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Wie man mit wenig Aufwand viel Geld sparen kann

«eGov Präsenz» 2/07

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E-Government Schweiz:

Wie man mit wenig Aufwand viel Geld

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keit der Verwaltungstätigkeit. Gesetze de-finieren öffentliche Aufgaben. Diese sind – entsprechend der horizontalen Gewalten-trennung in Legislative, Exekutive, Judi-kative und

– entsprechend der vertikalen Aufteilung in die drei staatlichen Ebenen «Bund»,

«Kanton» und «Gemeinde» gegliedert3. Infolgedessen sind öffentliche Aufgaben auf viele einzelne Verwaltungsorganisa-tionen verteilt.

Öffentliche Aufgaben werden durch das Bereitstellen materieller oder immaterieller Leistungen erfüllt und wahrgenommen.

Die Behörden erbringen Leistungen für das Gemeinwesen als Ganzes (z.B. Sicher-heit) ebenso wie für Privatpersonen, Un-ternehmen und Institutionen (Beispiele:

Baubewilligung, Einreisebewilligung usw.).

E-Leistungen sind Leistungen, die von Be-hörden elektronisch angeboten werden.

Gemäss dem rechtsstaatlichen Zustän-digkeitsprinzip sind die Verantwortlich-keiten bei der Erstellung, respektive Erbringung, öffentlicher Leistungen ge-setzlich geregelt und können daher auch eindeutig zugeordnet werden. Leistungen werden durch Prozesse erbracht. Ein Pro-zess beinhaltet die inhaltlich abgeschlos-sene, zeitliche und sachlogische Abfolge von Aktivitäten, die zur Erstellung einer Leistung erforderlich ist. In einem Prozess wird ein Input zu einem definierten Output verarbeitet (Leistung).

Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen nutzen öffentliche Leistungen aufgrund bestimmter Lebenslagen oder Geschäfts-situationen (z.B. Geburt, Gründung einer Firma usw.). Sie finden über entsprechende Zugangsstrukturen (Themenkataloge) auf den E-Government-Portalen rasch und zielsicher das gewünschte Angebot online.

Die Zuständigkeiten, Abläufe und Er-gebnisse von Verwaltungsprozessen sind weitgehend durch Gesetze, Verordnungen, Erlasse, Leistungsvereinbarungen usw. vor-gegeben.

Bei der Bearbeitung von Geschäfts-prozessen werden vielfältige und zum grossen Teil auch informatikgestützte Funktionen (Dienste, Werkzeuge und In-frastrukturen) des Informations- und Pro-zessmanagements benötigt.

Von der Theorie zur Praxis Die Bundeskanzlei bietet bereits heute mit dem Schweizer Portal www.ch.ch, einem E-Government-Portalverbund, auf einer einzigen elektronischen Plattform ein inte-griertes Angebot aller öffentlichen Leistun-gen der drei föderalen Ebenen (für Privat-personen, Unternehmen und Behörden) an. Auf www.ch.ch sind die wichtigsten Online-Leistungen aller staatlichen

Ebe-nen erfasst, vernetzt zugänglich sowie bedarfs- und themenorientiert auffindbar und nach Zielgruppen gegliedert – dies alles mehrsprachig und barrierefrei!

Über den Standardisierungsverein eCH werden und wurden das schweizweite Leistungsinventar sowie die Zugangsstruk-turen auf E-Government-Portale erarbeitet und standardisiert (vgl. Standard eCH-0070 sowie eCH-0049 Themenkataloge für E-Government-Portale).

Organisatorische Gestaltung von E-Government Schweiz4 Im E-Government-Portalverbund werden die beiden behördlichen Leistungstypen

«Information» (Informationsabgabe) und

«Behördengänge» unterschieden. Beim Leistungstyp «Information» fällt die Leis-tungsabgabe mit der Kommunikation und Publikation von Informationen zusammen (z.B. Informationen über Schutz- und Ver-haltensmassnahmen beim Ausbruch der Vogelgrippe, Gerichtsentscheide, Geset-zesentwürfe). Weil offizielle Informationen rund um die Uhr, stets aktuell und gut er-reichbar zur Verfügung stehen, ist der E-Government-Portalverbund bereits heute ein effizienter Kommunikationskanal der Behörden.

Dank Standardisierung lassen sich nicht nur Leistungen eindeutig identifizieren, sondern auch mehrsprachig beschreiben, dokumentieren und definieren. Dadurch gestalten sich Zugang und Leistungsan-gebot einheitlich und überschaubar – egal, ob sich die Kundschaft auf dem E-Go-vernment-Portal einer Gemeinde, eines Kantons oder der Bundesverwaltung be-findet.

Wirken an der Erstellung einer E-Government-Leistung aufgrund geteilter Zuständigkeiten mehrere Behörden mit, müssen lediglich ihre Teilprozesse (Ein-, Ausgang eines Geschäftes) übergreifend koordinieren und abstimmen. Dazu ist er-forderlich, dass die Partner das Gesamt-produkt (Leistung) vereinbaren sowie Ablauf und Inhalt der organisationsüber-greifenden Interaktionen (Ein-, Ausgänge von Geschäften/Dossiers) zwischen den Teilprozessen festlegen.

Für die operative Abwicklung sind ge-meinsame Schnittstellen und Infrastruktu-ren zu definieInfrastruktu-ren und bereitzustellen. Eine generische Schnittstelle für den standardi-sierten Austausch von Dokumenten und Geschäftskontexten wurde letztes Jahr von eCH verabschiedet und wird zurzeit in diverse Marktprodukte implementiert (vgl. eCH-0039 E-Government-Schnitt-stelle Schweiz). Dabei dürfen wir uns nichts vormachen: Wir stehen erst am An-fang einer langen Entwicklung. Heute werden erst wenige E-Leistungen durch-gängig und ohne Medienbruch erbracht.

Es ist daher eines der ausdrücklichen Ziele der E-Government-Strategie Schweiz, bis 2011 die Voraussetzungen für die Ausbrei-tung elektronischer Geschäftsprozesse zu schaffen.

Integriertes E-Government Die Verwaltungskundschaft findet über den E-Government-Portalverbund rasch und sicher zum gesuchten Leistungsange-bot. Der Kunde löst (z.B. über ein E-For-mular) den elektronischen Behördengang zur nachgefragten öffentlichen Leistung aus. Das E-Formular wird direkt der

elek-Abbildung 1: Das Portal www.ch.ch

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tronischen Bearbeitung durch die zustän-dige Behörde zugeführt. Die öffentliche Leistung wird durch die übergreifend koor-dinierten Teilprozesse der beteiligten Be-hörden erbracht. Diese nutzen gemein-same (grösstenteils informatikgestützte) Funktionen (Dienste und Infrastrukturen wie z.B. Transportplattformen, Verzeich-nisdienste, E-Payment-Services usw.). Die Kundschaft kommt so im «integrierten E-Government» zur nachgefragten Leis-tung, ohne dass sie über Kompetenzen oder die Ablauforganisation der beteiligten Behörden Bescheid wissen muss und vor allem, ohne dass jede beteiligte Behörde alle ihre internen Prozesse ebenfalls an-passen muss.

Mit dem Leistungsinventar viel Geld sparen

Aufgrund der einheitlichen Identifikation und mehrsprachigen Beschreibung der öffentlichen Leistungen lässt sich nicht nur Geld bei der Erschliessung und den Inter-netauftritten sparen, sondern sie bringen noch weiteren praktischen Nutzen bei der Umsetzung der E-Government-Strategie Schweiz (vgl. Standard eCH-0070):

Kooperative und durchgängige elektro-nische Leistungserstellung. Die Stamm-daten des Inventars stehen bei der ope-rativen Abwicklung der übergreifenden Geschäftsprozesse zur Verfügung (Inter-operabilität, vgl. eCH-0039 E-Govern-ment Schnittstelle Schweiz). Die koope-rative elektronische Leistungserstellung setzt voraus, dass alle beteiligten Akteure eine bestimmte E-Government-Leistung eindeutig identifizieren können.

Schweizweites Metadaten-Management von E-Government-Portalen: Basierend auf den Stammdaten des Inventars wird die Bundeskanzlei für alle am Schweizer Portal angeschlossenen E-Government-Portale einen Dienst für die automatische Pflege der Daten anbieten (Identifikati-onen, Bezeichnungen, Sprachversi(Identifikati-onen, Deskriptoren, Synonyme usw.). Der ad-ministrative Gesamtaufwand für die Pfle-ge, die Aktualisierung und den Abgleich der Portale in einem gemeinsamen Ver-bund kann dadurch deutlich gesenkt werden (Datenbank-Projekt «REF E-Gov CH» der Bundeskanzlei). Damit kann neben einer automatisierten Verlinkung auch die Auffindbarkeit des eigenen Auf-trittes bei Google und Co. verbessert werden.

Führung und Controlling von E-Govern-ment. Das Inventar stellt eine wichtige Informationsquelle für die Priorisierung beim Ausbau des Online-Dienstleistungs-angebots dar und kann auch für das Controlling des Umsetzungsstandes ge-nutzt werden (z.B. Ist/Soll-Vergleiche).

Zudem lässt sich mit dem Inventar ein behördenübergreifendes Monitoring rea-lisieren (Auswertung der Webstatistiken).

Dies wird gegenwärtig im Rahmen eines gemeinsamen Projektes der Bundes-kanzlei, der Parlamentsdienste und des Kantons Solothurn realisiert.

– Bereitstellung und Vereinheitlichung von E-Formularen: Über E-Formulare können Kundenanfragen direkt in die elektro-nische Prozessabwicklung überführt werden. Die Referenzdaten können auf den E-Government-Portalen für eine ein-deutige Zuordnung von E-Formularen zu öffentlichen Leistungen genutzt werden.

Das Bereitstellen, die Pflege und Verein-heitlichung von E-Formularen werden dadurch stark gefördert. Ein entspre-chendes Projekt des SECO befindet sich in Umsetzung.

Bereitstellung eines Behördenverzeich-nisses Schweiz (Swiss Authority Index):

Mit einem gemeinsamen Behördenver-zeichnis, das direkt mit dem Leistungs-inventar verknüpft werden kann, können die zuständigen Behörden unabhängig von ihrer Verwaltungsorganisation schnell und einfach angezeigt werden. Aber auch für die behördenübergreifende elektro-nische Kommunikation (Datenaustausch) sind eindeutige Identifikatoren für alle Akteure notwendig (nicht nur für Privat-personen oder Unternehmen, sondern auch für die Behörden). Die Bundes-kanzlei bereitet in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Statistik BFS ein entsprechendes Projekt vor, da sie be-reits heute auf www.ch.ch ein erstes Behördenverzeichnis Schweiz führt.

Mit dem Leistungsinventar Schweiz (Stan-dard eCH-0070, vgl. Abbildung 2) lässt

sich E-Government von der strategischen Planung (Liste der priorisierten Massnah-men) bis zur Implementierung auf Web-seiten, der Abwicklung von Geschäfts-prozessen und der damit verbundenen Erfolgskontrolle umsetzen – einfach, kos-tengünstig und schweizweit abgestimmt.

Einzige Bedingungen sind: Bund, Kan-tone und Gemeinden müssen eng zusam-menarbeiten, den Wert eines gemein-samen Verständnisses, einer einheitlichen Sprache (Semantik) erkennen und die da-von abgeleiteten Standards als Referenz aktiv unterstützen – als Teilmenge einer in-tegrierten Kommunikation der künftigen virtuellen E-Verwaltung Schweiz.

1 vgl. GfS Studien: «ch.ch, 2006 und «Firmen und E-Government», 2007; 3. Trendbarometer 2006 2 vgl. Wimmer, M., Traunmüller, R.: One-Stop Government

Portale: Erfahrungen aus dem EU-Projekt eGOV.

In: Die Zeit nach dem E-Government, Münster 2005 3 vgl. Algermissen, Becker, Falk: Prozessorientierte

Verwaltungsmodernisierung, Berlin 2007, S. 2 4 vgl. dazu auch die Präsentation von M. Schaffroth, Leiter

der eCH-Fachgruppe Geschäftsprozesse, anlässlich der Generalversammlung von eCH 2007:

http://www.ech.ch/index.php?option=com_docman&task=

doc_download&gid=833&Itemid=197&lang=de Abbildung 2: Referenz Leistungsinventar (nach eCH-0070, Standardisierung in Vorbereitung)

kundenorientierter E-Gov-Zugang:

Einheitliche Strukturierung und Pflege von

E-Gov-Portalen Interoperabilität

der E-Gov-Akteure bei übergreifender Leistungserstellung

Führung E-Government:

Priorisierung des Leistungsangebots

Controlling E-Government:

Umsetzungskontrolle E-Formulare:

Eindeutige Identifikation der

Leistung

Inventar öffentlicher

Leistungen

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mit zwanzig Transferkommunen. Öster-reich hat den Vorzeigestatus unter ande-rem über die Inkraftsetzung eines E-Go-vernment-Gesetzes (E-GovG) erreicht, welches der Förderung rechtserheblicher elektronischer Kommunikation dient.

Bei allen Anstrengungen in der Verwal-tung darf die enge Einbindung der Wirt-schaft nicht vergessen gehen. Ohne ihr aktives Mittun ist eine erfolgreiche Durch-setzung nicht möglich – schliesslich sollen sie Vorhaben auch mitfinanzieren.

Fehlgeleitete

Millioneninvestitionen

Es gibt viele unrühmliche Beispiele, wie E-Projekte in der Wirtschaft und in der Ver-waltung scheiterten. Diese Misserfolge haben aber auch ihr Gutes: Sie haben dazu geführt, dass nun eine gesunde Er-fahrungsbasis vorhanden ist. Viele dieser Projekte waren und sind entweder primär politisch motiviert (mit hohen Kosten und wenig echtem Nutzen) oder eher im Be-reich «Alibi-Übung» (mit zwar geringen Kosten aber mit tiefem Nutzen) anzusie-deln.

– www.ch.ch – Das ursprünglich als Guichet virtuel geplante Informationsportal ver-schlang für die Entwicklung die beein-druckende Summe von 18,2 Mio. CHF.

Das Projekt krankte an der technolo-gischen Komplexität mit dem Hyperlink-Konzept, den hohen Betriebskosten und den übertriebenen Erwartungen ans Lebenslagenprinzip als Einstiegspunkt.

– Vergabeplattform simap2 – Das im Sep-tember 2004 gestartete Projekt wird erst vier Jahre später voll produktiv sein. Pro-bleme auf der Lieferantenseite werden als Begründung für die Verzögerung ins Feld geführt.

– GEVER-Projekte – Die GEVER-Strategie existiert seit 1999, den wirklichen Durch-bruch bzw. die breite Akzeptanz hat das Konzept in der Bundesverwaltung bisher nicht geschafft.

– Auch in Kantonen und Gemeinden wur-de viel Lehrgeld bezahlt. In wur-der Hypepha-se des Internets wurden nicht wenige Finanzmittel in überrissene Webprojekte investiert. Viele liessen sich von Rie-senerwartungen und Versprechungen hinreissen und vergassen dabei, dass die webbasierten Angebote einen Nut-zen stiften sollten.