rechtsextremismus bekämpfen, De-mokratie fördern – für eine zukunftsfeste Förderung des Engagements der Zivilgesellschaft. Bundesweit abgestimmter Programmvorschlag für eine bundesgesetzliche Förderung der zivilgesellschaftlichen Arbeit, URL: http://kulturbuero-sachsen.de/images/PDF/e-bundesprogramm_

kurzf-11nov13.pdf (letzter Zugriff: 02.02.2014).

Sächsische Zeitung (2000): Interview mit Kurt Biedenkopf.

Stuttgarter Nachrichten-Online (2013): Zahl rechtsextremer Straftaten viel höher? Innenministerium alarmiert, URL: http://www.stuttgarter- nachrichten.de/inhalt.innenminsterium-alarmiert-zahl-rechtsextremer-strafta-ten-viel-hoeher.011df17b-bd4d-42a2-81ea-689fb8c2b02a.html (letzter Zugriff: 01.02.2014).

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er unter dem Stichwort „Aussteiger-Programm“ mehr sucht als Angebote, die sich an An ge hörige mafiöser, terro-ristischer oder paramilitärischer Verei-nigungen richten, der- und diejenige findet in Deutschland seit knapp 15 Jahren im Themenfeld Rechtsextremis-mus An schauungsmaterial in wachsen-der Fülle. Manche dieser Angebote sind bzw. waren im Finanzierungsrahmen der Bundes - und Landespro gramme an ge-siedelt, die seit 1992 in unterschiedlicher Perspektiv- und Schwer punktsetzung aufgelegt werden. Sieht man von einem 2009 realisierten und nunmehr aus-gelaufenen, thematisch spe zifizierten Sonder pro gramm auf Bun des ebene ab, so kommt dezidiert ausstiegsori-entierten Projekten in der Ge samtheit an pro gramm gebundenen Angebo-ten aller dings eine marginale Rolle zu.

Gleich zeitig – und dies erweitert den Fokus der folgenden Darstellung – darf ange nommen werden, dass die öko-nomische und politische Wucht solcher, in verschiedene Ziel-, Handlungs- und Akteurs ebenen differenzierter Program-me kaum spurlos an der Rea lität der jenseits dieser Struk turen angesiedelten päda go gi schen Landschaft von Aus-stiegs- oder wie es heute vermehrt heißt

„Deradikalisierungs“-Angeboten vorbei geht. Das Sprechen über Aus steiger

-projekte im Förderrahmen der Bun des-programme ist mit anderen Worten schwerlich möglich unter Aus blen dung der erheblichen (diskursiven) Bewegun-gen, die im gesamten Hand lungsfeld ak-tuell beobachtet werden können.

1. Entwicklung und Verortung von Ausstiegs-orientierten Angeboten

Angebote, die auf die Förderung und Be-gleitung von Ausstiegsprozessen ausge-richtet sind, haben sich zwischen 2001 und 2006, also im zeitlichen Zusam-menhang mit dem Bundesprogramm

„Jugend für Toleranz und Demokratie“, mit einer gewissen Vehemenz in der An ge bots palette zum Thema Rechts-extremismus platziert.1 Für den ersten

hierzulande rea li sier ten Versuch steht dabei mit EXIT eine private Initiative, die ihre Arbeit im Jahr 2000 auf nahm (vgl.

ZdK 2002; siehe zu den skandinavischen Vorläufern Bjørgo 2001). Auf staatli-cher Ebene kam es in Folge eines im selben Jahr gefassten Beschlusses der ständigen Kon ferenz der Innenminister und -senatoren ab 2001 zur formalen Gründung von insg. 14 Aus steiger pro-grammen in 13 Bundesländern (vgl. IMK 2000). Ebenfalls 2001 initiierte das Bun -desamt für Ver fassungsschutz in die-sem Zusammenhang ein eigenes Aus-stei ger pro gramm. Davon un abhängig wurden zwischen 2002 und 2007 in verschiedenen Bun des ländern – wie Ba den-Württemberg (Rems-Murr-Kreis), Niedersachsen (Braun schweig), Nord-rhein-West falen (Berg kamen, Schwerte, Witten), Sachsen, Schleswig-Hol stein (Pinne berg) – weitere, zum Teil kurzle-bige, zumeist lokal wirksam werdende An ge bote mit Orien tierung auf Aus-stei ger_innen begleitung initiiert. Eine letzte größere Welle an Neu grün dungen ausstiegsorientierter An ge bote geht zurück auf die bereits erwähnte Einrich-tung des „XENOS“-Son derprogramms

„Ausstieg zum Einstieg“ im Jahr 2009, in dessen Rahmen zunächst 15 (bzw. 16), im weiteren Ver lauf 13 (bzw. 14) Projekte gefördert wurden, die in Teilen erst an-lässlich des Pro gramm starts ihre Arbeit in diesem Feld aufnahmen.2

Nicht alle der hier überblicksartig ge-nannten Angebote gehören in den Bereich päda go gischen Handelns oder verfügen über enge kon zep tionelle und personelle An bin dungen dort-hin. Die Trennlinie zwischen pädago-gischen und nicht-pädagopädago-gischen Ange boten ent spricht hier zunächst in weiten Teilen der Unterscheidung zwischen sicherheitsbehördlichen und

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