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Der Muskel-Sehnen-Komplex (MTC), als Hauptbestandteil der vorliegenden Untersuchung, besitzt neben der Kontraktionsfähigkeit und damit der Generierung von Kraft, auch die Fä-higkeit, diese Kraft über tendinöses Gewebe auf das Skelettsystem zu übertragen und dadurch Bewegung hervorzurufen sowie Energie zu speichern und zu absorbieren. Entsprechend der verschiedenen Eigenschaften des MTC wird er im Sinne einer funktionellen Strukturierung in vier Elemente unterteilt (Abb. 2.10): Kontraktiles (CE), serienelastisches (SE), parallelelasti-sches (PE) und Dämpfungselement (D) (WANK 2000). Dabei umfasst das kontraktile Element die Muskelfasern und den eigentlichen Kontraktionsvorgang. Die weiteren Elemente werden im Folgenden kurz erläutert.

Abb.2.10: Schema des MTC mit den drei Elementen CE, SE und PE. KSÜ = Knochen-Sehnen-Übergang (aus WANK 2000).

2.4.1 Serienelastisches Element

Das serienelastische Element steht in dieser Arbeit stellvertretend für die Existenz von Seh-nen, Aponeurosen und den Knochen-Sehnen-Übergang (KSÜ). Weitere elastische Elemente wie sie bei WANK (2000) beschrieben werden, werden aufgrund der makroskopischen Model-lierung des Kontraktionsverhaltens nicht berücksichtigt. Sehnen wirken in Verlängerung des Muskelbauches und verbinden Muskel und Knochen. Aponeurosen sind plattenartige, elasti-sche Sehnenstrukturen, in die sich die Muskelfasern einfügen und die einen Teil des Muskel-bauchs bedecken (RAITERI 2018). Während der Kontraktion werden die Sehnen durch die in Wirkungsrichtung des Muskels wirkende Kraft gedehnt. Im Gegensatz dazu können sich Aponeurosen in mehrere Richtungen, entlang und orthogonal zur Kraftwirkungsrichtung, strecken (SCOTT &LOEB 1995; VAN DONKELAAR et al. 1999; AZIZI &ROBERTS 2009). Die Muskelfasern dehnen sich aufgrund ihrer Volumenkonstanz bei Kontraktion in radialer Rich-tung aus und generieren eine potentielle Kraft, die dazu führt, dass sich die Aponeurose in Abhängigkeit der Kontraktionskraft auch in ihrer Breite ausdehnt (ARELLANO et al. 2016).

Aponeurosen weisen damit deutlich komplexere elastische Eigenschaften auf als Sehnen. Zu den elastischen Eigenschaften von Sehnen und Aponeurosen existieren eine Vielzahl von Un-tersuchungen, die sich mit dem Dehnungsverhalten bei Kontraktion beschäftigt haben. Bei der Bestimmung der Elastizität und der Längenänderung von Sehnen und Aponeurosen werden in

der einschlägigen Literatur jedoch sehr unterschiedliche Werte angegeben. Die Angaben für den so genannten Strain-Wert, differieren für Sehnen, insbesondere jedoch für Aponeurosen.

Der Strain-Wert beschreibt die relative Längenänderung der Sehne bzw. der Aponeurose, be-zogen auf ihre Ausgangs- bzw. Ruhelänge l0 bei gegebener Kontraktionskraft.

0

0 0

100 l l 100 [%]

Strain l

l l

     (5)

Da die Werte vom untersuchten Muskel abhängig sind, konzentrieren sich die folgenden Aus-führungen auf die betrachteten Plantarflexoren. Für die Steifigkeit beider serienelastischen Strukturen werden Strain-Werte von 1-12 % angegeben. Unterschiedliche Angaben sind auf Unterschiede in der Untersuchungsmethodik, der Messtechnik und den untersuchten Bereich der Sehne und Aponeurose zurückzuführen. Darüber hinaus gehen die Berücksichtigung und Korrektur der Gelenkbewegung und Fußdeformation (ARAMPATZIS et al. 2006), die Koakti-vierung der Antagonisten (MAGNUSSON et al. 2003) und die Kontraktionsintensität mit ein.

Für die freie, externe Sehne (Sehnenansatz Calcaneus bis zur distalen Einmündung der Mus-kelfasern von SOL) (u. a. FINNI et al. 2003a/b;KUBO et al. 2005; KONGSGAARD et al. 2011;

FARRIS et al. 2013) und die Sehne für GAL/GAM (u. a. MAGNUSSON et al. 2001; M URAM-ATSU et al. 2001; ROSAGER et al. 2002; ARAMPATZIS et al. 2005; KUBO et al. 2005; A RAM-PATZIS et al. 2007a/b;STENROTH et al. 2012) liegen die Strain-Werte überwiegend in einem Bereich von 4-6 %, währendMAGNUSSON et al. (2003) bei 87 % MVC sogar Werte von bis zu 8 % beschreibt. Über die Ausdehnung und Längenänderung der Aponeurose im Vergleich zur Sehne herrscht in Fachkreisen Uneinigkeit. Es gibt noch keinen gemeinsamen Konsens dar-über, ob Sehne und Aponeurose mit vergleichbaren elastischen Eigenschaften an der Kontrak-tionsdynamik beteiligt sind oder ob diese stark voneinander abweichen. KUBO et al. (1999), MAGNUSSON et al. (2001), MURAMATSU et al. (2001), FUKUNAGA et al. (2002), ARAMPATZIS

et al. (2005) und KUBO et al. (2005) berichten von gleichen elastischen Eigenschaften bei Sehnen und Aponeurosen und einer homogenen Dehnung entlang der jeweiligen Struktur.

Hingegen gehen FINNI et al. (2003a), MAGNUSSON et al. (2003), MAGNUSSON et al. (2008) und FARRIS et al. (2013) von unterschiedlichen Strain-Werten der beiden serienelastischen Elemente aus. Diese Studien implizieren, dass Sehne und Aponeurose unterschiedliche Auf-gaben bei der menschlichen Bewegung haben. MAGNUSSON et al. (2003) geben an, dass die Achillessehne vornehmlich Energie speichert und abgibt, während die Aponeurose der effek-tiven Übertragung der kontraktilen Kraft dient. In Studien mit geringeren Strain-Werten für die Aponeurose als für die Sehne werden diese häufig durch die bei Aponeurosen auftretende Ausdehnung in orthogonaler Richtung zur Kraftwirkung begründet (z. B. FARRIS et al. 2013).

Nicht nur der Vergleich zwischen Sehne und Aponeurose, sondern auch die Homogenität der Belastung innerhalb der Aponeurose wurde in Frage gestellt. KINUGASA et al. (2008), LEE et al. (2006) und FINNI et al. (2003a) stellten sowohl Verlängerungen als auch Verkürzungen der Aponeurose je nach betrachteter Region und in Abhängigkeit der Kontraktionskraft fest. Sie begründen dieses Verhalten durch die unterschiedliche Aktivität der motorischen Einheiten und die unterschiedliche Orientierung in der Faserarchitektur in Bezug zur Aponeurose.

Da-gegen berichten MURAMATSU et al. (2001), MURAMATSU et al. (2002a) und MAGANARIS

(1998) von einer homogenen Dehnung der Aponeurose bei Werten zwischen 4-6 %.

Das Wissen und die Kenntnis über die Elastizitätsparameter der menschlichen Sehnen und Aponeurosen sind nach ANDERSON &PANDY (1993) und BOBBERT (2001) für die Modellie-rung von Kontraktionen notwendig, um präzise Modelle des MTC erstellen zu können. Die Interaktion zwischen kontraktilen und elastischen Komponenten ist insbesondere in Muskeln mit langen Sehnen wie den m. gastrocnemii bedeutend.

Die für die Modellrechnungen in dieser Arbeit verwendeten Werte stammen aus der Untersu-chung von ARAMPATZIS et al. (2005). ARAMPATZIS und Kollegen bestimmten die Längenän-derung und damit die Elastizität der Achillessehne und der Aponeurose von GAM simultan im gleichen Versuch bei maximaler Intensität der Plantarflexion. Zudem wurden einige Schwächen der vorausgegangenen Studien vermieden. Es wurden keine Unterschiede im elas-tischen Verhalten zwischen Sehne und Aponeurose gefunden. Die ermittelten Strain-Werte von Sehne (4.72 %) und Aponeurose (5.12 %) stimmen mit den Werten aus vergleichbaren Studien (MAGNUSSON et al. 2001; MURAMATSU et al. 2001; ROSAGER et al. 2002) überein.

KONGSGAARD et al. (2011) haben speziell die Längenänderung der freien Achillessehne (SOL) bestimmt, indem sie die Verschiebung zwischen dem Ansatz der Sehne am Calcaneus und der myotendinösen Verbindungsstelle von Sehne und dem distalen Ende des m. soleus gemessen haben, ohne dabei die Deformation der Soleus-Aponeurose in die Kalkulation mit einzubeziehen. Mithilfe eines sehr langen Ultraschallkopfes waren sie die Ersten, die die Län-genänderung bei Kontraktion der gesamten Sehne in einem Bild sichtbar machen konnten.

Der so bestimmte Strain-Wert betrug bei maximal willkürlicher Kontraktion 4.5 % und stimmt damit mit den Werten, die für die Achillessehne inklusive der Soleus-Aponeurose (GAL/GAM) bestimmt wurden, überein. Von einer vergleichbaren Charakteristik innerhalb des m. tricpes surae gehen auch KUBO et al. (2005), MAGNUSSON et al. (2001) und FARRIS et al. (2013) aus. Bei der Beschreibung des Muskelmodells (Kapitel 4.2) wird vertieft darauf eingegangen, wie das serienelastische Element in das Muskelmodell integriert ist.

2.4.2 Parallelelastisches Element

Unter dem parallelelastischen Element versteht man sämtliche Bindegewebsstrukturen, die parallel zu den kontraktilen Einheiten (Sarkomeren) angeordnet sind. Dazu zählen beispiels-weise Membranen der Myofilamente, Titin, Faser- und Faserbündelmembranen sowie Faszien von Muskelkompartimenten und des gesamten Muskels (Kapitel 2.1) (WANK 2000). Der Ein-fluss der parallelelastischen Strukturen auf die Kontraktion wird in dieser Arbeit lediglich bei extremer Muskeldehnung berücksichtigt. Bei starker Dehnung und damit großen Muskelaus-gangslängen unterstützen sie die Kontraktionskraft, da sie Widerstand gegen die Dehnungs-kraft aufbringen (KRAMER 2012). Für die Berücksichtigung des parallelelastischen Elements in der Muskelmodellierung sind vor allem die Startlänge lPE,0, bei der die passiven Kräfte zu wirken beginnen und der Elastizitätsparameter des parallelelastischen Elements kPE zur Be-rechnung der passiven Kraft, entscheidend. Ähnlich wie beim serienelastischen Element wer-den die Zusammenhänge in Kapitel 4.2 näher betrachtet.

2.4.3 Dämpfungselement

Da bei den Untersuchungen in dieser Arbeit keine hohen Dehnungsgeschwindigkeiten er-bracht wurden, spielen die Dämpfungselemente nur eine untergeordnete Rolle und werden lediglich aus Gründen der Vollständigkeit erwähnt. Aufgrund der bereits angedeuteten Fähig-keit des Muskels Energie zu absorbieren, steht die Existenz von Dämpfungseigenschaften außer Frage. Ihre Aufgabe besteht vor allem in der Stabilisierung des Kontraktionsvorgangs und darin, den MTC vor Überlastungen bei hohen Dehnungsgeschwindigkeiten zu schützen (KRAMER 2012). Die Dämpfungswiderstände entstehen größtenteils durch Reibung beim Gleiten der Myofilamente und nehmen mit steigender Geschwindigkeit zu. Bei der Muskel-verkürzung werden aufgrund der geringen Gleitgeschwindigkeit der Filamente keine hohen Energieverluste erwartet (WANK 2000). Aufgrund des geringen Einflusses bei isometrischen und konzentrischen Kontraktionen, wie sie in dieser Untersuchung vorliegen, wird in diesem Muskelmodell kein Dämpfungselement implementiert.