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Widersprüchliche Haltung zum Nationalsozia- Nationalsozia-lismus

Im Dokument Jugendhintergrund und Psychologie (Seite 130-138)

Das Phänomen der ehemaligen Skin- Skin-head-Kultband „BÖHSE ONKELZ“ und

3. Rechtsextremistische Ideologieelemen- Ideologieelemen-te in den Aussagen der „BÖHSEN

3.3. Widersprüchliche Haltung zum Nationalsozia- Nationalsozia-lismus

3.3.1. Distanzierung vom Nationalsozialismus...

Spätestens mit dem Erscheinen des Albums „Der nette Mann“

hatten die „BÖHSEN ONKELZ“ einen herausragenden Status bei deutschen Skinheads und Hooligans erlangt. Beide Sub-kulturen wurden zunehmend auch von rechtsextremistischen Einflüssen geprägt. Verstärkt nahmen neonazistische Gruppie-rungen Einfluss auf die Szene. Nach dem Vorbild der briti-schen „National Front“, die mit Hilfe der Kultband

„SKREWDRIVER“ erfolgreich auf das Skinhead- Milieu einwirkte, versuchten in Deutschland zunächst vor allem die „Aktions-front Nationaler Sozialisten/ Nationale Aktivisten“ (ANS/ NA) und später dann die „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“

(FAP) die sich entwickelnde Skinhead- Szene für ihre politi-schen Ziele zu instrumentalisieren. Entgegen ihrer nationalisti-schen Grundhaltung gaben sich die „ONKELZ“ jedoch stets anti-politisch und gingen trotz mehrfacher Anwerbungsversu-che auf Distanz zu organisierten Neonazis33. In dem bereits

33 vgl.: FARIN, Klaus: „Rechtsrock“ In: Rechtsextremismus in Deutsch-land. Voraussetzungen, Zusammenhänge, Wirkungen.

Heraus-tierten Interview von 1983 kritisiert Stephan WEIDNER die neo-nazistischen Rekrutierungsbemühungen in der Skinheadszene und grenzt sich unmissverständlich vom Hitlerfaschismus ab.

„Die Hippies ham sich bei den Punks eingeschlichen und heu-te versuchen sich die Neonazis bei uns einzuschleichen. Das merkste ja schon an so Aussagen vom KÜHNEN34, wo er seine zukünftigen Leute sieht, halt Fußballfans und unter Skinheads, [...] absoluter Schwachsinn, weil Skinheads sind alleine ‘ne Macht, und brauchen auch niemand anderes, wir vertreten unsere Interessen. [...] [I]ch bin doch kein Adolf- Hitler- Fanati-ker, [...] der war vor vierzig Jahren, der interessiert mich doch überhaupt nicht [...] Diktatur brauchen wir bestimmt nicht mehr.“(sic!)35

Der Stolz der „ONKELZ“ ist vor allem auf ihr Selbstverständnis zurückzuführen, stets unabhängig von gesellschaftlichen oder politischen Kräften zu sein. Vom Nationalsozialismus distan-ziert sich die Band daher auch auf ihrem Debüt- Album „Der nette Mann“ von 1984 deutlich:

„Auch zwölf dunkle Jahre in Deiner Geschichte

machen unsere Verbundenheit zu Dir nicht zunichte.“36

gegeben von Wolfgang Benz. Aktualisierte und erweiterte Neuauflage, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1994, S. 144.

34 Anm. d. Verf.: Michael KÜHNEN, dt. Neonazi-Führer (1955-1991).

35 Zit. n.: FARIN: Buch der Erinnerungen, S. 41.

36 BÖHSE ONKELZ: „Deutschland“.

Die Herrschaft der NS- Diktatur wird mit „zwölf dunklen Jah-re“, also als negatives, abzulehnendes Kapitel deutscher Ge-schichte beschrieben. Die Bandmitglieder wollen jedoch trotz der Verbrechen des Hitler- Regimes ihre vorbehaltlose Treue zum Vaterland demonstrieren. In der Praxis allerdings gelang den „BÖHSEN ONKELZ“, als der populärsten Band der sich ra-dikalisierenden Skinhead- Szene, eine Differenzierung zwischen positiv bewertetem Nationalismus einerseits und Abgrenzung vom Neonazismus zum anderen häufig nicht.

3.3.2. ...und neonazistischer Habitus

Die „BÖHSEN ONKELZ“ haben sich während ihrer Zugehörig-keit zur Skinhead- Bewegung zu keinem Zeitpunkt politisch organisiert engagiert. Weder traten die Musiker für neonazisti-sche Gruppierungen auf, noch ließen sie sich von rechtsext-remistischen Parteien vereinnahmen. Zwar gab sich die Band einerseits immer betont anti- politisch, andererseits versäumte es die Gruppe allerdings, sich während ihrer Skinhead- Phase vom neonazistisch beeinflußten Teil ihres Publikums ausdrück-lich abzugrenzen. So erhob bei einem Auftritt der „ONKELZ“

am 9.11.1985 im Berliner „Bunker“ ein Großteil der Konzertbe-sucher den Arm zum „Hitler- Gruß“37. Aufforderungen zu sol-chen Aktionen erfolgten zwar nie seitens der Band, jedoch wurden neonazistische Gesten bei Auftritten der „BÖHSEN ONKELZ“ zu dieser Zeit noch hingenommen und geduldet.

37 vgl.: HARTSCH: Böhse Onkelz. Danke für Nichts, S. 98 f.

Ebenso unkritisch bestritten die „BÖHSEN ONKELZ“ gemeinsa-me Konzerte mit anderen Skinhead- Bands, die ausgeprägte Beziehungen zu Neonazi- Gruppen unterhielten. 1983 und 1985 spielte man zusammen mit „KRAFT DURCH FROIDE“38 in Berlin. Am 17.8.1985 trat die Band beim so genannten „Rock- Against- Communism- Festival“ (R.A.C.) nahe Lübeck auf, dem bis dahin größten Skinhead- Festival auf deutschem Bo-den. Bei diesem Konzert spielten auch die Bands „KAHLKOPF“,

„DIE HARDS“, „BODY- CHECKS“ und „INDECENT EXPOSURE“.

Man tolerierte neonazistische Äußerungen, ohne sich selbst in dieser Richtung zu engagieren – ein Vorwurf, mit dem sich die Band noch heute auseinandersetzen muss.

38 Anm. d. Verf.: Andreas POHL, Schlagzeuger der Skinhead- Band

„KRAFT DURCH FROIDE“, war u.a. führender Aktivist der verbote-nen Neonazi- Vereinigung „Nationalistischen Front“ (NF).

Abb.3: „BÖHSE ONKELZ“- Publikum am 9.11.1985 in Berlin.

Mitunter ließen sich aber auch die Musiker der „BÖHSEN ON-KELZ“ selbst zu nationalsozialistischen Posen hinreißen. Sänger Kevin RUSSELL, das populärste der vier Bandmitglieder wäh-rend der Skinhead- Phase der Gruppe, soll Anfang der 80- er Jahre schon mal auf Anfragen von Journalisten mit „Deut-schem Gruß“ posiert haben. Beim R.A.C.- Auftritt dichtete er die Textzeile des „Deutschland“- Liedes „Schwarz- Rot- Gold, wir stehen zu Dir!“ spontan um in „Schwarz- Weiß- Rot, wir

ste-hen zu Dir!“39, wodurch sich die ursprüngliche Intention des Titels entscheidend veränderte.

Seit ihrer Abwendung von der Skinhead- Szene will die Band solche und ähnliche Ereignisse aus den musikalischen An-fangsjahren als Form der Rebellion gegen die bürgerliche Ge-sellschaft, nicht aber als politisch motivierte Äußerung, ver-standen wissen. So rechtfertigte sich WEIDNER 1997 für in der Vergangenheit vorgefallene nationalsozialistische Gesten der

„BÖHSEN ONKELZ“ in einem Interview mit der Musikzeitschrift

„Metal Hammer“.

„Das war einfach blöd, reine Dummheit. Man sollte aber ei-nem Jugendlichen zugestehen, dumm zu sein. [...] Du kannst so jemanden nicht mit Gewaltverbrechern gleichstellen, die sechs Millionen Juden umgebracht haben. [...] Der Hitlergruß ist eines der wenigen Dinge, die in unserem Staat noch pro-vozieren können. Die Leute, die den Arm heben, wissen doch gar nicht, was sie da machen.“40

Die Herausforderung der Umwelt mit Hilfe von NS- Symbolik schlägt sich auch in einem Liedtext „Böhse Onkelz“ vom ers-ten Album der Band nieder. Die „ONKELZ“ feiern sich hier selbst und provozieren dabei mit nationalsozialistischem Sprachgebrauch.

39 (Bootleg): BÖHSE ONKELZ: CD „Der nette Mann – Live in Lübeck

`85“, erschienen 1998.

40 WECKMANN, Matthias: „Wir hätten es nicht anders haben wollen“, In: New Rock & Metal Hammer 12/1997, S.21.

„Wir saufen mit links und herrschen mit der Rechten.

Wir sind die Herrscher Frankfurts, Könige der Nacht.

Wir sind die Macht, also spielt unsere Hymnen. [...]

Spürt Ihr die Kraft, die Euch umringt?

Wir sind Euer Wille, wir werden Euch führen.

Gemeinsam werden wir die Welt regieren.

Wir sind ‚BÖHSE ONKELZ‘ und machen, was uns gefällt.

Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt!“41

Im Indizierungsbericht der BPjS bleibt die beabsichtigte De-monstration des eigenen Selbstbewusstseins unberücksichtigt.

Das Lied „Böhse Onkelz“ wird als jugendgefährdend einge-stuft,

„[...] weil es die nationalsozialistische Ideologie unreflektiert übernimmt und deren Gedankengut übernimmt. Deutsch-land wird als einzige Macht beschrieben. Das deutsche Volk ist das einzige wertvolle, alle anderen Völker zählen nichts.

Rassistische Tendenzen treten offen zu Tage. Der nationalisti-sche Staat wird als erstrebenswertes Ziel dargestellt.“42

41 (Bootleg) BÖHSE ONKELZ: „Böhse Onkelz“, CD „Der nette Mann + Demos“, 1992.

42 BPjS: Entscheidung Nr. 2638 (V), S. 8.

Die provozierende Selbstinszenierung der „BÖHSEN ONKELZ“

wird als neonazistische Propaganda ausgelegt. Falsche Text-abschriften im Indizierungsbericht der BPjS kommen hinzu. Die Passage „Wir sind die Herrscher Frankfurts, Könige der Nacht“

wird mit „Wir sind die Herrscher und Könige der Macht“43 ver-fälscht zitiert. Der lokal- patriotische Bezug des Liedes zur Heimatstadt der Musiker wird somit übersehen. Derartige Fehl-interpretationen trugen erheblich zum rechtsextremistischen Ruf der „BÖHSEN ONKELZ“ bei. Diese wiederum erkannten nicht, dass sie durch ihre Form der „Provokation“ und ihre Passivität gegenüber neonazistischen Einflüssen auf die Skin-head-Szene zur Isolation und gesellschaftlichen Ächtung ihrer eigenen Subkultur beitrugen. Stattdessen stilisiert man sich selbst zu Opfern von Verleumdungen und Medienhetze. Auf dem zweiten Album der „BÖHSEN ONKELZ“, der 1985 veröf-fentlichten Schallplatte „Böse Menschen – Böse Lieder“, wel-che noch klar der Skinhead- Phase zuzurechnen ist, wird dies deutlich:

„Wir tragen alle Hakenkreuze, Skinheads haben nur Gewalt im Sinn

ist es das was ihr hören wolltet, daß wir hirnlose Schläger sind?

[...] In den Medien steht es immer wieder, dass wir Schlägertrupps für Nazis sind

43 BPjS: Entscheidung Nr. 2638 (V), S. 7.

Doch wir haben uns nichts vorzuwerfen, denn es ist ihr Gerede das stinkt.

Lüge, alles Lüge, Lüge, alles Lüge, Lüge!

Wir sind häßlich, brutal und gewalttätig, wir schrecken vor nichts zurück.

Wir sind häßlich, brutal und gewalttätig, wir sind total ver-rückt.“44

Mit Zynismus reagiert die Band auf den Vorwurf, Neonazismus und Gewalt zu schüren. Die Erkenntnis, teilweise selbst zum schlechten Ruf der Skinhead- Szene beigetragen zu haben, wird verdrängt, die Schuld hierfür der Presse zugewiesen. Das Gefühl, zu Unrecht diffamiert zu werden, ist prägend für die gesamte Karriere der Band. Bis heute sehen sich die „ONKELZ“

einem Zustand von „Hysterie und Hexenjagd“45 ausgesetzt, für den vorrangig die Medien verantwortlich gemacht werden, und das, obwohl sich die Gruppe mittlerweile zu einer der populärsten deutschen Rock- Bands entwickelt hat.

3.4. Das Verhältnis der „BÖHSEN ONKELZ“ zur

Im Dokument Jugendhintergrund und Psychologie (Seite 130-138)