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4.4 Funktionalisierung

4.4.2 Technische Umsetzung des Krafteinleitungselements

Die Grundlage für das neuartige, zweiteilige Krafteinleitungselement zur Funktionali-sierung von Hohlprofilbauteilen stellt die zu Beginn von Abschnitt 4.4 bereits erwähnte Kugelgeometrie dar (siehe Abb. 4-15 oben). Zunächst wird ein Kugelverbindungs-element aus thermoplastischem Kunststoff stoffschlüssig mit dem Hohlprofilbauteil verbunden [137]. Anschließend wird ein Clipelement (vergleiche Abb. 4-15 unten) aufgeclipst. Im Clip konstruktiv vorgesehene Rastelemente ragen in einen Hinterschnitt-bereich des Kugelverbindungselements. Unter dem Begriff Hinterschnitt ist der Bereich zwischen der Äquatorebene und der Oberfläche des Hohlprofilbauteils zu verstehen (siehe Abb. 4-15 oben). Zwischen Clipelement und Kugelverbindungselement entsteht ein Formschluss, der sich einer auf das Clipelement einwirkenden „Abziehkraft“

widersetzt und somit eine Krafteinleitung in das Hohlprofilbauteil ermöglicht.

Durch den modularen Aufbau des zweiteiligen Krafteinleitungselements lassen sich bspw. Geometrie und Material des Clipelements an die individuellen Funktions-anforderungen anpassen, ohne dabei das Kugelverbindungselement zu beeinflussen. Die spezifische Anpassung des Kugelverbindungselements an den Matrixwerkstoff des Hohlprofilbauteils ist wiederum ohne eine Veränderung des Clipelements möglich. Die zerstörungsfreie Demontage des Clipelements ist bei flexibel gestalteten Rastelementen (analog zu Schnapphaken [76]) ebenfalls möglich. Durch das stoffschlüssige Auf-bringen des Kugelverbindungselements kommt es zu keiner lokalen Faserschädigung.

Abb. 4-15: Schematische Darstellung zum Funktionsprinzip des Krafteinleitungselements [138]

Oben: Aufgeschweißtes Kugelverbindungselement. Unten: Clipelement.

Die Akustiktrennung (z. B. NVH) und Medienabschirmung (z. B. Wassereintritt ins Bauteilinnere) des Hohlprofilbauteils werden durch das Element ebenfalls nicht beein-trächtigt, da zur Krafteinleitung keine Bohrungen erforderlich sind. Der gewählte Kugeldurchmesser von 6,35 mm (= ¼ Zoll) ist ein Standardmaß, unter anderem im Bereich der Kunststoff-Kugellager. So wird eine gute Verfügbarkeit, ein geringer Bauraumbedarf und eine kostengünstige Beschaffung des Kugelverbindungselements sichergestellt. Die Kugelgeometrie verringert außerdem das Verletzungsrisiko bei der Montage. Die Dimensionierung von Kugelverbindungselement und Clipelement ist leicht skalierbar. Dadurch können die mechanischen Eigenschaften (z. B. Kugel-durchmesser, Größe der Rastelemente etc.) anwendungsspezifisch variiert werden.

Das Krafteinleitungselement wird mithilfe der Ultraschall-Fügetechnik stoffschlüssig auf das Hohlprofilbauteil aufgeschweißt. Verglichen mit anderen Fügetechnologien weist das Verfahren sehr kurze Durchlaufzeiten auf [139]. Für hohe Stückzahlen ist ein robuster, hochautomatisierbarer Fügeprozess umsetzbar. Gleichzeitig besteht, bei Verwendung von Handschweißgeräten, im Falle eines Produktionsfehlers eine Nach-arbeitsmöglichkeit (siehe Anforderungen in Abschnitt 3.1). Abb. 4-16 zeigt schematisch die Funktionsweise und den Aufbau der Ultraschallschweißanlage. Zunächst erfolgt die Aufnahme des Kugelverbindungselements mittels Vakuum. Dazu ist die Sonotrode mit einem Ansaugkanal versehen, der in einer mulden- oder kugelkalottenförmigen Auf-nahme mündet, siehe Abb. 4-16 [137]. Die rotationssymmetrischen Eigenschaften des Kugelverbindungselements erlauben eine besonders einfache Zuführung oder Auf-nahme, da die geometrische Lage nicht zu berücksichtigen ist. Zur Automatisierung des Schweißprozesses kann das Kugelverbindungselement aus einem Schüttgutbehälter der Sonotrodenspitze zugeführt werden.

Clipelement Kugelverbindungselement

Hinterschnitt Äquator

Hohlprofilbauteil

y

x

Beim manuellen Schweißprozess wird unter Zuhilfenahme eines Handgeräts ein Kugel-verbindungselement aus einem Reservoir entnommen. Anschließend wird die Sonotrode inklusive Kugelverbindungselement an das Hohlprofilbauteil herangeführt und der Schweißprozess gestartet. Die vom Konverter erzeugten Schwingungen werden über die Sonotrode und deren kugelkalottenförmige Aufnahme an das Kugelverbindungselement übertragen. Aus der vollständigen Symmetrie des Kugelverbindungselements ergibt sich stets eine punktförmige Berührung mit der Oberfläche des Hohlprofilbauteils. Ähnlich der Funktionsweise eines Energierichtungsgebers (ERG) werden die Ultraschallwellen somit im Berührpukt gebündelt und es kommt zu einem gezielten Plastifizieren der Fügezone.

Abb. 4-16: Schematische Darstellung zum Funktionsprinzip der Ultraschallschweißanlage zur Aufbringung eines Kugelverbindungselements nach [137]

Abb. 4-17 zeigt den geometrischen Unterschied zwischen einem kegel- bzw. noppen-förmigen Energierichtungsgeber gemäß DVS (Deutscher Verband für Schweißen und verwandte Verfahren e. V.) und dem Kugelverbindungselement [140]. Verglichen mit ERG kommt es beim Abschmelzen der Kugel zu einem etwas stärkeren Anstieg der Schweißfläche. Um jederzeit ein formschlüssiges Verrasten des Clipelements sicher-zustellen, wurde bei einem Kugelverbindungselement mit einem Durchmesser von 6,35 mm eine Resthöhe nach dem Fügeprozess von 5,7 ± 0,2 mm definiert. Daraus leitet sich der in Abb. 4-17 eingezeichnete Schweißweg von 0,65 ± 0,2 mm ab.

Ultraschallwandler (Konverter)

kugelkalottenförmige Aufnahme

Luftkanal Vakuum

Sonotrode

Aufnahme & Fixierung Kugel

Hohlprofilbauteil

Kugelverbindungselement

Abb. 4-17: Schematischer Vergleich der Energierichtungsgeber Alle Maße in mm.

Neben den geometrischen und funktionalen Vorzügen des Krafteinleitungselements bietet die Prozesstechnik folgende Vorteile [138]:

• Dank sehr kurzer Schweißzeiten ist eine kurze Prozesszeit zur Aufbringung des Krafteinleitungselements sichergestellt.

• Vor dem Aufschweißen ist keine spezielle Oberflächenvorbehandlung der Fügezone vonnöten.

• Die Rotationssymmetrie des Elements erlaubt eine einfache Zuführung und Handhabung im Schweißprozess, da keine spezielle Positionierung erfor-derlich ist.

• Ein flexibles Aufschweißen des Krafteinleitungselements nach der Bauteil-herstellung ist mittels hochautomatisierter Schweißanlage oder Handgerät möglich.

• Bei ausreichender Steifigkeit des Faserverbundbauteils ist ein einseitiges Fügen möglich.

• Bei Variation der Krafteinleitungszone muss das Spritzguss- oder Form-werkzeug nicht angepasst werden.

• Die einfache Reparaturfähigkeit ist durch Aufschweißen eines neuen Elements (z.B. mittels Handgerät) gegeben.

Nach einer detailliertern Beschreibung der fünf wesentlichen Prozessschritte des FuHo-Verfahrens und der darauf aufbauend realisierten Anlagentechnik befassen sich die folgenden beiden Abschnitte mit den experimentellen Untersuchungen zur Herstellung von Hohlprofilbauteilen (Kapitel 5) und deren Funktionalisierung (Kapitel 6).

0,65 ±0,2

90°

S Ø6,35 Energierichtungsgeber

(DVS)

5 Experimentelle Untersuchungen zur Herstellung von Hohlprofilbauteilen

Das Kapitel zur Herstellung von Hohlprofilbauteilen betrachtet mit der Abdichtung, Erwärmung und Umformung die ersten drei Prozessschritte des FuHo-Verfahrens (vergleiche Abschnitt 3.1). Für die Umformung werden einleitend in Abschnitt 5.1 die unterschiedlichen Komplexitätsgrade und die geometrische Gestaltung der Hohlprofil-bauteile definiert. Darauf aufbauend befasst sich Abschnitt 5.2 mit den experimentellen Untersuchungen zur Umformung der hohlprofilförmigen Halbzeuge. Die Ergebnisse der Versuchsreihen werden in Abschnitt 5.3 vorgestellt und analysiert. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse (siehe Abschnitt 5.4).

5.1 Definition der Komplexitätsgrade und