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Waffen und andere Mittel iSd StGB 1974

C. Der Waffenbegriff im StGB 1974

5. Waffen und andere Mittel iSd StGB 1974

Wie oben unter II. C. 3. bereits eingehend erläutert wurde, ist im Strafgesetzbuch zwischen anderen Mitteln und Waffen zu unterscheiden. Bei Letzteren erfolgt eine differenziertere Un-tergliederung in den technischen und funktionalen Waffenbegriff. Diese Unterscheidungen sind darauf zurückzuführen, dass in den Delikten des Hausfriedensbruchs in § 109 Abs 3 Z 2 StGB und Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen in § 129 Abs 2 Z 2 StGB neben den Waffen auch andere Mittel erwähnt werden, während in § 143 Abs 1 StGB beim Delikt des schweren Raubes die anderen Mittel nicht eigens angeführt werden.127 Aufgrund der fehlenden Aufzählung in § 143 Abs 1 StGB wurde von der Rsp und der Lehre der funktionale Waffenbe-griff entwickelt. Der technische und funktionale WaffenbeWaffenbe-griff sind voneinander zu trennen. In weiterer Folge gilt es zu ermitteln, welche Gegenstände unter die Tatbestände des Hausfrie-densbruchs, des Diebstahls durch Einbruch oder mit Waffen oder dem schweren Raub zu subsumieren sind.

Bei den Tatbeständen der §§ 109, 129 StGB wird dem Tatbestandsmerkmal „Waffe“ der enge/technische Waffenbegriff des § 1 WaffG zugrunde gelegt.128 Welche Gegenstände einer Waffe iSd § 1 WaffG unterstellt werden siehe genauer unter II. B. 3.

Unter „andere Mittel“ sind Gegenstände zu verstehen, die ihrem Wesen nach geeignet sind, die Effektivität einer Angriffs- oder Abwehrhandlung zu steigern, ohne grundsätzlich für solch eine Verwendung bestimmt zu sein.129 Darunter fallen ua Injektionsnadeln, Küchenmesser, Scheren, Schaufeln und Brecheisen.130

Schwieriger ist die Beurteilung, ob eine Waffe iSd § 143 StGB vorliegt. Wie bereits mehrfach erwähnt liegt dem schweren Raub ein funktionaler/weiter Waffenbegriff zu Grunde, da die „an-deren Mittel“ in diesem Tatbestand nicht eigens angeführt werden. Wegen des Fehlens der

„anderen Mittel“ in § 143 StGB sind neben Waffen iSd § 1 WaffG auch waffengleiche Gegen-stände, aufgrund des von der Rsp und Lehre entwickelten funktionalen Waffenbegriffs, er-fasst.131 Die Probleme, ob ein Gegenstand unter den §§ 109, 129 StGB zu subsumieren ist,

126 Vgl Rebisant, Kontroversen im österreichischen Strafrecht (2011) 60.

127 Vgl StGB 1974 BGBl 1974/60.

128 Vgl Salimi in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch (2012) § 129 Rz 87.

129 Vgl Birklbauer/Hilf/Tipold, Besonderer Teil I4 (2017) § 129 Rz 33.

130 Vgl OGH 19.4.2001, 15 Os 23/01; Birklbauer/Hilf/Tipold, Besonderer Teil I4 (2017) § 129 Rz 33.

131 Vgl Hintersteininger in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch (2005) § 143 Rz 19.

ergeben sich nicht in dem Ausmaß wie bei § 143 StGB, da sie ohnehin durch die anderen Mittel abgedeckt werden.132

a) Schusswaffen

Schusswaffen iSd § 2 WaffG erfüllen den technischen Waffenbegriff iSd § 1 WaffG, siehe dazu genauer unter II. B. 3. Da Schusswaffen unter den technischen Waffenbe-griff zu subsumieren sind, sind sie auch dem BeWaffenbe-griff der „Waffe“ iSd §§ 109, 129 StGB zu unterstellen und nicht den anderen Mitteln.133 Im Anwendungsbereich des § 143 StGB fallen Schusswaffen ebenfalls unter das Tatbestandsmerkmal der Waffe; auf den von der Rsp und Lehre entwickelten funktionalen Waffenbegriff ist nicht abzustellen.134

b) Beschädigte/funktionsuntüchtige/ungeladene Waffen

Schwierig ist die Beurteilung, ob es bei dem Einsatz von ungeladenen bzw funktions-untüchtigen Waffen oder Attrappen zu der Erfüllung der Qualifikation des schweren Raubes, in Hinblick auf Judikatur und Lehre, kommt.

Nach einer Entscheidung des verst Senats des OGH, siehe genauer oben unter II. B. 3., ist klargestellt und weitgehend akzeptiert, dass es sich bei einer ungeladenen Waffe um einen Gegenstand handelt, der die Qualifikation des § 143 erfüllt. Einschrän-kenden Meinungen nach, vertreten von Krückl und Kienapfel/Schmoller, soll die De-liktsqualifikation jedoch nur erfüllt sein, wenn die ungeladene oder funktionsuntüchtige Waffe rasch instand gesetzt werden kann. Nach Fuchs/Reindl-Krauskopf soll die De-liktsqualifikation nur erfüllt sein, wenn eine tatsächliche Gefahr für Leib und Leben be-standen hat. Dies ist aber nur bei geladenen und funktionsfähigen Waffen der Fall.

Eine Attrappe einer Waffe oder das Vortäuschen einer Waffe erfüllen nicht den Waf-fenbegriff des § 143 StGB. Es liegt schon nach dem Wortlaut nach keine Waffe vor.

Über diesen Ausschluss aus dem Waffenbegriff besteht Einigkeit in Lehre und Rsp. 135 Siehe dazu genauer unten unter II. C. 5. c).

Wie oben erwähnt, sind ungeladene bzw beschädigte oder funktionsuntüchtige Waffen solche iSd § 1 WaffG. Sie sind damit unter das Tatbestandsmerkmal der Waffe in

132 Vgl Messner in Leukauf/Steininger, StGB Kommentar4 (2016) § 129 Rz 35.

133 Vgl Kienapfel/Schmoller, Besonderer Teil II2 (2017) 129 Rz 86.

134 Vgl Hintersteininger in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch (2005) § 143 Rz 17 f.

135 Vgl Flora in Leukauf/Steininger, StGB Kommentar4 (2016) § 143 Rz 14.

§§ 109, 129 StGB zu subsumieren.136 Die Subsumtion unter § 143 StGB war umstrit-ten.137 Grundsätzlich macht das StGB keinen Unterschied bei Waffen, deren bestim-mungsgemäßer Gebrauch im Einsatz als Waffe liegt, und Waffen, die nur zum Zweck der Drohung eingesetzt werden. Grund dafür ist, dass bei beiden Alternativen eine Wil-lensbeugung bewirkt wird. Mit einer Entscheidung des verst Senates des OGH wurde festgelegt, dass auch eine Drohung mit einer ungeladenen Waffe ein geeignetes Mittel für einen schweren Raub iSd § 143 ist.138 Auch funktionsuntüchtige Waffen erfüllen die Deliktsqualifikation.139 Dieser Rsp kommt in der Lehre teilweise Akzeptanz entgegen.

Partielle Teile der Lehre bevorzugen eine einschränkende Auslegung. Demnach soll die Deliktsqualifikation nur erfüllt sein, wenn die ungeladene oder funktionsuntüchtige Waffe rasch einsatzbereit gemacht werden kann.140

c) Attrappen

Spielzeugwaffen erfüllen nicht die Legaldefinition des § 1 WaffG. Daher fallen sie nicht unter das Tatbestandsmerkmal der Waffe in §§ 109, 129 StGB. Auch das alternative Tatbestandsmerkmal der „anderen Mittel“ in den zuvor genannten Delikten erfasst At-trappen nicht. Dies liegt daran, dass es den Spielzeugwaffen an der äquivalenten Wir-kung im Vergleich zu Waffen fehlt. Diese waffenähnliche WirWir-kung wird aber für die Anwendung dieses Tatbestandsmerkmals vorausgesetzt.141 Waffenattrappen sowie das Vortäuschen einer Waffe werden vom Delikt des schweren Raubes nicht erfasst und führen damit nicht zur Anwendung der Deliktsqualifikation.142 Während funktions-unfähige und ungeladene Waffen zur Anwendung der Deliktsqualifikation in § 143 StGB führen, wird die Verwendung von Scheinwaffen, wie bereits erwähnt, dem Grund-tatbestand des Raubes § 142 StGB unterstellt. Auf den Eindruck des Opfers wird keine Rücksicht genommen. Es wird bei einem Angriff auf die spezifische Gefahr, die durch Waffen herbeigeführt wird, abgestellt. Die Berücksichtigung des Opferaspekts bei At-trappen würde zu einer Ausuferung der Deliktsqualifikation führen. Diese Ausdehnung würde Beweisproblemen in der Praxis entgegenwirken. Bei dem denkbaren Fall, dass der Verdächtige behauptet, er habe eine Scheinwaffe verwendet und eine mögliche

136 Vgl Birklbauer/Hilf/Tipold, Besonderer Teil I4 (2017) § 129 Rz 32.

137 Vgl Flora in Leukauf/Steininger, StGB Kommentar4 (2016) § 143 Rz 14.

138 Vgl OGH 11.9.1978, 12 Os 59/78; Hintersteininger in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch (2005) § 143 Rz 21.

139 Vgl OGH 2.12.1982, 13 Os 162/82.

140 Vgl Kienapfel/Schmoller, Besonderer Teil II2 (2017) 143 Rz 21.

141 Vgl Schmoller in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch (2001) § 109 Rz 67;

Salimi in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch (2012) § 129 Rz 87 ff.

142 Vgl Birklbauer/Hilf/Tipold, Besonderer Teil I4 (2017) § 143 Rz 23; OGH 25.4.2001, 13 Os 45/01.

Tatwaffe nicht sichergestellt werden kann, bleibt es bei der Anwendung des Grundtat-bestandes.143

d) Andere Mittel/Waffengleiche Mittel

Der vom funktionalen Waffenbegriff auch umfasste Begriff der „waffengleichen Mittel“

ergänzt § 1 WaffG und dient der Angleichung an die „anderen Mittel“ iSd §§ 109, 129 StGB. Für die Subsumtion unter „waffengleiche Mittel“ ist es ausreichend, wenn in Be-zug zu § 1 WaffG, der Gegenstand die Eignung besitzt, die Angriffs- bzw Abwehrfähig-keit durch unmittelbare Auswirkung zu beseitigen oder zu schmälern.144 Die oben unter II. B. 3. erwähnten Sportgeräte, Schlachtschussapparate, Leuchtpistolen, die nicht un-ter § 1 WaffG subsumierbaren Messer wie etwa Küchenmesser, sowie Schieß- und Sprengmittel erfüllen nicht die Voraussetzungen des engen Waffenbegriffs in § 1 WaffG. Es handelt sich um keine Waffen. Da aber eine waffengleiche Wirkung besteht, sind diese Gegenstände bei zweckfremdem Gebrauch unter die anderen Mittel iSd

§§ 109, 129 StGB und dem funktionalen Waffenbegriff des § 143 StGB zu subsumie-ren. Somit umfassen die „waffengleichen Mittel“ Gegenstände wie Hacken, Hämmer, große Schraubenzieher, abgebrochene Flaschen, Küchen- und Taschenmesser, Drahtschlingen, Gehstöcke und Zaunlatten.145 Auch eine Plastikflasche gefüllt mit Ben-zin ist lt Rsp darunter zu subsumieren.146 Nicht ausreichend ist die Verwendung von Betäubungspillen, da ihnen die unmittelbare und somit waffenähnliche Wirkung fehlt.147

Gegenstände wie Schreckschusspistolen, Reizgase und -sprays sowie auch Elektro-schockgeräte unterliegen, wie oben ausgeführt, dem verwaltungsrechtlichen Waffen-begriff. Diese Gegenstände sind auch bei der Verwirklichung der Delikte §§ 109, 129 und 143 StGB unter dem Begriff der Waffe zu subsumieren.148