• Keine Ergebnisse gefunden

1. Einleitung

2.3 Wanderungsverhalten als wesentliche Ursache für Schrumpfung

- 103 -

2.3 Wanderungsverhalten als wesentliche Ursache für Schrumpfung

- 104 -

schiede feststellen lassen, können die Ergebnisse summarisch hinsichtlich der Ziel- und Quellgebiete wie folgt zusammengefasst werden:

Wanderungsbewegungen 2007, 2009, 2013 in den zwölf Kommunen des Untersuchungsgebietes

Fortzüge Zuzüge Umzüge 2007, 2009, 2013 alle (Dt., Europa, Welt) 24.529 21.715

- davon Umzüge innerhalb NRW 52,2 % 54,5 %

- davon Umzüge innerhalb Deutschlands (ohne NRW) 36,3 % 32,5 %

- davon Umzüge innerhalb Europas (ohne Dt.) 9,2 % 10,9 %

- davon Umzüge Welt (ohne Europa) 2,3 % 2,1 %

Umzüge innerhalb eines 50-km-Radius in NRW und angrenzenden Gebieten in Hessen und Niedersachsen

11.030 = 45,0 % 10.230 = 47,1 % Umzüge 2007, 2009, 2013 nur Deutschland

- davon Umzüge nach/aus ausgewählten deutschen Bundesländern

- NRW

- Niedersachsen - Hessen

- Bayern

- Baden-Württemberg - Berlin

- übrige westdeutsche Bundesländer - ostdeutsche Bundesländer

21.697

12.805 = 59,0 % 3.228 = 14,9 % 2.567 = 11,8 % 658 = 3,0 % 545 = 2,5 % 287 = 1,3 % 915 = 4,2 % 692 = 3,2 %

18.893

11.825 = 62,6 % 2.627 = 13,9 % 2.355 = 12,5 % 391 = 2,1 % 336 = 1,8 % 198 = 1,1 % 504 = 2,7 % 657 = 3,5 % Übersicht Wanderungsbewegungen in den Jahren 2007, 2009, 2013, alle Orte des Untersuchungs-gebietes, Angabe absolut u. in %, Quelle: IT.NRW (Kommunalprofile, Landesdatenbank 12791-36i)

➢ Im Untersuchungsgebiet überwogen im Zeitraum 2001-2013 die Fortzüge. Hieraus ergibt sich ein insgesamt negativer Wanderungssaldo. Die Mobilitätsziffer bei Binnen-wanderungen über Gemeindegrenzen lag lt. Statistischem Bundesamt214 im Bundes-durchschnitt des Jahres 2009 bei 44,5 Wanderungen je 1.000 Einwohner in eine ande-re Gemeinde innerhalb des Bundeslandes oder Fortzug in ein andeande-res Bundesland. Für das Untersuchungsgebiet ergibt sich eine durchschnittliche Mobilitätsziffer von ver-gleichbaren 43 Fortzügen pro 1.000 Einwohner, jedoch von nur 37 Zuzügen pro 1.000 Einwohner.

➢ In den ausgewählten drei Musterjahren fand die Mehrzahl aller Umzüge innerhalb von NRW statt (ca. 53 %).

➢ Nahezu die Hälfte aller Fort- und Zuzüge (ca. 46 %) ging nicht über einen 50-km-Radius in NRW und den angrenzenden Bundesländern Niedersachsen und Hessen hinaus.

Damit wird deutlich, dass tendenziell große Teile der Bevölkerung in der Gesamtregion verankert sind.

214 DESTATIS: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Wanderungen, Fachserie 1 Reihe 1.2, S. 59, online:

https://www.destatis.de/GPStatistik/servlets/MCRFileNodeServlet/DEHeft_derivate_00003951/2010120097004.pdf, zuletzt ab-gerufen 22.05.2019.

- 105 -

➢ Die Ab- und Zuwanderungswerte nach bzw. aus europäischen Staaten außerhalb Deutschlands umfassen in diesen drei Musterjahren 4.636 Personen (Fortzüge= 2.262, Zuzüge= 2.374). Hiervon entfiel auf polnische Staatsangehörige mit 47 % (= 2.164 Per-sonen) das mit Abstand größte Kontingent, gefolgt von Bürgern aus Rumänien (= 208 Personen). Polen stellen auch in Brilon, Marsberg und Höxter (Abb. 52 u. 53) die größ-te Gruppe bei den dortigen Wanderungsbewegungen außerhalb Deutschlands.

Abb. 52: Fortzüge nach Entfernungen, Mittelwert der Jahre 2007, 2009 u. 2013, alle Orte des Untersuchungsgebietes, Angabe je 1.000 Einwohner, Quelle: IT.NRW (Kommunalprofile u.

Landesdatenbank 12791-36i)

Abb. 53: Zuzüge nach Entfernungen, Mittelwert der Jahre 2007, 2009 u. 2013, alle Orte des Untersuchungsgebietes, Angabe je 1.000 Einwohner, Quelle: IT.NRW (Kommunalprofile u.

Landesdatenbank 12791-36i)

- 106 - Wanderungsverhalten nach Altersgruppen

Die genannten Mobilitätsziffern unterscheiden sich bundesweit besonders stark zwischen den einzelnen Altersgruppen. Die Situation im Untersuchungsgebiet bestätigt diese Ergeb-nisse für das hier exemplarisch ausgewählte Jahr 2009 auf einem leicht niedrigeren Niveau (s. Übersicht Mobilitätskennziffern). Auch bei Betrachtung eines längeren Gesamtzeitrau-mes (Jahre 2001-2014) ändert sich für das Untersuchungsgebiet an dieser grundsätzlichen Feststellung nichts.

je 1.000 Einwohner der jeweiligen Altersgruppe

<18-Jährige

18 - <25-Jährige

25 - <30-Jährige

30 - <50-Jährige

50 - <65-Jährige

>65-Jährige Bundesrepublik aufsummiert Zu-

und Fortzüge 2009

80 248 266 98 36 28

Untersuchungsgebiet a) Zuzüge 2009

b) Zuzüge Mittelwert 2001-2014

36 38

97 105

124 122

37 42

18 17

12 12 Untersuchungsgebiet

a) Fortzüge 2009

b) Fortzüge Mittelwert 2001-2014 37 36

135 138

134 136

42 44

17 17

15 14 Untersuchungsgebiet

aufsum-miert Zu- und Fortzüge a) 2009

b) Mittelwert 2001-2014

73 74

232 243

258 258

79 86

35 34

27 26 Übersicht Mobilitätskennziffern anhand der Zu- und Fortzüge über Gemeindegrenzen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2009 und als Mittelwert der Jahre 2001-2014, Summe aller Orte im Untersuchungsgebiet, Angaben je 1.000 Einw. je Altersgruppe, Quellen: IT.NRW (Lan-desdatenbank 12711-04ir, 12411-9k06), DESTATIS (Wanderung 2009, S. 27-30 u. 111-114=

https://www.destatis.de/GPStatistik/servlets/MCRFileNodeServlet/DEHeft_derivate_00003951/2010120097004.pdf,)

Mit Ausnahme eines kleinen positiven Saldos in der Gruppe der <18-Jährigen dominieren im Untersuchungsgebiet im Zeitraum 2001-2014 ansonsten die Fortzüge (Abb. 54).

Abb. 54: Zu- und Fortzüge 2001-2014, alle Orte im Untersuchungsgebiet, Angabe absolut je Altersgruppe, Quelle: IT.NRW (Kommunalprofile u. Landesdatenbank 12711-04-ir)

- 107 -

Besonders groß ist mit über 7.000 Personen der Unterschied zwischen Zu- und Fortzügen bei den 18 - <25-Jährigen, die häufig als Bildungswanderer Studium oder Ausbildung au-ßerhalb des bisherigen Wohnortes aufnehmen. Da die Altersgruppen unterschiedlich lange Zeiträume umfassen, wird das Gewicht, das die einzelnen Jahrgänge in ihren Gruppen aufweisen erst bei einer jahresweisen Betrachtung deutlicher (Abb. 55). Dabei zeigt sich, dass neben den 18 - <25-Jährigen auch die 25 - <30-Jährigen als Berufseinsteiger das Mobi-litätsverhalten in der Region schwerpunktmäßig beeinflussen. Aus diesen beiden Alters-gruppen heraus finden die meisten Umzüge über die Gemeindegrenzen statt. Zwar zogen knapp 40.000 Personen dieser Altersgruppen im gesamten Zeitraum 2001-2014 zu, doch überwogen mit ca. 50.000 Personen die Fortzüge in diesen beiden Gruppen. Von allen 115.000 Fortzügen in den Jahren 2001-2014 entfielen allein 42 % auf diese beiden Grup-pen, die nur 13 % der Gesamtbevölkerung ausmachen (Mittelwert der Jahre 2001-2014:

(25.152 von 191.430). Indem vor allem die junge Bevölkerung fortzieht, wird der Region ein Stück Zukunft genommen.

Abb. 55: Zu- und Fortzüge 2001-2014, alle Orte im Untersuchungsgebiet, Angabe absolut pro Jahr je Altersgruppe, Quelle: IT.NRW (Kommunalprofile u. Landesdatenbank 12711-04-ir) Mit dem Eintritt in die Phase der gefestigten Berufstätigkeit, der Familiengründung und ggf. des Immobilienerwerbs sinkt im Alter ab 30 Jahre und noch einmal signifikant jenseits der 50 Jahre die Umzugshäufigkeit deutlich. Hintergrund ist eine geringere Neigung zu Ar-beitsplatzwechseln in der vorwiegend durch kleine und mittlere familiengeführte Unter-nehmen gekennzeichneten Wirtschaftsregion. Dies führt zu einer weitgehenden Stabilität der Belegschaftsstrukturen mit langen Betriebszugehörigkeiten, wie in den Interviews mehrfach angemerkt wurde.215

Wenn als Hintergrund für die Fortzüge besonders der jungen Bevölkerung in einigen Inter-views die zunehmende Akademisierung216 genannt wurde, so trifft dies nur einen Teil mög-licher Ursachen. Zwar stieg die Studienanfängerquote in Deutschland im Zeitraum 2005 bis

215 Z.  Interview U 1, Z. 80 ff. und 401 ff. oder U 10, Z. 10 und 240.

216 Vgl. Interview KH 1, Z. 543 ff., IHK 1, Z. 202 ff., IHK 2, Z. 151 ff.

- 108 -

2014 von ca. 43 % eines Jahrgangs auf 58 %, doch nahm im Untersuchungsgebiet die Zahl der Schüler an den Gymnasien im gleichen Zeitraum um 14 % ab. Dies hätte bei gleichblei-bendem Arbeits- und Ausbildungsplatzangebot (Kap. 5) die individuellen Möglichkeiten gerade in dieser Gruppe in der Region verbessern können, sofern sie eine attraktive Alter-native darstellen. Es können daher weitere Gründe in mangelnden Kenntnissen über die Ausbildungs- und Berufsangebote vor Ort, in sich ändernden Einstellungen hinsichtlich der Wertigkeit bestimmter Berufszweige und Ausbildungswege oder in mangelnden wohnort-nahen beruflichen Perspektiven vermutet werden, die auch mit dem Gehaltsgefüge zu tun haben können: „In addition, we find that wages have high explanatory power for internal migration in Germany (…). Higher wages in a region leads to lower migration outflows and higher migration inflows” (Bauer et al. 2019: 14).217 Hinzu kommen veränderte gesell-schaftliche Verhaltensweisen und mit dem Internet eine Informationsquelle, durch welche alternative Arbeits- und Lebensformen jenseits der Heimatregion sichtbar werden und in greifbare Nähe zu rücken scheinen (vgl. hierzu auch Kap. 3 und Kap. 5). Es muss also von einem komplexen Ursachenbündel ausgegangen werden.

In der ortsbezogenen Übersicht zeigt sich, dass alle Ort in den Altersgruppen der Bil-dungswanderer und Berufseinsteiger im Zeitraum 2001-2014 negative Wanderungsraten aufweisen; einzig Höxter als Hochschulstandort kann bei den 18 - <25-Jährigen über eine deutlich höhere Zuzugsrate als andere Orte im Untersuchungsgebiet (163 Zuziehende je 1.000 E.) die Wanderungsverluste verringern.

<18 18 - <25 25 - <30 30 - <50 50 - <65 ≥65

Hallenberg 5,7 -27,4 -0,5 -15,2 7,5 0,4

Medebach -1,6 -40,1 -6,0 3,1 0,0 1,9

Olsberg 14,3 -47,5 -11,9 -3,8 -0,4 -15,2

Brilon 4,4 -30,3 -4,4 0,6 4,2 5,1

Marsberg 2,1 -47,7 -8,0 -0,2 5,2 -12,3

Warburg 16,8 -31,0 -5,5 6,9 3,4 9,6

Borgentreich 21,3 -33,1 -8,5 4,6 7,0 -1,9

Beverungen 1,5 -50,2 -14,9 -11,2 1,0 -12,3

Höxter 4,1 -15,1 -14,0 -12,8 0,3 -8,3

Lügde -9,5 -54,0 -14,2 -27,8 -14,5 -5,3

Blomberg -9,1 -53,6 -10,4 -18,6 -8,7 -14,1

Barntrup 8,2 -50,2 -17,4 -18,9 -2,5 -12,0

Übersicht Wanderungssalden (Differenz Zugezogene abzgl. Fortgezogene) 2001-2014, alle Orte im Untersuchungsgebiet, Angaben je 1.000 Einwohner je Altersklasse, Quelle: IT.NRW (Kommunalprofile u. Landesdatenbank 12711-04-ir)

217 BAUER, THOMAS K.; RULFF, CHRISTIAN; TAMMINGA, MICHAEL M. (2019): Berlin calling – Internal Migra-tion in Germany. RWI – Leibniz- Institut für Wirtschaftsforschung, Ruhr Economic Papers 823. Essen. Onli-ne: http://www.rwi-essen.de/media/content/pages/publikationen/ruhr-economic-papers/rep_19_823.pdf, zuletzt abgerufen 24.10.2019.

- 109 -

Warburg mit seiner vielfältigen Branchenstruktur und das nahe gelegene Borgentreich mit Neubaugebieten weisen sowohl in der Gruppe der 30 - <50-Jährigen wie der <18-Jährigen positive Wanderungswerte als Wohn- und Arbeitsorte für Eltern mit Kindern auf. Auch Medebach hat mit neuen Wohngebieten und Firmenneugründungen eine positive Wande-rungsbilanz in dieser Altersgruppe. Die drei Kommunen im Kreis Lippe können hingegen in keiner Altersgruppe eine positive Wanderungsbilanz aufweisen und bilden sogar fast aus-nahmslos die negative Spitzengruppe in allen Altersklassen unter den Kommunen im Un-tersuchungsgebiet (Ausnahme Barntrup in der Gruppe der <18-Jährigen). Auf mögliche Gründe wird in Kap. 6 näher eingegangen.

Wanderungsverhalten nach Geschlecht

In Summe aller Altersklassen hält sich im Untersuchungsgebiet im Zeitraum 2001-2014 bei den Zu- wie den Fortzügen die männliche und weibliche Bevölkerung die Waage:

Zu- und Fortzüge 2001-2014 Zuzüge Fortzüge

männlich 53.368 58.187

weiblich 52.242 57.584

Übersicht Zu- und Fortzüge 2001-2014 nach Geschlecht, Angabe absolut, Quelle: Landesdatenbank 12711-04-ir

Allerdings ist bei den Bildungswanderern (18 - <25 Jahre) der Frauenanteil bei den Zuzü-gen, besonders aber bei den Fortzügen aus dem Untersuchungsgebiet signifikant höher (Abb. 56 u. 57). Diese Tendenz einer frühen »Abnabelung« vom Elternhaus ist bei Frauen in Deutschland generell zu beobachten. Der Unterschied zu den Männern macht nach ver-schiedenen Untersuchungen in dieser Lebensphase ca. 2-3 Jahre aus, die junge Männer länger in Elternhaus und Region bleiben.218

Abb. 56: Zugezogene nach Altersgruppen und Geschlecht zw. 2001-2014, alle Orte des Unter- suchungsgebietes, Angabe absolut, Quelle: IT.NRW (Landesdatenbank 12711-04ir u. 12411-9k06)

218 KONIETZKA, DIRK; TATJES, ANDRÉ. (2016): Der Auszug aus dem Elternhaus. In: Niephaus, Yasemin et al.

(Hrsg.): Handbuch Bevölkerungssoziologie. Wiesbaden. S. 201–225. Siehe auch Konietzka, D.; Tatjes, A.

(2018): Hotel Mama revisited, online: https://link.springer.com/article/10.1007/s11577-018-0517-y, zuletzt abgerufen 22.05.2019.

- 110 -

Abb. 57: Fortgezogene nach Altersgruppen und Geschlecht zw. 2001-2014, alle Orte des Unter- suchungsgebietes, Angabe absolut, Quelle: IT.NRW (Landesdatenbank 12711-04ir u. 12411-9k06) Ebenfalls zeigt die ortsbezogene Darstellung für die Altersgruppe der 18 - <25-Jährigen (Bildungswanderer), dass in allen Kommunen deutlich mehr Frauen als Männer fortziehen (Abb. 58).

Abb. 58: Fortgezogene 18 - <25-Jährige nach Geschlecht zw. 2001-2014 je Ort des Untersuchungs-gebietes, Angabe je 1.000 Einwohner, Quelle: IT.NRW (Kommunalprofile, Landesdatenbank 12711-04ir u. 12411-9k06)

Vor allem in den kleineren Orten wie Hallenberg oder Medebach ist aufgrund der geringen Zahl potenzieller Ausbildungsmöglichkeiten in den wenigen Unternehmen vor Ort und der peripheren Lage mit eingeschränkten Verbindungen im ÖPNV zu alternativen Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten diese Entwicklung zu beobachten. Generell können die hohen Fortzugsraten von jungen Frauen stets als ein Zeichen früher Selbständigkeit und Hinweis auf die als nicht ausreichend attraktiv wahrgenommenen Ausbildungs- und Karrie-remöglichkeiten in der bisherigen Wohnregion interpretiert werden.

- 111 -