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Stand der Technik der Modellbildung 4

6.4 Modifizierte kommerzielle Rundzellen

6.4.3 Verwendetes Modell

Zur Modellierung dieser modifizierten Zelle wird das Modell verwendet, wie es in Kapitel 5 beschrieben wird. Die Rundzellengeometrie wird im thermischen Modell vereinfacht an-genommen zu einer Superposition von konzentrischen Hohlzylindern mit einer Diskretisie-rungsstufe von m = 4. Für die Stromableiterdomäne werden k = 19 Elemente verwendet, wobei direkt an den stromführenden Tabs zwei den erwarteten Äquipotenziallinien entspre-chende Diskretisierungselemente verwendet wurden.

Die Parameter sind stellenweise aus der Literatur sowie aus eigenen Messungen erhoben.

So wurden beispielsweise geometrische Daten wie Elektrodengeometrie und Schichtdicken selbst bestimmt, Partikelradien hingegen stammen aus der Literatur. Als besonders kritisch erweisen sich die Diffusionskonstanten sowie die Reaktionsratenkonstanten. Deren Ladezu-stands- und Temperaturabhängigkeit ist vergleichsweise schwierig zu implementieren, da zum einen die Literaturbasis dafür widersprüchlich und nicht umfassend ist. Somit wurde weitestgehend auf Schätzungswerte aus der Literatur zurückgegriffen. In Tabelle D.2 sind die wesentlichen Modellparameter hinterlegt.

Abbildung 6.21 zeigt die schematische Darstellung der Diskretisierung der Stromableiter und Zelldomäne. Entsprechend der vorherigen Kapitel sind auch hier die Bezeichnungen der Ko-ordinatensysteme erhalten. In Abbildung 6.22 ist zudem noch die entsprechende Modellim-plementierung der modifizierten Zelle gezeigt. Das Modell wurde als rotationssymmetrisches zweidimensionales Modell aufgebaut, da so die Rechenperformance deutlich gegenüber ei-ner vollständigen dreidimensionalen Darstellung erhöht werden kann.

Abbildung 6.22– Schematische Darstellung des rotationssymmetrischen thermischen Modells.

Sichtbar sind die entsprechenden vier diskretisierten VoluminaV1bisV4. [169]

Die Randbedingungen sind etwas vereinfachter angesetzt, da nur das innerste Tab (1) be-stromt wird. Die anderen drei Tabs dienen jeweils als Potenzialmessstellen. Entsprechend wird auf der positiven Elektrodenseite eine Neumann-Randbedingung am innersten Tab an-gesetzt, während das Potenzial am innersten negativen Tab auf Null gesetzt wird. Somit ist die Differenz aus diesen beiden Tabs als Zellspannung zu betrachten.

Zusätzlich wurden die thermischen Randbedingungen insofern adaptiert, dass am oberen und unteren Rand des VolumensV1 eine lokale Wärmequelle angenommen wurde. Dieser Term soll den Kontaktwiderstand repräsentieren, der durch die neu gesetzten Schweißpunkte der Hilumin-Tabs eingebracht wurde. Aus Impedanzmessungen [196] konnten die Anteile der Kontaktwiderstände isoliert werden und als Parameter für die ohmsche Verlustleistung an diesem Punkt angenommen werden.

Die Modellperformance ist im Bereich unterhalb der realen Messdauer anzusiedeln. Im spezi-fischen Fall lag die Berechnungsdauer bei etwa 30 min auf einem gewöhnlichen Desktoprech-ner mit i7-Prozessoren und 8 GB RAM.

6.4.4 Vergleich von Simulation und Messung

Da die Messungen in den Laboren von TUM CREATE in Singapur stattgefunden haben, war der Zugriff auf den Thermoprüfstand nicht möglich. Somit ist der Wärmeübergangskoeffizi-ent an der Oberfläche nicht direkt definiert und muss als Fittingparameter geschätzt werden.

Die Zelle ist in einer temperaturkontrollierten Umgebung von 22C vermessen worden [196].

In Abbildung 6.23 ist der Vergleich von gemessenen und simulierten Spannungen gezeigt.

Nur an Tab 1 ist der gesamte Strom eingeprägt, die anderen Tabs dienen als Potenzialmess-stelle. Insbesondere bei geringeren Stromraten (a,b) von 0, 5C und 1C zeigt das Modell eine

sehr gute Übereinstimmung mit den Messungen. Bei der höheren 2C-Rate (c) zeigen sich Abweichungen. Das identifiziert die Herausforderung, die an die Parametrierung dieses Mo-dellansatzes gestellt wird, da eine Überlagerung von elektrochemischen und thermischen Ef-fekten entlang Elektroden mit 1,7 m abgebildet werden soll.

Abbildung 6.24 zeigt die gleichen Daten, wobei eine veränderte Darstellung gewählt wur-de. Es wurden die Differenzen der Potenziale zwischen den Tabs angetragen. Das heißt, es wurden die Spannungen an beispielsweise Tabpaar 4 (C4 und A4) von dem ersten Tabpaar (C1und A1) subtrahiert. Hier zeigt sich ebenfalls, dass das Modell in der Lage ist, qualitativ den Messwerten für alle C-Raten zu folgen. Das heißt, dass die internen potenzialabhängigen Prozesse adäquat beschrieben werden. Erst bei einer erhöhten Rate von 2C (siehe Abbildung 6.24, c) zeigen sich deutlichere Abweichungen. Diese treten als Offset in Erscheinung, was ein Indikator für eine Fehlanpassung in ohmschen Zusammenhängen sein kann. Insbesonde-re im Kontext der Reaktionsratenkonstante wird der komplexe Parametrierungsaufwand er-sichtlich, da diese Größe ladezustandsabhängig und über einen Temperaturbereich von etwa 20C bestimmt werden muss. In der Literatur ergibt sich allerdings ein anderes Bild, nämlich dass diese Größe als rekursiver Fittingparameter verwendet wird und somit einer deutlichen Streuung unterliegt. Die Parameterstudie im Anhang (siehe Tabelle B.1) verdeutlicht das.

Interessanterweise zeigen die differenziellen Spannungen einen deutlich gewellten Verlauf (siehe Abbildung 6.24). Gerade bei der geringsten C-Rate sind diese am deutlichsten ausge-prägt. Diese können den Stufen der Ruhespannungskennlinie des Graphits zugeordnet wer-den, da das LFP im weitesten Bereich eine konstante Ruhespannung hat. Ändert ein Bereich in der Zelle seinen Ladezustand, vergrößert sich das lokale Potenzial zwischen den Mess-stellen. Da in diesem Fall eine ungewöhnlich lange Elektrodenkonfiguration gewählt wur-de, ist dieser Effekt deutlich ausgeprägt. Mit steigender C-Rate verliert das Signal an Wellig-keit, was der Dominanz des ohmschen Verlustes in den Ableiterfolien zugeschrieben werden kann [216,217]. Der Vergleich von Temperaturmessung und -simulation ist in Abbildung 6.25 zu sehen. Wie in den vorherigen Darstellungen sind hier ebenfalls dieselben drei C-Raten bei identischer Umgebungstemperatur zu sehen. Zusätzlich zur Oberflächentemperatur der Zelle ist die interne Zelltemperatur zu sehen, die über das eingebrachte Thermocouple ver-messen wird. Es zeigt sich, dass das Modell in der Lage ist, den charakteristischen Verlauf der Temperatur nachzubilden. Die Oberflächenwerte werden in allen drei Fällen präzise abgebil-det. Im Zellinneren hingegen treten insbesondere beim höchsten Stromfluss Abweichungen auf, die nicht nur einen Offset, sondern einen anderen Verlauf darstellen. In Korrespondenz zu den elektrischen Messdaten wird vermutet, dass die Temperaturabhängigkeit der entste-henden Verlustleistung nicht korrekt abgebildet wird. Das kann ebenfalls mit der Reaktions-ratenkonstante zusammenhängen, da diese maßgeblich die Elektrodenkinetik beeinflusst.

Ein weiterer Grund für die Abweichungen der Temperatur im Zellinneren könnte die fehler-hafte Beschreibung des Wärmeübergangs des Zellwickels zum Hohlzylinder sein. Generell ist die Literaturbasis zur Vermessung thermischer Parameter wie Wärmekapazität und Wär-meleitfähigkeit gering und häufig in sich widersprüchlich [73]. Der spezifische Einfluss der Geometrie bei Rundzellen ist dabei nur makroskopisch abgebildet [193, 199]. Welchen Effekt geometrische Designkriterien oder der Wärmeübergang haben, ist noch nicht ausreichend erarbeitet. Möglicherweise divergieren Messung und Simulation aber auch, da die Messung durch das interne Thermocouple entweder eine gewisse Trägheit aufweist oder möglicher-weise nicht ideal am Hohlzylinder anliegt. Insbesondere bei einer hohen C-Rate und dement-sprechend kurzer Messdauer kann dieser Effekt die Messkurven entdement-sprechend verändern.

Abbildung 6.23– Vergleich von Simulation (—) und Messung (,,,4) für die C-Raten von 0, 5 (a), 1 (b) und 2 (c) bei einer Umgebungstemperatur von 22C. [169]

Abbildung 6.24– Vergleich von Simulation (—) und Messung (,4, ) für die C-Raten von 0, 5 (a), 1 (b) und 2 (c) bei einer Umgebungstemperatur von 22C. Dargestellt sind die Differenzen der Tabpaarspannungen. [169]

Abbildung 6.25– Vergleich von Simulation (—) und Messung (,4) für die C-Raten von 0, 5 (a), 1 (b) und 2 (c) bei einer Umgebungstemperatur von 22C. Dargestellt sind die Tem-peraturen an der Zelloberfläche (surface) sowie im Inneren der Zelle (center). [169]