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Von der Forstwirtschaft zum Brundtland-Bericht

Im Dokument Lokale Agenda fürglobale Probleme? (Seite 31-35)

2 Grundzüge der Debatte um Nachhaltigkeit

2.1 Von der Forstwirtschaft zum Brundtland-Bericht

Nachhaltigkeit ursprünglich einen dauerhaft aufrechtzuerhaltenden Holz-einschlag, bei dem die Menge des entnommenen Holzes pro Jahr höchs-tens so groß sein durfte, dass sie im Rahmen der natürlichen Reprodukti-on des Waldes ersetzt werden kReprodukti-onnte; entnommen werden durften also nur die „Zinserträge“, nicht aber Teile des Bestandes. Bereits ab dem 16.

Jahrhundert finden sich mit dem Grundsatz des „ewigen Waldes“ erste Zeugnisse einer Festschreibung dieses Prinzips in den deutschen Forst-ordnungen, das vermutlich im Jahr 1713 vom sächsischen Oberberg-hauptmann v. Carlowitz den Namen „Nachhaltigkeit“ verliehen bekam.24

23 Vgl. Luks: Dissertationsschrift, S. 57.

24 Vgl. Radkau, J.: Beweist die Geschichte die Aussichtslosigkeit von Umweltpolitik? In:

Kastenholz, H. G. / Erdmann, K.-H. / Wolff, M. (Hrsg.): Nachhaltige Entwicklung. Zu-kunftschancen für Mensch und Umwelt. Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1996, S. 34 f.

Die Bestandserhaltung des Waldes war dabei weniger ökologisch als vielmehr wirtschaftlich motiviert: Da Brennholz ein unverzichtbarer Roh-stoff für die Gewinnung von Salz darstellte und die Salinen über lange Perioden in den Händen einer Familie verblieben, bildete der nachhaltige Umgang mit der elementaren Ressource Wald die Voraussetzung für eine dauerhafte Einkommenssicherung der Familie und entsprach insofern dem Prinzip klugen Wirtschaftens.25

Den Gedanken der Substanzerhaltung griff die International Union for Conservation of Nature (IUCN) zusammen mit verschiedenen UN-Organisationen auf, als sie 1980 in ihrer „World Conservation Strategy“

den Begriff Nachhaltigkeit in sustainability übersetzte und seinen An-wendungsbereich gleichzeitig auf den Umgang mit allen natürlichen Res-sourcen erstreckte. Paradoxerweise gelang die Rückübersetzung ins Deutsche weniger eindeutig, und so finden sich neben dem Begriff Nach-haltigkeit die Synonyme Zukunftsfähigkeit, Tragfähigkeit, dauerhafte Entwicklung und viele andere mehr.

Zu weltweiter Popularität gelangte der Begriff Nachhaltigkeit durch seine Verwendung im 1987 erschienenen Bericht der Weltkommission Umwelt und Entwicklung (WCED) „Our Common Future“, der nach seiner Vorsitzenden, der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland, als Brundtland-Bericht bekannt ist.26 Die von der UN-Generalversammlung eingesetzte Kommission hatte zur Aufgabe, auf Basis einer Analyse der globalen umwelt- und entwicklungspolitischen Problemstellungen langfristige und wirklichkeitsnahe Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die den gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den Völ-kern und den einzelnen Systemen (Umwelt, Wirtschaft, Soziales) Rech-nung tragen.

Schwerpunkte der Kommissionsarbeit, die inhaltlich den Begriff Nachhaltigkeit ausfüllten, bildeten die Themen Bevölkerungsentwicklung und Verteilung von Ressourcen, Welternährung, Artenvielfalt und Schutz von Ökosystemen, Energie- und Industrieproduktion sowie die Urbanisie-rung. Thematisch knüpft der Brundtland-Bericht damit an die mit dem Bericht des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“ (1972) entfach-te inentfach-ternationale Diskussion über globalen Umweltschutz,

25 Vgl. Radkau: Beweist die Geschichte die Aussichtslosigkeit von Umweltpolitik? S. 34 f.

26 Hauff: Unsere gemeinsame Zukunft.

Grundzüge der Debatte um Nachhaltigkeit 31

verbrauch und Entwicklung an. Übersicht 1 vermittelt eine Übersicht über die wichtigsten Stationen der Entstehung des Nachhaltigkeitskon-zepts.

Übersicht 1: Stationen der Herausbildung des Leitbildes „Nachhaltigkeit im Vorfeld des Brundtland-Berichts“

Konferenz/Studie Ort und Jahr Beschreibung

Bericht des Club of Rome: „Die Grenzen des Wachstums“

Rom 1968-1972

Der Bericht zeigt das exponentielle Wachstum von Bevölkerung, Umweltzerstörung und Rohstoffabbau auf und macht auf die Gefahr einer ökologischen Selbstzerstörung aufmerk-sam.

UNEP-Konferenz

„Human Environment“ Stockholm

1972 Erstmalig gemeinsame Thematisierung von Umwelt- und Entwicklungsfragen auf interna-tionaler Politikebene.

Die in Anlehnung an das Konzept des Ecode-velopment27 von Maurice Strong verfasste Cocoyok-Erklärung erkennt die Existenz ar-mutsbedingter Umweltzerstörung und Bevöl-kerungsexplosion an. Für die Industrieländer wird ein „Überkonsum“ konstatiert.

Bericht Dag Ham-marskjöld:

„What now – Another Development?“

Schweden

1975 Vertiefung und Ergänzung der Cocoyok-Erklärung um Minimum- und Maximumstan-dards der Entwicklung für Entwicklungs- und Industrieländer.

IUCN: World

Conser-vation Strategy 1980 Erstmalige Verwendung des Nachhaltigkeits-begriffs zur Charakterisierung eines dauerhaft tragfähigen Umgangs mit den natürlichen Ressourcen.

WCED: Brundtland-Bericht

1987 Betonung der Verflechtung von Umwelt- und Entwicklungskrisen, gleiche Wertschätzung der Bedürfnisse heutiger und zukünftiger Generationen.

Ihre bis heute andauernde und wegweisende Bedeutung für das Verständ-nis von Nachhaltigkeit erhielt die Kommission vor allem aufgrund ihrer

27 Ecodevelopment betont die Nutzung der regionalspezifischen Potenziale für den Schutz der ökologischen Systeme und die Befriedigung der Grundbedürfnisse aller Menschen.

Vgl. Kreibich: Nachhaltige Entwicklung, S. 22.

Betonung der wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen ökologischen und sozialen Problemkategorien.28 Unter dem Eindruck der insbesondere in den Ländern Afrikas und Lateinamerikas zu beobachtenden Abwärts-spirale aus Verschuldung, Überbeanspruchung der natürlichen Ressour-cen, ökologischen Folgewirkungen und Zerstörung der wirtschaftlichen Grundlagen betont die Kommission die Verflechtung umwelt- und ent-wicklungspolitischer Probleme zu einer einzigen, umfassenden Krise.29 Sozioökonomische und ökologische Faktoren bilden gemeinsam die Ur-sache für die konstatierten Miseren. Auch wenn die Einsicht in ihre ge-genseitige Bedingtheit bereits in früheren Berichten erkannt wurde (z. B.

im Rahmen der Cocoyok-Erklärung), ist es als Verdienst der WCED an-zusehen, dass soziale, ökonomische und ökologische Zielsetzungen un-trennbar im Konzept der Nachhaltigkeit vereint wurden. Vor dem Hinter-grund, dass im Vorwege des Berichts gerade die Unvereinbarkeit von Umwelt- und Entwicklungsinteressen verstärkt Beachtung fand, als in den 80er-Jahren das Konzept der nachholenden Entwicklung populär wurde, ist dies vor allem als eine politisch bedeutsame Neuakzentuierung zu sehen.30 Im Gegensatz zu früheren Konzeptionen, insbesondere zum einflussreichen Bericht des Club of Rome, zeichnet sich der Brundtland-Bericht durch eine eher optimistische, lösungsorientierte Sichtweise aus.

So sieht er trotz der diagnostizierten Problemlagen Chancen für eine neue Ära wirtschaftlichen Wachstums, das nach Ansicht der Kommission als nachhaltiges Wachstum durchaus mit den ökologischen Erfordernissen kompatibel sei.31 Diese ursprünglich auf die Belange der Entwicklungs-länder gemünzte Schlussfolgerung hat sich im Laufe der Beschäftigung mit dem Nachhaltigkeitskonzept zu der auch für die Industrieländer gülti-gen Einsicht verdichtet, dass der Schutz der globalen Umweltgüter gülti- gene-rell nur mit und nicht gegen die Interessen der Menschen umzusetzen ist.

Die zweite Kernaussage des Berichts, die seine herausragende Stel-lung in der Nachhaltigkeitsdiskussion begründet, ist normativer Art. Mit der Einführung des ethischen Postulats prinzipiell gleichberechtigter Ge-nerationen stellt die Kommission nachhaltige Entwicklung nicht nur als einen Interessenausgleich zwischen den heute lebenden, sondern auch als

28 Vgl. Heins: Die Rolle des Staates, S. 42.

29 Vgl. Hauff: Unsere gemeinsame Zukunft, S. 4 f.

30 Vgl. Heins: Die Rolle des Staates, S. 41 f.

31 Vgl. Luks: Dissertationsschrift, S. 34.

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eine Verpflichtung gegenüber späteren Generationen heraus. Der Erhalt einer lebenswerten Umwelt folgt aus dem Gebot intergenerationeller Gerechtigkeit. Dieses kommt in der klassischen und häufig zitierten For-mulierung zum Ausdruck:

„Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Ge-nerationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen kön-nen.“32

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