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Vorrigor-Lösung von 2 -5 °C transferiert. In dieser Lösung erfolgte eine Versteifung der Enden der Muskelfaser mit 5%-igem Glutaraldehyd. Die steifen Enden sind in ihrer Funktion als künstliche Sehnen zu betrachten, was die Stabilität der Faserenden erhöht und damit zu einer stabileren Querstreifung (“striation pattern“) führt (Brenner, 1983). Anschließend erfolgte der Transfer in eine Relaxationslösung (Ionenstärke 120mM). In dieser wurde die an den Enden chemisch fixierte Faser ein zweites Mal mit Gewebekleber, wie oben beschrieben, nachgeklebt, um eine stabilere Befestigung an Kraftaufnehmer und Längengeber zu erlangen.

Für die Messungen musste die Faser zwischen Kraftaufnehmer und Längengeber so ausgerichtet werden, dass sie horizontal und gerade aufgespannt war. Durch Projektion eines Helium-Neon-Lasers auf die Faser konnte man ein Diffraktionsbild der Sarkomerenstruktur erzeugen. Alle Fasern wurden auf eine Sarkomerlänge von 2,4 µm gestellt. Nach Einstellen dieser Sarkomerlänge wurde die Gesamtlänge der Faser gemessen, abzüglich der fixierten Enden, da diese nicht zur Kontraktion der Faser beitrugen. Die Gesamtlänge der Faser geht in die Berechnung der Verkürzungsgeschwindigkeit ein. Unter der Annahme, dass menschliche Muskelfasern einen etwa elliptischen Querschnitt besitzen, wurde jeweils an der dünnsten und breitesten Stelle der Horizontaldurchmesser abgelesen (d1 = 2 r1, d2 = 2 r2). Nach der Formel {8} A = π · ½ d1 · ½ d2

wurde anschließend die Querschnittsfläche berechnet.

Die Versuchsapparatur

Die mechanischen Versuche wurden an einer von Prof. Dr. B. Brenner konstruierten Apparatur durchgeführt, welche für die aktuellen Versuche nicht modifiziert wurde. Bezüglich mechano-optischer und elektronischer Details sei daher auf die Habilitationsschrift von Prof. Dr. Brenner, die Dissertationsschrift von Dr. R. Stehle und weitere Publikationen der Arbeitsgruppe verwiesen (Brenner, 1983; Brenner, 1986; Yu und Brenner, 1989; Stehle, 1994; Kraft et al., 1995; Köhler et al., 2002). Die zwischen Längenmesser und Kraftaufnehmer eingespannte Muskelfaser konnte in drei verschiedene Kammern transferiert werden. Die Kammern wurden mit den unterschiedlichen Versuchslösungen befüllt. Mit dem über ein feedback-System adjustierbaren Längengeber konnte die Faser entsprechend gedehnt, entspannt oder bei konstanter Gesamtlänge gehalten werden. Über den Kraftaufnehmer konnte während der Versuchsreihen die Kraftentwicklung gemessen werden.

Für die Messung der ATPase-Aktivität wurde die bereits beschriebene Apparatur in ein geschlossenes Kreislaufsystem modifiziert. Die Versuchslösung zirkulierte mithilfe einer

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Rollerpumpe in diesem Kreislauf. Der Rollerpumpe nachgeschaltet war eine Durchflussküvette (GE Healthcare) mit einem Fassungsvolumen von 5 µl zur Messung der Absorption. Bevor die Versuchslösung die Messkammer (Durchflusskammer) erreichte, passierte sie den temperierten Kammerblock aus V4A-Stahl um die erwünschte Temperatur zu erreichen. In der Messkammer befand sich die montierte Faser. Nach durchqueren der Messkammer erreichte die Versuchslösung erneut die Durchflussküvette zur erneuten Messung der Absorption. Die Durchflussrate betrug 700 µl/min. Das Gesamtvolumen des Systems betrug nur 160 µl. Das kleine Volumen ist eine wesentliche Voraussetzung für die Messung des ATP-Umsatzes einer einzelnen Muskelfaser.

Abb. 12) Seitlicher Blick auf die Versuchsapparatur. Zwischen Längengeber und Kraftaufnehmer wird die Muskelfaser montiert und in die Messkammer gesetzt. Mit Hilfe des invertierten Mikroskops (Objektiv hier nicht in Beobachtungsposition) wird die korrekte Ausrichtung, sowie während des Versuchs die strukturelle Intaktheit der Faser überprüft.

31 Kalibrierung des Kraftaufnehmers

Die Kalibrierung des Kraftaufnehmers erfolgte zunächst mithilfe von Eichgewichten, man bekommt einen Kalibrierwert in mg/mV. Um später mit jeder gemessenen Faser am Ende des Experiments eine Kraftaufnehmerkalibrierung durchführen zu können, wurde diese Eichgewicht-Kalibrierung durch eine Spulenstromkalibrierung ersetzt. Dazu spannte man eine nicht-elastische Verbindung, z.

B. ein menschliches Haar, zwischen Längengeber (Hebel) und Kraftaufnehmer. Über die feste Verbindung zwischen Kraftaufnehmer und Hebel wird durch eine definierte Auslenkung des Hebels ein Kraftsignal erzeugt und gleichzeitig der Spulenstrom registriert. Das dabei registrierte Kraftaufnehmer-Signal in mV wird nun in mg umgerechnet. Man erhält so eine Kalibrierung, bei der eine definierte Hebelauslenkung (mV Spulenstrom) einem bestimmten Kraftsignal (mg) zugeordnet werden kann (mg Kraftaufnehmer/mV Spulenstrom).

Für die Kraftaufnehmer-Kalibrierung wird nach jeder Messung die Faser in Rigor als feste Verbindung zwischen Hebel und Kraftaufnehmer benutzt. Der Hebel wird wieder stufenweise ausgelenkt und Spulenstrom und Kraftsignal registriert. Man erhält so mV Kraftaufnehmer/mV Spulenstrom. Mit Hilfe der zuvor erstellten Kalibrierung (mg Kraftaufnehmer/mV Spulenstrom) kann die Kraftaufnehmer-Kalibrierung für die aktuelle Faser errechnet werden (mg/mV Kraftaufnehmer-Signal). Dies ist eine wichtige Voraussetzung zur Bestimmung der absoluten Kraftentwicklung der jeweiligen Faser. Zwischen den Versuchsreihen zeigten sich geringfügige Unterschiede der Kalibrierfaktoren was u.a. durch die geringfügig unterschiedliche Anklebeposition der Faser sowie die Klebermasse am Kraftaufnehmer bedingt ist. Bei Fasern, die bei der Kalibrierung rissen, konnte keine Einzelkalibrierung durchgeführt werden. Wurden diese Messergebnisse dennoch in die Statistik einbezogen, wurde für sie der Mittelwert der mit dem gleichen Kraftaufnehmer bestimmten Kalibrierfaktoren verwendet, um Absolutwerte zu berechnen.

Kalibrierung des Temperaturreglers

Um konstante und vergleichbare Bedingungen zu gewährleisten, wurde regelmäßig eine Kalibrierung des Temperaturreglers durchgeführt. Die Einstellung und Konstanthaltung der Temperatur erfolgte über einen Peltier-Element. Ein Peltier-Element ist ein elektronisches Bauelement, welches basierend auf dem Peltier-Effekt bei Stromdurchfluss eine Temperaturdifferenz erzeugt. Grundlage für den Peltier-Effekt ist der Kontakt von zwei Halbleitern, die ein unterschiedliches Energieniveau der Leitungsbänder besitzen. Abhängig von Stromstärke und -richtung kühlt sich eine Seite des Elements ab, während die andere Seite sich erwärmt. Der Strom pumpt sozusagen Wärme von einer Seite auf die andere und erzeugt eine

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Temperaturdifferenz zwischen den Platten. Die kühlende Seite ist an der Unterseite der Messkammer befestigt. Die auf der Gegenseite entstehende Wärme muss durch Kühlelemente mit Durchflusskühlung abgeführt werden. Durch Regelung der Stromzufuhr des Peltiers, kann die Temperatur der Kammer entsprechend beeinflusst werden. Mithilfe eines Digitalthermometers (HH-25TC Firma Omega) konnten den Reglerstufen die entsprechenden Temperaturen zugeordnet werden. Zusätzlich wurde vor und während jeder Messreihe regelmäßig die Temperatur kontrolliert und gegebenenfalls adjustiert.

Versuchsablauf

Alle Fasern der Versuchsreihen wurden zu Beginn der Messungen dem gleichen Ablauf unterzogen.

Zunächst wurde die Faser wie oben beschrieben zwischen Kraftaufnehmer und Längenmesser montiert. Anschließend wurde sie in eine sog. Voraktivierungslösung (wie Aktivierungslösung, nur ohne Ca++ transferiert. Es erfolgte eine 5 – 10 minütige Inkubation zur Äquilibration der Faser und zum Eindiffundieren von Enzymen, z.B. Kreatinphosphokinase. Darauf folgte der Transfer in eine Lösung mit hoher Ca++-Konzentration (pCa 4,5 entspricht 10-4 mol/l freies Ca++). Bei einer Temperatur von 10 °C erfolgte nun eine Messung der isometrischen Kraft. Anhand dieser Messung konnte zwischen langsamen und schnellen Muskelfasern differenziert werden. Dies wird nachfolgend ausführlich besprochen.

Anschließend wurden unterschiedliche Versuchsprotokolle an den Fasern durchgeführt, um z. B. die Calciumempfindlichkeit der Kraftentwicklung bei isometrischer Aktivierung (pCa-Kurve), die lastfreie Verkürzungsgeschwindigkeit Vmax und den ATP-Verbrauch unter verschiedenen Bedingungen zu messen. Aufgrund der Belastung der Fasern durch die Messungen war es nicht möglich, bei allen Fasern alle Parameter zu untersuchen. Die verschiedenen Versuchsprotokolle werden im Folgenden beschrieben.

Überprüfung der Myosinisoformen

In dieser Arbeit wurden funktionelle Eigenschaften des β-Myosins in Muskelfasern von zwei FHC-Patienten mit den Mutationen Arg 723 Gly und Arg 453 Cys, sowie von gesunden Kontrollpersonen untersucht. Da die kardiale Isoform der schweren Kette des Myosins (β-MHC) auch in der langsamen Skelettmuskulatur exprimiert wird (Cuda et al., 1993; Fananapazir et al., 1993; Nier et

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al., 1999; Yu et al., 1993), konnten für die Versuchsreihen Muskelfasern aus dem M. soleus verwendet werden. Um sicherzustellen, dass es sich bei allen verwendeten Einzelfasern um Fasern mit β-Myosin (Typ I-Fasern) handelte, wurde folgende Methode zur Unterscheidung zwischen langsamen und schnellen Fasertypen angewandt.

Ein Unterschied zwischen langsamen und schnellen Skelettmuskelfasern besteht in der Kinetik des Querbrückenzyklus. Eine Kombination aus funktionellen Untersuchungen und gelelektrophoretischen Analysen der Myosin-Isoform in der jeweiligen Muskelfaser zeigte, dass auf Basis der Querbrückenkinetik auch eine Unterscheidung zwischen den Muskelfasertypen möglich ist (Köhler et al., 2002; Kirschner et al., 2005). Bei Muskelfasern vom langsamen Typ (MHC I-Isoform) ist eine deutlich geringere lastfreie Verkürzungsgeschwindigkeit Vmax und auch ein langsamer Kraftwiederanstieg kredev nach einer kurzen Phase der lastfreien Verkürzung während isometrischer Kontraktion als bei Fasern mit schnellen Myosinformen zu beobachten (Köhler et al., 2002; Kirschner et al., 2005). Die Bestimmung der Geschwindigkeitskonstante für den Kraftwiederanstieg ist für die Muskelfaser weitaus weniger belastend als die Bestimmung der Verkürzungsgeschwindigkeit Vmax. Daher wurde zur Unterscheidung, ob es sich um eine langsame oder eine schnelle Faser handelt, die hier erstgenannte Methode verwendet.

Nach Befestigung der Faser zwischen Kraftaufnehmer und Längenmesser wurde die Faser bei hoher Ca++-Konzentration (pCa 4,5) bei 10 °C aktiviert und kredev bestimmt. Vorausgegangene Versuche ergaben, dass kredev für langsame Skelettmuskelfasern bei 10 °C etwa zwischen 0,1 s-1 und 0,4 s-1 liegt. Für schnelle Fasern hingegen liegen diese Werte bei 10 °C um 1,4 s-1 ± 0,5. Somit konnten anhand von kredev schnelle Muskelfasern, welche nicht die kardiale Isoform der schweren Myosinketten exprimieren, von den langsamen Fasern unterschieden werden und daher aus der Versuchsreihe genommen werden. Schnelle Fasern wurden grundsätzlich nicht in die Messreihe bzw. Statistik aufgenommen.

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Abb. 13) Registrierung eines Kraftwiederanstiegs nach einem quick release (t = 0 sec) zur Bestimmung der Geschwindigkeitskonstante kredev (Beispiele aus unserem Auswertungsprogramm „APMD“). Links: 63 % der maximalen Kraft erreicht die Faser nach 6,4 Sekunden. Somit ergibt sich eine Zeitkonstante τ von 6,4 sec (kredev

= 0,16 sec-1), was einer langsamen Muskelfaser entspricht. Rechts: Hier erreicht die Faser bereits nach 1,4 Sekunden 63 % der maximalen Kraft. Die Zeitkonstante τ beträgt hier 1,4 sec (kredev = 0,71 sec-1). Dieser Wert liegt im unteren Streubereich der für schnelle Fasern gemessenen Werte.

Messung der maximalen isometrischen Kraft und der Geschwindigkeitskonstanten für den Kraftwiederanstieg

Zu Beginn der Messreihe der maximalen isometrischen Kraft und der Geschwindigkeitskonstanten für den Kraftwiederanstieg wurde die Faser zwischen Kraftaufnehmer und Längenmesser montiert (s.o.) und in eine mit Voraktivierungslösung gefüllte Kammer getaucht. Die benachbarte Messkammer wurde mit Aktivierungslösung befüllt. Diese beiden Kammern unterscheiden sich lediglich in ihrer Calciumkonzentration. Während die Voraktivierungslösung praktisch calciumfrei ist (pCa 9 entspricht 10-9 mol/l freies Ca++), zeigt die Aktivierungslösung eine hohe Calciumkonzentration mit einem pCa-Wert von 4,5.

Die Aktivierungslösung wurde in der Kammer auf eine Temperatur von 10 °C erwärmt. Nach Erreichen der Zieltemperatur wurde die Faser in die Aktivierungslösung transferiert. Die von der Faser durch den Calciumeinstrom bedingte Aktivierung der Aktinfilamente durch Bindung des Calciums an Troponin C führt zu einer Kraftentwicklung der Muskelfaser. Die Faser wurde nicht konstant isometrisch aktiviert, sondern in Abständen von 8 – 10 Sekunden regelmäßig kurzzeitig komplett entdehnt und umgehend wieder auf ihre Ausgangslänge zurückgesetzt (sog. „cycling“).

Dieser Vorgang des kurzzeitigen Entdehnens wird im Folgenden als „quick release“ bezeichnet. Das

„quick release“ ist gekennzeichnet durch eine kurze Zeit (~ 150 ms) der lastfreien Verkürzung der

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Faser. Äußerst wichtig ist diese kurze Phase der lastfreien Verkürzung für die strukturelle Stabilität der Faser. Dabei kommt es zu einer Akkumulation der Querbrücken in den nicht-kraftgenerierenden Zuständen und somit zu einem kurzfristigen Abfall der Kraftentwicklung auf null (Brenner, 1983).

Anschließend wird die Faser auf isometrische Länge zurückgedehnt, es kommt zum Wiederanstieg der Kraft bis das isometrische Kraftplateau erreicht ist. Dieser Vorgang erlaubt die Bestimmung der isometrischen Kraft Fmax (Differenz zwischen isometrischem Maximum und Minimum beim „quick release“) sowie der Geschwindigkeitskonstanten für den Kraftwiederanstieg (kredev) und ist von großer Bedeutung für den Schutz der Sarkomerenstrukturen vor Schädigungen beziehungsweise Mikrotraumen (Brenner, 1983). Ohne regelmäßige „quick releases“ kommt es zu zunehmender Instabilität der Sarkomere. Die quick releases ermöglichen, dass die Rückstellkräfte vor allem des Titins die Myosinfilamente wieder im Sarkomer zentrieren und so einer zunehmenden Unordnung der Sarkomerenstruktur, wie sie während länger andauernden isometrischen Kontraktionen (tetanische Kontraktion) entstehen, entgegenwirken. Kraftsignal und Längenänderung werden über ein Oszilloskop dargestellt und auf einen PC gespeichert. Zur Bestimmung der absoluten Kraftentwicklung der einzelnen Muskelfaser ist es notwendig, die Querschnittsfläche der Faser in die Berechnung einzubeziehen.

Für jede Messbedingung wurden mindestens drei Registrierungen vorgenommen. Aus diesen wurden Mittelwerte gebildet zur Ermittlung der absoluten Werte Fmax und kredev der jeweiligen Faser. Nach Abschluss der Registrierungen wurden die Fasern umgehend in die Voraktivierungslösung zurückgesetzt, um weitere Belastungen der Sarkomerstruktur zu vermeiden.

Die Relaxierung durch den starken Abfall der Calciumkonzentration konnte am Kraftsignal beobachtet werden.

Für die Messung der maximalen Kraftentwicklung bei 20 °C wurden zunächst beide Kammern auf 20 °C erwärmt. Nach Kontrolle der Zieltemperatur erfolgte die Registrierung und Aufnahme der Werte nach demselben Protokoll wie oben bereits erwähnt. Wiederum wurden Fmax und kredev aus mehreren Messungen und Mittelwertbildung bestimmt. Anschließend wurde die Faser ebenfalls in die Voraktivierungslösung zurückgesetzt.

Messung der maximalen isometrischen Kraft bei verschiedenen Calciumkonzentrationen

Eine Messreihe bestand aus der Registrierung der Kraft bei bis zu sieben unterschiedlichen Calciumkonzentrationen. Die Calciumempfindlichkeit der Muskelfasern wurde standardmäßig bei 20 °C, in einer weiteren Messreihe bei 15 °C gemessen. Es wurde nach dem oben beschriebenen Protokoll verfahren. Die Entwicklung der maximalen isometrischen Kraft für die jeweilige

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Calciumkonzentration konnte nach einem quick release wie erwähnt an der Differenz zwischen dem minimalen Kraftsignal beim quick release und dem erreichten isometrischen Kraftplateau berechnet werden.

Um Lösungen mit unterschiedlichen Calciumkonzentrationen zu erhalten, wurde die Voraktivierungslösung mit sehr geringer Calciumkonzentration (enthält 3 mmol/l EGTA) und die Aktivierungslösung (enthält 3 mmol/l Ca++-EGTA) miteinander in bestimmten Verhältnissen gemischt. Aus den Mischungsverhältnissen und der sonstigen Zusammensetzung der Lösungen konnte die freie Ca++-Konzentration berechnet werden (Fohr et al. 1993). Zwischen jeder Messung mit unterschiedlicher Calciumkonzentration wurde die Versuchskammer gründlich mit destilliertem Wasser gespült. Nach Beenden der Messreihe, wurde jede Faser erneut in die Aktivierungslösung mit der höchsten Calciumkonzentration transferiert und aktiviert. Mit dieser abschließenden Messung konnte man gegebenenfalls einen durch den Versuchsablauf bedingten Abfall der Kraftentwicklung durch Schädigungen der Sarkomerenstruktur erkennen.

Die bei verschiedenen Ca++-Konzentrationen gemessenen Werte werden als Kraft-pCa-Kennlinie aufgetragen (Abb. 14) und durch Anpassen einer Kurve die für halbmaximale Kraftentwicklung nötige Ca++-Konzentration (pCa50) ermittelt. Die Kurve wird mit folgender Funktion gefittet:

F(Ca++)/Fmax = (1-k)[Ca++]nH/(EC50nH + [Ca++]nH) + k

Fmax entspricht der Kraftentwicklung bei gesättigter Ca++-Konzentration, F(Ca++) ist die Kraft bei aktueller Ca++-Konzentration der Messung, EC50 ist die nötige Ca++-Konzentration für die halbmaximale Kraftentwicklung (im Text pCa50). nH ist der Hill-Koeffizient, welcher einen Parameter für die Steilheit der Kurve darstellt (Ruegg 1992; van der Velden et al., 2003). Die Kurven wurden mit der Software OriginTM (MicrocalTM Software, Northampton, MA, USA) gefittet.

Abb. 14) Abhängigkeit der maximalen isometrischen Kraft von der Calciumkonzentration

Die Abbildung zeigt ein Beispiel einer Kraft-pCa-Kennlinie. Die Beziehung zwischen Kraft und Calciumkonzentration wird durch eine sigmoidale Kurve beschrieben. Die Kraft wurde auf maximale isometrische Kraft normiert. Die Calciumkonzentration, bei der die Faser 50 % der maximalen isometrischen Kraft entwickelt (EC50), wird als pCa50 bezeichnet und liegt hier bei pCa 5,91 (entsprechend 1,21 10-6 mol/l Ca++).

Messung der maximalen lastfreien Verkürzungsgeschwindigkeit (Slacktest)

Die Messung der maximalen lastfreien Verkürzungsgeschwindigkeit ist mithilfe des “slacktests“

möglich. Diese Methode wurde erstmalig von Edman 1979 beschrieben. Dabei wird eine Muskelfaser in eine Aktivierungslösung überführt. Sobald die maximale isometrisch erzeugte Kraft erreicht wird, d.h. das bereits beschrieben Plateau der Kraftentwicklung nach einer kurzen Phase der Entdehnung (Release) erreicht wird, wird die Muskelfaser um eine definierte Strecke entdehnt. Im Gegensatz zum quick release bei der Messung der maximalen isometrischen Kraft, wird die Faser beim slacktest nicht sofort auf die ursprüngliche Länge zurückgedehnt. Der Längengeber verharrt zunächst in dieser vorgegebenen Position und macht eine Dehnung somit unmöglich. Es wird erst wieder eine aktive Kraftentwicklung registriert, wenn die Faser die Entdehnung (den „slack“) durch eine lastfreie Verkürzung aufgenommen hat. Zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht die Faser dann die Gesamtlänge, die durch die definierte Positionierung des Längengebers vorgegeben wurde.

Ab dann ist das Kraftsignal messbar. Die Zeit, die die Faser dafür benötigt, ist von der Größe der eingestellten Entdehnung und von der Verkürzungsgeschwindigkeit der Faser abhängig. Abbildung 15 zeigt die Registrierung der Fasergesamtlänge und des Kraftsignals während einer Abfolge von Entdehnung, quick release und Rückdehnung. Beim Slacktest werden unterschiedliche Amplituden der Entdehnung untersucht und die Zeit t bis zum Wiederanstieg der Kraftentwicklung gemessen.

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Zu beachten war hier, dass eine ausreichend große Entdehnung gewählt wird, damit die Faser tatsächlich in eine messbare Phase der lastfreien Verkürzung übergeht. Vor der Rückdehnung auf die Ausgangslänge wird, um die Stabilität der Faser besser zu gewährleisten, die Faser erneut kurz entdehnt (quick release). Damit wird verhindert, dass die bereits wieder kraftgenerierende (angespannte) Faser gedehnt wird, was schädlich für die Sarkomerenstruktur wäre. Der hier beschriebene Slacktest wurde bei 10 °C und 20 °C durchgeführt.

Abb. 15) Registrierung von Längen- und Kraftsignal einer M. soleus-Faser während eines Slacktests: Im oberen Abschnitt ist der Verlauf des Gesamtlängensignals (V) während eines Slacktests zu sehen. Die Faser wird um eine definierte Strecke entdehnt und dann für eine kurze Zeit auf dieser verkürzten Länge gehalten, bevor nach einer erneuten vollständigen Entdehnung (quick release) die Rückdehnung auf die isometrische Ausgangslage erfolgt. Darunter ist das Signal des Kraftaufnehmers (mV) zu sehen. Die Zeit (t) bis zum Beginn der aktiven Kraftentwicklung ist von der Größe des Slacks und der lastfreien Verkürzungsgeschwindigkeit der Faser abhängig. (Abbildung aus Luebbe 2004)

0,00 0,05 0,10 0,15 0,20 0,25 0,30 0,35

0 zur Bestimmung der maximalen lastfreien Verkürzungsgeschwindigkeit:

Dargestellt sind Daten einer Reihe von Slacktests an einer M. soleus-Faser bei 20

°C. Die Amplitude der Entdehnung (des Slacks) wurde gegen die Zeit t bis zum Beginn des Kraftwiederanstiegs aufgetragen. Den Messwerten wurde anhand der Gleichung y = 1 / P1 · ln (1 + P1 · P2 · x) + P3 die eingezeichnete Funktion angepasst.

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Die Abbildungen 15 und 16 zeigen die Registrierung und die Auswertung der Messwerte aus den Slacktests einer Faser. Werden die Amplitude der Entdehnung und die Zeit bis zum Beginn des Kraftwiederanstiegs gegeneinander aufgetragen, ergibt sich eine nicht-lineare Beziehung. Diese Kurve lässt sich mit der Gleichung y = 1 / P1 · ln (1 + P1 · P2 · x) + P3 beschreiben. P1 steht für die Krümmung der Kurve, der in erster Linie eine Verformung des Zytoskeletts zugrunde liegt (Brenner 2000). P2 steht für die initiale Steigung, aus der sich unter Berücksichtigung der Gesamtlänge der Faser und eines Kalibrierfaktors für die Umrechnung des Längensignals (Volt) in Längenänderung der Faser (µm) die maximale Verkürzungsgeschwindigkeit Vmax (nm/Halbsarkomer/sec) berechnen lässt. P3 steht für den y- Achsenabschnitt und gibt Aufschluss über die Sehnenelastizität der Faser.

Messung der ATPase-Aktivität

Ein Querbrückenzyklus mit Anheften des Myosinkopfes, Kraftschlag und Ablösen des Myosinkopfes benötigt genau ein Molekül ATP. Dieses wird dabei durch die Myosin-ATPase-Aktivität in ADP und Phosphat gespalten. Dieser Vorgang beschreibt den elementaren Energieumsatz des Muskels. Bei der Messung der ATPase-Aktivität der Faser wird das anfallende ADP mit Phosphoenolpyruvat (PEP) rephosphoryliert zu ATP + Pyruvat (Zusammensetzung der Messlösung siehe Seite 69). Das katalytische Enzym hierfür ist die Pyruvatkinase (PK). Das Pyruvat reagiert wiederum, katalysiert durch die Lakatdehydrogenase (LDH), mit NADH+H+ zu Laktat und NAD+. Der ATP-Umsatz der Muskelfaser wird anhand des Verbrauchs von NADH+H+ spektroskopisch erfasst. Die Absorptionsmaxima von NADH+H+ und NAD+ liegen bei unterschiedlichen Wellenlängen. Während beide ein Absorptionsmaximum bei einer Wellenlänge von λ = 260 nm aufweisen, zeigt NADH+H+ zusätzlich ein Maximum bei λ = 340 nm. Bei dieser Wellenlänge kann die Abnahme von NADH, die proportional zur Bildung von ADP ist, gemessen werden.

Setzt man die Faser nach üblicher Montierung zwischen Kraftaufnehmer und Längengeber in eine Voraktivierungslösung mit niedriger Calciumkonzentration (pCa 9) erhält man ein basales NADH-Signal. Daraufhin transferiert man die Faser in mehreren Schritten in Aktivierungslösungen mit unterschiedlichen Calciumkonzentrationen. Man kann einen Anstieg der NADH-Absorbtionskurve beobachten. Dies entspricht einer Abnahme der NADH-Konzentration. Der Abfall der Konzentration von NADH ist proportional zur ATPase-Aktivität der Muskelfaser. Die Differenz der Änderung des NADH-Signals, vor und nach Aktivierung, entspricht dem ATP-Umsatz. Anhand der Faserlänge und Durchmesser der Muskelfaser sowie dem Gehalt an Myosinköpfen pro Faservolumen [154 pmol S1/µl Faservolumen (Ferenczi et al., 1984)] kann man die Zahl der

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Myosinköpfe berechnen. Daraus kann wiederum zusammen mit dem Umsatz den ATP-Verbrauch pro Myosinkopf berechnet werden, welcher für langsame Fasern aus dem M. soleus von Kontrollpersonen (20°C) bei etwa 0,95 ± 0,09 ATP/(S1 sec) liegt. Voraussetzung für die Versuchsreihe ist eine Versuchslösung, welche PEP, NADH, PK und LDH enthält. Abbildung 17 zeigt ein Beispiel einer Messung und Auswertung des NADH-Signals.

Stabilitätskontrolle der Muskelfasern

Stabilitätskontrolle der Muskelfasern