festzustellen sind. Ein wesentliches
und
wichtigesSymptom
istjedoch die
Ablenkbarkeit. Wohl wenden
sich die Melancholiker auch mit ihrenKlagen und
Bitten an den Arzt, aber dieGesammt-heit ihrer
Umgebung
ist ihnen ziemlich gleichgiltig, da sie viel zu intensiv mit 'ihrem eigenen Affekt beschäftigt sind.Im
Gegensatz besonders auch zu den stuporös-deprimirtenKranken
leidenMelan-43
choliker verhältnismässig
wenig
unterdem Lärm
der Abtheilungund werden
nicht durch irgend welcheVorgänge um
sieherum
inheftigere
Erregung
versetzt. Die zirkulärenKranken
mit erregter Depression jedochknüpfen an
Personenund Vorgänge
in derUm-gebung
an, sie exemplifiziren darauf, sie leiden unter stürmischenSzenen
ihrer Nachbarn, siewerden
in erregterUmgebung immer
un-ruhiger.Eingeworfene
Zwischenfragen beantworten sie, vorgezeigteGegenstände
berühren sie in ihrem Redefluss. DieErregung
trägt einen reaktivenGrundzug.
Deshalb sind therapeutisch bei ihnen Separationund warme
Dauerbäder weit eher angebracht als beiden
Involutionsmelancholikern.
Andere
differential-diagnostische Gesichtspunkte als die Unter-scheidungvon
der Melancholiekommen
bei der agitirten Depressionweniger in Betracht. Höchstens
kann
beieinem Zusammenwirken von
stärkererErregung und Denkhemmung
einmal ein Bildzu Tage
treten, das
an
katatonischeKranken
erinnert; dieUntersuchung muss
hier besonderen
Nachdruck
auf die Abhängigkeitvon
denEindrücken
aus derUmgebung,
die Ablenkbarkeit, die tiefer greifendeGemüths-bewegung
legenim
Gegensatz zu der Einförmigkeit, Manirirtheitund
Unbeeinflussbarkeit des Katatonikers. Schliesslich
können
Erschöpfungs-zustände oder paralytischeErregung
inFrage kommen. Auch
ihnengegenüber ist, ausser
dem
Ergebnis der körperlichenUntersuchung
nebst der ätioligischen Feststellung,immer
die Ablenkbarkeitund
die Steigerungsfähigkeit, sowie die Frischeund
Natürlichkeit derdepressivenErregung
des Zirkulären zu betonen.Wenn
die praktische, prognostische Seite dieser Auffassungauch
nicht
an
dieBedeutung
desmanischen
Stupors heranreicht, sokann doch
gegenüber der beiKranken
vorgeschrittenen Altersam
ehestenmöglichen Fehldiagnose einer Involutionsmelancholie mit ihrem lang-wierigen Verlauf
und
der wenigstens in einem grossen Bruchtheil der Fälle erfolgendenVerblödung immerhin
daraufNachdruck
gelegt werden, dass die agitirte Depression des zirkulären Irreseins eine durchaus günstigePrognose
für den einzelnen Anfall darbietetund
dass der Verlauf,
wenn schon
eine jahrelangeDauer
nicht aus-geschlossen ist, dochauch
einungemein
rascher, nur autWochen
sich erstreckender sein kann.Es
finden sich unter den dieser Darstellung zuGrunde
liegenden Fällenimmerhin
eineganze
Anzahl, dienach
44
mehrwöchiger
Krankheitsdauer bereits inGenesung
überführten; beianderen hingegen handelte es sich
um
Jahrund
Tag, so z. B. indem
weiteroben
skizzirten FallM.
U., der neben mannichfachen anderenSymptommischungen
vorzugsweise die agitirte Depressionim
häufigenWechsel
mitdem
gewöhnlichen manischen Zustand aufwies.Ein paar Fälle, in denen der Mischzustand einer agitirten De-pression
dauernd im Vordergrund
stand, seiennunmehr
in kurzenZügen
geschildert.I. S., Händler
und
Schiffer, ist geborenEnde 1850;
er zeigte sich körperlichund
geistig gut beanlagt; mit 27 Jahren infizirte er sich anLues und
Gonorrhöe. Eine Tochtervon ihm
erkrankte anDementia
praecox.Im
Jahr 1891 ist er psychisch erkrankt im An-schluss an einen Sturz insWasser. Während
des 7wöchigen
Anstaltsaufenthaltswar
erschwer
tobsüchtig, mit Zerstörungssucht, Nahrungsverweigerung, Grössenideen.1896
erkrankte er wieder nacheinem
Sturz insWasser
an einerschweren
Tobsucht, die ihn auf4 Wochen
in die Klinik führte. Bei guter Orientirungwar
er ausser-ordentlich stark motorisch erregt, gewaltthätig, zerstörungssüchtig;Rededrang, Ideenflucht, Reimsucht, dabei sinnlose Grössenideen;
vorübergehend
Angst und Gehörstäuschungen
; einmal kroch Patient in das Abtrittsloch. Patientwurde
wieder geheilt entlassen.Anfang 1898 wurde
er bei der Beerdigung seiner Tochter tobsüchtig, be-drohte denKaplan
mitdem
Messer, entkleidete sich, verweigerte dieNahrung und
hatte deutlichgehobene Stimmung.
Mit vielen Kon-tusionenam
Körperwurde
er in die Irrenklinik gebracht,wo
er imGanzen besonnen
war, lebhafte psychomotorischeErregung und
Rededrang,dazu gehobene Stimmung
zeigte.Er
glaubte, seine Schwester spräche zuihm
; er zerschlug Fensterscheiben, riss sich die Kleidervom
Leibe, wollte nichts essen u. s. w. Deutlichwar
die Ideenflucht; er knüpfte
an
alleAnregungen an und
spann sie weiter.Am
4.Tag war
diegehobene Stimmung
verflogen,während
unter fortdauernderErregung
Patient vielfach kleinmüthige Aeusse-rungen vorbrachte;man
solle ihn z. B. nichtmehr
„Herr S.“ anreden, er sei ja ein einfacher Arbeiter. Die Ideenflucht dauerte noch an„Sind Sie nicht der deutsche Kaiser? Na,
dann
seh' ichnoch
nicht recht, oder sind Sie der Herr Professor oder der KaiserWilhelm
II.?45
Ja, da weiss ich nicht,
was
ich sagen soll;wenn man
die Herren nicht kennt, wirdman
halt irr. Ich hab’ also denGedanken,
wirsollten ein einiges Deutschland haben, keinen Zoll
mehr und
so weiter.So
hab' ich soSachen im
Kopf, ich weiss nicht,wie
ich da draufkomme
;nimmer
so viel Militär,nimmer
so viel Geldzu
zahlen brauchen, einen kernhaften Mittelstandim
deutschen Reich, dass diearmen
Leute zufrieden wären.“Gehörstäuschungen kamen noch
vor; deutlichwar
das Krankheitsgefühl;mehrfach
sagte Patient, dass ernoch
nicht klarim Kopf
sei.Er
fürchtete,man würde
ihn irgendwie in Strafenehmen
; er hätte aberdoch
nichts gethan. DieStimmen
spotteten über ihnund
sagten,man
solle ihn umbringen.Schon
mit 14Tagen
verhielt sich Patient recht ruhig; ermachte noch
ein Erysipel durchund
konntedann
nach 5wöchigem
Aufenthalt geheilt entlassen werden. Körperlichwar
nichtsAbnormes
zu finden.In diesem Falle ist
nach
kurzem, reinmanischem
Eingangs-stadium derMischzustand einerErregung
mitdepressivem Affekt aufge-treten.Wie
diefrüheren, reineren AnfälledesPatienten,endeteauch
dieser nach ausserordentlichraschem
Verlaufin Heilung. III.1899
erkrankte er wiederan
Manie, ohneäussernAnlass,doch
genas erschon nach
14Tagen.
Frau J. B.
war
erblich nicht belastet, gut beanlagt,immer
körperlich gesund.
Ende 1878
erkrankte siean
ihrem Hochzeits-tag mit traurigerVerstimmung und kam
auf 10Wochen
in die Anstalt Illenau,wo
die Krankheit als „Melancholia activa“ aufgefasst wurde. Pat. jammerte, schrie, thatganz
verzweifeltund
verweigerte dieNahrungsaufnahme;
ihreErregung war
so stark, dassman
ihr einenangekommenen
Brief nicht aushändigen konnte.Doch
stellte sich baldBeruhigung
ein,während
erst 3Monate nach
der Ent-lassung vollständigeGenesung
eintrat.Zu Haus war
sieimmer gesund und
fleissig, gebar 7 Kinder,bemühte
sichum
deren Er-ziehungund
versah die. Haushaltung. SeitAnfang Mai 1898 war
sie wieder aufgeregt, erhob Selbstvorwürfe,
machte
sichSorgen
über geringfügigeSachen
oderauch
über feingebildeteDinge
; alleshabe
sie nicht richtig
gemacht;
böse Leute hätten es ihr angethan. Sie weinte vielund bekümmerte
sich nichtmehr
rechtum
denHaus-halt.
Dazwischen
lachte siemanchmal
auffallend.Den
Kindern, die sich vordem
aufgeregten, mürrischenWesen
ihrer Mutter fürchteten, machte sie ungerechteVorwürfe;
schliesslich soll sie die Kinder mit46
einem offenen
Messer
bedroht haben. Körperlichkam
sie herunter;Appetit
und
Schlafwaren
mangelhaft. In der Klinikwar
sie be-sonnen, geordnet, über Ort, Zeitund
Personen derUmgebung
voll-kommen
orientirt. Sinnestäuschungenwaren
nicht nachzuweisen.Sie
war
fastdurchweg
lebhaft deprimirtund jammerte
über ihreUnterbringung in der Anstalt.
Vorzugsweise gab
sie an, als Israelitinüber
den
Aufenthalt ineinem
christlichenHaus
klagen zu müssen.Oft verweigerte sie die
Nahrungsaufnahme und
verlangte rituellesEssen.Ihre
Erregung gab
sich in motorischerUnruhe und
einem lebhaftenRededrang kund;
unverkennbarwar
die Steigerung, sobaldman
sich mit der Patientin näher befasste.Wenn man
siezum
tieferenEin-gehen
aufFragen
veranlassen konnte, gelang es, einevollkommene
intellektuelle Leistungsfähigkeit festzustellen; sie rechnete