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Jugendarbeit in der Kommune – ein Beispiel

Im Dokument Jugendhintergrund und Psychologie (Seite 94-98)

Möglichkeiten und Grenzen der Ju- Ju-gendarbeit mit rechtsextremistischen

2 Jugendarbeit als Handlungsstrategie gegen Tendenzen bei rechtsextremistischen

2.3 Jugendarbeit in der Kommune – ein Beispiel

Gifhorn ist eine Kleinstadt mit etwa 45.000 Einwohnern im öst-lichen Niedersachsen. Auch hier, am Südrand der Lüneburger Heide, wo die Ise in die Aller mündet, gibt es, wie wohl fast überall in Deutschland, Jugendliche, die rechte Denk- und Handlungsweisen zu ihrer Maxime machen. Jüngstes Beispiel dafür ist die Entstehung einer Internet-Seite der „Kamerad-schaft Gifhorner Reichssturm“ im Dezember des letzten Jah-res. Aufgrund der darauf zu findenden detaillierten Anleitung zum Bombenbau stellt diese Homepage aus Sicht des Lan-desamtes für Verfassungsschutz Niedersachsen eine neue Qualität für Norddeutschland dar. Erstellt und ins Internet ein-gespeist wurde diese Seite jedoch nicht, wie vom Spiegel noch am 11. Dezember 2000 geschrieben wurde, von einer

„Nazi-Truppe“33, sondern, wie später bekannt wurde, von zwei Schülern eines Gifhorner Gymnasiums im Alter von 15 und 16 Jahren. Dabei handelte es sich keineswegs um Ju-gendliche mit einem gefestigten rechtsextremen Weltbild.

Diese Jugendlichen waren nach eigenen Aussagen jahrelang in ihrem Wohngebiet von Jugendlichen aus Spätaussiedler-familien drangsaliert worden. In ihrem Frust erfolgte dann ei-ne Hinwendung zu rechten Orientierungen, die in das Erstel-len dieser Internet-Seite mündete.34 Dieser Hintergrund kann

33 Spiegel vom 11. Dezember 2000, Online im Internet: URL:

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,107026,00.html (Stand: 10.01.2001), siehe Anlage

34 Vgl. Aller-Zeitung vom 17.01.2001, Online im Internet: URL:

http://news.aller-zeitung.de/AZ/Lokalnachrichten/

(Stand: 17.01.2001), s. Anlage

und darf die darauf gefolgte Tat natürlich in keinster Weise entschuldigen, kann diese aber zumindest zum Teil erklären und deutlich machen, dass es bei Jugendlichen die unter-schiedlichsten, in ihren individuellen Alltags- und Lebenserfah-rungen begründeten Ursachen für eine Hinwendung zum Rechtsextremismus gibt. Gerade solche Jugendliche müssen Ziel einer präventiven Jugendarbeit sein, auch weil in solchen Fällen eine reelle Erfolgschance besteht.

Größere Probleme bereiten in Gifhorn allerdings zahlreiche Jugendcliquen, die keine Jugendclubs oder ähnliches aufsu-chen und somit faktisch ‚auf der Straße herumhängen‘. Wäh-rend es vor einigen Jahren erst etwa 20 solcher Cliquen gab, ist ihre Zahl mittlerweile auf über 60 angestiegen.

Der Verbesserung der Situation dieser Jugendlichen hat sich in Gifhorn das sogenannte ‚Gifhorner Plenum‘ angenommen.

Das Gifhorner Plenum ist ein seit 1998 bestehender Arbeitskreis aus Vertretern aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen.35 Einmal im Monat treffen sich im Gifhorner Rat-haus 26 Vertreter aus 22 verschiedenen Organisationen: Stadt- und Kreisjugendförderung, Kreisjugendring, Kinderschutzbund, Polizei, Schulen, alle im Gifhorner Stadt- und Kreisrat vertrete-nen Parteien, Kirchengemeinden, Gesundheitsamt, Natur-schutzorganisationen, das Kolping-Jugendgemein-schaftswerk, die Kreisvolkshochschule und andere Einrichtungen sind dabei vertreten. Alle zusammen bilden mit dem Gifhorner Plenum eine Art „Ideenpool für die heimische

35 Gifhorner Rundblick vom 03. Dezember 2000, S. 3

Jugendarbeit“.36 Man will dadurch vermeiden, in der jeweili-gen Jujeweili-gendarbeit aneinander vorbei zu arbeiten. Gemein-sam hat man in der Vergangenheit schon einiges auf die Bei-ne gestellt: Es wurden Vorträge, DiskussioBei-nen und Podiumsgespräche organisiert. Um der Kriminalisierung der Sprayer entgegenzuwirken, werden regelmäßig legale Graffi-ti-Aktionen geplant und durchgeführt. In einer groß angeleg-ten Fragebogenaktion wurden Gifhorner Schüler nach ihren Freizeitgewohnheiten befragt, um herauszufinden, wie und wo sie ihre freie Zeit überhaupt verbringen und welche Ange-bote sie vermissen.37 Es wurde eine Betreuung der örtlichen Schulhöfe eingerichtet und durchgesetzt, dass diese auch zum Teil am Nachmittag den Jugendlichen zur Verfügung stehen, um ihnen somit mehr Freiräume zu schaffen. Mit der örtlichen Verkehrsgesellschaft wurde die Problematik „Ge-walt in Schulbussen“ thematisiert und ein Faltblatt erstellt.38 Die Palette der seit 1998 durchgeführten Aktionen ließe sich noch beliebig erweitern. Mit all diesen und ähnlichen Aktio-nen will man einer Verdrängung und Abgrenzung der Ju-gendlichen entgegenwirken.

Seit dem 09. Januar 2001 wird in Gifhorn eine vom Gifhorner Plenum geplante und vom Landkreis und der Stadtjugend-förderung mitfinazierte Plakataktion gegen Rechtsextremis-mus und Fremdenfeindlichkeit unter dem Motto „Für Toleranz

36 Vgl. Gifhorner Rundblick vom 17. Dezember 2000, S. 23

37 Vgl. Gifhorner Plenum/ Fragebogen: „Wo verbringst Du Deine Freizeit?“, siehe Anlage

38 Vgl. Gifhorner Rundblick, FN 36

– gegen Fremdenfeindlichkeit“ durchgeführt. Es werden etwa 4000 Handzettel verteilt, 400 Plakate in den Schaufenstern der örtlichen Geschäfte aufgehängt und fünf über drei Meter ho-he und somit nicht zu überseho-hende Großplakate an allen Gif-horner Ausfallstraßen aufgestellt. Es ist eine Anzeigenkam-pagne geplant, in der sich prominente Gifhorner gegen Rechtsextremismus bekennen und im April soll in Gifhorn ein Theaterstück aufgeführt werden, in dem das Thema Rechtsex-tremismus thematisiert wird.39 Weiterhin soll ein Workshop zum Thema „Gewalt“ stattfinden, in dem Lehrer, Erzieher, Ju-gendpfleger usw. unter anderem Grundlinien konstruktiver Konfliktlösungen erlernen sollen, um bei Konflikten unter Ju-gendlichen richtig einschreiten zu können.40 Ebenfalls geplant ist es, demnächst ein Benefizkonzert durchzuführen, dessen Erlöse Opferkreisen zugute kommen sollen.

Alle diese Aktionen begleiten die Ausstellung „Demokratie gegen rechts“, die das Landesamt für Verfassungsschutz Nie-dersachsen Ende Februar in Gifhorn präsentiert. In dieser Wanderausstellung geht der niedersächsische Verfassungs-schutz unter anderem auf das Prinzip der wehrhaften Demo-kratie, auf rechtsextremistische Organisationen und Strafta-ten, sowohl national, als auch international, auf Täter-Opfer-Profile und auf die Bedeutung von Musik und neuen Medien

39 Vgl. Aller-Zeitung vom 15. Dezember 2000 und vom 10. Januar 2001, S. 16

40 Vgl. Aller-Zeitung vom 12. Januar 2001, S. 12

für die rechtsextremistische Szene ein.41 „Die Ausstellung allein würde wenig Wirkung erzielen“42, so ist man sich im Gifhorner Plenum einig. Deshalb hatte man sich überlegt, parallel zu der Ausstellung all die oben beschriebenen Aktionen durchzu-führen und auch Einladungen an alle Gifhorner Schulen zu verschicken, Grundschulen ausgenommen. So scheint der Verfassungsschutz gerade bei der Präsentation solcher Aus-stellungen, was ja auch eine präventive Jugendarbeit sein kann, auf die Mithilfe und die Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Organisationen angewiesen zu sein, um überhaupt einen Zugang zu Jugendlichen zu erreichen.

Das Beispiel Gifhorns macht also deutlich, was in einer ’kon-zertierten Aktion‘ möglichst vieler gesellschaftlicher Einrich-tungen erreicht werden kann. Es läßt aber auch erahnen, dass eine isolierte Jugendarbeit für sich alleine nur wenig zu erreichen vermag. Darauf soll im Folgenden näher einge-gangen werden.

3 Jugendarbeit als Teil eines

Im Dokument Jugendhintergrund und Psychologie (Seite 94-98)