Die in Abschnitt 7.1 beschriebene Konstruktion des Hohlprofilbauteils steht in engem Zusammenhang mit dem Formwerkzeug. Abschnitt 7.2.1 befasst sich daher mit den konstruktiven Randbedingungen des Formwerkzeugs. Neben dem Formwerkzeug spielt der Blasschlauch eine entscheidende Rolle bei der Halbzeugumformung. Dessen Charakteristika werden in Abschnitt 7.2.2 betrachtet.
7.2.1 Formwerkzeug
Aus den experimentellen Untersuchungen und Ergebnissen zur Umformung hohl-profilförmiger Halbzeuge sind für das Formwerkzeug folgende Richtlinien ableitbar.
Breite der Werkzeugkavität
Im Falle eines zweiteiligen Formwerkzeugs muss die Breite der Werkzeugkavität in der Werkzeugtrennebene mindestens der Breite des Halbzeugs entsprechen (vergleiche Abb. 7-9). Bei einem hohlprofilförmigen Halbzeug mit Kreisquerschnitt bedarf es also einer Breite, die mindestens dem Außendurchmesser (DH) entspricht. Andernfalls wäre eine Quetschung des Halbzeugs zwischen den beiden Formwerkzeughälften un-vermeidlich.
Tauchkante
Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein zweiteiliges Formwerkzeug konzeptioniert, welches die Vorteile eines Abquetsch- und eines Tauchkantenwerkzeugs miteinander kombiniert (siehe Abschnitt 4.3.1). Dank dieses Formwerkzeugs wird zum einen die Umfangs-gleichheit des Hohlprofilbauteils sichergestellt (siehe Abschnitt 7.1.1) und zum anderen der Quetschgrat weitestgehend ausgeschlossen [133]. Letzterer wird durch eine Tauch-kante vermieden, wobei das Schwert des Oberteils gemäß Abb. 7-9 in die Tasche des Unterteils eintaucht, um die Werkzeugkavität frühzeitig zu schließen. Die rasche Ab-nutzung der konstruktiv entstehenden Messerkante ist zu vermeiden, indem das Form-werkzeug, zumindest in diesem Bereich, in gehärtetem Stahl ausgeführt wird. Der in Abb. 7-9 ersichtliche Spalt zwischen Messerkante und Tasche wird vor allem von der Genauigkeit der verwendeten Schließeinheit bestimmt. Er ist auf ein Minimum zu reduzieren, da andernfalls das in diesem Bereich ausbauchende Halbzeug während des Schließvorgangs in den Spalt eingezogen wird.
Abb. 7-9: Breite der Werkzeugkavität und Tauchkante eines zweiteiligen Formwerkzeugs
Werkstoff und Temperierung
Zweckmäßigerweise wird das Formwerkzeug aus härtbarem Stahl hergestellt. Die hohe Wärmeleitfähigkeit des metallischen Werkstoffs erlaubt eine präzise Temperierung des Formwerkzeugs und ermöglicht eine rasche Wärmeabfuhr aus dem umgeformten Halb-zeug [173]. Ober- und Unterteil des FormwerkHalb-zeugs müssen mit einem Fluid variotherm temperiert werden, um bei geringer Durchlaufzeit reproduzierbar hohe Aufheiz- und Abkühlraten zu gewährleisten [155]. Zur Erzielung glatter Bauteiloberflächen und eine verbesserte Entformbarkeit kann die Werkzeugkavität poliert werden [174].
Mehrteiligkeit
In Abhängigkeit von der Bauteilkonstruktion ist der Einsatz eines mehrteiligen Form-werkzeugs erforderlich. Dies ist insbesondere bei Hohlprofilbauteilen mit Hinterschnei-dungen der Fall, die den Einsatz von Schiebern bedingen. Erfordern die konstruktiven Rahmenbedingungen ein Hohlprofilbauteil, dessen Breite nicht mindestens der Halbzeugbreite entspricht, so kann die Breite der Werkzeugkavität (in der Werkzeug-trennebene) mit einem mehrteiligen Formwerkzeug reduziert werden. Die Bewegung der Schieber kann mechanisch, hydraulisch oder pneumatisch erfolgen. Für die Dimensionierung sind die Schieberfläche und der Umformdruck (= Auftreibkraft) entscheidend [175]. Mit der erhöhten Komplexität des Formwerkzeugs gehen gegen-über einem zweiteiligen Formwerkzeug, steigenden Herstellkosten einher (z. B. für Schieber und Temperierung).
Schwert Detail Tauchkante
Tasche Messerkante Oberteil
Unterteil
y
x Breite der
Werkzeug-kavität
Spalt
7.2.2 Blasschlauch
Im Hinblick auf den Blasschlauch sind für eine Halbzeugumformung folgende Rand-bedingungen von Belang.
Abmessung
Bezogen auf die Querschnittsgeometrie des Halbzeugs kann der Blasschlauch grund-sätzlich drei verschiedene Abmessungen aufweisen [176]: Untermaß, exaktes Maß oder Übermaß. Für das FuHo-Verfahren erwiesen sich insbesondere Blasschläuche mit Untermaß als geeignet (siehe Abschnitt 4.1.2.1). Anderenfalls wird dem Halbzeug während des Erwärmungsvorgangs durch den anliegenden Blasschlauch Wärme entzogen. Darüber hinaus erleichtert das Untermaß das Einbringen des Blasschlauchs in das Halbzeug und die Entformung aus dem Hohlprofilbauteil. Durch die nachträgliche Enformung des Blasschlauchs kann dieser wiederverwendet werden (siehe auch Abschnitte Werkstoff und Wandstärke). Zudem wird zusätzliches Bauteilgewicht vermieden. Der Blasschlauch muss aufgrund des Untermaßes ein hochelastisches Verhalten aufweisen, da anderenfalls bei der Druckbeaufschlagung keine Halbzeug-umformung möglich ist.
Werkstoff
Aus der Prozesstechnik resultieren hohe Dehnungsanforderungen (Untermaß) an den Blasschlauch, weshalb als Werkstoff Elastomere einzusetzen sind. Darüber hinaus muss der Blasschlauch eine Temperaturbeständigkeit aufweisen, die mindestens der Matrix-Schmelztemperatur des Halbzeugs entspricht. Für eine Wiederverwendbarkeit des (Mehrweg-)Blasschlauchs ist eine hohe Robustheit erforderlich. Daher werden für eine Großserienanwendung Blasschläuche aus Silikon empfohlen, die mit konstantem Querschnitt und gleichbleibender Wandstärke als extrudiertes Halbzeug zu beziehen sind. Für die Prototypen- und Kleinserienfertigung eignen sich vulkanisierte, aus Elastomerfolien hergestellte Blasschläuche. [176]
Querschnittsgeometrie
Die Querschnittsgeometrie des Blasschlauchs wird im Wesentlichen von der Quer-schnittsgeometrie des Halbzeugs bestimmt. Weist der Querschnitt des Halbzeugs ein gleichmäßiges Verhältnis von Höhe zu Breite auf (z. B. Kreisquerschnitt, quadratischer Querschnitt etc.), darf gemäß Abb. 7-10 ein Blasschlauch mit Kreisquerschnitt verwendet werden. Bei einem Querschnitt mit hohem Seitenverhältnis (z. B. flacher Rechtecksquerschnitt) kann hingegen kein Blasschlauch mit Kreisquerschnitt zur Anwendung kommen, da dieser bei der Druckbeaufschlagung zu hohen Dehnungen ausgesetzt wäre. In diesem Fall ist der Blasschlauch mit Untermaß an die Quer-schnittsgeometrie des Halbzeugs zu adaptieren (siehe Abb. 7-10 rechts).
Abb. 7-10: Querschnittsgeometrie des Blasschlauchs in Abhängigkeit vom Halbzeug.
Wandstärke
Folgende drei Kriterien sind nach einer Werkstoff- und Querschnittsauswahl bei der Festlegung der Wandstärke zu beachten:
• Die Dehnung bei maximalem Umformdruck darf nicht zum Bersten führen.
• Der minimale Außen- (Ra) und Innenradius (Ri) des Hohlprofilbauteils muss ausformbar sein.
• Wandstärken unter 1,5 mm sind aufgrund der Robustheitsanforderungen (Mehrweg-Blasschlauch) zu vermeiden.
Variierende Elastizität
Lokal variierenden Elastizitätseigenschaften ermöglichen bei der Umformdruckbeauf-schlagung das Dehnungsverhalten des Blasschlauchs gezielt zu beeinflussen. Abb. 7-11 zeigt schematisch einen solchen Blasschlauch mit unterschiedlicher Elastizität (z. Β. E1 bis E3) in der Längsrichtung. In weiterer Folge ließe sich dadurch die Drapierung des Halbzeugs gezielt steuern. Entgegen dem herkömmlichen Umformverhalten (Blas-schlauch mit konstanten Elastizitätseigenschaften) wäre eine bauteilspezifische Aus-formung von Bauteilradien und Geometriemerkmalen (z. B. Nut) bereits zu Beginn der Halbzeugumformung möglich. Daraus resultieren wiederum geringere Drapierwege und gleichmäßigere Wandstärkenverläufe (siehe Abschnitte 5.3.1.1 und 5.3.1.4). Verglichen mit einem handelsüblichen Blasschlauch ist durch das komplexere Herstellungs-verfahren mit Mehrkosten zu rechnen.
Abb. 7-11: Schematische Darstellung eines Blasschlauchs mit lokal unterschiedlichen Elastizitätseigenschaften (z. B. E1 bis E3)
Kreisquerschnitt Adaptierter Querschnitt
Blasschlauch
Kreisquerschnitt
Halbzeug
E1
E2 E3