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Vhr1p ist ein essentielles Protein in der Biotinwahrnehmung

Zeitgleich mit der Publikation [Pirner und Stolz, 2006], die aus den Daten dieser Arbeit hervorging, wurden auch die Ergebnisse über die Wahrnehmung von Biotin in Hefe von Weider et al. [2006] veröffentlicht. In dieser Arbeit wurde durch die Komplementation eines EMS-mutagenisierten Reporterstamms, welchem es nicht mehr möglich war GFP unter der Kontrolle

des VHT1-Promotors bei Niedrig-Biotinbedingungen zu exprimieren, das Gen VHR1 („VHT1 regulator 1“) identifiziert und charakterisiert. Vhr1p ist ein essentielles Protein in der biotinabhängigen Regulation von VHT1 und BIO5 und besitzt wahrscheinlich die Funktion eines Transkriptionsfaktors in der Biotinmangelantwort. Die Expression von VHR1 erfolgt vermutlich biotinunabhängig [Weider, 2006] und das Protein wurde sowohl bei induzierenden als auch nicht-induzierenden Bedingungen (zumindest vorwiegend) im Kern lokalisiert. Allerdings ist die Lokalisation von GFP-Vhr1p im Zellkern aufgrund der gezeigten Fluoreszenzbilder bei Weider et al. [2006] nicht eindeutig nachzuvollziehen und auch bei Huh et al. [2003], deren Ergebnisse mit Vhr1p-GFP von den Autoren zitiert wurden, wurde die Lage nicht eindeutig auf Cytoplasma oder Zellkern festgelegt. Außerdem haben Weider et al. [2006] nicht die Funktionalität der GFP-Vhr1p- bzw. Vhr1p-GFP-Fusionsproteine geprüft. Untersuchungen von Weider [2006] mit Vhr1p-myc belegen jedoch, dass C-terminale Markierungen den proteolytischen Abbau von Vhr1p fördern und die Funktion des Proteins behindern. Zudem sind N-terminal 3HA-markiertes Vhr1p und die mit GFP, HA oder ZZ markierten C-terminalen Versionen von Vhr1p nicht funktionell (unveröffentlichte Daten von Stefan Ringlstetter, TU München). Andererseits haben Vhr1p und sein homologes Protein YER064cp (welches jedoch keinen Einfluß auf die Expression von VHT1 besitzt) putative Kernlokalisationssignale, die mit den putativen Helix-Turn-Helix-Motiven im N-terminalen Bereich überlappen [Weider, 2006], und YER064cp wird von Huh et al. [2003] im Kern lokalisiert.

Vhr1p besitzt zwei funktionell voneinander unabhängige konservierte Bereiche: eine N-terminale DNA-Bindedomäne, welche zumindest zum Teil auch bei Normal-Biotinbedingen an die UASBIO bindet (3x Steigerung der Bindeaktivität bei Biotinmangel), und eine C-terminale Aktivierungsdomäne, die bei Biotinmangel die Aktivierung der Transkription induziert (10x Steigerung der Aktivierung gegenüber Normalbedingungen) [Weider et al., 2006]. Interessant ist, dass Vhr1p von Weider et al. [2006] keiner bekannten Klasse von Transkriptionsfaktoren (wie z.B. Zinkfingerproteine) zugeordnet werden konnte und homologe Proteine nur in nah verwandten Hefen vorkommen, was nach Ansicht der Autoren ein Hinweis dafür sein könnte, dass die Biotinregulation in S. cerevisiae spezifisch für Hefen der Ordnung Saccharomycetales ist.

Dass keines der Pyc-Gene bei dem EMS-Screening von Weider et al. [2006] gefunden wurde ist gut erklärbar, denn für einen kompletten Verlust der VHT1-Promotor-Induktion müssten erstens die Funktionen beider Pyc-Gene bei der Mutagenese zerstört werden und zweitens könnten die entsprechenden Klone dann nur bei Zusatz von L-Aspartat wachsen.

Weider et al. [2006] favorisieren ein einfaches Regulationsmodell, in dem Vhr1p, ähnlich wie die Bpl1p bei E. coli (vgl. Kapitel 1.2.7), einen löslichen oder, wie z.B. bei der Prolinwahrnehmung in

S. cerevisiae durch Put3p (zusammenfassende Darstellung in [Sellick und Reece, 2005]), einen an die Ziel-DNA gebundenen Biotinsensor darstellt und so ohne weitere Proteininteraktionen die Regulation der Biotingene steuert. Dieses Modell kann nicht mit der in dieser Arbeit gezeigten essentiellen Funktion der Pyruvatcarboxylasen bei der Biotinwahrnehmung in Einklang gebracht werden. Außerdem scheint weder freies Biotin noch Biotinyl-5´-AMP der Signalgeber zu sein (vgl. Kapitel 4.3). Somit scheidet auch ein alternatives Modell mit einem mit Vhr1p interagierenden Protein als Sensor für Biotin-5´-AMP [Weider, 2006] aus.

Schließlich ist auch die Vorstellung eines direkt biotinylierten Vhr1p als Sensor [Weider, 2006]

unwahrscheinlich. Vhr1p besitzt zwar (gemessen in Vollmedium) im Vergleich zu den meisten der biotintragenden Proteine in S. cerevisiae eine geringe Molekülzahl pro Zelle [Ghaemmaghami et al., 2003], womit man die fehlende Biotinbande des 71 kDa großen Proteins im Western Blot rechtfertigen könnte. Außerdem ist, wie man am Beispiel des biotintragenden Proteins Arc1p sehen kann, eine klassische Biotindomäne für die Biotinylierung durch die Bpl1p nicht zwingend nötig. Andererseits kann auch mit diesem Modell die Rolle der Pyc-Proteine nicht erklärt werden (vgl. auch Kapitel 4.3).

Geht man davon aus, dass Vhr1p wirklich biotinunabhängig im Kern lokalisiert ist, muss man annehmen, dass mindestens ein weiteres Protein bei der Wahrnehmung von Biotinmangel in Hefe beteiligt ist, da Pyc1p und Pyc2p in S. cerevisiae cytoplasmatische Proteine sind.

Die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit und der von Weider [2006] lassen sich wie folgt zusammenführen: (1) Die Biotinwahrnehmung in S. cerevisiae erfolgt intrazellulär und unabhängig vom Biotintransporter Vht1p. (2) Freies Biotin bzw. Biotinyl-AMP ist kein Signalgeber und die BPL spielt vermutlich eine indirekte, wenngleich wichtige Rolle. (3) Auch die Wahrnehmung von Biotinmangel durch fehlende Produkte aus den enzymatischen Reaktionen der biotintragenden Carboxylasen wird ausgeschlossen. (4) Die meisten Biotinproteine sind für eine Biotinmangelantwort nicht essentiell. (5) Fehlen beide Pyruvatcarboxylasen bzw. können diese durch eine Mutation des biotintragenden Lys-Restes nicht biotinyliert werden, erfolgt keine Induktion des Biotinsystems. Pyc2p scheint dabei die größere Rolle in der Biotinwahrnehmung zu spielen. (6) Vhr1p ist ein im Kern lokalisierter Transkriptionsfaktor, dessen Fähigkeit zur DNA-Bindung und Transkriptionsaktivierung jeweils durch Biotinmangel stimuliert wird.

In Abb. 4-2 sind mögliche Zusammenhänge bei der Biotinwahrnehmung graphisch dargestellt.

Abb. 4-2: Graphische Darstellung möglicher Zusammenhänge bei der Biotinwahrnehmung in S. cerevisiae. Steht der Bäckerhefe ausreichend Biotin zur Verfügung, so führt dies zur Bildung von Bpl1p-gebundenen Biotinyl-AMP und biotinyliertem Pyc2p in der Zelle. Unter dieser Voraussetzung ist der biotinabhängige Transkriptionsaktivator Vhr1p inaktiv. Zu dem gleichen Resultat führt eine Deletion des PYC2-Gens. Bei Biotinmangel, einem mutierten Bpl1p-Enzym oder einer reduzierten Expression von Bpl1p liegt ein hoher Anteil von Pyc2p in der Zelle biotinfrei vor. Vhr1p wird nicht länger inhibiert und die Transkription der biotinabhängig regulierten Gene stimuliert.

Es könnte also z.B. die biotinfreie Apoform der Pyruvatcarboxylasen (vor allem von Pyc2p) mit einem Protein wechselwirken, welches durch die Biotinylierung bzw. dem Fehlen der Pyc-Proteine frei wird, in den Kern diffundiert und die Funktion des Transkriptionsaktivators Vhr1p hemmt. Ein Wechsel von Transkriptionsfaktoren bzw. an der Regulation beteiligter Proteine zwischen Cytoplasma und Kern kennt man z.B. auch aus dem Galaktose-Regulationssystem (zusammenfassende Darstellung in [Sellick und Reece, 2005]) und beim eisenabhängigen Transkriptionsfaktor Aft1p [Yamaguchi-Iwai et al., 2002]. Die Regulation der Gene des Galaktosemetabolismus erfolgt durch das Zusammenspiel des Transkriptionsaktivators Gal4p, des Transkriptionsrepressors Gal80p und des mutmaßlichen Galaktosesensors Gal3p. Bei Abwesenheit von Galaktose liegt Gal4p zwar gebunden an die Ziel-DNA vor, wird jedoch durch den Komplex mit Gal80p inhibiert. Wird Hefe in Galaktose als alleiniger Kohlenstoffquelle angezogen, interagiert Gal3p Galaktose- und ATP-abhängig mit Gal80p und die Gene des Galaktosemetabolismus werden induziert [Sellick und Reece, 2005]. Hierbei ist allerdings noch nicht endgültig geklärt, ob Gal3p vom Cytoplasma in den Kern wandert und mit Gal4p und Gal80p einen ternären Komplex bildet [Platt und Reece, 1998] oder Gal80p von Gal4p

abdissoziert und mit Gal3p im Cytoplasma wechselwirkt [Peng und Hopper, 2000]. Bei Aft1p wurde durch Yamaguchi-Iwai et al [2002] gezeigt, dass die Aktivierung der entsprechenden Gene bei Eisenmangel nicht durch eine Veränderung der Aft1p-Expression oder der DNA-Bindeaktivität erfolgt, sondern durch die Verlagerung von Aft1p vom Cytoplasma in den Kern.

Neben der Suche nach einem Bindeglied zwischen den Pyc-Proteinen und Vhr1p und der Funktion der Pyc-Proteine bei der Biotinwahrnehmung gibt es noch weitere interessante Fragen. Arc1p ist nach den hier vorliegenden Daten für die Reaktion der Zelle auf Biotinmangel nicht essentiell.

Unklar ist noch, welche Funktion die Biotinylierung von Arc1p eigentlich hat. Das Protein mit einer nichtkanonischen Biotindomäne kann nur durch die Bpl1p aus S. cerevisiae biotinyliert werden und nicht, wie es bei den anderen Biotinproteinen aus Hefe möglich ist, über BirA aus E. coli [Kim H. S. et al., 2004], obwohl BirA sogar Peptide mit einer untypischen Primärstruktur modifizieren kann [Schatz, 1993; Beckett et al., 1999]. Außerdem führt Arc1p keine Carboxylierungsreaktion aus und seine Biotinylierung scheint keinen Einfluss auf seine physiologische Funktion zu haben [Kim H. S. et al., 2004].

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