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5.2 Umformung hohlprofilförmiger Halbzeuge

5.2.3 Versuchsplanung

Zur systematischen Planung und Eingrenzung der Versuche wurde für die experimen-tellen Untersuchungen zur Bauteilherstellung das in Abb. 5-15 ersichtliche Ursache-Wirkungs-Modell nach [154] erarbeitet.

Abb. 5-15: Ursache-Wirkungs-Modell für die Umformung hohlprofilförmiger Halbzeuge Kursiv gedruckte Einflussgrößen werden bei den experimentellen Untersuchungen variiert.

(*) Relevant aufgrund des hygroskopischen Matrixpolymers PA6.

Die definierten Zielgrößen leiten sich aus den Qualitätsanforderungen an das Hohl-profilbauteil ab. Delaminationen, Querfalten, Matrixanhäufungen, Faserverschie-bungen, Faserwinkeländerungen, Faserondulationen und Poren wirken sich negativ auf die mechanischen Eigenschaften des Halbzeugs aus. Der Quetschgrat konnte aufgrund der Formwerkzeuge nicht vollständig vermieden werden (siehe Abschnitt 5.2.2.2). Die Tröpfchenbildung beinträchtigt im Wesentlichen die Oberflächenqualität der Hohlprofilbauteile. Eine hohe Maßhaltigkeit ist für den späteren Verbau des Hohlprofilbauteils in der Fahrzeugkarosserie von Bedeutung. Die Hohlprofilbauteile wurden mithilfe der in Abschnitt 5.2.5 definierten Prüfverfahren hinsichtlich der Zielgrößen untersucht.

Die Qualitätsschwankungen der Halbzeuge (siehe Abschnitt 5.2.1.1) führen im Ursache-Wirkungs-Modell, ebenso wie Umwelteinflüsse, zu nicht beeinflussbaren Störgrößen.

Der Feuchtegehalt der Halbzeuge konnte durch eine Lagerung bei hoher Temperatur und geringer Luftfeuchtigkeit reduziert werden (siehe Abschnitt 5.2.4). Dadurch wird beim Erwärmungsvorgang ein schlagartiges Verdampfen des im Matrixpolymer gebundenen Wassers und damit die Gefahr der Porenbildung reduziert [155]. Die Verwendung eines Trennmittels reduziert Halbzeuganhaftungen an der Werkzeugkavität. Talkum verhindert eine Anhaftung des Blasschlauchs am Hohlprofilbauteil (siehe Ab-schnitt 5.2.1.2).

Die Einflussgrößen auf die Umformung hohlprofilförmiger Halbzeuge sind in Abb. 5-15 links dargestellt. Die drei unterschiedlichen Halbzeuge sowie die Geometrie der vier Hohlprofilbauteile wurden bereits in den Abschnitten 5.1.2 und 5.2.1.1 festgelegt. Der Erwärmungsvorgang wird maßgeblich von der Oberflächentemperatur des Halbzeugs (TO), der Erwärmungsdauer (tIR) und der maximalen Leistung der IR-Strahler (PIR) beeinflusst. Zur Bestimmung dieser Einflussgrößen wurden umfangreiche Vorunter-suchungen durchgeführt. Für das rasche Erreichen der Matrix-Schmelztemperatur auf der Halbzeuginnenseite ist eine gute Wärmeleitfähigkeit des Halbzeugs in Dicken-richtung und eine möglichst hohe Oberflächentemperatur erforderlich. Dabei darf jedoch die Zersetzungstemperatur des Matrixpolymers von 320 °C nicht überschritten werden (siehe Abschnitt 5.2.1.1). Da während des Erwärmungsvorgangs Regel-abweichungen auftreten, wurde eine Oberflächentemperatur von TO = 300 °C festgelegt [148]. In Abb. 5-16 wird ersichtlich, dass die leicht überschwingende Oberflächen-temperatur stets unterhalb der ZersetzungsOberflächen-temperatur liegt (Mittelwert der Pyrometer in den Zonen 1 bis 6, siehe Abschnitt 5.2.2.3). Um ein zu starkes Überschwingen der Oberflächentemperatur während der Aufheizphase zu unterbinden, wurde die maximale IR-Strahlerleistung auf 19,7 kW begrenzt [70]. Dies entspricht einer Drosselung auf 70 % der maximal möglichen IR-Strahlerleistung (siehe Abschnitt 5.2.2.1). Der Verlauf der relativen IR-Strahlerleistung über die Zeit ist in Abb. 5-16 dargestellt. Zur Bestimmung der erforderlichen Erwärmungsdauer (tIR) wurde die Halbzeuginnenfläche mit zwei Temperatursensoren versehen (technische Details siehe Anhang, Tab. A-1).

Der Temperaturverlauf in Abb. 5-16 zeigt, dass bei einer Oberflächentemperatur von 300 °C und einer relativen IR-Strahlerleistung von 70 % nach 35 Sekunden die Matrix-Schmelztemperatur auf der Halbzeuginnenseite (TI) erreicht wird. Durch die hohe Oberflächentemperatur des Halbzeugs steigt die Temperatur auf der Halbzeuginnenseite nach Beendigung der Erwämung weiterhin leicht an. Nach dem Schließvorgang des Formwerkzeugs (Dauer: 9 Sekunden) wird der Blasschlauch gemäß Abb. 5-16 mit Umformdruck beaufschlagt. Zu diesem Zeitpunkt beträgt die Temperatur auf der Halb-zeuginnenseite 225 °C. Sie liegt damit leicht über der ermittelten Schmelztemperatur für PA6-CF ±75° von 221,3 °C (siehe Tab. 5-7).

Abb. 5-16: Experimentelle Bestimmung der Erwärmungsdauer Halbzeug: PA6-CF ±75°, TO: 300 °C, PIR: 19,7 kW.

Die Veränderung der Formwerkzeugtemperatur (TWZ) zwischen 60 und 120 °C zeigte beim Hohlprofilbauteil WZ 13.6 keinen nennenswerten Einfluss auf die Bauteil-qualität [70]. Formwerkzeugtemperaturen über 120 °C beeinflussten hingegen in Vor-versuchen die Qualität des Hohlprofilbauteils WZ 10.3 positiv [149]. Bei Form-werkzeugtemperaturen über 150 °C trat trotz Trennmittel eine Halbzeuganhaftung und in weiterer Folge eine starke Verunreinigung der Werkzeugkavität auf [149]. Für detaillierte Untersuchungen zum Einfluss der Formwerkzeugtemperatur wurden drei Temperaturstufen – 120, 135 und 150 °C – festgelegt (siehe auch Tab. 5-10).

Die Höhe des Umformdrucks (pu) sowie die Dauer der Druckbeaufschlagung (tu) stellen zwei weitere Einflussgrößen dar (siehe Abb. 5-15). Aufgrund der Anlagentechnik ist der maximale Umformdruck auf 50 bar begrenzt (siehe Abschnitt 5.2.2.1). In Vor-untersuchungen wies das Hohlprofilbauteil WZ 13.6 mit steigendem Umformdruck eine verbesserte Bauteilqualität auf [70]. Um diesen Einfluss in Abhängigkeit von Hohlprofilbauteil und Halbzeug näher zu untersuchen, wurde ein minimaler druck von 20 bar, ein mittlerer Umformdruck von 35 bar und ein maximaler Umform-druck von 50 bar festgelegt. Abb. 5-17 illustriert den Aufbau der Umformdrücke im Blasschlauch.

Erwärmungsdauer tIR: 35s Schließ-vorgang: 9s

Start Erwärmung Ende Erwärmung Start Umformdruck

Temperatur Halbzeugoberfläche TO

(Zone 1-6)

Abb. 5-17: Experimentelle Bestimmung der Umformdruckdauer Werkzeugschließzeit: 34 Sekunden.

Wie lange der Umformdruck mindestens aufrechterhalten werden muss, um eine voll-ständige Drapierung des Halbzeugs in der Werkzeugkavität sicherzustellen, wurde ebenfalls anhand von experimentellen Voruntersuchungen ermittelt. Bei minimaler Formwerkzeugtemperatur (TWZ: 120 °C) und minimalem Umformdruck (pu: 20 bar) fand eine vollständige Umformung des Hohlprofilbauteils WZ 10.3 erstmalig nach 14 Sekunden statt [149]. Eine längere Umformdruckdauer zeigte keinen Einfluss auf die Bauteilqualität. Abb. 5-17 verdeutlicht, dass der voreingestellte Umformdruck spätestens nach 3,6 Sekunden (pu: 50 bar) im Blasschlauch vorliegt. Daraus resultiert eine effektive Umformdruckdauer von ca. 10 Sekunden. Für die Abkühlung des Hohlprofilbauteils blieb das Formwerkzeug nach Beendigung des Umformdrucks weitere 20 Sekunden geschlossen (= Abkühldauer tA). Der Umformdruck im Blasschlauch reduziert sich bis dahin auf Atmosphärendruck (siehe Abb. 5-17).

Die aus den Vorversuchen und der Versuchsplanung resultierenden Prozessparameter zur Umformung hohlprofilförmiger Halbzeuge sind in Tab. 5-10 zusammengefasst (siehe Abschnitt 5.2.4). Zur Untersuchung der Einflussgrößen Halbzeug, Hohlprofil-bauteil, Formwerkzeugtemperatur und Umformdruck waren unter Verwendung eines vollfaktoriellen Versuchsplans insgesamt 270 Umformversuche erforderlich (drei Wiederholungen je Parameterkombination).

In Tab. 5-9 ist die Versuchsanzahl den drei Halbzeugen (PA6-CF ±75°, PA6-GF ±75°, PA6-GF ±45°) und Hohlprofilbauteilen zugeordnet. Das Halbzeug PA6-GF ±45° wurde aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit lediglich in Kombination mit WZ 25.5 und WZ 35.8 herangezogen.

0 10 20 30 40 50

60 20 bar 35 bar 50 bar

Start Umformdruck

Umformdruck pu[bar]

Umformdruckdauer tu: 14s

Zeit [s]

Ende Umformdruck

Abkühldauer tA: 20s

Tab. 5-9: Anzahl der Versuche in Abhängigkeit von Material und Hohlprofilbauteil