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von Nana Göbel

Im Dokument 09 | 2017 September | 4,90 € (Seite 52-56)

erziehungskunst Juni|2017

Das Baskenland ist eine ziemlich autonome Region Spaniens, wirtschaftlich erfolgreich und sehr katholisch und konservativ.

Im Baskenland gelten eigene Schulgesetze, die von jeder Schule einzuhalten sind, gleich ob sie sich in staatlicher, katholischer oder freier Trägerschaft befinden.

Die einzige Waldorfschule des Baskenlandes steht im Dorf Trokoniz unweit von Vittoria Gasteiz mit Blick in ein weites Tal, auf ein mittelalterliches Kloster und den Camino. Die Lehrer der Geroa Eskola unterrichten zumeist kombinierte Klassen, haben es aber viel schwieriger als in vergleichbaren Schulen, da sie den Unterricht sowohl auf Spanisch als auch auf Baskisch erteilen müssen. Lehrer können eigentlich nur Basken werden, denn kaum sonst jemand lernt diese Sprache korrekt.

Um die Oberstufe genehmigt zu erhalten, musste die Schule in einem gewaltigen Kraftakt ein neues und ausreichend großes Gebäude errichten – eigentlich jenseits aller realistischen Möglichkeiten. Anders als vor dem Bau genehmigt, verlangten die Behörden während der Bauzeit weitere kostenintensive Änderungen. Die Schule steht folglich vor riesigen Heraus-forderungen und braucht jede mögliche Hilfe.

www.freunde-waldorf.de/spenden-helfen Telefon: 030/61 70 26 30

Projekt des Monats

Waldorf im Baskenland

von Nana Göbel

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2017|September erziehungskunst sprochen wird. Auch das ist manchmal möglich.

Frau Hamdani hat zum Geburtstag des Propheten Mohammed ein arabisches Lied mit den Kindern eingeübt und den Eltern vorgetragen. Seit 20 Jah-ren ist sie bereits in Deutschland, aber dass sie ein-mal mit Max und Lisa ein Lied aus ihrer Heimat Algerien singen würde, hätte sie sich nie träumen lassen. »Das hat mich 30 Jahre zurückversetzt!«, er-zählt sie begeistert und man merkt, wie sehr es sie bewegt, dass sie deutschen Kindern und Eltern ein Stück ihrer Kultur zeigen darf.

Die Interkulturelle Waldorfschule Berlin möchte Mittler sein, ein Resonanzkörper, durch den die ver-schiedenen Kulturen, die Welt- und Gottesbilder, die aus den Elternhäusern in die Schule getragen werden, miteinander schwingen können. Eine be-sondere Rolle kommt darum Fridtjof Meyer-Rad-kau zu. Er ist Schulsozialarbeiter und kümmert sich um eine gute Kommunikation zwischen El-tern, Lehrern und Schülern. Meyer-Radkau ist Ex-perte auf seinem Gebiet, denn er hat seine Masterarbeit über Schulsozialarbeit an Waldorf-schulen geschrieben, einem Thema, das in der Wal-dorfpädagogik immer mehr Beachtung findet.

Regelmäßig hospitiert er in den Klassen, führt Ge-spräche mit Lehrern und Eltern und ist Vertrau-enslehrer für die Schüler.

Neuer Blick auf schal gewordene Feste

In der Arbeitsgemeinschaft Feste entscheiden El-tern und Lehrer gemeinsam, was gefeiert wird. Da gibt es zum Glück vom Berliner Senat den ›Inter-kulturellen Kalender‹, auf dem die meisten Feste

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SCHULE IN BEWEGUNG

Beim Tag der Einschulung war die Freude groß für Kinder und Eltern 51_52_53_54_55_EK09_2017_EK 09.08.17 14:34 Seite 53

erziehungskunst September|2017

verzeichnet sind. In diesem ersten Jahr wird viel ausprobiert und es ist noch nicht klar, welche Traditionen angelegt und was jedes Jahr erneut gefeiert werden soll.

»In der Arbeitsgemeinschaft beschäftigen wir uns auch viel mit den Ursprüngen und Traditionen der Feste«, erzählt Graff. »Die meisten richten sich nach dem Jahreslauf, darum gibt es viele Gemeinsamkeiten, immer geht es darum, sich von Altem zu lösen, es zu verabschieden oder gar auszutrei-ben, sich Neues zu wünschen und willkommen zu heißen.«

Graff berichtet, dass das gemeinsame Feiern der Feste ande-rer Kulturen wieder für die eigenen sensibilisiert: »Was schal und leer geworden ist – im Licht der Feste anderer Kulturen sieht man es wieder mit ganz anderen Augen.« Sie ist eine erfahrene Klassenlehrerin. An einem ersten Elternabend er-zählt sie, wie ein Schulalltag aussieht.

Aber schon, als sie den traditionellen Morgenspruch vorstellt, gibt es kritische Nachfragen und Diskussionen mit den Eltern. Vor ihr sitzen nicht nur Mütter und Väter aus anderen Kulturkreisen und mit unterschiedlichen Gottesvorstellun-gen, es gibt auch atheistische Eltern.

Einmal hatte Graff ein langes Elterngespräch. Eine Mutter stieß sich an dem Fingerspiel »Itzen Ditzen Silberspitzen, alle Kinder sollen sitzen«. Es führt dazu, dass die Kinder schließlich mit gefalteten Händen dasitzen, um ihr Tisch-gebet zu sprechen. Aber genau an der Geste der gefalteten Hände stieß sich diese Mutter – als zu unterwürfig und de-mütig empfand sie diese für ihr Kind. Cecilia Graff gab das zu denken: Was bedeutete diese Geste eigentlich? Was war ihr Ursprung? Tatsächlich hat das Händefalten offenbar mit dem Lehnseid zu tun, den die Vasallen ihrem Herrn in die Hand versprachen: Die Hände wurden zusammengelegt und so in die Hände des Lehnsherrn gelegt als Zeichen der Treue und Abhängigkeit. Die Urchristen dagegen beteten

48 Kinder lernen im Plattenbau in Niederschönweide – Waldorf erobert sich peu à peu das Gebäude und die Räume.

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SCHULE IN BEWEGUNG

2017|September erziehungskunst stehend mit geöffneten Armen, eine Geste die der anderen Weltreligionen ähn-lich ist. Welche weiteren Überlegungen man auch immer daran anschließen mag – durch die Begegnung mit anderen Kulturen erweitert sich unsere Per-spektive und viele Dinge, die wir bisher für selbstverständlich hielten, sehen wir mit neuen Augen.

Die Eltern suchen nicht in erster Linie Waldorfpädagogik

Eltern und Pädagogen der Interkulturellen Waldorfschule suchen das Wesentli-che in Traditionen und Riten und wollen offen für vielfältige Formen sein. Of-fenheit gegenüber fremden Formen ist sicherlich eine Grundvoraussetzung für gelingende Interkulturalität. Graffs Frage liegt darum nahe: »Wenn wir uns in Traditionen, auch Waldorftraditionen, hermetisch abriegeln, wie soll dann Be-gegnung möglich sein?« Die Eltern, die ihre Kinder in die Interkulturelle Wal-dorfschule bringen, wissen kaum etwas von Waldorfpädagogik.

Warum wählen sie die Interkulturelle Waldorfschule, wenn es nicht die Ent-scheidung für die Waldorfpädagogik ist? Vielleicht, weil sie etwas anderes für ihr Kind suchen, unglücklich sind mit dem staatlichen Schulsystem und erstaunt, an welch einfachen Dingen ihre Kinder Freude entwickeln und wie gut ihnen eine Schule ohne Notendruck tut. Aber auch die Sehnsucht nach einer Schule, die eine Antwort auf die Frage sucht, wie Kulturen und Religionen achtsam und friedlich zusammenleben können, ist groß.

Eine Mutter postet auf der Facebookseite der Schule: »Als wir an dem Schild in der Schnellerstraße vorbeigefahren sind, war ich sofort begeistert! Ja, ich möchte, dass meine Kinder in eine Schule gehen, die die Vielfalt der Menschen nicht nur er-zählt, sondern lebt. Ich möchte, dass sie Neuem und Unbekanntem mit Neugier begegnen und erkennen, dass wir alle in unserer Verschiedenheit gleich sind.«

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Zur Autorin:Ingrid Schütz ist Lehrerin für Englisch und Philosophie und unterrichtet an der Emil Molt Akademie in Berlin.

Links:Website der Schule: http://tinyurl.com/m6vsr9k Facebook: http://tinyurl.com/mwtmzjy

Freies Geistesleben

John Lennon | Jean Jullien Imagine

Mit einem Vorwort von Yoko Ono Lennon und einem Nachwort von Amnesty International. |Aus dem Englischen von Richard Rosenstein. |32 Seiten, geb. |Format: 24 x 27,5 cm |€ 16,– (D) ISBN 978-3-7725-2800-2 |(ab 5 Jahren) Jetzt neu im Buchhandel!

www.imaginepeacebook.com www.geistesleben.com

Wie wäre es, wenn wir in einer Welt jenseits aller Konflikte zwischen Menschen, Nationen und Religionen leben würden? Wie wäre es, wenn wir alle in Frieden leben könnten?

Das Bilderbuch Imagineerscheint als zweisprachige Ausgabe. Neben dem englischen Originaltext gibt es eine deutsche Fassung, die auch auf die Melodie des Liedes gesungen werden kann. Alle Autorenhonorare sowie 1 Euro pro verkauftem Exemplar werden an Amnesty International gespendet.

Das Lied Imaginevon John Lennon ist eine bewegende Hymne an die Kraft und Fantasie aller Menschen, sich für eine friedvolle Zukunft zu engagieren.

Der französische Illustrator Jean Jullien hat zu dem Lied starke, eindrucksvolle und berührende Bilder geschaffen.

Eine Hymne für den Frieden

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16 . Kasseler

Jugendsymposion

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