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Die Agenda 21 als politische Richtungsvorgabe

Im Dokument Lokale Agenda fürglobale Probleme? (Seite 35-38)

2 Grundzüge der Debatte um Nachhaltigkeit

2.2 Die Agenda 21 als politische Richtungsvorgabe

Ein weiterer Schritt zur Konkretisierung von Nachhaltigkeit wurde 1992 auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro mit der Verabschiedung der Agenda 21 unternommen. Sie gilt landläufig als das „Aktionsprogramm für eine nachhaltige Entwicklung“, als eine umfassende „Anleitung für Geschäfts- und Regierungspolitiken und für persönliche Entscheidungen“.33 Dabei stellen die in ihr aufgeführten Poli-tikziele nicht so sehr das Ergebnis wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dem Konzept dar als vielmehr eine Integration der verschiedenen Problemsichten und Bedürfnisanmeldungen, wie sie in interaktiver Denk-arbeit der Regierungen und unter Einbeziehung vieler gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen in der Agenda 21 zusammengeführt wur-den. Wichtigste Klammer um die Einzelthemen bildet der Aufruf zu einer globalen Partnerschaft im Bereich von Umwelt und Entwicklung. Ihre Bedeutung verdankt die Agenda 21 der breiten politischen Zustimmung in Form ihrer Unterzeichnung durch 170 Regierungsvertreter und ihres konsensualen Entstehungsprozesses. Letzterer erforderte auf der anderen Seite aber auch die Beschränkung der Forderungen auf ein für alle tragfä-higes Maß. Einige Themen, die noch im Brundtland-Bericht als Problem-feld identifiziert wurden und die von vielen implizit als Bestandteil nach-haltiger Entwicklung angesehen werden, wie beispielsweise der Ausstieg aus der Kernenergienutzung, finden aus Rücksicht auf politische Sensibi-litäten keine Erwähnung.

32 Hauff: Unsere gemeinsame Zukunft, S. 46.

33 Keating, M.: Agenda für eine nachhaltige Entwicklung. Eine allgemein verständliche Fassung der Agenda 21 und der anderen Abkommen von Rio. (Herausgegeben vom) Centre for Our Common Future: Genf 1993, S. VII.

Gegliedert in 40 Kapitel benennt die Agenda 21 die in der ihr voraus-gegangenen Debatte als wesentlich empfundenen Politikdimensionen.

Entsprechend der von der Brundtland-Kommission begründeten Sicht-weise zählen hierzu sowohl ökologische, soziale als auch wirtschaftliche Ziele (vgl. Übersicht 2). Als diplomatisches Dokument unternimmt sie zudem den Versuch, neben der Konkretisierung von Einzelzielen auch die jeweils möglichen Maßnahmen zu ihrer Erfüllung aufzuzeigen und den Finanzierungsbedarf zu beziffern. Spezielle Beachtung finden die Umsetzungskosten der Agenda 21 in den Entwicklungsländern. Diese beliefen sich in der ersten Phase der Umsetzung (1993-2000) schät-zungsweise auf 561,5 Mrd. Dollar jährlich, wovon die reicheren Länder ca. ein Drittel durch zusätzliche Transfers übernehmen sollten. Gleichzei-tig bekräfGleichzei-tigten die Industrienationen ihre Absicht, entsprechend dem von den Vereinten Nationen formulierten Ziel, 0,7% ihres Bruttosozialpro-dukts für Entwicklungshilfe bereitzustellen.34 Dass beide Vereinbarungen nicht in die Tat umgesetzt wurden, ist jedoch ein Indiz für die geringe politische Verbindlichkeit der Agenda 21. Im Rio-Nachfolgeprozess kommen die Ländervertreter und akkreditierten Organisationen zu regel-mäßig stattfindenden Sitzungen der zur Förderung ihrer Umsetzung etab-lierten Commission on Sustainable Development (CSD) zusammen, um das weitere Vorgehen zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten abzu-stimmen. Eine Aktualisierung und Überarbeitung der Agenda 21 soll im Jahr 2002 auf der Rio+10-Konferenz erfolgen. Beobachter erwarten, dass hierbei vor allem die institutionelle und organisatorische Stärkung der internationalen Umweltpolitik auf der Tagesordnung stehen wird.35

34 Vgl. Keating: Agenda für eine nachhaltige Entwicklung, S. 52 f.

35 Vgl. Pilardeaux, B.: Internationale Umweltpolitik durch UN-Reform stärken. Das neue Gutachten des WBGU. Ein Beitrag zur Rio+10-Debatte, in: Entwicklungspolitik, H. 1 (2001), S. 20.

Grundzüge der Debatte um Nachhaltigkeit 35 Übersicht 2: Politikziele in der Agenda 21

Soziale und wirtschaftliche Dimension Ökologische Dimension

Internationale Zusammenarbeit zur Be-schleunigung nachhaltiger Entwicklung in den Entwicklungsländern

Armutsbekämpfung

Veränderung der Konsumgewohnheiten

Berücksichtigung der Bevölkerungs-dynamik

Schutz und Förderung der menschlichen Gesundheit

Förderung einer nachhaltigen Sied-lungsentwicklung

Integration von Umwelt- und Entwick-lungszielen in die Entscheidungsfindung

Förderung der Rechte der Frauen

Stärkung der Rolle von Kindern und Jugendlichen zur Erzielung einer nach-haltigen Entwicklung

Anerkennung und Stärkung der Rolle der eingeborenen Bevölkerungsgruppen

Stärkung der Rolle der nichtstaatlichen Organisationen

Schutz der Erdatmosphäre

Nachhaltige Bodenbewirtschaftung

Bekämpfung der Entwaldung

Bekämpfung der Wüstenbildung und der Dürren

Nachhaltige Bewirtschaftung von Berggebieten

Nachhaltige Landwirtschaft

Erhalt der biologischen Vielfalt

Umweltverträgliche Nutzung der Bio-technologie

Schutz der Ozeane, Meere und Küs-tengebiete sowie ihrer lebenden Res-sourcen

Schutz der Süßwasserressourcen

Umweltverträglicher Umgang mit toxischen Chemikalien

Umweltverträgliche Entsorgung ge-fährlicher Abfälle

Umweltverträglicher Umgang mit festen Abfällen und Klärschlämmen

Sicherer und umweltverträglicher Umgang mit radioaktiven Abfällen Quelle: Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.): Lokale

Agenda 21. Schriftenreihe Forschung. Heft 499. Bonn: 1996, S.11 sowie Bun-desministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Konfe-renz der Vereinten Nationen für Umwelt- und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro. Dokumente. Agenda 21. Bonn: 1992.

Einen prägenden Einfluss auf die Diskussion um Nachhaltigkeit hat vor allem die Betonung zivilgesellschaftlicher und partizipatorischer Elemen-te im Rahmen des major-group-Konzepts der Agenda 21 hinElemen-terlassen. In ihrem dritten Teil „Stärkung der Rolle wichtiger Gruppen“ werden neun Gruppen und Organisationen benannt, die mit ihrem Engagement und ihrer Beteiligung wichtige Impulse liefern können und die insofern part-nerschaftlich von ihren jeweiligen Regierungen in die Suche nach

nach-haltigen Entwicklungsmustern einbezogen werden sollen (vgl. Fußnote 13 in Kapitel 1). Hierdurch gewinnt das Konzept einen prozessualen Cha-rakter: Anstelle einmaliger starrer Definition sind nachhaltige Hand-lungsweisen ständig unter Berücksichtigung der verschiedenen Bedürfnisse und Interessenlagen neu zu verhandeln. Die partizipative Einbindung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen ist zur Generierung einer brei-ten Zustimmung Grundvoraussetzung für den langfristigen Erfolg des Nachhaltigkeitskonzepts.

Im Dokument Lokale Agenda fürglobale Probleme? (Seite 35-38)