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Phase des Kraftanstiegs nach der Entdehnung zurückgedehnt.

Für alle Messungen werden die Enden der Muskelfaser zu Beginn im Rigor chemisch fixiert und durch zwei Klebungen an Kraftaufnehmer und Längengeber befestigt (siehe Material und Methoden). Geben die Fasern trotz Klebens und Fixierens dennoch nach, kann dies zu geringen Streuungen der Messergebnisse für die Messung der Fasersteifheit vor allem unter Rigorbedingungen führen. In diesem Fall ergeben sich durch die dehnbaren Enden falsch niedrige Ergebnisse. Ebenso kann es trotz genügender Fixierung bei Aktivierung der Faser und Registrierung der Daten zu unterschiedlichem Verhalten auf Sarkomerenebene kommen.

Mittlere Bereiche der Muskelfaser könnten sich stärker verkürzen als weiter am Fixationsrand gelegene äußere Bereiche. Daher wird bei der Steifheitsmessung die Sarkomerenlänge des untersuchten Abschnitts statt der Gesamtlänge der Muskelfaser registriert, um solchen Ungenauigkeiten vorzubeugen. Die Sarkomerenlänge wird bei sämtlichen hier durchgeführten Steifheitsmessungen mit Hilfe der Laserdiffraktion bestimmt (siehe Material und Methoden).

Schließlich zeigte sich bei Messungen der isometrischen Kraft für die Mutation Arg 723 Gly sowie bei Messungen des Kraftwiederanstiegs (kred) bei der Mutation Arg 453 Cys, dass zwar bei 10°C und 20°C ein Anstieg gegenüber Kontrollfasern zu verzeichnen war. Jedoch war dieser Anstieg bei 10°C nicht signifikant. Als Grund dafür ist anzunehmen, dass zwar die Messungenauigkeit (Signalrauschen) und die Ableseungenauigkeit bei 10°C und 20°C etwa gleich sind, jedoch ist das Signal bei 20°C deutlich größer als bei 10°C und damit ist auch das Signal-Rausch-Verhältnis günstiger. Dadurch kann der Unterschied von Fasern mit Mutation zu Wildtyp-Fasern genauer bestimmt werden.

Welche Mechanismen liegen den gemessenen Mutationseffekten zugrunde?

Sowohl die Mutation Arg 723 Gly, als auch die Mutation Arg 453 Cys führen zu einer Steigerung der isometrischen Kraftentwicklung. Da sich die jeweiligen Mutationen in verschiedenen Funktionsbereichen des Myosinkopfes befinden, ist es denkbar, dass sie unterschiedlichen Einfluss auf die Querbrückenfunktion nehmen. Die mit den in dieser Arbeit untersuchten Mutationen gewonnenen Daten deuten darauf hin, dass hier zwei verschiedene Mechanismen der veränderten Querbrückenfunktion zugrunde liegen könnten.

Wie bereits in der Einleitung beschrieben, hängt die Kraftentwicklung einer Muskelfaser bei maximaler Calciumkonzentration prinzipiell von drei Faktoren ab (Brenner, 1988). 1.) Sie ist von der Anzahl (pro Halbsarkomer) der überhaupt für die Kraftentwicklung verfügbaren

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Querbrücken (n) in der Muskelfaser abhängig. Je mehr Querbrücken zur Verfügung stehen, z.B. beim Übergang von nicht vollständiger zu vollständiger Überlappung zwischen Aktin- und Myosinfilamenten im Sarkomer, desto größer ist die Kraftentwicklung. 2.) Die maximale Kraftentwicklung hängt von der Kraftentwicklung der einzelnen Querbrücken (Fmean) ab. 3.) Die Querbrückenkinetik (fapp und / oder gapp) hat ebenfalls Einfluss auf die maximale Kraftentwicklung. Die Kinetik des Querbrückenzyklus, d.h. der Übergang der Querbrücken von nicht-kraftgenerierenden in die kraftgenerierenden Zustände (fapp), beziehungsweise der Übergang von den kraft-generierenden in die nicht kraft-generierenden Zustände (gapp), lässt sich anhand mehrerer funktioneller Parameter untersuchen. Diese sind zum einen die Geschwindigkeitskonstante für den Kraftwiederanstieg (kredev), die maximale lastfreie Verkürzungsgeschwindigkeit (Vmax) sowie die Aktivität der Myosin-ATPase in den Fasern. Im weiteren Verlauf werden diese Parameter zusammenfassend als Kinetik-Parameter bezeichnet.

Da sich die beiden Mutationen Arg 723 Gly und Arg 453 Cys in der Kopfdomäne des Myosinmoleküls befinden, ist ein Einfluss der Mutationen auf die Zusammenlagerung der Myosinfilamente über den α-helikalen Schaft höchst unwahrscheinlich. Das heißt, durch diese Mutationen sollte sich der Aufbau der Myosinfilamente und damit die Anzahl der insgesamt verfügbaren Querbrücken (n) bei unveränderter optimaler Überlappung von Aktinfilamenten und Myosinfilamenten nicht ändern, wie es für die Mutation Arg 719 Trp gezeigt wurde (Köhler et al. 2002). Somit kann der Anstieg der maximalen Kraft Fmax für beide Mutationen nur durch Änderungen von Fmean und / oder der Querbrückenkinetik (fapp und / oder gapp) verursacht sein.

Converter-Mutation Arg 723 Gly

Die maximale isometrische Kraftentwicklung Fmax von Muskelfasern mit der Mutation Arg 723 Gly war bei 10 °C und 20 °C gesteigert. Die Ursache für diesen Anstieg kann anhand der drei Kinetik-Parameter (Vmax, ATPase-Aktivität und kredev) und anhand der Kraftentwicklung pro Querbrücke (Fmean) untersucht werden.

Die Messung der maximalen lastfreien Verkürzungsgeschwindigkeit Vmax ergab für Muskelfasern von FHC-Patienten mit der Mutation Arg 723 Gly keine statistisch signifikante Änderung gegenüber den Kontrollfasern. Die Geschwindigkeitskonstante für den Übergang der Querbrücken aus den kraftgenerierenden in die nicht-kraftgenerierenden Zustände stellt den geschwindigkeitsbestimmenden Parameter des Querbrückenzyklus während des schnellen Gleitens der Filamente bei isotonischer Kontraktion (g2) dar. Unseren Untersuchungen

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zufolge bleibt Vmax und damit g2 hier unverändert, das heißt, der Querbrückenzyklus unter isotonischen Bedingungen wird durch die Mutation Arg 723 Gly nicht beeinflusst.

Die Messung der Geschwindigkeitskonstanten für den Kraftwiederanstieg, kredev zeigte bei 10

°C und 20 °C keinen signifikanten Unterschied zwischen Fasern mit der Mutation und der Kontrolle. Somit lässt sich auch unter isometrischen Bedingungen kein Einfluss der Mutation auf die Querbrückenkinetik, insbesondere auf fapp, ableiten.

Die Messung der ATPase-Aktivität zeigt für die Mutation Arg 723 Gly eine kleine, statistisch jedoch nicht signifikante Reduktion gegenüber der Kontrollgruppe. Dies deutet in Übereinstimmung mit den Messungen von kredev auf eine unveränderte Querbrückenkinetik unter isometrischen Bedingungen hin. Somit ergibt die Querbrückenkinetik keine Erklärung für die gesteigerte Kraftentwicklung dieser Muskelfasern. Um die beobachtete Kraftsteigerung zu erklären, wäre gemäß Gleichung {1} entweder eine Zunahme von fapp oder eine Abnahme von gapp oder beides zu erwarten. Basierend auf Gleichungen {1}, {2} und {4}

haben wir kredev und die ATPase-Aktivität der Muskelfasern für eine Zunahme von fapp und / oder Abnahme von gapp berechnet und versucht, einen Anstieg der aktiven Kraft um 15 - 20%

für die Mutation Arg 723 Gly zu simulieren. Daraus ergibt sich, dass dem Kraftanstieg entsprechend Änderungen von fapp und/oder gapp in jedem Falle mit einer signifikanten Änderung von ATPase und kredev verbunden wären. Wenn beispielsweise ein 20 %-iger Anstieg von Fmax durch eine Zunahme von fapp (+47 %) und eine Abnahme von gapp (-30 %) entstehen würde, so müsste kredev um 23 % ansteigen und die ATPase-Aktivität um 16 % abnehmen. Dafür gibt es jedoch keine experimentelle Evidenz.

Eine alternative Erklärung für einen Anstieg der isometrischen Kraftentwicklung mit der Mutation Arg 723 Gly ist eine mögliche Veränderung der Steifheit und daraus resultierend auch der Kraftentwicklung der einzelnen Querbrücken, Fmean, die mit Hilfe von Steifheitsmessungen, insbesondere unter Rigorbedingungen, überprüft werden kann. Da im Rigor alle Querbrücken fest an Aktin gebunden vorliegen (Cooke und Franks, 1980; Lovell und Harrington, 1981), würde eine Erhöhung der Fasersteifheit durch eine Mutation eine Erhöhung der Steifheit der einzelnen Myosinköpfe bedeuten. Für die Mutation Arg 723 Gly, die im Bereich der Konverter-Domäne lokalisiert ist, würde dies eine reduzierte elastische Verformbarkeit der Konverter-Domäne und damit eine erhöhte Kraftentwicklung unter isometrischen Bedingungen bedeuten.

Für Muskelfasern von FHC-Patienten mit der Mutation Arg 723 Gly haben die Untersuchungen in der Tat eine erhöhte Fasersteifheit ergeben. Die Fasersteifheit im Rigor war um etwa 39 % höher, die aktive Steifheit war, wie von Seebohm gezeigt (2007, 2009), um

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ca. 38 % erhöht. Daraus lässt sich eine gesteigerte Kraftentwicklung pro Querbrücke (Fmean) mit der Mutation Arg 723 Gly ableiten, da die von einem Myosinkopf generierte isometrische Kraft u.a. von der Steifheit der Querbrückenelastizität, d.h. der Verformbarkeit des Myosinkopfes abhängt. Ist diese Verformbarkeit wie hier durch eine Mutation reduziert (höhere Steifheit), so entsteht bei den kraftgenerierenden Umlagerungen (elastische Deformation) des Myosinkopfes unter isometrischen Bedingungen eine größere Kraft (Seebohm et al., 2007, 2009).

Mutation Arg 453 Cys, nahe der Nukleotidbindungstasche

Bei Muskelfasern von FHC-Patienten mit der Mutation Arg 453 Cys zeigte sich ebenfalls eine deutliche, statistisch signifikante Erhöhung der maximalen isometrischen Kraft Fmax, sowohl bei einer Temperatur von 10°C, als auch bei 20°C. Es stellt sich die Frage, ob sich die gesteigerte Kraftentwicklung der Muskelfasern über die Kinetik-Parameter oder die Steifheitsmessung erklären lässt.

Die Messungen der Fasersteifheit im Rigor ergab keine signifikanten Änderungen durch die Mutation Arg 453 Cys im Vergleich zu den Kontrollfasern. Dies bedeutet, dass als Erklärung für die gesteigerte Kraftentwicklung am ehesten eine Veränderung der Querbrückenkinetik-Parameter (Vmax, kredev, ATPase-Aktivität) in Frage kommt.

Für eine kinetische Analyse des Querbrückenzyklus wurden Messungen der Faser-ATPase-Aktivität durchgeführt. Die Messung der ATPase-Faser-ATPase-Aktivität für Fasern von FHC-Patienten mit der Mutation Arg 453 Cys ergab eine statistisch signifikante Erhöhung gegenüber den Fasern aus der Kontrollgruppe.

Die Bestimmung der Geschwindigkeitskonstanten für den Kraftwiederanstieg (kredev) zeigte einen deutlichen, statistisch signifikanten, Anstieg bei einer Temperatur von 20°C um etwa 24 %. Auch bei 10°C war eine Erhöhung von kredev um 18 % messbar. Dies deutet auf eine Veränderung der Geschwindigkeitskonstanten fapp und / oder gapp hin. Die gemessene erhöhte Kraftentwicklung würde bedeuten, dass fapp größer oder gapp kleiner sein muss, oder dass beide Veränderungen gleichzeitig auftreten, damit der Quotient fapp/gapp größer wird (Brenner, 1988). Dadurch würden sich mehr Querbrücken in den hochaffinen, kraftgenerierenden Zuständen befinden und die resultierende Kraftentwicklung wäre gesteigert. Basierend auf den Gleichungen {1}, {2} und {4} haben wir berechnet, wie sich fapp beziehungsweise gapp mit der Mutation Arg 453 Cys verändert haben müssen, um einen Anstieg von Fmax, ATPase

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und von kredev zu bewirken. Es ergibt sich, dass, wie erwartet, am besten eine kleine Abnahme von gapp (ca. -5 %) und eine deutliche Zunahme von fapp (mindestens +50 %) die durch die Mutation bewirkten Veränderungen von Fmax, ATPase und kredev weitgehend erklären können.

Dabei ist jedoch der Anstieg der Kraftentwicklung mit Mutation nicht in vollem Umfang erklärbar. Dies könnte zum einen daran liegen, dass die experimentellen Bedingungen (Zusammensetzung der Lösungen) bei den Messungen von Fmax und ATPase nicht genau gleich waren. Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass möglicherweise auch durch die Mutation Arg 453 Cys die Steifheit und die Kraft pro Querbrücke (Fmean) etwas ansteigt, wodurch auch die Gesamtkraft (Fmax) der Faser ansteigen würde. Dies könnte man an dem geringfügigen Anstieg der Fasersteifheit im Rigor ableiten. Alle Änderungen der Rigorsteifheit mit der Mutation Arg 453 Cys sind nicht signifikant, sodass insgesamt aus den Experimenten abzuleiten ist, dass diese Mutation in erster Linie die Querbrückenkinetik verändert.

Die hier postulierte Änderung von fapp und/oder gapp sollte gemäß Gleichung {3} genauso wie ein Anstieg der Steifheit pro Querbrücke (Smean, vgl. Mutation Arg 723 Gly) zu einem Anstieg der Fasersteifheit unter isometrischen Bedingungen führen. Hierzu liegen jedoch noch keine ausreichenden Messungen an Fasern mit der Mutation Arg 453 Cys vor. Beide Veränderungen (Abnahme von gapp und Zunahme von fapp) sind auch konsistent mit dem Effekt der Mutation auf die Calciumempfindlichkeit der Muskelfasern (pCa-Kurve). Sowohl eine isolierte Abnahme von gapp als auch eine Zunahme von fapp hätte eine Linksverschiebung der Kraft-Calcium-Kurve zur Folge (Brenner PNAS 85, 1988), wobei der Effekt von fapp hier deutlich überwiegt. Dementsprechend ist auch eine kleine, wenn auch nicht signifikante Verschiebung des pCa50-Wertes zu geringerer Calciumkonzentration durch die Mutation erkennbar.

Die Messung der maximalen lastfreien Verkürzungsgeschwindigkeit (Vmax) ergab nur bei 10°C einen jedoch nicht signifikanten Anstieg im Vergleich zu den Kontrollfasern. Dies könnte auf eine veränderte Querbrückenkinetik, möglicherweise einen Anstieg der isotonischen Geschwindigkeitskonstanten g2 hindeuten. Dies ist dennoch konsistent mit einem Anstieg von fapp unter isometrischen Bedingungen, da bei lastfreier Verkürzung mit maximaler Geschwindigkeit g2 (ADP-Abdissoziation) geschwindigkeitsbestimmend ist, nicht fapp.

Auswirkungen der Mutation Arg 453 Cys auf die Kraft-pCa-Kurve der Fasern

Für die Messung der Abhängigkeit der Kraft von der Calciumkonzentration zeigen vorausgegangene Arbeiten für M. soleus-Fasern von FHC-Patienten mit der Mutation Arg 723

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Gly eine verminderte Calciumsensibilität mit Rechtsverschiebung der Kraft-pCa-Beziehung (Kirschner et al., 2006). Zur ausführlichen Interpretation der Ergebnisse sei auf diese Arbeit verwiesen.

Für die Mutation Arg 453 Cys ergab sich im Mittel aufgrund der Variabilität zwischen den Kurven für die einzelnen Fasern keine signifikante Verschiebung der Kraft-pCa-Beziehung, es war lediglich ein Trend zu höherer Calciumempfindlichkeit (Linksverschiebung der Kurve) mit der Mutation Arg 453 Cys und eine erhöhte Calciumempfindlichkeit vor allem bei geringeren Calciumkonzentrationen erkennbar. Auffällig war jedoch die deutlich größere Streuung der pCa-Kurven von Fasern mit der Mutation Arg 453 Cys verglichen mit Kontrollfasern. Fasern mit der Mutation Arg 453 Cys zeigen größere Unterschiede in der Kraftentwicklung bei einer bestimmten Calciumkonzentration als Kontrollen. Ähnliches war bereits bei anderen Mutationen beobachtet worden (Kirschner et al., 2006) und könnte durch eine variable Expression des mutierten Myosins in den einzelnen Muskelfasern der Patienten bedingt sein.

Zusammenhang zwischen Mutationseffekten und Lokalisation der