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Vorschläge zur Lösung der deutschen Frage

In den J a h r e n 1949 bis 1951 machten die Führungen der K P d S U , der S E D und der N a t i o n a l e n Front eine große Zahl z. T. sehr umfangreicher Vorschläge zur Lösung der deutschen F r a g e . D i e zahlreichen Gemeinsamkeiten sollen hier ebenso wie Akzentverschiebungen und inhaltliche Abänderungen in einem Überblick dargestellt werden.

a) D a s Verfahren für die Wiedervereinigung Deutschlands und für den A b -schluß eines Friedensvertrages

D i e Regierungen der acht Ostblockstaaten ( U d S S R , Polen, U n g a r n , Bulgarien, Rumänien, Albanien, Tschechoslowakei, D D R ) traten im K o m m u n i q u e ihrer Konferenz von P r a g ( 2 0 . / 2 1 . O k t . 1950) ein für die „ B i l d u n g eines gesamt-deutschen Konstituierenden Rates unter paritätischer Zusammensetzung aus Vertretern O s t - und W e s t d e u t s c h l a n d s "4 6. A m 30. N o v . 1950 richtete der Ministerpräsident der D D R , O. Grotewohl, ein Schreiben an die Regierung der B R D und forderte sie auf, ebenso wie die D D R sechs Vertreter für die sofortige Aufnahme v o n Verhandlungen beider Regierungen zur B i l d u n g eines gesamtdeutschen Konstituierenden R a t e s zu ernennen. In Übereinstim-mung und E r g ä n z u n g zu den Beschlüssen v o n P r a g präzisierte er die Auf-gaben dieses paritätisch zusammengesetzten G r e m i u m s :

1. Vorbereitung der „ B i l d u n g einer gesamtdeutschen souveränen d e m o k r a -tischen friedliebenden Provisorischen R e g i e r u n g " und Unterbreitung „der entsprechenden Vorschläge" an die vier Großmächte „zur gemeinsamen Bestätigung".

2. Konsultation der vier Großmächte „bis zur Bildung einer gesamtdeutschen Regierung bei der Ausarbeitung des Friedensvertrages".

D a n a c h heißt es: „ Ü b e r diesen Vorschlag kann unter U m s t ä n d e n eine Befragung des deutschen Volkes durchgeführt werden."

3. „Vorbereitung der Bedingungen z u r Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen für eine N a t i o n a l v e r s a m m l u n g " 4 7.

N a c h der Ablehnung dieses Vorschlages durch die Bundesregierung verstärkte die D D R unter der P a r o l e „Deutsche an einen Tisch" ihre Bemühungen, zu einer direkten Verständigung mit der Bundesregierung zu k o m m e n . Wohl als R e a k t i o n auf die Erfolglosigkeit ihrer Politik, auf die Fortschritte in der E V G P l a n u n g und die P o p u l a r i t ä t der Forderung nach freien Wahlen m o d i fizierte die V o l k s k a m m e r der D D R am 1 5 . S e p t . 1951 ihre bisherigen V o r -s c h l ä g e4 8. Zunächst sollte wiederum ein gesamtdeutsches O r g a n aus Vertretern der D D R und der B R D gebildet werden - jedoch nicht mehr unbedingt auf paritätischer G r u n d l a g e und nun unter der Bezeichnung „gesamtdeutsche B e r a t u n g " . A l s erster Schritt sollte nun nicht mehr die B i l d u n g einer P r o v i -sorischen Regierung für g a n z Deutschland erfolgen; vielmehr sollte die

„gesamtdeutsche B e r a t u n g " „freie, allgemeine, gleiche, direkte, geheime und demokratische Wahlen für eine N a t i o n a l v e r s a m m l u n g " in g a n z Deutschland vorbereiten. U n d am 10. J a n . 1952 billigte die V o l k s k a m m e r einen Wahl-gesetzentwurf für die Wahl z u r Deutschen N a t i o n a l v e r s a m m l u n g4 9. (Der Inhalt dieses Entwurfes w i r d noch später zu diskutieren sein.) Am 2. N o v . 1951 richtete der Präsident der D D R , W. Pieck, ein Schreiben an den Präsidenten der B R D , T h . H e u s s , in dem er ein Treffen vorschlug „ z u r E r -örterung der Möglichkeiten, eine gesamtdeutsche Beratung zur Vorbereitung

freier Wahlen e i n z u b e r u f e n "5 0. D i e D D R R e g i e r u n g sei mit der „ Ü b e r -prüfung der Voraussetzungen freier Wahlen in ganz Deutschland einver-standen. S i e ist aber der Meinung, daß eine solche Überprüfung am besten von den Deutschen selbst durchgeführt werden könnte durch eine aus Vertretern O s t - u n d Westdeutschlands zusammengesetzte Kommission unter der Viermächtekontrolle von Vertretern der U d S S R , der U S A , E n g l a n d s und F r a n k -reichs." Implizit w u r d e hier der von den Westmächten und der B R D initiierte Beschluß der U N O vom 2 0 . D e z . 1951 abgelehnt, der die Einsetzung einer U N O - K o m m i s s i o n zur Überprüfung der Voraussetzungen freier Wahlen in g a n z Deutschland ( B R D , D D R , Berlin) vorsah. Unter Verweis auf A r t . 107 der U N - C h a r t a wies die D D R dieses Ansinnen als einen Eingriff in inner-deutsche Angelegenheiten und als eine beleidigende B e v o r m u n d u n g eines seit Jahrzehnten demokratisch regierten Volkes zurück 5 1.

Eine Einigung über die M o d a l i t ä t e n der Wiedervereinigung k a m nicht zu-s t a n d e . D i e U d S S R und die D D R lehnten freie Wahlen nach dem Vorbild

der B R D als ersten Schritt zur Wiedervereinigung ebenso wie die Einreise einer U N O - K o m m i s s i o n in die D D R strikt ab - offenbar, weil sie das politische System der D D R nur begrenzt dem R i s i k o eines von ihnen nicht genügend

Die sowjetische Deutschlandpolitik 1950/51 39 kontrollierten Mehrheitsentscheides des deutschen Volkes aussetzen wollten.

U n d ebenso strikt lehnten die Westmächte und die Bundesregierung die V o r -schläge der D D R aus einer Reihe v o n Gründen ab, die hier nicht näher erörtert werden können, die aber ähnlich in dem Notenwechsel der vier Großmächte zur deutschen F r a g e wiederkehrten. Wie w a r in den sowjetischen Vorschlägen dieses Verfahren für die Wiedervereinigung dem Verfahren für den Abschluß eines Friedensvertrages zugeordnet?

O. Grotewohl hatte v o n dem geplanten Gesamtdeutschen Konstituierenden R a t behauptet, er schaffe „sofort die Voraussetzung für die unverzügliche Auf-nahme der Beratungen zum Abschluß eines Friedensvertrages" 5 2. D i e Politik der U d S S R , v o r allem ihr D r ä n g e n auf Verhandlungen besonders über den militärischen und internationalen Status Deutschlands erweckten im ganzen jedoch nicht den Eindruck, als wollte sie den Beginn v o n Verhandlungen v o n dieser Voraussetzung abhängig m a c h e n5 3. Auch blieben Zeitpunkt, A u s m a ß und Gewicht der deutschen Beteiligung an den geplanten Friedensvertrags-verhandlungen ungeklärt.

D i e Pariser Vorkonferenz der stellvertretenden Außenminister ( 5 . M ä r z bis 2 1 . J u n i 1951) hatte sich nicht über eine T a g e s o r d n u n g für eine Sitzung des Außenministerrates einigen können, zu der aber alle Teilnehmer grund-sätzlich bereit waren. A u f ihr, so hatte die U d S S R vorgeschlagen, sollte als zweiter T a g e s o r d n u n g s p u n k t die „ F r a g e des beschleunigten Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland und des A b z u g s aller Besatzungstruppen aus Deutschland" behandelt w e r d e n5 4. Schon früher hatte die U d S S R die Westmächte angeklagt, sie „ . . . hintertreiben den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland und suchen die O k k u p a t i o n Westdeutschlands m ö g -lichst lange auszudehnen" 5 5.

b) D e r militärische Status und die innere O r d n u n g eines wiedervereinigten Deutschland

Der Abschluß eines Friedensvertrages „ a u f der G r u n d l a g e des Potsdamer A b k o m m e n s " 5 6 erschien primär als ein Instrument der Sicherheitspolitik der Sowjetunion, da er immer eng verknüpft w a r mit den Forderungen nach Entmilitarisierung Westdeutschlands b z w . nach einer Regelung des militä-rischen Status Gesamtdeutschlands. Folgende Forderungen standen in beinahe allen Dokumenten an erster Stelle:

1. Konsequente Durchführung der Potsdamer Beschlüsse über die Entmilitari-sierung Deutschlands und die Vernichtung des deutschen Kriegspotentials auch in Westdeutschland.

2. „Gemeinsame E r k l ä r u n g der vier Großmächte über d a s Verbot einer R e m i -litarisierung Deutschlands und seiner Einbeziehung in jegliche Aggressions-p l ä n e " 5 7.

3. A b z u g aller Besatzungstruppen aus Deutschland „binnen J a h r e s f r i s t "5 8 oder „innerhalb einer festgesetzten kurzen F r i s t " 5 8 nach Unterzeichnung des Friedensvertrages.

4. Verbesserung der L a g e in E u r o p a durch „Verminderung der Rüstungen und Streitkräfte" 6 0.

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So relativ bestimmt diese sicherheitspolitischen Forderungen waren, so un-klar w a r dagegen die sowjetische K o n z e p t i o n für die innere O r d n u n g eines wiedervereinigten Deutschland. D i e Formel lautete: „Verwirklichung des P o t s d a m e r A b k o m m e n s " , „ d a s die Schaffung eines einheitlichen, unabhängi-gen, friedliebenden und demokratischen Deutschland vorsieht" 6 1.

Zunächst w u r d e die Wiederherstellung der politischen (Vereinigung von B R D , D D R , Berlin; Aufhebung der S a a r a u t o n o m i e ) und der wirtschaftlichen (Währungs- und Zolleinheit, freier Waren- und Reiseverkehr) Einheit Deutsch-lands g e f o r d e r t6 2. D a s Adjektiv „einheitlich" bezieht sich jedoch auch auf die F r a g e der inneren Struktur (zentralistisch oder föderalistisch) des künftigen Staates. Lediglich eine offizielle Stellungnahme 6 3 z u den sog. L o n d o n e r E m p -fehlungen v o m 7. J u n i 1948 8 4 g a b Aufschluß über die T e n d e n z der sowjeti-schen H a l t u n g in dieser F r a g e . M a n w a n d t e sich gegen das dort vorgesehene A u s m a ß an Föderalisierung des neuen S t a a t e s . Einerseits forderte man implizit mehr Befugnisse für die Zentralmacht, andererseits „ d i e Wiederherstellung der Dezentralisierung der V e r w a l t u n g " , „ d e r L a n d t a g e und der beiden gesamt-deutschen K a m m e r n " , vielleicht nach dem V o r b i l d der ersten Verfassung der D D R . D e r Verfassungswandel i n der D D R i m J a h r e 1952 zeigte aber eine ausgeprägte N e i g u n g zum zentralisierten Einheitsstaat.

D i e Forderung nach U n a b h ä n g i g k e i t w u r d e präzisiert als „Wiederher-stellung der vollen S o u v e r ä n i t ä t der deutschen N a t i o n unter Anerkennung des Rechts a u f selbständige Außenpolitik und selbständigen Außenhandel; freie und unabhängige Entwicklung des deutschen demokratischen S t a a t e s u n d des deutschen Volkes nach Abschluß des Friedensvertrages" 6 5. An anderer Stelle verstand m a n darunter auch die „Schaffung einer Verfassung für g a n z Deutsch-land, die die demokratische Gestaltung eines unabhängigen, nationalen, poli-tischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens gewährleistet" 6 6. Diese F o r -derungen richteten sich gegen die angebliche Unterdrückung und politische, wirtschaftliche, militärische und kulturelle „ Ü b e r f r e m d u n g " Westdeutschlands durch die „westlichen I m p e r i a l i s t e n "8 7.

E i n „demokratisches und friedliebendes Deutschland" sollte zunächst durch die freie Betätigung aller „demokratischen Parteien und O r g a n i s a t i o n e n " , s o -dann durch die Zusammensetzung der Provisorischen Regierung garantiert sein, die „eine dauerhafte Friedenspolitik gewährleisten m u ß "6 8. Da nach kommunistischer Auffassung die Politik eines Staates von der demokratischen Struktur seiner Wirtschaft abhängt, w u r d e den „ K a p i t a l i s t e n " , den „ R u h r

-Die sowjetische Deutschlandpolitik 1950/51 41 magnaten und B a n k i e r s " , den „ S p e k u l a n t e n " und „Großgrundbesitzern" der K a m p f angesagt. So trat m a n ein für die „freie Entwicklung der Produktion für alle friedlichen Zwecke aus eigener Kraft durch Arbeiter, Techniker, Bauern, H a n d w e r k e r und Unternehmer unter Ausschluß der kapitalistischen Monopolherren und Großgrundbesitzer" 6 9.

Außerdem w u r d e eine „gerechte Bodenzuteilung an Bauern und U m s i e d -ler" 7 0 vorgeschlagen, darüber hinaus allgemein „durchgreifende demokratische Umgestaltungen" n. I m m e r wieder wurde i n diesem Zusammenhang auf d a s Vorbild der D D R verwiesen, ohne es jedoch als verbindliches Modell zu postulieren. Überdies w a r man bereit, zahlreiche Grundrechte für die Zukunft zu garantieren (u. a. Presse und Versammlungsfreiheit, Schutz des P r i v a t -eigentums, F r e i z ü g i g k e i t )7 2. D a b e i fiel auf, daß im J a h r e 1949 Vorstellungen dieser A r t noch sehr viel präziser formuliert wurden als in den J a h r e n 1 9 5 0 / 5 1 .

Durchgehend w a r zu beobachten, daß die S E D und ihr Instrument, die N a t i o n a l e F r o n t der D D R , häufig sehr stark die nationalen Gefühle der Deutschen anzusprechen versuchten. Dahinter stand die Absicht, den Wunsch nach Einheit, nach nationaler Würde und U n a b h ä n g i g k e i t , nach nationalen Traditionen zu benützen, um ihre Vorstellungen v o n einem wiedervereinigten Deutschland zu propagieren. Sie boten sich an als Patrioten mit einer p o l i -tischen Alternative für die ganze N a t i o n und erklärten sich bereit, „jedwede F o r m der Zusammenarbeit patriotischer K r ä f t e . . . z u unterstützen" 7 3. D i e meisten Erklärungen und Vorschläge zeigten eine Mischung von A n k l a g e n und Forderungen mit Beteuerungen der Verhandlungs- und Verständigungs-bereitschaft. Zu dieser Bündnispolitik auf breiter G r u n d l a g e gehörte auch, daß sich die D D R bereit erklärte, einen Schlußstrich unter die Entnazifizierung zu ziehen und allen ehemaligen Nationalsozialisten (außer den rechtskräftig V e r -urteilten) d a s volle Stimmrecht zu g e w ä h r e n7 4.

Eine noch breitere Unterstützung für ihre Politik erhoffte sich die D D R und die K P D auch v o n der Aktivierung der Friedensbewegung in ganz Deutschland. So beschloß man auf dem propagandistisch groß herausgestellten „ 1. K o n -greß der westdeutschen Bevölkerung gegen die Remilitarisierung und Wiederaufrüstung" ( 2 8 . J a n . 1951) in Essen, eine „ V o l k s b e f r a g u n g gegen die R e m i l i -tarisierung und für den Abschluß eines Friedensvertrages". Sie wurde von der Bundesregierung verboten, in der D D R jedoch „erfolgreich" (95°/o J a S t i m -men) durchgeführt. U n d auch eine Intensivierung des K a m p f e s gegen die E V G und den geplanten G e n e r a l v e r t r a g seit H e r b s t 1951 brachte keine sichtbaren Erfolge. Immer wieder w a n d t e man sich gegen die „Unterdrückung der Friedenskämpfer und demokratischer Organisationen" in Westdeutschland.

c) D i e Territorialgrenzen und die Stellung eines wiedervereinigten Deutsch-l a n d im internationaDeutsch-len System

D i e U d S S R , Polen und die D D R hatten ebenso wie alle anderen Ostblock-staaten keinerlei Zweifel d a r a n gelassen, daß sie die Grenzen der D D R gegenüber Polen (Oder-Neiße-Linie) und der Tschechoslowakei für endgültig und unveränderlich hielten. D i e U m s i e d l u n g der Deutschen 1 9 4 4 - 1 9 4 6 sei ein F a k t u m ; die Konferenz v o n P o t s d a m habe die O d e r - N e i ß e - L i n i e als polnische G r e n z e festgelegt. Ihre Anerkennung sei im Interesse des Friedens und der Freundschaft aller Völker E u r o p a s notwendig und r e c h t m ä ß i g7 5.

Zu der F r a g e , welche Stellung ein wiedervereinigtes Deutschland im inter-nationalen System haben sollte, gab es keine sehr präzisen offiziellen Vorstel-lungen der U d S S R und der D D R . D i e Forderung nach „einer befristeten und sachlich begründeten Viermächtekontrolle über die friedliche, wirtschaft-liche und politische Entwicklung Deutschlands" w a r nach der K o n f e r e n z von P r a g stillschweigend fallengelassen w o r d e n7 6. Einig w a r man sich, daß Deutschland und d a s hieß für das J a h r 1 9 5 1 : Westdeutschland nicht in „ a g -gressive Militärblocks, in die E u r o p a - U n i o n und in den N o r d a t l a n t i k p a k t " 7 7

einbezogen werden dürfe. D e r K a m p f galt den „deutschen Agenten des ameri-kanischen Imperialismus" 7 8, dem Wiedererstehen des deutschen Militarismus u n d des deutschen Aggressionspotentials. M a n trat ein für die „ Z u s a m m e n -arbeit und Freundschaft Deutschlands mit allen friedliebenden V ö l k e r n " und besonders für eine „enge und unzerstörbare Freundschaft Deutschlands mit der großen Sowjetunion" 7 9. Ebenso forderte die D D R den „freien u n d ungehinderten Z u g a n g Deutschlands zu den Weltmärkten" und die „besondere F ö r d e -rung der Handelsbeziehungen Deutschlands mit der Sowjetunion, C h i n a und den L ä n d e r n O s t - und Südosteuropas als den natürlichen H a n d e l s p a r t n e r n D e u t s c h l a n d s "8 0. D a m i t wurde die Tradition der R a p a l l o - P o l i t i k wieder-belebt, die als die Politik der Freundschaft zwischen dem deutschen und dem sowjetischen V o l k interpretiert wurde. Allein freundschaftliche Beziehungen z u r U d S S R könnten das deutsche V o l k seinen nationalen Zielen näherbringen.

Sie dienten am besten den nationalen Interessen eines an S t a b i l i t ä t und U n a b -hängigkeit interessierten G e s a m t d e u t s c h l a n d8 1. N e u t r a l i t ä t wurde als welt-politische Position zwischen den Blöcken abgelehnt, ohne daß d a m i t eine L ö s u n g vorgeschlagen wurde, die auch für den Westen hätte annehmbar sein können. D i e Auffassung, „im K a m p f um den Frieden dürfe niemand neutral sein", weil eine solche H a l t u n g nur „ d i e Absichten des M o n o p o l k a p i t a l s erleich-tere" 8 2 und dem deutschen V o l k e schade, hatte sich in der D D R erst E n d e 1949 endgültig durchgesetzt. Z u v o r , d . h . seit M ä r z 1949 w a r eine Neutralisierung Deutschlands in der D D R lebhaft diskutiert, wenn auch nie zur offiziellen Politik erhoben w o r d e n . In Westdeutschland förderte man auch nach der ver-bindlichen Ablehnung durch d a s K o m i n f o r m ( D e z . 1949) neutralistische

Die Entwicklung der westeuropäischen Integration 1951/52 43 Strömungen, um die Gegnerschaft zur Westintegration der B R D zu fördern.

Im ganzen gab es jedoch keine konkrete K o n z e p t i o n für die internationale Stellung eines wiedervereinigten Deutschland.

F ü r die U d S S R u n d die D D R sah die B i l a n z ihrer Deutschlandpolitik Anfang 1952 keineswegs günstig aus. Sie mußten erkennen, daß eine gesamt-deutsche Verständigung in den materiellen wie prozessual-institutionellen Fragen der deutschen Wiedervereinigung nicht möglich war. Ebensowenig waren internationale Verhandlungen über einen Friedensvertrag zur u m fassenden Regelung der deutschen F r a g e zustande gekommen. S t a t t dessen b e -mühten sich die B R D und die Westmächte erfolgreich, ihre Pläne für E V G , Generalvertrag und Westintegration zu realisieren. U n d trotz intensiver, geschickt ansetzender P r o p a g a n d a w a r die B e v ö l k e r u n g der B R D nicht gegen die Politik der Bundesregierung und für die Ziele der Deutschlandpolitik der U d S S R u n d der D D R z u mobilisieren. D i e bisherigen Möglichkeiten der sowjetischen Deutschlandpolitik waren erschöpft. N u r eine Revision der V e r -handlungsbasis selbst konnte rebus sie stantibus vielleicht etwas ändern.

II. D I E E N T W I C K L U N G DER W E S T E U R O P Ä I S C H E N I N T E G R A T I O N